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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 10.03.2010, RV/0456-L/09

Geschäftsführerhaftung bei Behinderung durch neue Gesellschafterin der Muttergesellschaft der Primärschuldnerin

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/16/0079 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des R, vertreten durch Mag. Harald Schuh, Mag. Christian Atzwanger, Rechtsanwälte, 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 12, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Firma I GmbH i.L. (StNr. 000/0000) entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Haftungsinanspruchnahme wird auf folgende Abgaben eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Kammerumlage
10-12/2006
13,05
Körperschaftsteuer
01-03/2007
204,00
Säumniszuschlag 1
2006
448,79
Lohnsteuer
01/2007
6.169,56
Dienstgeberbeitrag (DB)
01/2007
1.646,84
Zuschlag zum DB
01/2007
131,75
Summe
8.613,99

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber war Geschäftsführer der Firma I GmbH (Primärschuldnerin), über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom das Konkursverfahren eröffnet, und nach Verteilung des Massevermögens (Quote rund 17,3 %) am wieder aufgehoben wurde. Am wurde die Firma der Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht.

In einem Vorhalt vom wurde der Berufungswerber vom Finanzamt auf die beabsichtigte Geltendmachung der Vertreterhaftung für Abgabenschulden der Primärschuldnerin hingewiesen. Er sei in der Zeit vom bis Geschäftsführer der Gesellschaft und daher für die Entrichtung der Abgaben aus deren Mitteln verantwortlich gewesen. Näher aufgegliederte Abgaben in Höhe von insgesamt 60.724,59 € wären bei der Gesellschaft im Hinblick auf das bereits abgeschlossene Konkursverfahren uneinbringlich. Er möge darlegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die Abgaben entrichtet wurden (z.B. Fehlen ausreichender Mittel, Zessionsvereinbarung, Einstellung der Überweisungen durch die Hausbank, Weisungen der Gesellschafter usw.). Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis seiner Rechtfertigung wären vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden wären, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen. Schließlich wurde der Berufungswerber um Darlegung seiner aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse ersucht.

In einer Stellungnahme vom führte der Berufungswerber dazu aus, dass die I GmbH und die T Südwest GmbH als Tochtergesellschaften der T GmbH in München geführt worden wären. Er sei Geschäftsführer aller drei Gesellschaften gewesen. Sein Arbeitsverhältnis mit der T GmbH sei am fristlos ohne Angabe von Gründen gekündigt worden. Zur Klärung der Folgen dieser Kündigung habe er eine Klage beim Landgericht München eingereicht. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Ab dem sei M als weiterer Geschäftsführerin der T GmbH bestellt worden, ab dem sei diese alleinige Geschäftsführerin gewesen. Im Laufe des Jahres 2007 sei sie durch B als Geschäftsführer der T GmbH abgelöst worden. Dieser habe nach seinem Antritt als Geschäftsführer auch alle Gesellschaftsanteile der T GmbH übernommen. Nach seiner Abberufung als Geschäftsführer der T GmbH am habe der Berufungswerber keinerlei Zugang mehr zur Buchhaltung der T GmbH und deren Tochtergesellschaften und damit auch nicht auf die Daten der I GmbH gehabt. Dadurch habe er weder die Kenntnis über den Finanzbereich über abgeführte Abgaben noch die Möglichkeit gehabt, in den Zahlungsverkehr einzugreifen. Er habe nach der Kündigung seines Vertrages mit der T GmbH mehrfach versucht, über die T GmbH als Gesellschafterin eine Bestätigung über seine Abberufung als Geschäftsführer der I GmbH zu erhalten. Auf seine Schreiben habe er keinerlei Antwort erhalten. Parallel dazu habe er mündliche die Information erhalten, dass die I GmbH durch die T GmbH an einen neuen Gesellschafter, dessen Identität ihm nicht mitgeteilt worden wäre, verkauft worden sei. Daraufhin habe er unverzüglich gegenüber dem Landesgericht Linz als Firmenbuchgericht seinen Rücktritt als Geschäftsführer der I GmbH erklärt. Die Schreiben dazu lege er in Kopie bei. Wegen der nicht vorhandenen Unterstützung, die in seinen Augen schon in den Bereich der "vorsätzlichen Verhinderung" seines Rücktritts gingen, habe er erst am als Geschäftsführer der I GmbH gelöscht werden können. Dies habe er erst durch einen persönlichen Termin beim Firmenbuchgericht erreichen können. Er habe für die Position des Finanzamtes grundsätzlich Verständnis. Allerdings sei es ihm auf Grund der geschilderten Umstände nicht möglich gewesen, von Zahlungsverpflichtungen Kenntnis zu erlangen oder diese Zahlungen zu veranlassen.

