Schließung der Betriebsstätte eines deutschen Unternehmens zur Errichtung einer Vertragsanlage in Österreich nach Vertragserfüllung ist keine Betriebsaufgabe
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Körperschaftsteuer 2008 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Bw ist eine GmbH im Bereich Anlagenbau und Verfahrenstechnik, die weltweit tätig ist. Sie hat ihren Sitz in Deutschland. Am schloss sie als Auftragnehmerin (AN) mit der X (i.d.F. X) mit Sitz in Österreich als Auftraggeberin (AG) einen Anlagevertrag über Planung, Auslegung der Betriebs- und Prozessparameter, Beschaffung und Lieferung der Ausführung und Gewerke, Montage, Probebetrieb und Inbetriebnahme einer Produktionsanlage für chemisch technische Produkte in Österreich = "Vertragsanlage". Für das berufungsgegenständliche Jahr 2008 brachte die nunmehrige Bw eine Körperschaftsteuererklärung ein. Gegen den nicht erklärungsgemäß ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2008 wurde rechtzeitig Berufung eingebracht und im Wesentlichen ausgeführt: Die Bw habe im Zusammenhang mit der Errichtung der berufungsgegenständlichen Anlage eine Betriebsstätte gem. Doppelbesteuerungsabkommen Österreich - Deutschland begründet, da die Baustellendauer zwölf Monate überschritt (die Arbeiten begannen 2006 und wurden 2007 beendet). 2007 wurde eine Forderungswertberichtigung passiviert, da auf Grund von Rechtsstreitigkeiten nicht damit gerechnet werden musste, dass die AG ihren Vertragsverpflichtungen zur Gänze nachkommen würde. Laut (korrigiertem) Körperschaftsteuerbescheid 2007 wurde ein vorläufiger Verlust von 1.846.302,00 € festgesetzt. 2008 betrug das operative Ergebnis der Betriebsstätte -22.293,00 €. Außerdem wurde die Forderungswertberichtigung in Höhe von 1.799.688,00 € gewinnerhöhend aufgelöst, da es eine Einigung mit der AG in der strittigen Angelegenheit gab. Insgesamt betrug das steuerpflichtige Ergebnis aus 2008 daher 1.757.395,00 €. Das Finanzamt habe nun für die Berechnung der Körperschaftsteuer 2008 die 75 %ige Verrechnungsgrenze gem. § 2 Abs. 2b Z 1 EStG angewendet, wodurch der Verlustvortrag aus 2007 nur in Höhe von 1.318.046,00 € verwertet wurde. Die Körperschaftsteuer wurde daher in Höhe von 109.837,16 € bescheidmäßig festgesetzt ((1.757.395,00 € -1.318.046,00 €) x 25 %). Nach Meinung der Bw sei jedoch die 75 % Grenze nicht anzuwenden: Die Tätigkeit der Bw begründe eine Betriebsstätte sowohl nach nationalem (§ 29 Abs. 2 lit. c BAO) als auch DBA-Recht (Art. 5 Abs. 3 DBA-Deutschland). Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2b Z 3 EStG 1988 sei, dass bei Aufgabe eines (Teil-)Betriebs kein Gewinn versteuert werden soll, wenn noch nicht alle Verluste verwertet wurden und diese mangels Verwertbarkeit in der Zukunft verfallen würden. Nichts anderes sei es, wenn ein ausländisches Unternehmen eine Betriebsstätte beende und für diese Betriebsstätte noch Verluste aus den Vorjahren bestehen. Mit Auflösen der Betriebsstätte bestehe für das ausländische Unternehmen keine Steuerpflicht in Österreich mehr und aufgelaufene Verluste würden verfallen, wenn in Zukunft keine Tätigkeiten in Österreich geplant sind. Art. 24 Abs. 3 DBA-Deutschland gebiete, dass eine Betriebsstätte steuerlich nicht schlechter behandelt werden dürfe, als ein österreichisches Unternehmen, das diese Tätigkeit ausübt. Hätte ein österreichisches Unternehmen nur diesen einen Auftrag abgewickelt und wäre dann der Betrieb beendet worden - wie es im berufungsgegenständlichen Fall vorgelegen sei - würde klar eine Betriebsaufgabe vorliegen. Daher sei auch aus dem Gleichbehandlungsgebot des DBA die Verlustverrechnung zur Gänze vorzunehmen. Auch europarechtlich würde eine nicht vollständige Verrechnung nicht im Einklang mit den Grundfreiheiten stehen: Verluste, die nicht vollständig verrechnet werden können, erschweren die Tätigkeit in Österreich für ein ausländisches Unternehmen, während ein inländisches Unternehmen entweder die Verluste in Zukunft verwerten kann bzw. sie nicht zu tragen hat, wenn eine Betriebsaufgabe anerkannt würde.
