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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 06.05.2008, RV/0616-W/08

Durchführung einer Vollstreckung nach vorhergehender Einstellung der Vollstreckung.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0616-W/08-RS1
Die Verwendung eines Rückstandsausweises in einem abgeschlossenen Vollstreckungsverfahren hindert die Abgabenbehörde nicht, diesen - etwa bei einem erfolglosen Vollstreckungsverfahren - in einem weiterem Vollstreckungsverfahren zu verwenden. Auch kann die Abgabenbehörde durch die wiederholte Ausstellung von mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung versehenen Rückstandsausweisen über ein und dieselbe Abgabenforderungen wiederholt Exekutionstitel schaffen.
RV/0616-W/08-RS2
Der Einstellungsbeschluss betrifft nur dieses Exekutionsverfahren und bewirkt als Gegenstück zum Exekutionsbewilligungsbeschluss die Aufhebung der staatlichen Zwangsgewalt; nicht wird hingegen dadurch über die Exekutionskraft des der Exekution zugrunde liegenden Exekutionstitels und über den Bestand des betriebenen Anspruchs abgesprochen. Die Rechtskraftwirkung des Einstellungsbeschlusses beschränkt sich somit ausschließlich auf das betreffende Exekutionsverfahren.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des WV, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einwendungen gegen die Durchführung der Vollstreckung gemäß § 13 AbgEO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom erhob der Berufungswerber (Bw.) Einwendungen gegen die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen, nämlich die Einbringungsversuche vom , und .

Mit Bescheiden vom und sei die Vollstreckung des aushaftenden Abgabenrückstandes (€ 91.119,40 bzw. € 92.039,91) gemäß § 16 AbgEO eingestellt worden. Diese Einstellung der Vollstreckung sei rechtskräftig und damit für das Finanzamt bindend. Infolgedessen seien Vollstreckungsmaßnahmen und damit auch die Einbringungsversuche am , und gesetzwidrig und damit unzulässig. Daher seien die Einbringungsversuche gemäß § 13 Abs. 2 AbgEO iVm § 12 Abs. 4 AbgEO einzustellen und zu unterlassen.

Das Finanzamt wies die Einwendungen mit Bescheid vom ab.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Bw. aus, dass unbestritten ein rechtskräftiger Exekutionstitel über derzeit noch aushaftende € 92.031,69 bestehe. Es sei weiters unbestritten, dass die Vollstreckung auf Grund diese Exekutionstitels im Umfang von € 92.039,91 mit Bescheiden vom und gemäß § 16 AbgEO eingestellt worden sei.

Eine einmal eingestellte Exekution dürfe auf Grund desselben Exekutionstitels nach der ständigen Rechtsprechung (seit ZBl. 1929 Nr. 329) nie mehr fortgesetzt werden. Trotz eingestellter Vollstreckung vorgenommene Vollstreckungsschritte seien daher unzulässig und gesetzwidrig und zwar auch dann, wenn sie nur deshalb gesetzt würden, um der Verjährung der Einhebung entgegenzuwirken. Das habe das Finanzamt verkannt.

Die Uneinbringlichkeit der Abgaben sei sehr wohl bereits eingetreten, sodass die Fortsetzung und Durchführung von Vollstreckungmaßnahmen keinen die Vollstreckungskosten übersteigenden Ertrag ergeben könnten, weil der Bw. kein pfändbares Einkommen und Vermögen besitze. Der Bw. beziehe nur unpfändbare Notstandshilfe, wie aus der AMS-Bestätigung vom ersichtlich sei. Die Wohnungseinrichtungsgegenstände in seiner Mietwohnung stünden schon seit 1989 im Eigentum des WF. Sie seien schon einmal vom Finanzamt gepfändet worden (Pfändungsprotokoll vom 27. Febraur 1998); doch habe diese Pfändung auf Grund des Widerspruches des WF mit Bescheid vom wieder aufgehoben werden müssen. Der vorhandene Hausrat sei gemäß § 29 Z 1 AbgEO unpfändbar. Der Bw. besitze auch keinerlei Geldforderungen gegen Dritte oder sonstiges Finanzvermögen, sodass auch diesbezüglich nichts Pfändbares vorhanden sei.

Diese Uneinbringlichkeit des Abgabenrückstandes sei auch schon vom Finanzamt festgestellt worden und habe die Vollstreckungseinstellungsbescheide vom und zur Folge gehabt.

