1. Keine Entscheidungspflicht nach § 295 BAO, wenn die Erlassung des Grundlagenbescheides zu keiner Änderung des abgeleiteten Bescheides führt. 2. Sanierungsgewinn nur insoweit zu berücksichtigen, als etwas nach Verlustausgleich aus demselben Betrieb oder aus derselben Einkunftsart verbleibt.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RD/0006-G/11-RS1 | Ein auf § 295 Abs. 1 BAO gestützter Bescheid ist nur dann zu erlassen, wenn hiedurch ein abgeleiteter Bescheid aufgehoben oder abgeändert wird. Würde die nachträgliche Erlassung eines Grundlagenbescheides zu keiner Änderung des abgeleiteten Bescheides führen, so ist kein auf § 295 BAO gestützter unveränderter Bescheid zu erlassen (Ritz, BAO-Kommentar 4. Auflage, § 295 Tz 9). |
RD/0006-G/11-RS2 | Sanierungsgewinn (gemäß § 36 EStG) kann maximal nur das sein, was von einer Betriebsvermögensvermehrung durch Schulderlass nach Ausgleich eines Verlustes aus demselben Betrieb oder aus derselben Einkunftsart verbleibt (Quantschnigg/Schuch, ESt-HB, § 36 Tz 12; sowie zB ). |
Entscheidungstext
Bescheid
Der Unabhängige Finanzsenat hat über den Devolutionsantrag des Dw., vom (betreffend "Neuveranlagung Einkommensteuer 1997 auf Grund § 295 BAO iVm. § 209a BAO") entschieden:
Der Devolutionsantrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Der Devolutionswerber (Dw.) war im Jahr 1997 ua. atypisch stiller Gesellschafter der Mitunternehmerschaft "B-AG & atypisch stille Gesellschaft".
Im Zuge einer bei der genannten Mitunternehmerschaft im Jahr 1999 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung kürzte der Prüfer den erklärten Sanierungsgewinn von zunächst ATS 79.357.256,-- auf ATS 74.480.607,-- und aberkannte für diesen - soweit er auf die atypisch stillen Gesellschafter entfiel (sohin für einen Betrag von insgesamt ATS 60.843.208,--) - die Steuerfreiheit nach § 36 EStG 1988 in der damals maßgeblichen Fassung vor BGBl. Nr. 201/1996 (s. Prüfungsbericht vom , Tz 16 lit. i).
Der Auffassung des Prüfers folgend nahm das Finanzamt das Feststellungsverfahren 1997 mit "Bescheid" vom wieder auf und erließ neue "Sachbescheide", in welchen den stillen Gesellschaftern die Steuerfreiheit für ihre jeweiligen Anteile am Sanierungsgewinn versagt wurde. Im anschließenden Berufungsverfahren stellte sich jedoch heraus, dass der neue Feststellungs-"Bescheid" - ebenso wie die zuvor erklärungsgemäß ergangene (und nunmehr "wiederaufgenommene") Erledigung - rechtsunwirksam erlassen wurde.
Der erste rechtswirksame Feststellungsbescheid für 1997 erging schließlich per . Dieser entsprach inhaltlich dem Ergebnis der im Jahr 1999 durchgeführten - und 2000 abgeschlossenen - Betriebsprüfung. Die Steuerfreiheit für die Anteile der "Stillen" am Sanierungsgewinn wurde also nicht gewährt.
Nach Ausschöpfung des Instanzenzuges sowie nach Anstrengung eines VwGH-Verfahrens sprach der UFS letztendlich - nach Ergehen eines aufhebenden VwGH-Erkenntnisses - mit Berufungsentscheidung vom , RV/0486-G/10, aus, dass die Steuerbegünstigung des § 36 EStG grundsätzlich auch für die Anteile der atypisch stillen Gesellschafter am Sanierungsgewinn zur Anwendung komme.