Die Abgabenbehörde erster Instanz wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab, da durch die Betriebsstätte der Bw kein Betrieb bzw. Teilbetrieb begründet wurde. Die Bw stellte rechtzeitig einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Aus dem Anlagevertag geht im Wesentlichen hervor: Vertragsgegenstand ist die Herstellung der Vertragsanlage nach dem Verfahren AN's (2.1). Sie wird nach dem neuesten Stand der Technik auf Basis der neuesten Technologie des AN zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erstellt (5.1). Der Endtermin für die mechanische Fertigstellung wird auf vierzehn Monate ab Inkrafttreten des Vertrages festgelegt (11.2). Die mechanische Fertigstellung beinhaltet die vollständige Montagefertigstellung der Anlage (11.6.1). Die Inbetriebnahmevorbereitungen erfolgen im Anschluss an die mechanische Fertigstellung (14). Sie dient dem Nachweis der ordnungsgemäßen Ausführung der Vertragsanlage und ihrer Teile (14.2). Der Probebetrieb erfolgt unmittelbar nach Inbetriebnahme (14.7). Bestimmungen über die Abnahme der Vertragsanlage (15). Das Eigentum an der Vertragsanlage geht mit vollständiger Zahlung des Vertragspreises an den AG über (16.1). Das Eigentum an den temporären Einrichtungen (Baustelleneinrichtung etc.) verbleibt dauerhaft beim AN. Der AN ist berechtigt die temporären Einrichtungen und/oder Teile davon zu jeder Zeit von der Baustelle zu entfernen oder zu ersetzen (16.3). Der AG schließt für das gesamte Montageobjekt eine Montageversicherung ab (gleichgültig, ob die Baustelleneinrichtung, Gegenstände oä. dem AN, seinen Subauftragnehmern, dem AG oder Dritten gehören) - (20.1).
Über die Berufung wurde erwogen:
Gem. § 2 Abs. 2b Z 1 EStG 1988 gilt, wenn bei Ermittlung des Einkommens Verluste zu berücksichtigen sind, die in vorangegangenen Jahren entstanden sind, Folgendes: In vorangegangenen Jahren entstandene und in diesen Jahren nicht ausgleichsfähige Verluste, die mit positiven Einkünften aus einem Betrieb oder einer Betätigung zu verrechnen sind, können nur im Ausmaß von 75 % der positiven Einkünfte verrechnet werden (Verrechnungsgrenze). Insoweit die Verluste im laufenden Jahr nicht verrechnet werden können, sind sie in den folgenden Jahren unter Beachtung der Verrechnungsgrenze zu verrechnen. Gem. § 2 Abs. 2b Z 3, dritter Punkt TS EStG 1988 sind die Verrechnungsgrenze und die Vortragsgrenze in folgenden Fällen insoweit nicht anzuwenden, als in den positiven Einkünften oder im Gesamtbetrag der Einkünfte enthalten sind: Veräußerungsgewinne und Aufgabegewinne, das sind Gewinne aus der Veräußerung sowie der Aufgaben von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen.
Gem. Art. 5 DBA-Deutschland bedeutet der Ausdruck "Betriebsstätte" im Sinne diese Abkommens eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird (Abs. 1). Eine Bauausführung oder Montage ist nur dann eine Betriebsstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet (Abs. 3). Gem. Art. 24 Abs. 3 DBA-Deutschland darf die Besteuerung einer Betriebsstätte, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat hat, im anderen Staat nicht ungünstiger sein als die Besteuerung von Unternehmen des anderen Staates, die die gleiche Tätigkeit ausüben.
Gem. § 29 BAO ist Betriebsstätte im Sinn der Abgabenvorschriften jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes (§ 31) dient - (Abs. 1). Als Betriebsstätten gelten insbesondere Bauausführungen, deren Dauer sechs Monate überstiegen hat oder voraussichtlich übersteigen wird (Abs. 2 lit. c).
Zur Definition des Betriebs im einkommensteuerrechtlichen Sinn ist in Judikatur und Literatur Folgendes ausgearbeitet: Unter Betrieb kann im Allgemeinen "die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Produktionsmittel in einer organisatorischen Einheit" verstanden werden () - Jakom 4, Tz 3. Laut Doralt, EStG Kommentar Band II § 23 Tz 5 definiert § 23 Z 1 EStG den Betriebsbegriff für alle betrieblichen Einkunftsarten, wobei die entscheidenden Kriterien sind: Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnabsicht, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
Die Bw als AN ist insoweit selbständig im oa. Sinn tätig, als sie - wie im berufungsgegenständlichen Fall - Vertragsanlagen errichtet (im berufungsgegenständlichen Fall unter den vertraglich angeführten Prämissen). Sie tut dies in ihrer Eigenschaft als Anlagenerrichterin und entwickelt dabei eine selbständige, nachhaltige Tätigkeit mit Gewinnabsicht und entfaltet so eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Ihre Unternehmertätigkeit umfasst die Erstellung von Anlagen, wie sie im berufungsgegenständlichen Fall laut vertraglicher Vorgaben den Vertragsgegenstand "Vertragsanlage" übergeben hat: Ihr Vertragspartner ist dann in der Lage, die "Vertragsanlage" als Betrieb zu führen. Die Bw selber führt den Betrieb "Vertragsanlage" nie, sie stellte nur die Anlage her, die die AG befähigt, sie nach Übernahme betrieblich zu nutzen.
