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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 01.06.2007, RV/1081-W/03

Kein Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, wenn Ehegatte eine ca. 3-jährige Strafhaft verbüßt

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1081-W/03-RS1
Bei Verbüßung einer annähernd dreijährigen Freiheitsstrafe kann von einer gemeinsamen Haushaltsführung nicht mehr gesprochen werden. Maßgeblich hierfür ist im Sinne des VwGH-Erkenntnisses vom , 2003/13/0141, sowie der OGH-Judikatur, dass bloß auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens nicht schädlich sind. Eine Freiheitsstrafe von beträchtlicher Dauer erzwingt jedoch eine dauernde Trennung, mag auch der Wille der Ehegatten vorliegen, nach Entlassung aus der Strafhaft das gemeinsame Leben wieder aufzunehmen. Daran können auch Besuche des Ehegatten im Rahmen seiner Freigänge nichts ändern.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 2. und 20. Bezirk betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum bis  sowie 1. Juli bis entschieden:

Der Berufung wird teilweise stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird insoweit abgeändert, als Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum 1. Oktober bis  sowie Juli 2002 rückgefordert werden.

Rückforderungsbetrag:


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Art
Zeitraum
Betrag (ATS)
Betrag (€)
FB
10/2001-12/2001
5.100
KAB
10/2001-12/2001
2.100
FB
7/2002
123,60
KAB
7/2002
50,90
7.200 (523,24 €)
174,50
Gesamt
697,74

Entscheidungsgründe

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob der Berufungswerberin (Bw.) im Zeitraum Oktober 2001 bis Jänner 2002 und von Juli 2002 bis August 2002 für ihre Tochter J Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zustand.

Die Bw. ist laut Zentralem Melderegister seit in Österreich gemeldet und besitzt seit die österreichische Staatsbürgerschaft. Bis dahin war sie Staatsangehörige eines Drittlands.

Am langte beim Finanzamt ein Antrag auf Familienbeihilfe (Beih 1) ein. In dem Antragsformular vermerkte die Bw. unter Angaben zum Ehepartner, Pkt. 7 Beruf, "dzt. in Haft".

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Bw. um Bekanntgabe ersucht, seit wann sich ihr Gatte in Haft befinde.

Die Bw. legte daraufhin eine Haftbestätigung der Justizanstalt Wien-Simmering vom vor, derzufolge sich ihr Gatte vom bis in Untersuchungshaft und vom bis in Strafhaft befindet.

Die Bw. war in den Jahren 2001 und 2002 wie folgt beschäftigt:


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- (9 Mo.)
Angestellte
- (ca. 4 Mo.)
Arbeitslosengeldbezug
- (ca. 4 Mo.)
Arbeiterin
- (5 Tage)
Arbeitslosengeldbezug
- (9 Tage)
Urlaubsabfindung
- (5 Tage)
Arbeitslosengeldbezug
- (ca. 4 Mo.)
Arbeiterin

Mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 3 Familienlastenausgleichsgesetz lägen nicht vor, erließ Finanzamt am einen Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die oben genannten Zeiträume.

Die Bw. erhob mit Schreiben vom fristgerecht Berufung und führte dazu aus:

"...Es ist für mich unverständlich, da ich mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet bin und während der gesamten Zeit, obwohl mein Gatte seit Jänner 2001 als Freigänger in der JA Simmering war und er mindestens 3 Wochenenden pro Monat sowie 2 Haftunterbrechungen von jeweils 8 Tagen, bei uns im gemeinsamen Haushalt (mit mir, meiner Tochter und mit der Mutter meines Gatten) wohnte. Auch nehme ich an, dass ein über Jahre erworbener Anspruch auf Arbeitslosigkeit die Zahlung von FB und KAB für das Kind, speziell in dieser Notsituation, nicht ausschließt.

Dies ist bei der JA Simmering (...) und da die JA Simmering jeden Ausgang dem zuständigen Polizei Koat. Leopoldstadt melden muss, jederzeit überprüfbar. Auch liegt bei der JA Simmering auf, dass ich für alle diese Ausgänge die Kost und Quartierbestätigung gegeben habe.

