Schätzung von (nicht endbesteuerten) Kapitaleinkünften auf Grund hoher Vorjahreseinkommen
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RV/0424-I/05-RS1 | Einkünfte aus nicht endbesteuerten Einkunftsquellen dürfen nicht schon deshalb angesetzt werden, weil sich der Steuerpflichtige geweigert hat, der Aufforderung des Finanzamts zu entsprechen und Auskünfte über den Verbleib des Restbetrags an privater Einkommensverwendung zu machen, wenn keine Feststellungen des Inhalts getroffen werden konnten, dass er über eine bislang nicht erfasste Einkunftsquelle verfügt haben musste, die eine Steuer- und Erklärungspflicht begründet. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom betreffend Einkommensteuer 2001 und 2002 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind der Beilage zu entnehmen. Sie bildet einen Bestandteil dieses Bescheidspruchs.
Entscheidungsgründe
Mit Ausfertigungsdatum wurden endgültige Einkommensteuerbescheide der Jahre 2001 und 2002 ausgefertigt. In diesen wurden zusätzliche Einkünfte aus Kapitalvermögen von 120.000 S (2001) bzw. "nicht endbesteuerungsfähige Einkünfte aus Kapitalvermögen" von 8.700 € (2002) angesetzt. Der Bescheidbegründung zufolge erfolgte die Veranlagung unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind.
Unter Tz. 3 des Prüfungsberichtes vom wurde ausgeführt:
Herr B hat in den Jahren 2000 bis 2002 Gewinne von über 35.000.000 S erzielt. Herr B wurde mehrmals schriftlich aufgefordert, einen Nachweis über die Verwendung der zur freien Verfügung stehenden Gelder zu erbringen.
Darüber wurde vom steuerlichen Vertreter C wie folgt Stellung genommen: Über die Verwendung der Gelder existieren keine Aufzeichnungen. In Erinnerung sind ... (eine Aufzählung div. Ausgaben) und ... für den gehobenen Standard des privaten Lebensunterhalts.
Anlässlich der Schlussbesprechung (am) und in der schriftlichen Stellungnahme vom wurden Barmittel in Höhe von 12,5 Mio. S glaubhaft gemacht. Unter Berücksichtigung der glaubhaft gemachten Beträge reduzieren sich die Gelder, über deren Verwendung bisher kein Nachweis erbracht wurde, auf rund 4 Mio. S.
Von diesem Betrag werden Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht endbesteuert sind, für das Jahr (offenbar gemeint: 2001) 120.000 S und für das Jahr 2002 8.700 € geschätzt.
Die Berufung vom gegen die Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 vom wurde wie folgt begründet:
Es ist korrekt und steht außer Streit, dass der Abgabepflichtige in den Jahren 2000 bis 2002 ein steuerpflichtiges Einkommen von insgesamt rund 34 Mio. S erzielt hat. Die Einkommensteuern hieraus wurden mit zunächst vorläufigen, jetzt endgültigen Steuerbescheiden vorgeschrieben und - soweit fällig - auch bezahlt.
Es ist auch korrekt und steht außer Streit, dass der Abgabepflichtige während der rund eineinhalb Jahre dauernden Außenprüfung mehrmals aufgefordert wurde, einen "Nachweis über die Verwendung der zur freien Verfügung stehenden Gelder" zu erbringen (zB. und ).
Am haben wir namens unseres Mandanten um Mitteilung ersucht, "auf Basis welcher Gesetzesstelle oder welcher Judikatur (nach Inkrafttreten der KESt-Endbesteuerungswirkung und nach Entfall der Vermögensteuer) die Aufforderung zum Nachweis der Verwendung der zur freien Verfügung stehenden Gelder" beruhe.
Diesem Ersuchen wurde seitens des Finanzamtes A bis dato nicht nachgekommen.
