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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 08.06.2007, RV/0477-W/07

Behinderungsbedingte Aufwendungen

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/0477-W/07-RS1
wie RV/0610-I/02-RS2
Krankheitskosten stellen dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen dar. Der Abzug eines Selbstbehaltes unterbleibt jedoch nur bei Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer steuerlich anzuerkennenden Behinderung stehen. Nicht behinderungskausale Aufwendungen führen nur dann zu einer Verminderung der Bemessungsgrundlage, wenn der Selbstbehalt überstiegen wird.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des N.N., W, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) beantragte in seiner Erklärung zu Arbeitnehmerveranlagung für 2005 die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen im Hinblick auf seine Behinderung und die seiner einkommenslosen Ehegattin in Höhe von insgesamt 2.709,68 €. Über Aufforderung durch das Finanzamt legte er eine Aufstellung der geltend gemachten Kosten vor.

Im Einkommensteuerbescheid 2005 wurden neben den Freibeträgen gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 und den Pauschbeträgen nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen für den Bw. und seine Gattin ein Betrag in Höhe von 1.239,67 € unter Anwendung des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 und ein Betrag in Höhe von 1.470,01 € ohne Anwendung des Selbstbehaltes berücksichtigt. Begründend wurde hiezu ausgeführt, dass von den Rezeptgebühren schätzungsweise ein Anteil von 50% als mit den Behinderungen im Zusammenhang stehend angenommen wurde, weshalb bei den restlichen 50% der Rezeptgebühren ein Selbstbehalt in Abzug gebracht wurde.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung erklärte der Bw., bei neuerlicher Durchsicht seiner Belege habe sich ergeben, dass die zu berücksichtigenden Kosten tatsächlich 2.657,40 € ausmachten. Die vom Finanzamt getätigten Abzüge seien jedoch aus folgenden Gründen unrichtig:

  • Der Bw. habe für seine Medikamente 681,54 € und für die seiner Gattin sowie deren Krankenhausaufenthalte 1975,86 € ausgegeben.

  • Der im Einkommensteuerbescheid gewährte Freibetrag in Höhe von 363 € für seine Ehegattin sei unrichtig, da seine Frau Pflegegeld beziehe und daher keinen Anspruch auf einen Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 habe.

  • Laut Steuerbuch seien Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen und bei einer Behinderung von mindestens 25% ohne Selbstbehalt anzuerkennen. Die Kosten seien behinderungsbedingt, das Ausmaß der Behinderung betrage beim Bw. 40% und bei seiner Frau 70%.

Der Bw. beantrage daher die neuerliche Berechnung und lege die Belege zu diesem Zweck noch einmal vor.

Mit Berufungsvorentscheidung wurde der Berufung teilweise stattgegeben, wobei nunmehr von den geltend gemachten Kosten lediglich ein Betrag von 410 € für die Zahnbehandlung der Gattin des Bw. unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes in Ansatz gebracht wurde, und die restlichen geltend gemachten Kosten abzüglich einer in Abzug gebrachten Haushaltsersparnis in Höhe von 347,28 € von den Kosten der Krankenhausaufenthalte der Ehefrau des Bw. ohne Abzug eines Selbstbehaltes berücksichtigt wurden.

In dem dagegen fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag verwehrte sich der Bw. einerseits dagegen, dass die Zahnbehandlungskosten seiner Ehefrau unter Berücksichtung des Selbstbehaltes in Ansatz gebracht wurden. Diesbezüglich führte er aus, dass die Zahnbehandlung auf Grund der schweren Osteoporose erforderlich gewesen sei und daher auch mit der Behinderung in Zusammenhang stehe.

Andererseits machte er auch geltend, dass die behinderungsbedingten Krankheitskosten ohne Selbstbehalt in Abzug zu bringen seien, weshalb auch keine Haushaltsersparnis abgezogen werden dürfe. Er habe für die Heilbehandlung seiner Frau in der Rehabilitationseinrichtung 177,24 € entrichten müssen. Während dieses Aufenthaltes sei auch die Zahlung des Pflegegeldes entfallen.

Er ersuche daher um entsprechende Berichtigung des Einkommensteuerbescheides.

Im Rahmen des vor dem Unabhängigen Finanzsenat abgeführten Verfahrens wurde der Bw. zunächst aufgefordert, die amtsärztlichen Bescheinigungen über den Grad der Erwerbsminderung vorzulegen. Darüber hinaus wurde der Bw. einerseits über die Ursachen des Abzuges einer Haushaltsersparnis anlässlich der Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalte sowie die konkreten Auswirkungen der Berücksichtigung des von der Ehefrau des Bw. bezogenen Pflegegeldes informiert.

Anlässlich der persönlichen Vorsprache der Ehefrau des Bw. legte diese ihren Behindertenausweis, die Honorarnote ihres Zahnarztes sowie weitere Zahlungsbelege und Befunde zur Einsichtnahem vor.

Auf die schriftliche Anfrage durch den Unabhängigen Finanzsenat gab das Bundessozialamt bekannt, dass auf Grund der Aktenlage der Grad der Behinderung bei der Ehefrau des Bw. bereits im Jahr 2005 70% betragen habe. Das dem Schreiben beigelegte ärztliche Gutachten weist als Ursache der Behinderung Erkrankungen von Herz und Kreislauf sowie Magen und Darmtrakt auf.

