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Berufungsentscheidung - Strafsachen (Senat), UFSW vom 17.01.2012, FSRV/0027-W/11

Unzurechnungsfähigkeit bzw. zumindest eingeschränktes Verschulden unter Hinweis auf eine ärztlich bestätigte Überforderung und auf einen psychischen Ausnahmezustand eingewendet.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Finanzstrafsenat Wien 2 als Organ des Unabhängigen Finanzsenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Karl Kittinger, das sonstige hauptberufliche Mitglied Hofrat Mag. Gerhard Groschedl sowie die Laienbeisitzer Kommerzialrat Gottfried Hochhauser und Dr. Jörg Krainhöfner als weitere Mitglieder des Senates in der Finanzstrafsache gegen J.M., Adresse1, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin, 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Berufung des Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 1/23 als Organ des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , SpS, nach der am in Anwesenheit des Beschuldigten und seiner Verteidigerin, des Amtsbeauftragten AB sowie der Schriftführerin E.M. durchgeführten mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

Der Berufung des J.M. (Bw.) wird teilweise Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses, welcher darüber hinaus unberührt bleibt, im Strafausspruch wie folgt abgeändert:

Gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG, unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 und 2 FinStrG, wird über den Bw. eine Geldstrafe in Höhe von € 7.200,00 und eine gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 18 Tagen verhängt.

Gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG werden die vom Bw. zu ersetzenden Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Finanzstrafverfahrens mit € 500,00 bestimmt.

Aus Anlass der Berufung wird der Schuldspruch des angefochtenen Erkenntnisses zu Punkt b)a) dahingehend abgeändert, dass der Tatzeitraum betreffend Kapitalertragsteuer auf 7-9/2008 (statt bisher 7-12/2008) bei unverändertem Verkürzungsbetrag in Höhe von € 4.841,74 zu lauten hat.

Gemäß §§ 136, 157 FinStrG wird das gegen den Bw. wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG eingeleitete Finanzstrafverfahren hinsichtlich Kapitalertragsteuer 10-12/2008 eingestellt.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis des Spruchsenates vom , SpS, wurde der Bw. zu Schuldspruch a) der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und zu b) der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG für schuldig erkannt, er habe als für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Obliegenheiten der Fa. M-GmbH verantwortlicher Geschäftsführer vorsätzlich

a) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate 5-9/2008 in Höhe von € 19.563,00 bewirkt, wobei er den Eintritt der Verkürzungen nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten habe; und weiters

b) unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht selbst zu berechnende Abgaben, nämlich Kapitalertragsteuer 7-12/2008 in Höhe von € 4.264,17 sowie Normverbrauchsabgabe für 9/2008 in Höhe von € 4.841,74 durch Unterlassung der Einbehaltung, Anmeldung und der Entrichtung verkürzt.

Gemäß §§ 33 Abs. 5 FinStrG und 21 Abs. 1 und 2 FinStrG, unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 23 Abs. 3 FinStrG, wurde über den Bw. deswegen eine Geldstrafe in Höhe von € 11.200,00 und eine gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 28 Tagen verhängt.

Gemäß § 185 FinStrG habe der Bw. die Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 363,00 und die eines allfälligen Vollzuges zu ersetzen.

Zur Begründung wurde dazu seitens des Spruchsenates ausgeführt, der finanzstrafrechtlich bisher noch nicht in Erscheinung getretene Bw. sei im Zeitraum bis als verantwortlicher Geschäftsführer für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Obliegenheiten der Fa. M-GmbH verantwortlich gewesen.

Im März 2009 sei eine abgabenbehördliche Prüfung über die Zeiträume 2006-2008 abgeschlossen worden, im Rahmen derer für 4-9/2008 eine Neufestsetzung der Umsatzsteuer erfolgen hätte müssen, da getätigte Umsätze zum Teil nicht in die eingebrachten Umsatzsteuervoranmeldungen eingeflossen seien (Tz 5, 6, 9 bis 13 des Berichtes).

Für 9/2008 sei die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe unterblieben (Tz 7).

Die aus der Nichtabfuhr dieser Abgaben resultierenden verdeckten Gewinnausschüttungen seien der Kapitalertragsteuer zu unterziehen gewesen.

Für den Bw. habe die Finanzstrafbehörde eine gesonderte Ermittlung der strafbestimmenden Wertbeträge vorgenommen.