In einer Besprechung am und nachfolgendem Schriftsatz vom wurde schließlich die Summe der Gelder, über deren Verwendung bisher kein Nachweis erbracht wurde, auf rund 4 Mio. S reduziert. Von diesem Betrag wurden - ohne jeden Hinweis auf derartige Einkünfte - Zinsenerträge in Höhe von 3% p.a., sohin 120.000 S für 2001 und 8.700 € für 2002 geschätzt.
Gegen diesen Ansatz wendet sich die gegenständliche Berufung.
Die vom Finanzamt offenbar ... auf § 119 BAO gestützte Aufforderung zur Offenlegung der weitaus überwiegend in außerbetrieblichen Einkunftsarten (Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften - § 29 Z 2 iVm § 31 EStG) erzielten Geldüberschüsse überschreitet die Grenzen der Mitwirkungspflicht der Partei bei weitem.
Im Zuge der Außenprüfung wurde offenkundig, dass der Abgabepflichtige es aus persönlichen Gründen vorzieht, Bargeld zu besitzen:
Der Kaufpreis für die Anteilsveräußerung des Jahres 2000 (6 Mio. S) wurde notariell beglaubigt in bar übergeben.
Der Kaufpreis für die Anteilsveräußerung des Jahres 2001 (24 Mio. S) wurde mit Barscheck beglichen, welcher jedoch unmittelbar nach seiner Einlösung bis auf einen Restbetrag von rund 2 Mio. S zur Gänze bar entnommen wurde.
Die Einkommensteuern für diese außerbetrieblichen Einkünfte wurden nach Vorschreibung entrichtet. Es handelt sich aus Sicht des Abgabepflichtigen somit um keine Betriebseinnahmen mit der Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen oder Büchern. Aus der BAO kann keine Verpflichtung zur Führung des Nachweises der Bestreitung des Lebenswandels abgeleitet werden, wenn hiefür ausreichende Geldmittel vorhanden sind.
Aus den umfangreichen im Zuge der Außenprüfung vorgelegten Unterlagen (z.B. lückenlose Dokumentation des privaten Bankkontos) ist kein einziger Hinweis auf eine zinsenbringende Veranlagung allfälliger freier Geldmittel zu entnehmen. Darüber hinaus gibt es noch weniger Hinweise darauf, dass der Abgabepflichtige jene seltene Art von Zinsenerträgen erzielt haben könnte, die nicht der KESt-Endbesteuerungswirkung unterliegen. Das Finanzamt A geht in seiner Bescheidbegründung (Bericht über die Außenprüfung) auf die Abwägung dieses Argumentes auch nicht näher ein. Es wird ein solcher Zinsenbezug ohne weitere Begründung einfach unterstellt.
Das Legalitätsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B-VG gilt selbstverständlich auch für die Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen: Zu Aufzeichnungen oder Handlungen, die gesetzlich nicht ausdrücklich angeordnet sind, ist der Abgabepflichtige nicht verpflichtet. § 119 BAO verpflichtet den Abgabepflichtigen zwar zu einer umfassenden Offenlegung, beinhaltet jedoch keine Ermächtigung der Abgabenbehörden, über gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Aufzeichnungen hinausgehende Aufzeichnungen, Auflistungen oder Nachweise vorzuschreiben.
Der Prüfer führte dazu (in einer Stellungnahme vom ) aus, dass am eine Besprechung mit dem Abgabepflichtigen und seinem steuerlichen Vertreter stattgefunden habe, bei der mehrmals auf § 119 BAO hingewiesen worden sei. Der Abgabepflichtige sei in Erfüllung seiner Offenlegungspflicht (§ 119 BAO) dazu verhalten, die für den Bestand und den Umfang einer Abgabepflicht bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen. Die amtliche Ermittlungspflicht, die sich an der Zumutbarkeit orientiere, finde dort ihre Grenze, wo nach der Lage des Falles nur der Abgabepflichtige Angaben zum Sachverhalt machen könne. Die "Feststellungspflicht" treffe den Abgabepflichtigen jedenfalls dann, wenn die aufzuklärenden Tatsachen allein in seiner Verantwortung lägen. Die nicht gehörige Mitwirkung unterliege der freien Beweiswürdigung. Eine Überschreitung der Grenzen der Mitwirkungspflicht der Partei könne nicht erblickt werden, da sich insbesondere infolge einer für das Jahr 2002 durchgeführten Geldflussrechnung eine Unterdeckung ergeben habe, die mit hohen Bargeldbeständen der Vorjahre abgedeckt worden sein soll.
