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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 27.11.2012, RV/2883-W/12

Kein Familienbeihilfenanspruch zwischen Abschluss der Schulausbildung und Beginn des "Freiwilligendienstes"

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zl. B 1552/2012 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt. Mit Beschluss vom an den VwGH abgetreten. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2013/16/0153 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., X., vertreten durch Mag. Franz Müller, Rechtsanwalt, 3470 Kirchberg am Wagram, Georg Ruck Straße 9, gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum bis  entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) stellte mit Schreiben vom einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihre Tochter E., geb. 1993, für die Monate Juli bis September 2012.

Strittig ist, ob für den Zeitraum zwischen Ablegung der Matura und dem Beginn des sog. "Freiwilligendienstes" Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom mit folgender Begründung ab:

"Für volljährige Kinder steht Familienbeihilfe nur unter bestimmten, im § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung genannten Voraussetzungen zu.

Als anspruchsbegründend wird Folgendes bestimmt:

- Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung

- Zeiten zwischen dem Abschluss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung

- Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung

- das dauernde Unvermögen, sich selbst wegen einer Behinderung Unterhalt zu verschaffen.

Seit dem besteht auch Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit der Ableistung des Freiwilligendienstes (§§ 2 Abs. 1 lit. l, 6 Abs. 2 lit. k). Ausgenommen sind allerdings die Zeiträume zwischen Beendigung, oder Beginn einer Berufsausbildung vor bzw. nach dem Freiwilligendienst.

Ihrem Antrag auf Familienbeihilfe für die Monate Juli bis September 2012 konnte daher nicht stattgegeben werden."

Die Bw. erhob - nunmehr durch einen Rechtsanwalt vertreten, der sich gemäß § 8 Abs. 1 RAO auf die erteilte Vollmacht berufen hat - gegen den Abweisungsbescheid Berufung und begründete diese wie folgt:

"...Dem § 2 FLAG ist in keiner Weise zu entnehmen, dass diese Zeiten vom Anspruch auf Bezug von Familienbeihilfe ausgenommen seien.

Richtig ist wohl, dass in der zitierten Gesetzesbestimmung eine ausdrückliche Regelung nur für die Zeit zwischen Abschluss einer Schulausbildung und Beginn einer weiteren Berufsausbildung enthalten ist. Dies hat jedoch seinen alleinigen Grund darin, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme dieses "Zwischenzeitraumes" in das Gesetz ein Freiwilligendienst (eingeführt durch BGBl. I Nr. 17/2012) noch gar nicht vorgesehen war und daher die Ableistung eines Freiwilligendienstes als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Familienbeihilfe überhaupt noch nicht vorgesehen war.

Aus dem Umstand, dass die Anspruchsgrundlage für den Zwischenzeitraum so formuliert ist, dass darin nur die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung ausdrücklich angeführt ist, ergibt sich daher für die Rechtsansicht der Behörde nichts.

Vielmehr ist eindeutig davon auszugehen, dass bei Einführung des § 2 Abs. 1 lit. l FLAG schlicht und einfach übersehen wurde, die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d des FLAG entsprechend anzupassen bzw. allenfalls nach lit. l leg.cit. einen entsprechenden weiteren Tatbestand einzuführen.

Es wäre eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, wenn zwar für Kinder, die nach Abschluss der Schulausbildung eine weitere Berufsausbildung absolvieren, für den Zeitraum dazwischen eine Anspruchsberechtigung bestünde, für Kinder, die nach Abschluss der Schulausbildung zunächst an einem freiwilligen Sozialjahr teilnehmen, für die Zeit zwischen Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn des freiwilligen Sozialjahres jedoch ein derartiger Anspruch nicht gegeben wäre.

Dies umso mehr, als ja auch die Teilnahme an einem freiwilligen Sozialjahr in der Regel der Vorbereitung für eine weitere Berufsausbildung dient.

Es geht zweifellos nicht an, Personen, die ein freiwilliges Sozialjahr leisten, schlechter zu behandeln, als Personen, die ein derartiges Sozialjahr nicht leisten, sondern unmittelbar nach Ende des Schulbesuches eine weitere Berufsausbildung, in der Regel also ein Studium, beginnen.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung, insbesondere einer verfassungskonformen Interpretation der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d bzw. l FLAG ergibt sich daher, dass sehr wohl auch für die Zeit zwischen Abschluss der Schulausbildung und Beginn der Teilnahme am Freiwilligendienst, sohin für Juli 2012 bis September 2012, ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht..."

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Rechtsgrundlagen

§ 2 Abs. 1 lit. l FLAG 1967 (in Kraft getreten mit ) lautet:

"Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ...

l) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die teilnehmen am

aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012 ,

bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc) Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd) Europäischen Freiwilligendienst nach dem Beschluss Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Einführung des Programms "Jugend in Aktion" im Zeitraum 2007 - 2013."

Ein Familienbeihilfenanspruch besteht gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967

"für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird."

2. Sachverhalt und rechtliche Würdigung

Unstrittig ist, dass die Tochter der Bw. ab Oktober 2012 Freiwilligendienst iSd § 2 Abs. 1 lit. l FLAG 1967 leistet und daher ab diesem Zeitpunkt ein Familienbeihilfenanspruch gegeben ist. Strittig sind ausschließlich die davor liegenden Zeiten ab Abschluss der Schulausbildung.

Die Bw. ortet im FLAG 1967 das Vorliegen einer Gesetzeslücke, also einer planwidrigen Unvollständigkeit; es sei bei Einführung des § 2 Abs. 1 lit. l FLAG 1967 schlicht und einfach übersehen worden, die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 entsprechend anzupassen bzw. allenfalls nach lit. l leg. cit. einen entsprechenden weiteren Tatbestand einzuführen.

Aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 2 Abs. 1 lit. l FLAG 1967 (BGBl. I 2012/17) ergibt sich hierfür kein Hinweis; diese lauten:

"Nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 wird die Familienbeihilfe für volljährige Kinder nur dann gewährt, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden.

Da es sich bei der Absolvierung des Freiwilligen Sozialjahres, des Freiwilligen Umweltschutzjahres, sowie des Gedenkdienstes und des Friedens- und Sozialdienstes im Ausland aber um keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 handelt, wird eine Sonderregelung geschaffen, um die Gewährung der Familienbeihilfe sicherzustellen."

Hieraus ergibt sich, dass es wahrscheinlich ist, dass der Gesetzgeber zwar für den Freiwilligendienst einen eigenständigen Anspruch auf Familienbeihilfe normiert hat, bewusst aber keine weiteren Tatbestände in das Gesetz einfügen wollte. Es sei nämlich darauf hingewiesen, dass nicht nur der von der Bw. zitierte Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 eigenständige an das Vorliegen einer Berufsausbildung geknüpfte Anspruchsvoraussetzungen beinhaltet, sondern auch § 2 Abs. 1 lit. e und i FLAG 1967. Dass der Gesetzgeber all diese Bestimmungen übersehen hätte, kann wohl nicht angenommen werden.

Was die Ausführungen der Bw. in der Berufung betrifft, es läge eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung in der Nichtanwendung der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 vor, so ist darauf hinzuweisen, dass der unabhängige Finanzsenat über die allfällige Verfassungswidrigkeit von Gesetzen nicht abzusprechen hat. Dies ist dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten; auch ein Recht des unabhängigen Finanzsenates, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten, ist nicht gegeben.

Die Berufung musste daher abgewiesen werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at