Mit Schreiben vom wurde dem Bw. mitgeteilt, dass auf Grund des Sachverständigengutachtens ein Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Zahnarztkosten und der Behinderung der Ehegattin nicht erkannt werden könne. Zwecks Geltendmachung eines Freibetrages wegen Gehbehinderung seiner Ehegattin werde er jedoch ersucht, darzulegen ob er über ein KFZ verfüge und gegebenenfalls eine Kopie des Zulassungsscheines vorzulegen, was er auch tat.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wir der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bw. ist Pensionist, seine Gattin verfügt über kein eigens Einkommen, sie bezieht Pflegegeld der Stufe 2.

Der Grad der Behinderung des Bw. betrug im Jahr 2005 40%, der seiner Gattin 70%. Im Zusammenhang mit der Behinderung fielen beim Bw. Kosten in Höhe von 681,54 € und bei seiner Ehefrau von 1.218,58 € an.

Die zusätzlich entstandenen Zahnarztkosten der Gattin des Bw. in Höhe von 410 € stehen mit deren Behinderung in keinem Zusammenhang.

Der Bw. benötigt eine Diätverpflegung infolge Zöliakie und seine Gattin im Hinblick auf ihre Magenerkrankung.

Die Gattin des Bw. ist Inhaberin eines Behindertenpasses, in dem bestätigt wird, dass sie gehbehindert ist und ihr die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zugemutet werden kann. Für den Bw. ist seit 1996 ein PKW zugelassen.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen und dem Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes betreffend die Behinderung der Gattin des Bw, welches als für die Behinderung maßgebliche Ursachen Erkrankungen von Herz und Kreislauf sowie Magen und Darmtrakt angibt. Ein Zusammenhang der Behinderung mit einer Zahnbehandlung bzw. der Anfertigung einer Zahnprothese ist daraus nicht zu erkennen .

Der festgestellte Sachverhalt ist folgender rechtlicher Würdigung zu unterziehen:

Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 leg.cit) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4 leg. cit.).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht werden, sind außergewöhnlich. Sie erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Wiesner-Atzmüller-Grabner-Leitner-Wanke, EStG § 34 Anm 78, Krankheitskosten).

Die Belastung beeinträchtigt § 34 Abs. 4 EStG 1988 zufolge wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7 300 Euro 6%.

mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro 8%.

mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro 10%.

mehr als 36 400 Euro 12%.

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt, wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht.

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können neben anderen Aufwendungen im Sinne des § 35 leg.cit., die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5 leg.cit.) sowie Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3 leg.cit.) ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Die auf Grund der §§ 34 und 35 EStG 1988, ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303, (im Folgenden kurz Verordnung genannt) sieht u.a. folgendes vor:

Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988) so sind nach § 1 Abs. 1 die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag hat gemäß § 33 Abs. 4 EStG 1988 u.a. jemand dann, wenn sein (Ehe)Partner Einkünfte von höchstens 2 200 Euro jährlich erzielt.

Dementsprechend hat der Bw. Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, da seine Gattin über kein eigenes Einkommen verfügt.

Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei

  • - Tuberkulose, Zuckerkrankheit oder Zöliakie 950 S

  • - Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit 700 S

  • - Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit 550 S

pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.

Für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, ist nach § 3 Abs. 1 der Verordnung zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von 2 100 S monatlich zu berücksichtigen.

Aus den wiedergegebenen Bestimmungen ergibt sich, dass die dem Bw. entstandenen Kosten der Heilbehandlung, soweit sie mit seiner oder der Behinderung seiner Gattin zusammenhängen, ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Von den geltend gemachten Kosten der Unterbringung der Ehegattin des Bw. im Krankenhaus sowie in einem Rehabilitationszentrum ist jedoch im Hinblick darauf, dass in dieser Zeit dem Bw. ein geringerer Verpflegungsaufwand entstand, eine Haushaltsersparnis in Abzug zu bringen.

Da hinsichtlich der Kosten der Zahnarztbehandlung der Ehefrau des Bw. ein Zusammenhang mit deren Behinderung nicht erkennbar ist, können diese Kosten nur unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 in Abzug gebracht werden. Auf Grund des Umstandes, dass dieser jedoch die genannten Kosten übersteigt, ergibt sich daraus keine steuerliche Auswirkung.

Für die nachgewiesene Erforderlichkeit von Diätverpflegung stehen dem Bw. die Freibeträge für die eigene Zöliakie und die Magenerkrankung seiner Gattin zu.

Im Hinblick darauf, dass im Berufungsverfahren die erforderlichen Nachweise für die Gehbehinderung der Ehegattin des Bw. und der Umstand, dass von dieser Massenverkehrsmittel nicht benutzt werden können, erbracht wurden, steht dem Bw. der Freibetrag gemäß § 3 Abs. 1 der genannten Verordnung zu.

Der nach der Verordnung für die Behinderung der Ehegattin zu berücksichtigende Pauschbetrag ist daher folgendermaßen zu ermitteln:


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monatlich
jährlich
Pauschbetrag nach § 2 wegen Magenkrankheit
42,00 €
504,00 €
Pauschbetrag nach § 3 wegen Gehbehinderung
153,00 €
1.836,00 €
gesamt
2.340,00 €

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage : 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Grad der Behinderung
Diätverpflegung
Gehbehinderung
behinderungskausale Krankheitskosten

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at