Die Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung und ohne weiteres Bemerken im Vorlagebericht (Verf 46) der Abgabenbehörde zweiter Instanz unmittelbar zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
1.) Der Bw. hatte in den Jahren 2000 bis 2002 Geldmittel in beträchtlicher Höhe "zur freien Verfügung". Er wurde vom Finanzamt aufgefordert, eine detaillierte Aufstellung der Beträge (Barmittel und Überweisungen) sowie den Zeitpunkt und die Art der Verwendung zu erbringen (Schreiben vom , Arbeitsbogen der Betriebsprüfung - kurz: AB - 411). Auf Grund der von ihm erteilten Auskünfte und Belege zur Verwendung der Gelder (Lebenshaltung, Steuerzahlung, Anschaffung von Wohnraum, von Autos etc.) hielt das Finanzamt letztlich nur mehr einen Betrag von 4 Mio. S als nicht entsprechend nachgewiesen.
2.) Strittig ist hinsichtlich dieses Betrages, ob der Abgabepflichtige im Grunde des § 119 BAO dazu verhalten werden konnte, der Abgabenbehörde darüber Auskunft zu erteilen, für welche weiteren Zwecke Einkünfte, die in den Abgabenerklärungen ausgewiesen waren, verwendet worden sind. Nach Ansicht des Finanzamts ist eine solche Verpflichtung zu bejahen. Komme der Steuerpflichtige der Verpflichtung zur Offenlegung seiner persönlichen Verhältnisse nicht entsprechend nach, sei die Behörde berechtigt, Einkünfte aus Kapitalvermögen im Schätzungswege anzusetzen.
Der Ansicht des Finanzamts kann nicht gefolgt werden.
3.) Gemäß § 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und den Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen offenzulegen. Dies aber nur "nach Maßgabe der Abgabenvorschriften". Eine Pflicht zur unaufgeforderten Offenlegung besteht nur dann, wenn sie gesetzlich angeordnet ist. Ansonsten besteht keine Pflicht, (unaufgefordert) abgabenrechtlich bedeutsame Umstände der Abgabenbehörde bekannt zu geben (Ritz, BAO § 119 Tz 2).
4.) Nach § 184 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen der Abgabenerhebung wesentlich sind. Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
§ 184 Abs. 3 BAO setzt voraus, dass entsprechende Bücher oder Aufzeichnungen "nach den Abgabenvorschriften" zu führen sind. § 184 Abs. 2 BAO bietet keine Grundlage dafür, ungeklärte Beträge im Schätzungswege einer Einkunftsart zuzuordnen, deren Vorliegen nicht festzustellen war ().
