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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 10.01.2012, RV/0159-W/11

Kosten des Einbaues einer Badewannentür als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch ebit consulting GmbH, SteuerberatungsGmbH, 1090 Wien, Liechtensteinstraße 45a/6, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 12., 13. und 14. Bezirk und Purkersdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) ist Pensionistin und beantragte im Rahmen des Berufungsverfahrens einen auf 100% (bisher 50%) lautenden Behindertenpass, welcher nicht rückwirkend erteilt wurde. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2008 wurden u.a. die Aufwendungen fürdie Anschaffungskosten einer Badewannentür mangels Kosten für Heilbehandlung noch Hilfsmittel als Aufwendungen gem. § 20 EStG nicht anerkannt.

In der fristgerechten Berufung beantragte die Bw. die Kosten für die Hebetüre einer Badewanne in Höhe von EUR 2.616,05 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, unter Verweis auf die Bezug habenden vorgelegten Rechnungen zum Nachweis.

In der Begründung der Berufung wurde ausgeführt:

"Gemäß § 34 Abs. 6 EStG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 und § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBI. 303/1996, idF. BGBI. II 91/1998 sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel, die durch die Behinderung des Steuerpflichtigen veranlasst sind, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Nach ständiger Verwaltungspraxis wird § 154 Abs. 1 ASVG zur Definition von Hilfsmitteln im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen herangezogen. Im Sinne des § 154 Abs. 1 ASVG sind Hilfsmittel auch Gegenstände, die geeignet sind, die mit der Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen insoweit zu beseitigen, dass Gegenstände trotz Behinderung vom Behinderten verwendet werden können (UFS RV/2505-W/02 v. ). Da erst die Hebetüre meiner Klientin die Benützung der Badewanne ermöglicht, erfüllt diese die Voraussetzung, für sie ein Hilfsmittel zu sein.

Darüber hinaus hat der VfGH zu Recht erkannt, dass unter Hilfsmittel auch behinderungsbedingte Ein- und Umbauten in Gebäuden zu verstehen sind (); der UFS hat diesem Erkenntnis bereits mehrfach Rechnung getragen (z.B. UFS RV/1450-W/03 v. ).

Der Einbau einer Hebetüre für die Badewanne ist weiters als vermögensmindernde Ausgabe zu qualifizieren. Abgesehen davon, dass meine Klientin den Einbau ausschließlich für den eigenen Gebrauch vornehmen ließ, muss realistischerweise davon ausgegangen werden, dass bei einer unterstellten Verwertung der Wohnung diese Aufwendungen nicht abgegolten werden. Vielmehr würde ein potentieller Erwerber, falls er sich nicht in einer ähnlichen Situation wie meine Klientin befindet ein Fall, der wegen seiner geringen Wahrscheinlichkeit vernachlässigt werden kann (), den Einbau, wenn nicht sogar als wertmindernd, so jedenfalls als nicht werterhöhend beurteilen."

In Beantwortung eines Ergänzungsvorhaltes betreffend die Vorlage eines Nachweises über den Grad der Behinderung von 100% (bisher 50%) wurde mitgeteilt:

"Die Bw. hätte die Badewanne so umbauen lassen, dass es ihr möglich ist, mit Ihrer Pflegerin einzusteigen. Es besteht die Möglichkeit, dies zu besichtigen. Zwischenzeitig hätte die Bw. beim Bundessozialamt die Ausstellung eines Behindertenpasses beantragt. Der behandelnde Arzt ist Dr. X., der die Einschränkung jederzeit bestätigen kann."

Die Berufung wurde in der Folge vom Finanzamt mit einer Begründung dahingehend abgewiesen, dass in Hinblick auf den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses eine rückwirkende Ausstellung eines Behindertenpasses und somit auch eine rückwirkende Feststellung über Art und Grad der Behinderung im dargelegten Fall betreffend das Jahr 2008 nicht möglich ist:

"Wie bereits im Ergänzungsersuchen hingewiesen, muss ein Zusammenhang zwischen der Behinderung und den Mehraufwendungen (Hilfsmittel) bestehen bzw. nachgewiesen werden. Ein Nachweis über das Erfordernis dieser Umbauarbeiten wurde nicht erbracht, weshalb diese Aufwendungen steuerlich nicht als außergewöhnliche Belastung (ohne Selbstbehalt) Berücksichtigung finden konnten. Eine Überprüfung auf außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt ergibt weiters keine steuerliche Auswirkung."

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 34 Abs. 1 EStG 1988 sieht vor, dass bei Ermittlung des Einkommens ua. so genannte außergewöhnliche Belastungen abzuziehen sind. Diese müssen 1. außergewöhnlich sein, 2. zwangsläufig erwachsen und 3. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Nach Abs. 2 der vorzitierten Bestimmung ist eine Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse erwächst.

Zwangsläufigkeit ist nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 gegeben, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Keine außergewöhnlichen Belastungen bilden daher zB Aufwendungen, die freiwillig geleistet werden (Jakom/Baldauf EStG³, § 34 Rz 41).