Die Bw meint nun, dass sie mit Übergabe der Vertragsanlage an die AG einen Betrieb aufgegeben habe: Dies hätte sie nur dann getan, wenn sie einen Betrieb im Sinn des oa. zit. Betriebsbegriffs übergeben hätte. - Dass das nicht geschehen ist, ergibt sich eindeutig daraus, dass die Bw die berufungsgegenständliche Vertragsanlage ja nicht als Unternehmerin unter den angeführten Kriterien der Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnabsicht und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr führte, sondern ein "Werk" im Sinne der berufungsgegenständlichen Vertragsanlage = Ware an die AG übergab, die ihrerseits nach Übergabe dieses "Werk" = Ware im eigenen Unternehmensbereich als Betrieb unter den oa. Kriterien führen wollte. Dass die Bw die Vertragsanlage nicht als Betrieb im oa. Sinn selbständig, nachhaltig, mit Gewinnabsicht unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr führte, ergibt sich eindeutig aus dem Vertragsinhalt und führte sie auch keine gegenteiligen Fakten an (v.a. 11.6.1, 14.2, 14.7, 15). Sie übergab vielmehr eine Vertragsanlage, die die AG als Betrieb im oa. Sinn führen konnte. Die Bw stellte damit jedoch nicht ihren Betrieb ein, sie hatte vielmehr einen Auftrag in ihrer Unternehmenssphäre erfüllt. - Es liegt in der Folge eine durch die Bw getätigte Betriebsaufgabe im Sinn des § 2 Abs. 2b Z 3, 3. TS EStG 1988 nicht vor.
Dass die Bw im Zuge der Errichtung der Vertragsanlage eine Betriebsstätte im Sinn des Art. 5 Abs. 3 DBA-Deutschland hatte, ist unbestritten, doch bringt die oa. Normierung nichts für die Berufung, da sie keinen selbständigen Betrieb im oa. Sinn entwickelt, der nach Fertigstellung des jeweiligen Auftrags eine Betriebsaufgabe bewirkt: Es ist ganz im Gegenteil so, dass das jeweilige Unternehmen (hier AN = Bw) die Betriebsstätte inne hat zum Zweck der Durchführung ihrer betrieblichen Unternehmungen (wie hier der Errichtung technischer Anlagen).
Auch § 29 BAO bringt nichts für das Berufungsbegehren, sondern bestätigt im Gegenteil die Ansicht der entscheidenden Behörde, wonach die Betriebsstätte (hier Bauausführung gem. § 29 Abs. 2 lit. c BAO) der Ausübung des Betriebs der Bw dient: Ohne sie hätte die Bw nicht ihre vertraglich vereinbarte "Vertragsanlage" herstellen können - dass sie nach Erfüllung des Vertrags ihren Betrieb aufgegeben hätte, ist nicht nur nicht ersichtlich, sondern wäre nahezu absurd, da nicht einzusehen ist, weshalb ein herstellendes Unternehmen nach Erfüllung der vertraglichen Bedingungen bei Lieferungen eines Vertragsgegenstandes ihren (Teil-)Betrieb einstellen sollte: Es verhält sich vielmehr so, dass die Herstellung von technischen Anlagen (hier: "Vertragsanlage") Unternehmensgegenstand der Bw ist und entspricht also die Lieferung der berufungsgegenständlichen Vertragsanlage ihrem Unternehmensgegenstand.
Wenn die Bw meint, dass sie durch die abgabenbehördliche Entscheidung gegenüber österreichischen Betrieben schlechter gestellt sei, so irrt sie: Eine Ungleichbehandlung würde dann vorliegen, wenn bei Vergleich von gleichen Sachverhalten zwei Abgabepflichtige ungleich behandelt würden. - Die berufungsgegenständliche Entscheidung gründet auf die Anwendung der angeführten Normen auf den berufungsgegenständlichen Sachverhalt; sie ist keinesfalls indiziert durch den Umstand, dass die Bw ein deutsches Unternehmen ist: Der gleiche Sachverhalt würde bei Anwendung der angeführten Normen hinsichtlich eines österreichischen Unternehmens als Bw zum selben Ergebnis führen: Das heißt, hätte ein österreichisches Unternehmen als AN die Vertragsanlage übergeben, wäre bei sonstigem gleichen Sachverhalt eine Betriebsaufgabe der AN ebenfalls nicht vorgelegen.
Allein der Umstand, dass nach Beenden der vertraglichen Tätigkeit in Österreich "keine Steuerpflicht in Österreich mehr bestehe" kann bei Beachtung der oa. zitierten Definition nicht dazu führen, die berufungsgegenständliche Tätigkeit als Betrieb im oa. Sinn zu qualifizieren.
Es war in der Folge spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 29 Abs. 2 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 5 Abs. 3 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 § 2 Abs. 2b Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 24 Abs. 3 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 § 2 Abs. 2b Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 5 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 § 29 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at