5.) Der Einkommensteuer unterliegen nur die in § 2 Abs. 3 EStG taxativ aufgezählten Einkünfte (). Es ist daher ggf. die Aufgabe der Abgabenbehörde erster Instanz, das Vorliegen einer - vom Abgabepflichtigen nicht einbekannten - Einkunftsquelle festzustellen. Dabei ist ganz allgemein davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der (nach § 27 EStG) steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte im Wege des Steuerabzugs zu erfassen ist und mit dem Abzug der Quellensteuer "endbesteuert" ist, dh keiner weiter reichenden Einkommensteuerpflicht unterliegt. Soweit die Einkommensteuer durch den Abzug der Kapitalertragsteuer als abgegolten gilt, sind die Kapitalerträge weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen zu berücksichtigen (§ 97 Abs. 3 EStG). Aufwendungen, die mit endbesteuerten Kapitalerträgen in Zusammenhang stehen, sind nicht abzugsfähig. Der Steuerpflichtige ist weder verpflichtet, Aufzeichnungen zu führen, welche Vermögensteile einer solchen Veranlagung zugeführt wurden, noch Aufstellungen darüber vorzulegen, welche Erträge erzielt wurden. Ob es zweckmäßig und zulässig ist, Abgabepflichtige, die über hohe Kapitaleinkünfte verfügen, (nur) mit einem Steuersatz von 25% zu belasten, Steuerpflichtige hingegen, die auf Arbeitseinkünfte angewiesen sind und solche Einkünfte erzielen, mit dem Normalsteuersatz zu belegen, ist eine Wertungsentscheidung des Gesetzgebers, die der nachprüfenden Kontrolle des VfGH unterliegt. Sie berechtigt bei Fehlen einer gesetzlichen Verpflichtung zur Aufzeichnung und Bekanntgabe endbesteuerter Einkünfte noch nicht dazu, ohne jeden Hinweis auf eine tatsächliche Erzielung von "nicht endbesteuerten Kapitaleinkünften" Einkünfte iSd § 27 EStG im Schätzungswege des nicht aufgeklärten Betrags an privater Einkommensverwendung anzusetzen. Ein Ansatz solche Einkünfte führte mithin sogar dazu, Erträge, die bereits einmal dem Steuerabzug unterlagen, ein weiteres Mal zur Einkommensteuer heranzuziehen.
6.) Einkünfte aus nicht endbesteuerten Einkunftsquellen dürfen daher nicht schon deshalb festgesetzt werden, weil sich der Bw. geweigert hat, der Aufforderung des Finanzamts zu entsprechen und Auskünfte über den Verbleib des Restbetrags zu machen (vgl. auch Beiser, ÖStZ 1991, 102 [103 f.]), wenn keine Feststellungen des Inhalts getroffen werden konnten, dass der Bw. über eine bislang nicht erfasste Einkunftsquelle verfügt haben musste, die Steuer- und Erklärungspflicht begründet. Nur unter dieser Voraussetzung wäre eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen in Betracht gekommen, bei der es allenfalls auch zulässig gewesen wäre, die mangelnde Bereitschaft des Steuerpflichtigen an der Aufklärung des Sachverhalts - nach entsprechender Aufforderung der Abgabenbehörde - in die Würdigung der vorliegenden Beweise einzubeziehen.
7.) Die Schätzung des Bw. konnte - auf einer solchen Grundlage - auch nicht darauf gestützt werden, dass ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen (weil entsprechend hohe Einkünfte erzielt worden sind und hohe Geldbeträge üblicherweise nicht in bar aufbewahrt werden). Wenngleich der Ansicht zu folgen ist, dass der Steuerpflichtige bei Feststellung der maßgebenden Verhältnisse einer erhöhten Mitwirkungspflicht unterliegt, wenn er das Vorliegen ungewöhnlicher Verhältnisse behauptet (), bleibt es dem Steuerpflichtigen doch unbenommen, von einer Veranlagung seines Vermögens ganz oder zum Teil abzusehen oder in endbesteuerungsfähiger Weise zu veranlagen. Von der Normierung einer Verpflichtung des Anlegers oder der auszahlenden Stelle, die Höhe der veranlagten Kapitalbeträge der Abgabenbehörde mitzuteilen, hat der Gesetzgeber abgesehen. Damit unterscheidet sich die Ausgangslage aber grundlegend von einer Rechtslage, die dadurch gekennzeichnet war, dass sämtliche Kapitalerträge in eine Steuererklärung aufzunehmen waren. Insbesondere bei Vorliegen größerer Kapitalbeträge konnte von der Abgabenbehörde, ohne gegen die Lebenserfahrung zu verstoßen, davon ausgegangen werden, dass sie ertragbringend angelegt wurden (vgl. zB ; ). Der Beweis des Gegenteils war zulässig.
8.) Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die (in der Beilage ausgewiesenen) Bemessungsgrundlagen und Abgaben entsprechen jenen, die in den vorläufigen Bescheiden vom bzw. ausgewiesen waren.
1 Beilage
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Schlagworte | Mitwirkungspflicht |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at