Keine Nachsicht wegen geänderter Rechtsprechung betreffend DB-Pflicht der wesentlich beteiligten Geschäftsführer.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Robert Salzwimmer, Wirtschaftstreuhänder, 5163 Mattsee, Ochsenharing 65, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Bei der Berufungswerberin fand im Dezember 2007 eine Prüfung der Lohnabgaben über die Jahre 2002 bis 2006 statt, bei der festgestellt wurde, dass die Bezüge des wesentlich beteiligten Geschäftsführers in die Bemessungsgrundlage des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag einzubeziehen waren. Auf Grund dieser Feststellung wurden die genannten Abgaben nachgefordert und von der Berufungswerberin zum Fälligkeitstag auch entrichtet.
Am stellte die Berufungswerberin gemäß § 236 BAO einen Antrag auf Nachsicht dieser Nachforderungen für die Jahre 2002 bis 2004 wegen sachlicher Unbilligkeit, den sie sinngemäß folgendermaßen begründete: § 3 Abs. 1 der VO zu § 236 BAO besage, dass eine sachliche Unbilligkeit vorliege, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Treu und Glauben) von Seiten des Abgabepflichtigen Maßnahmen gesetzt werden, die eine Abgabepflicht vermeiden. Der VwGH sei mit Erkenntnis vom , Zl. 2003/13/0018, von der bis zu diesem Zeitpunkt anzuwendenden Rechtsprechung, dass für die Beurteilung der DB-Pflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern das Unternehmerrisiko bei den Bezügen maßgeblich sei, abgegangen und hätte entschieden, dass im Großen und Ganzen nur mehr das Kriterium der organisatorischen Eingliederung für die Beurteilung der Abgabepflicht heranzuziehen sei. Die Festlegung der Gesellschafter-Geschäftsführerbezüge hätte für die genannten Jahre im Vertrauen auf die alte Rechtsprechung speziell unter dem Gesichtspunkt des Unternehmerrisikos stattgefunden (keine Bezüge im Verlustjahr, erfolgsabhängiges Entgelt). Das vorhandene Kriterium des Unternehmerrisikos sei auch stets anerkannt worden und bis 2001 keine DB-Beträge nachverrechnet worden. Erst die Änderung der VwGH-Rechtsprechung hätte zur Abgabepflicht geführt, dieser Sachverhalt stelle eine sachliche Unbilligkeit für die Jahre bis zum Ergehen der geänderten Rechtsprechung dar.
Das Finanzamt wies mit Bescheid vom den Antrag um Bewilligung der Nachsicht im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der Umstand, dass Höchstgerichte gelegentlich ihre Meinung ändern, für vergangene Tatbestände keine Auswirkung haben.
Dagegen wurde Berufung erhoben, in der die bisherigen Argumente vollinhaltlich aufrecht erhalten wurden und eingewendet wurde, dass der Begründung des Finanzamtes widersprochen werde, da die Verordnung zu § 236 BAO das genaue Gegenteil besagt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Nach Abs. 2 findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Wird die Unbilligkeit verneint, ist für die Ermessensentscheidung kein Raum.
Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe kann nach Lage des Falles eine persönliche oder sachliche sein. Während sich eine persönliche Unbilligkeit aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers ergeben kann, liegt eine sachliche Unbilligkeit vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt und es dadurch zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. In der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl II Nr. 435/2005, wird unter § 3 Z 1 die sachliche Unbilligkeit folgendermaßen umschrieben: Sachliche Unbilligkeit bei Einhebung von Abgaben liegt insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die entsprechende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.
Nachsichtsfähig ist grundsätzlich nur der Vertrauensschaden; das ist die Differenz zwischen der gesetzmäßigen Steuerschuld und derjenigen Belastung, die aus dem steuerlichen Verhalten resultiert wäre, das der Steuerpflichtige gesetzt hätte, wenn ihm die Unrichtigkeit der betreffenden Rechtsauffassung bekannt gewesen wäre.
Im gegenständlichen Fall wird als einziger Nachsichtsgrund ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Dienstgeberbeitragspflicht betreffend die Einkünfte von wesentlich beteiligten Geschäftsführern geltend gemacht, die vor dem Erkenntnis des verstärkten Senates vom , 2003/13/0018, zu dieser Problematik ergangen ist. Die Nachforderung der Abgaben erfolgte unter Zugrundelegung der Ausführungen in diesem Erkenntnis. Die Berufungswerberin vermeint, sie hätte auf Grund des Umstandes, dass in der früheren Rechtsprechung für die Feststellung, ob bei einem wesentlich beteiligten Geschäftsführer "sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses" vorliegen, auch dem Vorliegen eines Unternehmerrisikos Bedeutung beigemessen wurde, die Entlohnung erfolgsabhängig gestaltet und so darauf vertrauen können, dass die Bezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht dem Dienstgeberbeitrag unterliegen würden.