Dieser Stellungnahme waren folgende Unterlagen angeschlossen:

1) E-Mail des Berufungswerbers vom an M, mit dem diese um Bestätigung seiner Abberufung als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ersucht wurden.

2) Fax vom an das Landesgericht Linz, in dem der Berufungswerber gegenüber dem Firmenbuchgericht erklärte, dass er "hiermit" sei Amt als Geschäftsführer der Primärschuldnerin mit sofortiger Wirkung niederlege.

3) Fax vom an die Primärschuldnerin "z. Hd. des Gesellschafters", in dem der Berufungswerber darauf hinwies, dass er soeben mit Fax an das Firmenbuchgericht sein Amt als Geschäftsführer niedergelegt habe. Da ihm die genaue Anschrift des aktuellen Gesellschafters nicht bekannt sei, möge dieses Fax an ihn weitergeleitet werden.

4) Beschluss des Firmenbuchgerichtes vom , in dem der Berufungswerber eingehend über die Art und Weise sowie die Formerfordernisse einer wirksamen Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion belehrt wurden. Ferner wurde ihm empfohlen, damit eine rechtskundige Person zu betrauen.

5) Antwortschreiben des Berufungswerbers an das Firmenbuchgericht vom .

6) E-Mail des Berufungswerbers vom an M, mit dem er dieser gegenüber seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärte.

7) Beschluss des Firmenbuchgerichtes vom , mit dem der Berufungswerber neuerlich über die Erfordernisse einer wirksamen Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion belehrt wurde.

8) Rücktrittserklärung des Berufungswerbers gegenüber der T GmbH, zu Handen M.

9) Firmenbucheingabe vom .

10) Weitere Belehrung des Berufungswerbers durch das Firmenbuchgericht vom .

11) Rücktrittserklärung des Berufungswerbers vom gegenüber X als ehemaliger Gesellschafterin.

12) Beschluss des Firmenbuchgerichts vom , mit dem die Löschung des Berufungswerbers als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch bewilligt wurde.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber gegenüber den im Vorhalt vom angeführten Abgaben in Höhe von 60.724,59 € nur für solche Abgabenschuldigkeiten in Anspruch, die vor seiner fristlosen Kündigung fällig gewesen waren. Die Haftung wurde daher für folgende Abgaben geltend gemacht:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Umsatzsteuer
11/2006
8.937,25
Kammerumlage
10-12/2006
13,05
Körperschaftsteuer
01-03/2007
204,00
Säumniszuschlag 1
2006
448,79
Dienstgeberbeitrag (DB)
2006
1.613,50
Zuschlag zum DB
2006
129,08
Lohnsteuer
01/2007
6.169,56
Dienstgeberbeitrag (DB)
01/2007
1.646,84
Zuschlag zum DB
01/2007
131,75
Summe
19.293,82