Im eingeleiteten Finanzstrafverfahren habe er von der ihm im Zuge des Untersuchungsverfahrens gebotenen Möglichkeit zur Rechtfertigung keinen Gebrauch gemacht.

Die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat sei dem Bw. an seiner Meldeanschrift durch Hinterlegung zugestellt worden. Es habe daher gemäß § 126 FinStrG verfahren werden können.

Nach Zitieren der zugrunde liegenden Gesetzesbestimmungen stellte der Spruchsenat fest, das Verhalten des Bw. erfülle die vom Gesetz vorgegebenen Tatbilder in objektiver und subjektiver Hinsicht, da davon auszugehen sei, dass dem Bw. als realitätsbezogenem im Wirtschaftsleben stehenden Geschäftsmann die ihn treffenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen, ebenso wie die Konsequenz pflichtwidrigen Verhaltens, nämlich das Bewirken von Abgabenverkürzungen bekannt gewesen seien.

Bei der Strafbemessung sah der Spruchsenat als mildernd den ordentlichen Lebenswandel des Bw., als erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer Finanzvergehen an.

Bei der Ausmessung der verhängten Strafe sei auf § 23 Abs. 3 FinStrG Bedacht genommen worden und der Spruchsenat erachte diese dem gesetzten Verschulden angemessen.

Gegen dieses Erkenntnis des Spruchsenates richtet sich die vorliegende frist- und formgerechte Berufung des Bw. vom , welche sich gegen Schuld und Strafe richtet.

Eingewendet wird, der Bw. habe den Abgabenrückstand nicht vorsätzlich herbeigeführt, sondern sei aufgrund fehlender Ausbildung, aber auch psychischer Probleme, mit der Situation vollkommen überfordert gewesen. Laut vorgelegter gutachterlicher Stellungnahme des Univ.Doz. Dr. X. sei seine Geschäftsfähigkeit bereits in der zweiten Hälfte seiner Geschäftsführertätigkeit sogar aufgehoben gewesen.

Zum Hintergrund sei auszuführen, der Bw. habe im Juni 2008 nördlich von Y. einen Gebrauchtwagenverkaufsplatz übernommen. Der Bw., ein aus einfachsten Verhältnissen stammender Pole habe dabei allerdings übersehen, dass man zur Führung eines derartigen Betriebes nicht nur ein guter Mechaniker sein müsse, sondern auch geschäftliche Erfahrung und buchhalterische Kenntnisse benötige. Dazu sei gekommen, dass er sich mit Reklamationen und Mängelklagen konfrontiert gesehen habe, wobei dies für ihn auch mit erheblichen Kosten verbunden gewesen sei.

Er sei bei seinen Zahlungen, eben auch bei den Finanzamtszahlungen, regelrecht "ins Schleudern" geraten und habe nicht gewusst, wieviel Umsatzsteuer er wann zu bezahlen habe. Obwohl er Tag und Nacht gearbeitet habe, sei der Schuldenberg immer größer geworden, da er das verdiente Geld für Gerichtskosten und Haftungsreparaturen aufwenden habe müssen, sodass sechs Wochen später die im Verkaufspreis enthaltene Umsatzsteuer bereits verbraucht gewesen sei.

Etwa nach einem halben Jahr habe er daher erkannt, dass er dieses Geschäft nicht weiterführen werde können und war daher bestrebt, die Firma und den Platz inklusive Büro möglichst rasch zu verkaufen. Dies sei ihm im Mai 2009, also knapp nach einem Jahr, auch gelungen. Er habe den ganzen Firmenbesitz mit einer größeren Zahl von PKW's gegen Übernahme der Schulden verkauft; ihm seien lediglich € 1.000,00 geblieben. Bei einer Überprüfung des Finanzamtes habe es sich dann aber eben herausgestellt, dass die im Erkenntnis angeführten Steuerrückstände bestünden.

Der Bw. sei mit seiner Situation derart überfordert gewesen, dass er sich am Verfahren nicht beteiligt habe. Vielmehr habe er alles verdrängt. Seine Geschäftstätigkeit sei spätestens in der zweiten Hälfte seines Geschäftsführerjahres aufgehoben gewesen.