Mit dem vorliegenden Devolutionsantrag vom begehrt nun der Dw. eine auf § 295 BAO gestützte Anpassung seiner Einkommensteuerveranlagung für 1997. Das für die Veranlagung seiner Einkommensteuer zuständige Finanzamt habe bislang keinen Einkommensteuerbescheid erlassen, welcher die Einkünfte aus seiner Beteiligung an der "B-AG & atypisch stille Gesellschaft" entsprechend der nunmehr gültigen Berufungsentscheidung des berücksichtige. Die Abgabenbehörde erster Instanz habe daher die gemäß 295 BAO von Amts wegen vorzunehmende Einkommensteuerfestsetzung (bzw. Anpassung) mehr als 6 Monate lang unterlassen. Auf Grund der Bestimmung des § 209a BAO würde selbst eine allenfalls bereits eingetretene Verjährung der Anpassung der Einkommensteuerfestsetzung nicht entgegenstehen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97), so kann jede Partei, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat, gemäß § 311 Abs. 2 BAO den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragen (Devolutionsantrag).
§ 295 Abs. 1 BAO normiert: Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben.
Ein auf § 295 Abs. 1 BAO gestützter Bescheid ist nur dann zu erlassen, wenn hiedurch ein abgeleiteter Bescheid aufgehoben oder abgeändert wird. Würde die nachträgliche Erlassung eines Grundlagenbescheides zu keiner Änderung des abgeleiteten Bescheides führen, so ist kein auf § 295 gestützter unveränderter Bescheid zu erlassen (Ritz, BAO-Kommentar 4. Auflage, § 295 Tz 9).
Auf Grund der dargestellten Rechtslage besteht im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Dw. keine Veranlassung, auf Grund der oa. Berufungsentscheidung des eine auf § 295 BAO gestützte Anpassung der Einkommensteuerfestsetzung für 1997 vorzunehmen, und zwar aus folgenden Gründen:
Hinsichtlich der Einkommensteuer 1997 erging an den Dw. zunächst ein Bescheid vom bzw. in weiterer Folge hiezu ein Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO vom . Infolge der Feststellungen im Prüfungsverfahren der "B-AG & atypisch stille Gesellschaft" bzw. der darauf gestützten, als Feststellungs-"Bescheid" intendierten Erledigung des Finanzamtes vom erließ das Finanzamt bezüglich der den Dw. betreffenden Einkommensteuer 1997 am eine bescheidmäßige Anpassung gemäß § 295 BAO. In dieser blieben die vom Dw. aus seiner Beteiligung an der "B-AG & atypisch stille Gesellschaft" erklärten (positiven) Einkünfte der Höhe nach unverändert. Insgesamt wurden in diesem Bescheid neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit iHv. ATS 737.055,-- (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv. ATS -144.789,-- angesetzt. Diese bescheidmäßige Änderung beruhte zwar - wie sich erst später herausstellen sollte - auf einem unwirksam erlassenen Grundlagenbescheid, sie blieb jedoch unangefochten und erwuchs in Rechtskraft. Auf Grund einer weiteren Beteiligung des Dw. an einer anderen Mitunternehmerschaft erfolgte per eine nochmalige Abänderung gemäß § 295 BAO, in welcher die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nun mit insgesamt ATS -123.096,-- in Ansatz gebracht wurden.
Der Dw. begehrt nun gemäß § 295 BAO eine Abänderung bzw. Anpassung seiner letztgültigen Einkommensteuerfestsetzung vom an die bereits mehrfach erwähnte, im Feststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft "B-AG & atypisch stille Gesellschaft" ergangene UFS-Entscheidung RV/0486-G/10 vom , und vermeint, dass die Abgabenbehörde erster Instanz mit der Erlassung eines entsprechenden Bescheides gemäß § 295 BAO in Säumnis geraten sei. Mit der angeführten Berufungsentscheidung sprach der UFS aus, dass in den gegenüber der Feststellungserklärung der Höhe nach unverändert gebliebenen Einkunftsanteilen der atypischen stillen Gesellschafter jeweils auch ein anteiliger Sanierungsgewinn iSd. § 36 EStG enthalten sei.