In der Bescheidbegründung wies das Finanzamt auf das bereits beendete Konkursverfahren betreffend die Primärschuldnerin hin. Die angeführten Abgaben seien daher bei der Gesellschaft uneinbringlich. Aufgrund der Aktenlage sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben zwar noch Gesellschaftsmittel vorhanden gewesen wären, diese aber nicht zur zumindest anteiligen Entrichtung der Abgabenschulden verwendet worden seien. Nach einem Bericht des Masseverwalters sei der Betrieb erst im Mai 2007 eingestellt worden. Bis März 2009 seien von der Gesellschaft in den Umsatzsteuervoranmeldungen noch Umsätze ausgewiesen worden. Im Übrigen habe nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei. In der Stellungnahme vom sei zwar auf die Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion am und die Löschung derselben im Firmenbuch am hingewiesen worden, die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben wiesen jedoch Fälligkeiten bereits geraume Zeit vor der Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion auf. Gründe, weshalb der Berufungswerber für die Entrichtung dieser Abgaben nicht Sorge tragen habe können, wären in der Vorhaltsbeantwortung nicht vorgebracht worden, insbesondere sei das Fehlen der Mittel und die Gleichbehandlung der Gläubiger in keiner Weise dargestellt und nachgewiesen worden. Es sei daher von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen. Die Lohnsteuer sei im Übrigen vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen. Die Geltendmachung der Haftung sei eine geeignete Maßnahme um den Abgabenausfall zu verhindern. Der Berufungswerber habe sich zu seien Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht geäußert. Es könne daher nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Abgaben auch bei ihm uneinbringlich wären.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom Berufung erhoben. Der Berufungswerber sei von "bis zu seiner Abberufung am (Abberufungsantrag eingelangt am )" Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Diese Funktion sei allerdings nur eine Konsequenz der Anstellung als Geschäftsführer der Muttergesellschaft, der T GmbH in München gewesen. Das Dienstverhältnis des Berufungswerbers sei insbesondere seit Dezember 2006 von Schwierigkeiten und Behinderungen geprägt gewesen. Am sei er fristlos gekündigt und ihm eine weitere Verfügung und Tätigkeit im Unternehmen der T GmbH und der Primärschuldnerin untersagt worden. Aufgrund der zum Teil chaotischen Zustände im Betrieb der Primärschuldnerin sei es ihm unmöglich, die für seine Entlastung bzw. für den Nachweis, dass er sämtliche Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt habe, notwendigen Unterlagen beizubringen. Vorgelegt werde jedenfalls ein Mail vom , mit dem der Berufungswerber die Buchhaltungsabteilung, insbesondere Frau Y, angewiesen habe, vor jeder anderen Zahlung die fälligen Sozialabgaben und Lohnsteuern betreffend die T GmbH in München und die Primärschuldnerin in Linz zu bezahlen. Diese Anweisung sei von ihm bis zu seiner "Abberufung" als Geschäftsführer nie widerrufen worden. Am sei die T GmbH samt ihren Tochtergesellschaften, also auch die Primärschuldnerin, an ein drittes Unternehmen verkauft worden. Ab diesem Zeitpunkt seien keinerlei Zahlungen, die der Berufungswerber in Auftrag gegeben habe, durchgeführt worden, und der Berufungswerber sei in all seinen operativen Tätigkeiten erheblich behindert und ihm zum Beispiel die Verantwortung für den Finanzbereich der Gesellschaft komplett entzogen worden. Dieser Zustand gipfelte schließlich in der fristlosen Kündigung des Berufungswerbers zum und in weiterer Folge in der von ihm selbst veranlassten "Streichung" als Geschäftsführer. Die fristlose Kündigung sei ohne jegliche Angabe von Gründen erfolgt, der Berufungswerber habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass der Berufungswerber für den Zeitraum zwischen November 2006 und März 2007 keinerlei Unterlagen besitze, insbesondere Nachweise dafür, dass er - soweit Mittel vorhanden gewesen wären - die fälligen Finanzamtszahlungen veranlasst habe. Zum Stichtag sei von der Buchhaltungsabteilung für den Berufungswerber eine Saldenliste samt allen Finanzamtsforderungen erstellt worden. Er habe damals die Buchhaltungsabteilung ausdrücklich angewiesen, unverzüglich alle Verbindlichkeiten an Finanzamt und Sozialabgaben vorweg über das Konto der T GmbH in München abzudecken, da das Konto der Primärschuldnerin bei der Oberbank keine entsprechende Deckung aufgewiesen habe.