Der Bw. habe sich nunmehr einer psychiatrischen Exploration unterzogen. Dabei habe der psychiatrische Sachverständige Dr. X. festgestellt, dass bei ihm ein depressives Störbild und deutliche Angstmechanismen mit Vermeidungszeremoniell, depressive Verarbeitungsmechanismen und Selbstschuldzuweisungen vorliegen würden. Weiters sei der Sachverständige, wie ausgeführt, zum Ergebnis gekommen, dass die Geschäftstätigkeit des Bw. spätestens in der zweiten Hälfte seines Geschäftsführerjahres aufgehoben gewesen sei.

Aus juristischer Sicht liege daher der Strafaufhebungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit vor; jedenfalls liege aufgrund der aufgezeigten Umstände zweifellos zumindest eine verminderte Schuldfähigkeit vor.

Dass sich der Bw. am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt habe, liege auch nicht an seiner Sorglosigkeit, sondern sei vielmehr auf eine schwere, krankheitswertige Depression zurückzuführen.

Aus rechtlicher Sicht ergebe sich daher, dass der Bw. nicht vorsätzlich gehandelt habe, zumal er den Verstoß gegen Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes nicht ernstlich für möglich gehalten habe; vielmehr sei er, wie oben dargestellt, mit der Situation überfordert gewesen.

Es werde daher beantragt, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben bzw. in eventu die verhängte Strafe angemessen herabzusetzen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur möglich, sondern für gewiss hält.

Gemäß § 7 Abs. 1 FinStrG handelt nicht schuldhaft, wer zur Zeit der Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einen dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen und dieser Einsicht nach zu handeln.

Unstrittig ist im gegenständlichen Fall die objektive Tatseite der der erstinstanzlichen Bestrafung zugrunde gelegten Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG an Umsatzsteuervorauszahlungen 5-9/2008 in Höhe von € 19.563,00 dahingehend, dass der Bw. unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen mit in der genannten Höhe zu gering ausgewiesenen Umsatzsteuervorauszahlungen abgegeben und diese auch nicht an die Abgabenbehörde entrichtet hat. Aus den dem erstinstanzlichen Erkenntnis des Spruchsenates zugrunde liegenden Feststellungen im Bericht über die Außenprüfung (Tz. 5,6,9-13 des Berichtes) gehen in der Buchhaltung nicht erfasste Umsätze, die ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen ohne Vorliegen entsprechender Exportnachweise sowie auch die ungerechtfertigte Geltendmachung von Vorsteuerabzügen (Tz 9 und 10 des Berichtes über die Außenprüfung) aufgrund von Rechnungen zwischengeschalteter bzw. nicht existenter Firmen hervor.

Unstrittig ist auch, dass der Bw. für den Monat September 2008 es unterlassen hat, eine Normverbrauchsabgabemeldung bei der Abgabenbehörde abzugeben. Aus Tz 7 des Berichtes über die Außenprüfung vom ist dazu ersichtlich, dass teilweise als innergemeinschaftliche Lieferungen erfasste Erlöse tatsächlich im Inland bewirkt wurden. Sofern es sich dabei um Erstzulassungen von Fahrzeugen im Inland handelte, wurde die Normverbrauchsabgabe durch die Betriebsprüfung festgesetzt.

In Bezug auf die Nichtabgabe von dem § 96 des EStG entsprechenden Kapitalertragsteueranmeldungen und die Nichtabfuhr der entsprechenden Kapitalertragsteuer für die Monate 7-12/2008 in Höhe von € 4.264,17 wird unter Tz 9 des Berichtes über die Außenprüfung bezüglich PKW-Einkäufe festgestellt, dass aus Belgien importierte PKW nur deshalb über die Fa. K-GmbH verrechnet wurden, um durch Nichtabfuhr der in den Ausgangsrechnungen der zwischengeschalteten Fa. K-GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuern bei gleichzeitigem Vorsteuerabzug im Rahmen der Fa. M-GmbH entsprechende Vermögensvorteile zu lukrieren. Die nichtabzugsfähigen Vorsteuern betrugen insgesamt € 6.700,00 und stellen nach den unwidersprochenen Feststellungen der Außenprüfung eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Bw. als Alleingesellschafter dar.

Unter Tz 11 des Berichtes über die Außenprüfung wird festgehalten, dass Verkaufserlöse für 5 PKW's nicht in der Buchhaltung erfasst waren, weswegen im Schätzungswege eine Entgeltzurechnung in Höhe von € 4.200,00 (inklusive 20% Umsatzsteuer) erfolgte und diese als verdeckte Gewinnausschüttung an den Bw. als Alleingesellschafter angesehen wurde.