Die Fremdenpolizei Wien hat, ersichtlich am unbefristeten Visum für mich und meiner Tochter, nach zweijähriger Ehe trotz Haft, die spezielle Situation des Freiganges und der gemeinsamen Wochenenden berücksichtigend, den gemeinsamen Haushalt anerkannt. Auch in Hinblick darauf, dass ich voraussichtlich nächstes Jahr die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten werde, bitte ich Sie höflichst obigen Bescheid neu zu überdenken..."

Das Finanzamt erließ am eine Berufungsvorentscheidung und wies die Berufung mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 3 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe für sich ständig im Inland aufhaltende Kinder, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen und diese Beschäftigung mindestens drei Monate dauert und gegen keine Vorschrift über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt. Da Sie vom - , vom - und vom - arbeitslos gemeldet waren, besteht gemäß § 3 (1) kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Obiges gilt gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Monaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und für anerkannte Flüchtlinge. Laut eigenen Angaben sind Sie seit August 1998 im Bundesgebiet gemeldet.

Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt, nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 3 Abs. 3 FLAG 1967, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 oder Abs. 2 erfüllt. § 3 (3) kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn sich der gemeinsame Familienhaushalt im Bundesgebiet befindet.

Da sich Ihr Gatte im strittigen Zeitraum in Haft befand und auch vom - in der JA Wien Simmering polizeilich hauptgemeldet war, musste die Berufung als unbegründet abgewiesen werden."

Der von der Bw. am erhobene "Einspruch gegen die Berufungsvorentscheidung" wurde vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet. Die Ausführungen sind im Wesentlichen ident mit jenen in der Berufung vom .

Über die Berufung wurde erwogen:

1.Rechtsgrundlagen

§ 3 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) in der für den gesamten Streitzeitraum geltenden Fassung lautet:

"(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und für Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974.

(3) Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1), nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllt."

Nach § 2a Abs. 1 FLAG geht dann, wenn ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört, der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor.

Nach § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

2. Sachverhalt

Die Berufungsbehörde nimmt es aufgrund der unbedenklichen Bestätigung der Justizanstalt Simmering sowie der glaubwürdigen Angaben der Bw. als erwiesen an, dass sich der Ehegatte der Bw. vom bis in Strafhaft befunden hat, aber ab 2001 zumindest drei Wochenenden im Monat sowie auch einige weitere Zeiten gemeinsam mit der Bw. und deren Tochter verbracht hat. Unstrittig sind auch die Beschäftigungszeiten der Bw.

3. Rechtliche Würdigung

3.1 Gemeinsamer Haushalt?

Die Bw. stützt ihr Berufungsbegehren insbesondere auf § 3 Abs. 3 FLAG; da der Familienbeihilfenanspruch des haushaltsführenden Elternteiles nach § 3 Abs. 3 FLAG voraussetzt, dass die Eltern samt Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben (vgl. hierzu ; , 95/14/0097), ist primär zu prüfen, ob die Verbüßung der Strafhaft durch den Ehemann der Bw. den gemeinsamen Haushalt mit ihr aufgehoben hat.

Die Berufungsbehörde hat zunächst das Erkenntnis des , abgewartet; strittig war in diesem Fall, ob bei Verhängung der Untersuchungshaft noch ein gemeinsamer Haushalt vorliegt. Der Gerichtshof hat den Bescheid der belangten Behörde mit folgender Begründung aufgehoben:

"Damit, dass die belangte Behörde in der bloßen Verhängung der Untersuchungshaft über C.C. die Auflösung des gemeinsamen Haushaltes annimmt, hat sie die Rechtslage verkannt.

Allein auf den Umstand einer Verhaftung und Verhängung der Untersuchungshaft durfte die belangte Behörde die Annahme nicht stützen, dass ein gemeinsamer Haushalt nicht mehr gegeben gewesen wäre. Ein bestehender gemeinsamer Haushalt wird etwa durch gewisse durch Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens (wie etwa Krankenhaus- und Erholungsaufenthalte) nicht beseitigt (vgl. etwa Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht 21, Rz 17 zu § 14 MRG und die dort zitierte Rechtsprechung des OGH). Eine Untersuchungshaft zählt zu solchen Unterbrechungen."