Als Beweis für das Vorbringen des Berufungswerbers werde eine Kopie der E-Mail vom sowie der Saldenliste vom samt handschriftlicher Anweisung des Berufungswerbers, die Verbindlichkeiten an Finanzamt und Sozialabgaben vorweg zu bezahlen vorgelegt. Diese Anweisung könne auch Frau SY, die damalige Buchhalterin der Primärschuldnerin, bestätigten, weshalb deren Einvernahme als Zeugin beantragt werde. Ferner werde eine Abschrift der im Dezember 2007 vom Berufungswerber beim Landgericht München eingebrachten Klage wegen dessen offener Forderungen gegen die T GmbH übermittelt.

Zusammenfassend ergebe sich, dass der Berufungswerber alles in seiner Macht stehende unternommen habe, damit fällige Finanzamtsverbindlichkeiten bezahlt würden, weshalb es an einer schuldhaften Pflichtverletzung für eine Haftungsinanspruchnahme fehle. Nach Erinnerung des Berufungswerbers wären im Zeitraum November 2006 bis März 2007 keine Altverbindlichkeiten bevorzugt zurückgezahlt worden und habe somit auch zu diesem Zeitpunkt keine Gläubigerungleichbehandlung stattgefunden. Dass bis März 2009 Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben worden wären, könne sich nur auf "Eintreibungsmaßnahmen des Masseverwalters im Konkursverfahren und danach vorgenommene Verrechnungen" beziehen.

Die der Berufung angeschlossenen Beilagen haben folgenden Inhalt:

1) E-Mail des Berufungswerbers vom an D, SY: "Da die fälligen Sozialabgaben und Lohnsteuer für die T GmbH, die T Südwest GmbH sowie die I GmbH noch nicht abgeführt wurden, haben A, RX und ich vereinbart, dass vor der vollständigen Bezahlung dieser Posten keinerlei Zahlungen mehr für irgendeine Gesellschaft der T-AG geleistet werden. Bitte informiert mich, sobald diese Posten überwiesen sind. Für die T, T Südwest und I GmbH werden ab sofort Lohnsteuern, Sozialabgaben und Gehälter zeitgleich überwiesen. Eine andere Vorgehensweise ist ab sofort ohne meine ausdrückliche Zustimmung nicht möglich."

2) In der Saldenliste zum werden die offenen Verbindlichkeiten, insbesondere die offenen Lohnabgaben 01/2007 sowie der Bankbestand bei der Oberbank zum (10.916,33 €) dargestellt. Ferner findet sich darauf eine mit 1.3.200 datierte Aktennotiz des Berufungswerbers, welche dessen oben in der Berufung zitierte Anweisung enthält.

3) Die in Abschrift vorgelegte Klage des Berufungswerbers richtete sich gegen die T GmbH in München wegen offener Forderungen in Höhe von 38.800,00 €. Darin wird (soweit für das gegenständliche Verfahren von Relevanz) unter anderem festgehalten, dass der Berufungswerber ab Februar 2006 auch für die Primärschuldnerin verantwortlich gewesen sei. Gesellschafterin der T GmbH in München sei die T-AG gewesen, die ihre Anteile an dieser Gesellschaft am an die G-GmbH verkauft habe. Im Verlauf des Jahres 2006 und Anfang 2007 sei die Zusammenarbeit mit der neuen Gesellschafterin immer schwieriger geworden, da es zu massiven Eingriffen der neuen Gesellschafterin in die operative Führung des Unternehmens gekommen sei, die über die übliche Funktion eines Gesellschafters deutlich hinausgegangen sei. So sei zum Beispiel die Zuständigkeit für den Finanzbereich auf eine von der neuen Gesellschafterin benannte Steuerberaterin übertragen worden. Am habe der Berufungswerber das mit datierte Kündigungsschreiben erhalten.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist daher die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Im angefochtenen Haftungsbescheid wird die Umsatzsteuer 11/2006 angeführt, obwohl diese Abgabe durch die am verbuchte Konkursquote zur Gänze abgedeckt wurde. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Erlassung des Haftungsbescheides eine am erstellte Rückstandsaufgliederung zum (!) zugrunde gelegt wurde. Da diese Umsatzsteuer somit im Zuge des Insolvenzverfahrens eingebracht werden konnte, war sie aus der Haftungssumme auszuscheiden.