In der gegenständlichen Berufung wird das Vorliegen der subjektiven Tatseite in Frage gestellt und geltend gemacht, es liege der Strafaufhebungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit vor. Jedenfalls liege aufgrund der aufgezeigten Umstände zweifellos zumindest eine verminderte Schuldfähigkeit vor. Verwiesen wird dazu auf den vorgelegten fachärztlichen Befund und die gutachterliche Stellungnahme des Univ.Doz. Dr. X. vom , in welchen dieser die mit dem Bw. aufgenommene Anamnese widergibt und eine Anpassungsstörung mit verlängerten und depressiven und ängstlichen Mechanismen diagnostiziert. Dabei kommt der Sachverständige zum Schluss, der Bw. sei mit seinen Plänen einer beruflichen Existenz in Österreich im Gebrauchtwagenhandel ohne einschlägige Berufserfahrung massiv überfordert gewesen und sei im Rahmen des geschäftlichen Desasters in einem psychischen Ausnahmezustand in Angst und Verzweiflung geraten, der seine kaufmännischen und wirtschaftlichen Fähigkeiten weiter gelähmt habe. Der Notverkauf seiner Firma sei für ihn die letzte Notbremse gewesen, in seiner eingeengten Vogel-Strauß-Politik sei er praktisch aus der Berufswelt geflüchtet und habe sich voller Angst und Ungewissheit über die drohenden Folgen noch immer nicht erholt. Die Geschäftsfähigkeit des Bw. müsse schon nach einem halben Jahr nach Geschäftsbeginn mit dem Auftauchen vieler großer juristischer und wirtschaftlicher Probleme sehr bezweifelt werden, in der zweiten Hälfte seines Geschäftsjahres sei sie höchstwahrscheinlich aufgehoben gewesen.

Unstrittig war der Bw. im Zeitraum bis der für die abgabenrechtlichen Obliegenheiten verantwortliche Geschäftsführer der Fa. M-GmbH und auch nach dem Berufungsvorbringen und dem vorgelegten ärztlichen Befund im ersten Halbjahr seiner Geschäftstätigkeit, also jedenfalls bis Ende November 2008 schuldfähig. Die der erstinstanzlichen Bestrafung zugrunde gelegten Delikte der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG und § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG wurden vom Bw. allesamt innerhalb des ersten Halbjahres seiner Tätigkeit gesetzt, weswegen das in Abrede stellen der subjektiven Tatseite schon aus diesem Grund ins Leere geht.

Zum Schuldspruch a) des erstinstanzlichen Erkenntnisses ist auszuführen, dass der Bw. zweifelsfrei seine Verpflichtung zur Abgabe von rechtzeitigen und richtigen, dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen und auch seine Abfuhrverpflichtung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen kannte, bringt er doch in der gegenständlichen Berufung selbst vor, dass er das verdiente Geld für Gerichtskosten und Haftungsreparaturen aufwenden habe müssen, sodass sechs Wochen später (zum Fälligkeitstag der jeweiligen Umsatzsteuervorauszahlung) die im Verkaufspreis enthaltene Umsatzsteuer bereits verbraucht war. Dieses Vorbringen stellt inhaltlich eine geständige Rechtfertigung in Bezug auf die zugrunde liegende Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG dar, zumal der Bw. damit einbekennt, in Kenntnis seiner Entrichtungspflicht aus einer finanziellen Notlage heraus die Umsatzsteuervorauszahlungen nicht in richtiger Höhe gemeldet und entrichtet zu haben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dabei die genaue Kenntnis von der Höhe der zu den jeweiligen Fälligkeitstagen verkürzten Abgabenschuldigkeiten nicht erforderlich.

Gemäß § 11 Abs. 1 NoVAG wäre der Bw. verpflichtet gewesen, für die laut Bericht über die Außenprüfung (Tz 7) für den Monat 9/2008 geschuldete Normverbrauchsabgabe bis spätestens eine Normverbrauchsabgabeanmeldung abzugeben und auch bis zu diesem Zeitpunkt die Normverbrauchsabgabe zu entrichten. Der Bw. hat daher auch insoweit noch im ersten Halbjahr seiner Tätigkeit, für welches seine Schuldfähigkeit außer Zweifel steht, durch Nichtabgabe der Normverbrauchsabgabeanmeldung und Nichtentrichtung der NoVA in Höhe von € 4.841,74 bis das Delikt der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG bewirkt. Insoweit konnte ihm im Rahmen der Außenprüfung eindeutig nachgewiesen werden, dass als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung verbuchte KFZ-Verkäufe in Wirklichkeit im Inland erfolgten, wurden die doch zugrunde liegenden Fahrzeuge im Inland in der Folge zum Verkehr zugelassen.