Nun ist richtig, dass der Verwaltungsgerichtshof nach zahlreichen Beschwerdeverfahren zur Problematik der Dienstgeberbeitragspflicht wesentlich beteiligter Geschäftsführer in seiner Entscheidung vom , 2001/14/0054, sowie in weiteren Erkenntnissen folgende Kriterien als ausschlaggebend genannt hat: die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Kapitalgesellschaft, das Fehlen eines Unternehmerrisikos und eine laufende, wenn auch nicht notwendig monatliche Entlohnung. Im Erkenntnis des verstärkten Senates vom , 2003/13/0018, hat er jedoch die bisherige Rechtsprechung einer eingehenden Analyse unterzogen und ist nach Anführung zahlreicher Beispiele selbst zum Ergebnis gelangt, dass dem von der Rechtsprechung als zusätzlichem Hilfskriterium entwickelten Abgrenzungselement des Unternehmerrisikos in der praktischen Rechtsanwendung keine Bedeutung zugekommen ist, da ein aus der Geschäftsführungstätigkeit erwachsenes und rechtlich dieser Tätigkeit zuzuordnendes Unternehmerrisiko so gut wie nie erwiesen werden konnte. Die Aufhebungsgründe in einigen wenigen Beschwerdefällen wurzelten lediglich in Unzulänglichkeiten der Bescheidbegründung.
Tatsächlich hat der Verwaltungsgerichtshof vor dem Erkenntnis des verstärkten Senates über die unterschiedlichsten Sachverhaltskonstellationen abgesprochen und sich auch mit dem zumeist eingewendeten Unternehmerrisiko auseinander gesetzt, es jedoch aus den verschiedensten Gründen verneint. Unter anderem hat er mehrfach betont, dass Schwankungen der Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers entsprechend der Ertragslage der Gesellschaft noch keinen Rückschluss auf eine tatsächliche Abhängigkeit der Bezüge vom Erfolg der Tätigkeit des Geschäftsführers zulassen. Die restriktive Auslegung brachte es mit sich, dass trotz unterschiedlichster Varianten in der Geschäftsführerentlohnung von diesen Bezügen so gut wie immer der Dienstgeberbeitrag zu entrichten war.
Im Nachsichtsverfahren ist nicht zu prüfen, ob im gegenständlichen Verfahren einer der seltenen Ausnahmefälle vorgelegen ist, in dem nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Unternehmerrisiko angenommen werden konnte. § 3 Z 1 der VO zu § 236 BAO schützt nur das Vetrauen auf Rechtsauslegungen des Verwaltungsgerichtshofes. Da auch dessen frühere Judikatur zur gegenständlichen Problematik erkennen lässt, dass er ein Unternehmerrisiko in der Praxis beinahe niemals als erwiesen angesehen hat, hat die Berufungswerberin in Wahrheit die Maßnahmen nur auf Grund ihrer eigenen subjektiven Interpretation der Rechtsauslegung des Verwaltungsgerichtshofes gesetzt. Die Verletzung eines schutzwürdigen Vertrauens liegt bei dieser Sachlage nicht vor, sodass es nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates an der tatbestandsmäßigen Voraussetzung der sachlichen Unbilligkeit der Einhebung fehlt.
Der Unabhängige Finanzsenat folgt mit dieser Rechtsansicht den Berufungsentscheidungen des , und vom , RV/0508-I/06.
Bemerkt wird, dass das Vorbringen der Berufungswerberin auch nicht aufzeigt, in welchem Umfang ihr durch ihre Interpretation der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Schaden entstanden ist bzw. welche Maßnahmen sie gesetzt hätte, wenn ihr die Unrichtigkeit ihrer Rechtsauffassung bekannt gewesen wäre. In Ermangelung der tatbestandsmäßigen Voraussetzung einer Unbilligkeit war eine Auseinandersetzung mit dieser Frage jedoch nicht erforderlich.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 3 Z 1 Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005 |
Schlagworte | Nachsicht Dienstgeberbeitrag sachliche Unbilligkeit |
Verweise | -I/06 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at