Hinsichtlich der übrigen Abgaben steht deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin fest. Das Konkursverfahren wurde nach Verteilung des Massevermögens aufgehoben, und die Firma im Firmenbuch bereits gelöscht.

Der Berufungswerber wurde im Firmenbuch seit als Geschäftsführer ausgewiesen, und hatte diese Funktion im Zeitpunkt der Fälligkeit der im angefochtenen Haftungsbescheid ausgewiesenen Abgaben unbestritten noch inne. Hinsichtlich jener Abgaben, die erst nach der fristlosen Kündigung des Berufungswerbers () bzw. nach den ab diesem Zeitpunkt unternommenen Versuchen zur Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion fällig geworden sind, hat das Finanzamt auf eine Haftungsinanspruchnahme ohnehin verzichtet. Im Vorhalt vom waren noch Abgaben in Höhe von 60.724,59 € angeführt worden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf (Judikaturnachweise bei Ritz, BAO³, § 9 Tz 22).

In der Berufung wurde darauf hingewiesen, dass die T GmbH samt ihren Tochtergesellschaften, also auch die Primärschuldnerin, am an ein drittes Unternehmen verkauft worden sei. Ab diesem Zeitpunkt seien keinerlei Zahlungen, die der Berufungswerber in Auftrag gegeben habe, durchgeführt worden, und der Berufungswerber sei in all seinen operativen Tätigkeiten erheblich behindert und ihm zum Beispiel die Verantwortung für den Finanzbereich der Gesellschaft komplett entzogen worden. Auch in der in Abschrift vorgelegten Klage wurde auf diesen Verkauf der Gesellschaftsanteile hingewiesen. Im Verlauf des Jahres 2006 und Anfang 2007 sei die Zusammenarbeit mit der neuen Gesellschafterin immer schwieriger geworden, da es zu massiven Eingriffen der neuen Gesellschafterin in die operative Führung des Unternehmens gekommen sei, die über die übliche Funktion eines Gesellschafters deutlich hinausgegangen sei. So sei zum Beispiel die Zuständigkeit für den Finanzbereich auf eine von der neuen Gesellschafterin benannte Steuerberaterin übertragen worden.

Wird ein zur Vertretung einer juristischen Person Berufener an der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten gehindert, hat er nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Behinderung der Ausübung seiner Funktion sofort abzustellen oder - wenn sich dies als erfolglos erweist - seine Funktion nieder zu legen. Tut er dies nicht, ist ihm ein gemäß § 9 BAO relevantes Verschulden anzulasten. Der vertretungsbefugte und im Rahmen dieser Vertretungsmacht haftungspflichtige Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben also nicht deshalb befreit, weil er aufgrund von Weisungen von Gesellschaftern oder auf Grund einer sonstigen Einflussnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen entweder der rechtlichen und/oder faktischen Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Abgaben zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichts- und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Abgaben nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt, oder die nicht eingeschränkte Kontrollmöglichkeit nicht in ausreichender und effektiver Weise wahrnimmt (z.B. ).