Die im Erkenntnis des Spruchsenates zugrunde gelegte Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG an Kapitalertragsteuer 7-12/2008 in Höhe von € 4.264,17 beruht auf einer für den Monat September unter Tz 9 des Berichtes über die Außenprüfung festgestellten verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe von € 6.700,00 und einer daraus resultierenden im Rahmen einer Kapitalertragsteueranmeldung nicht offengelegten und abgeführten Kapitalertragsteuer in Höhe von € 2.233,33 für den Monat 9/2008 sowie aus in den Monaten 5-9/2008 nicht offengelegten Umsätzen aus Verkaufserlösen für in der Buchhaltung nicht erfasste PKW-Verkäufe (siehe Tz 11 und 12 des Berichtes über die Außenprüfung vom sowie die Punkte 11 und 15 der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung vom ). Aus diesen zugrunde liegenden Unterlagen bzw. Feststellungen ergibt sich auch in Bezug auf die Kapitalertragsteuer eindeutig, dass diese im ersten Halbjahr der Geschäftsführertätigkeit des Bw., für welches seine Schuldfähigkeit gar nicht in Abrede gestellt wurde, offenzulegen und zu entrichten gewesen wäre.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann eine das Verschulden ausschließende Unzurechnungsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 FinStrG nur dann angenommen werden, wenn die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der betreffenden Person ausgeschlossen ist (). Die Frage der Zurechnungsfähigkeit ist eine Tatfrage, deren Beurteilung Ergebnis der vollen Beweiswürdigung ist und nicht nur medizinisch, sondern auch rechtlich - unter dem Blickwinkel der Sinnhaftigkeit strafrechtlicher Reaktionen - zu erfolgen hat (). Der durch eine Geisteskrankheit oder andere schwere seelische Störung hervorgerufene Ausnahmezustand muss dabei so intensiv und ausgeprägt sein, dass das Persönlichkeitsbild des Betroffenen zur Tatzeit völlig zerstört war.

Aufgrund der wiedergegebenen Aktenlage und des vorliegenden fachärztlichen Befundes des Univ.Doz. Dr. X. vom ist der Berufungssenat in freier Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, dass beim Bw. eine ein schuldhaftes Verhalten ausschließende Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 FinStrG zu den verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunktzeitpunkten nicht gegeben war. Wie bereits ausgeführt, wurde eine (höchstwahrscheinlich vorliegende) mangelnde Schuldfähigkeit des Bw. von diesem ohnehin sogar nur für spätere, von diesem Verfahren nicht betroffene Zeiträume geltend gemacht. Gegen das Vorliegen einer tatsächlichen Diskretions- und Dispositionsunfähigkeit spricht auch, dass der Bw., wenn auch aufgrund seiner Ausbildung unzureichend, in der Lage war, ein Unternehmen in den tatgegenständlichen Zeiträumen zu führen, Geschäfte abzuschließen und Behörden bzw. Gerichtstermine wahrzunehmen.

Am Vorliegen der subjektiven Tatseite der erstinstanzlich der Bestrafung zugrunde gelegten Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG besteht daher seitens des Unabhängigen Finanzsenates kein wie immer gearteter Zweifel.

Entsprechend der Bestimmung des § 23 FinStrG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Schuld des Täters, wobei Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen und bei der Bemessung der Geldstrafe auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten zu berücksichtigen sind.

Wenngleich am Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der hier zugrunde liegenden Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG kein Zweifel besteht, so ist zu dem bei der Strafbemessung zugrunde zu legenden Verschulden des Bw. dennoch auszuführen, dass das Handeln des Bw. nicht vom Vorsatz getragen war, sich persönlich zu bereichern und dadurch Vorteile zu verschaffen. Vielmehr hat er aus einer wirtschaftlichen Notsituation heraus andere andrängende Gläubiger (reklamierende Kunden, Gerichtskosten usw.) mit den vorhandenen liquiden Mitteln bevorzugt befriedigt und die Meldung der Entrichtung der verfahrensgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben hintangestellt. Zugunsten des Bw. wird dabei angenommen, dass sein Vorsatz zu den jeweiligen Tatzeitpunkten nicht auf endgültige Abgabenvermeidung, sondern nur auf die vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils gerichtet war.