Mit Eingabe vom brachte der Bw. ergänzend vor, dass die Rückstandsausweise vom , und über die aushaftenden € 92.031,69 keine Fortsetzung der bereits rechtskräftig eingestellten Vollstreckung rechtfertigten, weil diese Rückstandsausweise keine neuen Rückstandsausweise seien, sondern lediglich formale Neuausstellungen bzw. Neuauflagen des Rückstandsausweises vom , welcher bereits über die aushaftenden € 92.031,69 ausgestellt und dem Vollstreckungseinstellungsbescheid vom zugrunde gelegt worden sei. Da somit der Rückstand seit rechtskräftiger Einstellung der Vollstreckung per unverändert - wie im Rückstandsausweis vom - € 92.031,69 betrage, seien die Rückstandsausweise vom , und keine neuen Rückstandsausweise über neue Rückstände, sondern bloß formale Neuausstellungen bzw. Neuauflagen des Rückstandsausweises vom , der Grundlage für die Einstellung der Vollstreckung gewesen sei, und daher auch keine neuen Exekutionstitel für die Fortsetzung der Vollstreckung.

Auch hätten seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse (laut Einwendungen vom ) seit der Vollstreckungseinstellung keine Änderung erfahren, sodass auch eine Wiederaufnahme des Vollstreckungsverfahrens unzulässig sei.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.

In dem dagegen eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz hielt der Bw. der Berufungsvorentscheidung entgegen, dass die Einstellung der Exekution infolge Widerspruchs des WF mit Bescheid vom und nicht mit Bescheiden und erfolgt sei. Die Einstellungsbescheide vom und seien ausschließlich auf Grund seier Einstellungsanträge vom bzw. ergangen, in welchen die Uneinbringlichkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 AbgEO geltend gemacht worden sei.

Seine Einwendungen gründeten sich auf § 13 Abs. 1 AbgEO und nicht auf § 12 AbgEO.

Eine neuerliche Exekution trotz aufrechten Exekutionseinstellungsbescheides sei nur auf Grund eines neuen Exekutionstitels (Rückstandsausweis über neuen Rückstand hinsichtlich Höhe, Fälligkeit oder Abgabenart) zulässig. Im Berufungsfalle lägen keine neuen Exekutionstitel vor, sondern nur Neuausdrucke jener beiden alten Exekutionstitel, hinsichtlich derer die Einstellungsbescheide vom und ergangen seien.

Die Uneinbringlichkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 AbgEO sei bereits an Ort und Stelle am Wohnort überprüft worden. Daher seien auch bereits alle in der Wohnung befindlichen vermögenswerten Gegenstände (Wohnungseinrichtungsgegenstände, Hausrat) und die Eigentumsverhältnisse daran aktenkundig. Sie seien im Pfändungsprotokoll vom in 19 Positionen und im Bescheid vom angeführt. Das Finanzamt könne daher allein auf Grund der Aktenlage beurteilen, dass Uneinbringlichkeit vorliege, so wie es das auch bei Entscheidung über seine Einstellungsanträge vom und getan habe, zumal das Finanzamt nicht einmal andeutungsweise behaupte, dass in der Zwischenzeit pfändbare Vermögensteile in seine Wohnung gebracht worden wären, die einen neuerlichen Augenschein an Ort und Stelle gerechtfertigt erscheinen ließen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Wenn der Abgabenschuldner bestreitet, dass die Vollstreckbarkeit eingetreten ist oder wenn er behauptet, dass das Finanzamt auf die Einleitung der Vollstreckung überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet hat, so hat er gemäß § 13 Abs. 1 AbgEO seine bezüglichen Einwendungen beim Finanzamt (§ 12, Abs. (2)) geltend zu machen.

Gemäß § 13 Abs. 2 AbgEO finden die Bestimmungen des § 12, Abs. (3) und (4), sinngemäß Anwendung.

Unbestritten ist, dass den gegenständlichen Vollstreckungsmaßnahmen (Einbringungsversuche vom , und ), gegen deren Durchführung der Bw. die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Einwendungen erhob, die Rückstandsausweise und Vollstreckungsaufträge vom , und zugrunde lagen.

Der Meinung des Bw., dass die Vollstreckung unzulässig sei, weil kein neuer Exekutionstitel vorliege, sondern bloß eine Neuauflage bzw. ein Neuausdruck des Rückstandsausweises vom , welcher dem Vollstreckungseinstellungsbescheid vom zugrunde gelegt worden sei, ist zu entgegnen, dass die Verwendung eines Rückstandsausweises in einem abgeschlossenen Vollstreckungsverfahren die Abgabenbehörde nicht hindert, diesen - etwa bei einem erfolglosen Vollstreckungsverfahren - in einem weiterem Vollstreckungsverfahren zu verwenden. Auch kann die Abgabenbehörde durch die wiederholte Ausstellung von mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung versehenen Rückstandsausweisen über ein und diese Abgabenforderungen wiederholt Exekutionstitel schaffen (vgl. Liebeg, AbgEO-Kommentar, § 13 Rz 6).