Da der Berufungswerber nach seinen Angaben somit bereits ab faktisch nicht mehr in der Lage war, seinen Pflichten als Geschäftsführer nachzukommen, hätte er sich entweder gegen die Behinderung in der Ausübung seiner Funktion durch die neue Gesellschafterin umgehend durch entsprechende Schritte zur Wehr setzen oder unverzüglich seinen Funktion zurücklegen müssen. Dass der Berufungswerber derartiges unternommen hätte, wurde nicht behauptet. Die vorgelegte Klage (die nicht gegen die neue Gesellschafterin, sondern die T GmbH eingebracht wurde) bezog sich auf offene Gehaltsansprüche des Berufungswerbers, die Schritte zur Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion wurden erst nach der fristlosen Kündigung am gesetzt. Obwohl der Berufungswerber ab in der Wahrnehmung seiner Geschäftsführeragenden massiv behindert war, hat er erst rund vier Monate später versucht, von dieser Funktion zurückzutreten (Fax vom an das Landesgericht Linz). Nach der aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher von einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO auszugehen.

Angesichts des Umstandes, dass bereits über Monate hinweg die vom Berufungswerber in Auftrag gegebenen Zahlungen nicht mehr durchgeführt worden waren, vermag auch die ins Treffen geführte Anweisung vom nichts mehr an der aufgezeigten schuldhaften Pflichtverletzung zu ändern. Die dazu beantragte Einvernahme der damaligen Buchhalterin konnte daher schon deswegen unterbleiben, erübrigte sich aber auch, weil die Tatsache der am getätigten Anweisung ohnedies nicht in Abrede gestellt wird. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist aber gemäß § 183 Abs. 3 BAO abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellende Tatsache als richtig anerkannt wird.

Auch aus der Anweisung an die Buchhaltungsabteilung mittels Mail vom ist für den Berufungswerber nichts zu gewinnen, da der zur Behinderung in der Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Zahlungspflichten führende Gesellschafterwechsel erst in weiterer Folge am erfolgt ist.

Angesichts der oben aufgezeigten Pflichtverletzung kann der Frage, ob der Abgabengläubiger bei der "Verfügung über die vorhandenen Mittel" gleich behandelt wurde, keine entscheidende Bedeutung mehr zukommen, weil der Berufungswerber aufgrund der Einflussnahme der neuen Gesellschafterin gerade nicht mehr in der Lage war, über die Gesellschaftsmittel tatsächlich zu verfügen und so eine Gleichbehandlung des Abgabengläubigers sicherzustellen. Nur dann, wenn es ungeachtet dieser Beschränkung tatsächlich zu keiner Benachteiligung des Abgabengläubigers gekommen wäre, könnte es an einer für den Abgabenausfall kausalen Pflichtverletzung fehlen.

Der Berufungswerber konnte jedoch der ausdrücklichen Aufforderung des Finanzamtes, das Fehlen ausreichender Gesellschaftsmittel bzw. die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes nachzuweisen, nicht entsprechen, da es ihm nach seinen Angaben aufgrund der chaotischen Zustände im Betrieb der Primärschuldnerin unmöglich war, die für seine Entlastung erforderlichen Unterlagen beizubringen. Den Geschäftsführer trifft aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine entsprechende Pflicht zur Beweisvorsorge. Der Vertreter hat den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, zu erbringen. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden. Dem Vertreter obliegt es daher, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Es ist dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind ().

Die vorgelegte Saldenliste zum gibt weder Auskunft darüber, welche Gesellschaftsmittel zu den haftungsrelevanten Fälligkeitszeitpunkten vorhanden waren, noch wie diese verwendet wurden. Da der Berufungswerber jedoch nach seinen Angaben über keine anderen Unterlagen verfügt, konnte eine neuerliche Aufforderung, die behauptete Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes durch andere Unterlagen glaubhaft zu machen, unterbleiben. Der Hinweis des Berufungswerbers, nach seiner "Erinnerung" wären im Zeitraum November 2006 bis März 2007 keine Altverbindlichkeiten bevorzugt zurückgezahlt worden und habe somit keine Gläubigerungleichbehandlung stattgefunden, vermag den vom Finanzamt geforderten Nachweis nicht zu ersetzen.