Der Einkunftsanteil des Dw. beläuft sich der oa. Berufungsentscheidung zufolge auf ATS 38.921,70 und beinhaltet einen - der Höhe nach unstrittigen - Sanierungsgewinn (iSd. § 36 EStG) von ATS 35.787,93. Die Entscheidung des UFS unterscheidet sich von sämtlichen im gegenständlichen Feststellungsverfahren zuvor ergangenen Erledigungen einzig im Ausspruch, dass in den Gewinnanteilen der stillen Gesellschafter jeweils auch ein der Begünstigung des § 36 EStG zugänglicher (anteiliger) Sanierungsgewinn enthalten sei.
Dieser Umstand vermag jedoch im Ergebnis keine Änderung des den Dw. betreffenden, abgeleiteten Einkommensteuerbescheides 1997 herbeizuführen. Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung sind der Begünstigung des § 36 EStG nur jene Teile des Sanierungsgewinnes zugänglich, die in einem positiven Einkommen enthalten sind und damit überhaupt einer Besteuerung unterliegen. Sanierungsgewinn kann maximal nur das sein, was von einer Betriebsvermögensvermehrung durch Schuldnachlass nach Ausgleich eines Verlustes aus demselben Betrieb oder aus derselben Einkunftsart verbleibt. Die Reihenfolge dieser Maßnahmen ist die, dass zuerst ein innerbetrieblicher Verlustausgleich und dann der horizontale Verlustausgleich vorzunehmen ist (s. zB Quantschnigg/Schuch, ESt-HB, § 36 Tz 12; sowie zuletzt etwa ). Ist das Einkommen, wie im vorliegenden Fall, insgesamt größer als der Sanierungsgewinn, dann ist derselbe bis zur Höhe der Einkünfte aus der Einkunftsart, in welcher der Sanierungsgewinn angefallen ist, aus dem Einkommen auszuscheiden. Dies deshalb, weil der Verlustausgleich primär innerhalb derselben Einkunftsart vorzunehmen ist und daher das Einkommen nur mehr jenen Teil des Sanierungsgewinnes enthält, der nach Ausgleich mit dem Verlust derselben Einkunftsart als Einkünfte verblieben ist ().
Die vom Dw. im Jahr 1997 erzielten positiven und negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden im letztgültigen Einkommensteuerbescheid vom (ebenso wie schon zuvor im Bescheid vom , welcher auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen im Feststellungsverfahren der "B-AG & atypisch stille Gesellschaft" erlassen wurde) im Hinblick auf das zweistufige Verlustausgleichsverfahren bereits im Rahmen des horizontalen Verlustausgleichs zu Recht saldiert. Der sich ergebende Saldo ist unstrittig negativ (s. oben), weshalb für eine Anwendung des § 36 EStG - ungeachtet der nunmehrigen UFS-Entscheidung vom - im Falle des Dw. nach wie vor kein Raum verbleibt (s. dazu nochmals zB , mwN).
Da auch der Gewinnanteil des Dw. an den Einkünften der "B-AG & atypisch stille Gesellschaft" hinsichtlich seiner Höhe durch die Berufungsentscheidung des -G/10, keine Änderung erfahren hat, kommt (bzw. käme) es für den Dw. im Ergebnis zu keiner Abänderung seines letztgültigen (abgeleiteten) Einkommensteuerbescheides vom . Die Erlassung eines (weiteren) auf § 295 BAO gestützten - unveränderten - Bescheides hat daher zu unterbleiben, weshalb sich der gegenständliche Devolutionsantrag mangels abgabenbehördlicher Entscheidungspflicht als unzulässig erweist.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kann es auch dahingestellt bleiben, ob der Einkommensteuerfestsetzung 1997 - wie vom Dw. releviert - eine allenfalls bereits eingetretene Verjährung entgegensteht oder nicht.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 311 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 36 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Devolutionsantrag Abänderung Anpassung abgeleiteter Bescheid Sanierungsgewinn. |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | UFS Newsletter 2012/02 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at