Sie sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () öffentliche Urkunden über Bestand und Vollstreckbarkeit von Abgabeschulden, nicht aber Bescheide. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/17/0454, stellen sie bloß aus den Rechnungsbehelfen der Behörde gewonnene Aufstellungen über Zahlungsverbindlichkeiten dar, die aber rechtserheblich und zufolge des § 4 AbgEO unabdingbare Voraussetzung im Vollstreckungsverfahren (Exekutionstitel) sind.

Gemäß § 229 BAO ist ein Rückstandsausweis über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten auszufertigen. Demzufolge liegt eine Rechtswidrigkeit von Rückstandsausweisen dann vor, wenn in diesen die Vollstreckbarkeit nicht (mehr) vollstreckbarer Abgabenschulden bestätigt wird. Rechtswidrig sind etwa Rückstandsausweise, mit welchen die Vollstreckbarkeit von Abgabenschuldigkeiten bestätigt wird, welche bereits getilgt sind bzw. hinsichtlich derer das Recht zur Einhebung bzw. zwangsweisen Einbringung (Vollstreckbarkeit) nach § 238 Abs 1 BAO bereits verjährt ist. Über Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit von Rückstandsausweisen ist im Falle ihrer Strittigkeit bescheidmäßig nach § 13 AbgEO abzusprechen ().

Eine Tilgung oder der Eintritt der Einhebungsverjährung der in den Rückstandsausweisen ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten wurde vom Bw. nicht behauptet. Der Erhebung der Einwendungen auf Grund des Umstandes, dass hinsichtlich der vollstreckungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bereits ein Vollstreckungsverfahren eingestellt worden sei, sodass die Abgabenbehörde an ihre im Rechtsbestand aufrechten Vollstreckungseinstellungsbescheide gebunden sei, ist entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ( f) die erfolgte Einstellung nach § 39 Abs 1 Z 6 EO einer neuerlichen Exekutionsbewilligung schon deshalb nicht entgegensteht, weil sich die Rechtskraftwirkung des Einstellungsbeschlusses auf das eingestellte Exekutionsverfahren beschränkt und die Frage des weiteren Bestands des im Exekutionstitel verbrieften betriebenen Anspruchs anlässlich der Exekutionsbewilligung nicht von Amts wegen zu prüfen ist. Es ist vielmehr Sache des Verpflichteten, das Erlöschen des Anspruchs im Wege eines Antrags nach § 40 EO oder einer Klage nach § 35 EO geltend zu machen.

Dass die Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses gemäß § 39 Abs 1 Z 6 EO eine neuerliche Exekutionsbewilligung zur Hereinbringung dieser Forderung nicht verhindert, wird auch durch die einhelligen Lehre (Jakusch in Angst, EO § 39 Rz 90; Rechberger, Die fehlerhafte Exekution 198; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren² Rz 284; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht4 123; Rebernig in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 39 Rz 90) bestätigt, weil der Einstellungsbeschluss nur dieses Exekutionsverfahren betrifft und als Gegenstück (contrarius actus) zum Exekutionsbewilligungsbeschluss die Aufhebung der staatlichen Zwangsgewalt bewirkt; nicht wird hingegen dadurch über die Exekutionskraft des der Exekution zugrundeliegenden Exekutionstitels und über den Bestand des betriebenen Anspruchs abgesprochen. Die Rechtskraftwirkung des Einstellungsbeschlusses beschränkt sich somit ausschließlich auf das betreffende Exekutionsverfahren.

Der Annahme einer materiellen Rechtskraft des Einstellungsbescheides bedarf es auch nicht, weil der Abgabenschuldner sich gegen wiederholte Exekutionen ohnehin mit Einwendungen gemäß §§ 12 und 13 AbgEO und Anträgen gemäß § 16 AbgEO wehren kann.

Da somit keine Rechtswidrigkeit des dem Vollstreckungsauftrag zugrunde liegenden Rückstandsausweises aufgezeigt wurde, erfolgte die Abweisung der Einwendungen gemäß § 13 AbgEO zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 13 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
Schlagworte
Rückstandsausweis
Vollstreckungsauftrag
Exekutionstitel
Einstellungsbescheid
Einhebungsverjährung
Tilgung
Rechtskraft
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2008, 227
UFS Newsletter 2008/04

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at