Neben dem erstinstanzlich berücksichtigten Milderungsgrund der finanzstrafbehördlichen Unbescholtenheit ist dem Bw. auch eine geständige Rechtfertigung zur objektiven Tatseite wie auch der Umstand, dass sein Handeln aus einer wirtschaftlichen Notsituation heraus erklärt werden kann, zu Gute zu halten. Weiters war zugunsten des Bw. auch der Umstand zu berücksichtigen, dass er in den jeweiligen Tatzeiträumen bereits gesundheitlich beeinträchtigt war.

Als erschwerend hingegen sind die zugrunde liegenden mehrmaligen Tatentschlüsse anzusehen.

Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis des Spruchsenates stellt das Zusammentreffen zweier Finanzvergehen keinen Erschwerungsgrund dar, weil dieser Umstand bereits durch die Summierung der einzelnen strafbestimmenden Wertbeträge entsprechend der Bestimmung des § 21 Abs. 2 FinStrG die Höhe der einheitlichen Strafdrohung bestimmt hat; eine Doppelverwertung strafverschärfender Umstände ist nicht zulässig.

Im Strafausspruch des in Abwesenheit des Bw. gefällten erstinstanzlichen Erkenntnisses wird zwar auf die Bestimmung des § 23 Abs. 3 FinStrG verwiesen, jedoch sind aus den Entscheidungsgründen keine Feststellungen in Bezug auf die zu Grunde gelegte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bw. und betreffend seine persönlichen Verhältnisse getroffen. Dazu ist seitens der erkennenden Berufungssenate festzustellen, dass von einer eingeschränkten wirtschaftlichen Situation des Bw. auszugehen ist. Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung brachte er dazu vor, als Teilzeitaushilfskraft ein monatliches Einkommen in Höhe von ca. € 300,00 im Inland und darüber hinaus eine geringe Pension in Polen zu erhalten. Der Bw. ist Miteigentümer eines Hauses in Polen und hat darüber hinaus weder Vermögen noch Schulden.

Unter Einbeziehung dieser bislang nicht der Strafbemessung zugrunde gelegten eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bw. und unter Berücksichtigung des festgestellten Verschuldens und der obgenannten, bislang noch nicht berücksichtigten Milderungsgründe war mit einer Strafherabsetzung auf das auf den Spruch der gegenständlichen Entscheidung ersichtliche Ausmaß vorzugehen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass im gegenständlichen Fall der spezialpräventive Strafzweck in den Hintergrund tritt.

Auch die gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG für den Fall der Uneinbringlichkeit zu bemessende Ersatzfreiheitsstrafe entspricht nach Dafürhalten des Unabhängigen Finanzsenates dem festgestellten Verschulden unter Berücksichtigung der obgenannten Milderungsgründe und des Erschwerungsgrundes.

Einer weiteren Strafherabsetzung standen insbesondere generalpräventive Erwägungen entgegen, die es dem Unabhängigen Finanzsenat nicht ermöglichten, bei Nichtvorliegen eines reumütigen Geständnisses, insbesondere bei nicht erfolgter Schadensgutmachung (die verfahrensgegenständlichen Verkürzungsbeträge haften nach wie vor zur Gänze aus) mit einer weiteren Strafminderung vorzugehen.

Gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG in Verbindung mit § 265 Abs. 1p FinStrG in der Fassung der Finanzstrafgesetz-Novelle 2010, BGBl I 104/2010, war aus Anlass der Berufung der Kostenausspruch des erstinstanzlichen Erkenntnisses auf € 500,00 (statt bisher € 363,00) zu erhöhen. Die Bemessung der Kosten des Strafverfahrens ist vom Verböserungsverbot des § 161 Abs. 3 FinStrG   nicht erfasst (vgl. Slg 1736/54 und Kommentar Fellner, Rz. 12 zu § 161 FinStrG , sowie Reger/Hacker/Kneidinger "Das Finanzstrafgesetz mit Kommentar und Rechtsprechung", Rz. 23 zu § 161 FinStrG ) .

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at