Schließlich ist festzuhalten, dass der größte Teil der verbliebenen Haftungsschuld ohnehin auf die vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommene Lohnsteuer 01/2007 entfällt. Reichen die einem Vertreter zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer aus, darf der Geschäftsführer gemäß § 78 Abs. 3 EStG nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen, sodass die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden kann. Wird dagegen die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (bzw. aller Gläubiger) hinaus (z.B. ). Bei den Lohnabgaben 01/2007 handelt es sich im Übrigen nach den Feststellungen im Zuge der anlässlich der Konkurseröffnung durchgeführten Lohnsteuerprüfung um Abfuhrdifferenzen.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Gesellschaft zu den haftungsrelevanten Fälligkeitszeitpunkten bereits völlig mittellos gewesen wären. Dagegen sprachen nicht nur die in der Saldenliste vom angeführten Mittel bei der Oberbank, sondern auch die vom Finanzamt ins Treffen geführten Umsatzsteuervoranmeldungen. Für die Monate Jänner bis März 2007 waren von der Gesellschaft (und nicht erst nach Konkurseröffnung durch den Masseverwalter) entsprechende Voranmeldungen eingereicht worden. Zwar wurden darin für März 2007 keine Umsätze, sondern nur mehr Vorsteuern in Höhe von 800,80 € erklärt, für Jänner und Februar 2007 wurden aber noch Umsätze in Höhe von insgesamt 14.380,00 € angegeben.

Aus den angeführten Gründen war daher vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen. In diesem Fall spricht nach der ständigen Rechtsprechung eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung (Ritz, BAO³, § 9 Tz 24 mit Judikaturnachweisen). Es wurden keinerlei Gründe vorgebracht, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausal- bzw. des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bieten würden; solche sind auch nicht aktenkundig.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Die Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Dieser öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung meist auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden. Derartige Billigkeitsgründe wurden nicht vorgebracht. Der Feststellung des Finanzamtes, der Berufungswerber habe sich zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht geäußert, und es könne nicht vorn vornherein davon ausgegangen werden, dass die Abgaben auch bei ihm uneinbringlich wären, trat der Berufungswerber nicht entgegen. Abgesehen davon darf die Haftung keineswegs etwa nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden (; ). Die Geltendmachung der Haftung kann selbst dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (; ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein somit noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Unbillig im oben aufgezeigten Sinne erschiene im gegenständlichen Fall allerdings die Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung für den Dienstgeberbeitrag 2006 und den Zuschlag zu demselben. Der Prüfer hatte anlässlich der bereits erwähnten Prüfung im Zuge der Konkurseröffnung festgestellt, dass die Buchungen der Lohnsteuer, des Dienstgeberbeitrages sowie des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2006 laut den vorgelegten Lohnkonten zu berichtigen wären, dadurch jedoch keine Nachforderung entstehe. Es ergab sich zwar eine Nachforderung an Dienstgeberbeitrag von 1.613,50 € und eine Nachforderung an Zuschlag zu diesem Dienstgeberbeitrag von 129,08 €, insgesamt somit eine Nachforderung von 1.742,58 €. Dieser stand jedoch eine Gutschrift an Lohnsteuer in eben dieser Höhe von 1.742,58 € gegenüber. Dem Berufungswerber kann daher nicht vorgeworfen werden, als Vertreter der Primärschuldnerin einen zu geringen Betrag an Lohnabgaben für das Jahr 2006 abgeführt haben, weshalb hinsichtlich Dienstgeberbeitrag 2006 samt Zuschlag eine Haftungsinanspruchnahme nicht sachgerecht erscheint. Diese Abgaben wurden daher neben der eingangs erwähnten Umsatzsteuer 11/2006 aus der Haftungssumme ausgeschieden. Im Übrigen erfolgte die Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung jedoch zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

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Fundstelle(n):
GAAAC-94832