Der OGH hatte zu § 14 MRG idR Sachverhalte zu beurteilen, in denen der gemeinsame Haushalt aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend aufgelöst war (sh. zB ; , 3 Ob 558/95).

Im Erkenntnis vom , 89/13/0135, hatte der VwGH zur beurteilen, ob für einen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilten der Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht. Der Gerichtshof hat folgende Aussagen getroffen:

"Im Regelfall wird daher die Absicht der Ehegatten, dauernd oder nur vorübergehend getrennt zu leben, festzustellen und der behördlichen Entscheidung zugrunde zu legen sein.

Dem subjektiven Willen der Ehegatten kann aber dann kein entscheidendes Gewicht mehr beigemessen werden, wenn objektive Umstände eine dauernde Trennung erzwingen. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin wurde im Jahre 1984 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt und war deshalb während des gesamten Streitzeitraumes in einer Strafvollzugsanstalt untergebracht. Bei dieser Sachlage mußte die belangte Behörde keine Ermittlungen darüber anstellen, ob die Ehegatten nach Beendigung des Strafvollzuges beabsichtigen, ihre Lebensgemeinschaft wieder herzustellen oder nicht. Die Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bewirkt jedenfalls eine auf Dauer angelegte getrennte Lebensführung. Der mögliche Wille der Ehegatten zu einem gemeinsamen Leben kann daher erst nach Entlassung aus der Strafhaft zum Tragen kommen."

Zur Frage, ob auch eine zeitlich begrenzte Strafhaft einer gemeinsamen Haushaltsführung entgegensteht, existiert noch keine höchstgerichtliche Judikatur. Die Berufungsbehörde vertritt hierzu die Ansicht, dass bei Verbüßung einer annähernd dreijährigen Freiheitsstrafe wie im Berufungsfall von einer gemeinsamen Haushaltsführung nicht mehr gesprochen werden kann. Maßgeblich hierfür ist im Sinne des oben zitierten VwGH-Erkenntnisses vom , 2003/13/0141, sowie der OGH-Judikatur, dass bloß auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens nicht schädlich sind. Eine Freiheitsstrafe von beträchtlicher Dauer erzwingt jedoch eine dauernde Trennung, mag auch der Wille der Ehegatten vorliegen, nach Entlassung aus der Strafhaft das gemeinsame Leben wieder aufzunehmen. Daran können auch Besuche des Ehegatten im Rahmen seiner Freigänge nichts ändern.

3.2 Rückforderungszeitraum

Unbestritten ist, dass sich die Bw. im Streitzeitraum noch nicht 60 Monate ständig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Sie erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 FLAG. Fest steht weiters, dass sie vom -, vom 29.6.- und vom 23.- Arbeitslosengeld bezogen hat und vom - sowie ab als Arbeiterin beschäftigt war, wobei die Beschäftigung jeweils länger als drei Monate gedauert hat.

Voraussetzung für einen Familienbeihilfenanspruch nach § 3 Abs. 1 FLAG ist ausdrücklich die Beschäftigung bei einem Dienstgeber im Bundesgebiet oder der Erhalt von Bezügen aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung begründen demzufolge keine Anspruchsvoraussetzungen. Somit kann dem Finanzamt grundsätzlich nicht entgegen getreten werden, wenn es für Monate, in denen die Bw. bloß Arbeitslosengeld bezogen hat, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge rückgefordert hat.

Da aber nach § 10 Abs. 2 FLAG Familienbeihilfe bereits vom Beginn des Monats gewährt wird, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden, steht der Bw. für die Monate Jänner und August 2002 Familienbeihilfe zu.

4. Ergebnis

Der Berufung war daher hinsichtlich dieser beiden Monate stattzugeben, für den übrigen Zeitraum, also betreffend die Monate Oktober bis Dezember 2001 sowie Juli 2002 abzuweisen. Der angefochtene Bescheid war in diesem Sinne abzuändern.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at