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 leg. cit. und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

§ 35 EStG sieht für den Fall von behinderungsbedingten außergewöhnlichen Belastungen unter bestimmten Voraussetzungen die Gewährung eines Steuerfreibetrages vor. Gemäß § 35 Abs. 5 leg. cit. können an Stelle dieses Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

Die auf die §§ 34 und 35 EStG gestützte Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 303/1996, ordnet - auszugsweise - Folgendes an:

"§1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen (ua.) durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung (.....), so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

(.....)

§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."

Unter den Begriff "Hilfsmittel" fallen auch sanitäre Einrichtungsgegenstände, die auch oder ausschließlich für Behinderte konzipiert und bestimmt sind ().

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellen Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern im Regelfall allerdings keine außergewöhnliche Belastung dar, da durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, und somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (vgl. zB ). Eine andere Beurteilung könnte nur dann geboten sein, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (zB deren Prothesen oä.) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (zB ; zB -G/06). Voraussetzung für den Abzug von derartigen Aufwendungen aus dem Titel der außergewöhnlichen Belastung ist sohin, dass diese Aufwendungen ausschließlich durch die Behinderung bedingt sind. Nur für den ausschließlich behinderungsbedingten Mehraufwand kann der oa. Gegenwertgedanke nicht greifen ( zB ).

Strittig ist die Frage, ob die von der Bw. aufgewendeten Kosten für den Einbau eines Badewanneneinstieges steuerlich als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können oder nicht. Die Bw. ist nicht gehbehindert, jedoch liegt im Streitzeitraum eine amtlich bescheinigte (sonstige) Behinderung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50% bzw. 100% ab 2010 vor.

Für den gegenständlichen Berufungsfall bedeutet dies, dass nur durch eine Krankheit bzw. eine amtlich bescheinigte Behinderung bedingte Kosten für diverse Sanitäreinrichtungsgegenstände allenfalls als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden könnten. Überdies wären auf Grund der dargelegten Gegenwerttheorie Kosten der jeweiligen Standardausstattung von den Gesamtkosten jedenfalls in Abzug zu bringen, nur ein behinderungsbedingter Mehraufwand könnte steuerlich berücksichtigt werden.

In Anbetracht der dargestellten Rechtslage war im vorliegenden Fall eine Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastungen aus folgenden Gründen nicht möglich:

Die Bw. brachte im Wesentlichen vor, dass erst die Hebetüre "Magic Bad" die Benützung der Badewanne ermöglichen würde. Die Bw. hätte die Badewanne umbauen lassen, dass es ihr möglich ist, mit Hilfe ihrer Pflegerin einzusteigen. Wesentliche Voraussetzung für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung wäre aber das Vorliegen einer entsprechenden (Geh-)Behinderung. Eine derartige Behinderung bzw. eine Krankheit oder ein körperliches Gebrechen der Bw., welche den gegenständlichen Badezimmerumbau erforderlich gemacht hätten, liegt nicht vor. Die Bw. war im berufungsgegenständlichen Zeitraum zu 50% behindert auf Grund eines Herzleidens und einer Colitis, ab Dezember 2010 wurde eine 100%ige Behinderung bestätigt. Somit liegt keine amtliche Feststellung bzw. Bescheinigung einer Gehbehinderung vor. Es ist auch nicht erkennbar (bzw. wird von der Bw. nicht behauptet), dass der Eintritt einer Gehbehinderung in absehbarer Zeit wahrscheinlich ist. Den strittigen Aufwendungen mangelt es daher an der gesetzlich geforderten Zwangsläufigkeit.

Weiters ist festzustellen, dass nach der oben erwähnten Gegenwerttheorie nur ein behinderungsbedingter Mehraufwand steuerlich als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könnte. Die von der Bw. eingebaute Badewannentür allein lässt nicht erkennen, dass diese behinderungsspezifisch konzipiert bzw. ausschließlich für Behinderte von Nutzen wären, wie z.B. behindertengerechte Vorrichtungen, wie etwa Haltegriffe, Klappsitze oä. Somit erweist sich der Einbau generell - nicht nur für Körperbehinderte - als zweckmäßig.

Aufwendungen sind dann außergewöhnlich im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG 1988, wenn diese über dem Rahmen dessen liegen, was Steuerpflichtige ähnlicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse für solche Aufwendungen auszugeben pflegen. Aufwendungen, die bei der Mehrzahl der Steuerpflichtigen auftreten, sind keine außergewöhnlichen Belastungen. Das Tatbestandsmerkmal der Außergewöhnlichkeit dient der Abgrenzung atypischer, außerhalb der normalen Lebensführung gelegener Belastungen von den typischerweise wiederkehrenden Kosten der Lebenshaltung.

Liegt eine Ausgabe in einer bestimmten Einkommenskategorie an sich im Bereich der normalen Lebensführung, liegt auch dann keine außergewöhnliche Belastung vor, wenn tatsächlich nicht die Mehrheit dieser Einkommenskategorie dieselben Ausgaben tätigt ().

In Anbetracht der Einkommens- und Vermögensverhältnisse bzw. des wirtschaftlichen Einkommens der Bw. als auch im Hinblick auf das die in Rede stehenden Ausgaben verursachende Ereignis gehören die gegenständlichen Anschaffungskosten typischerweise zur normalen Lebensführung der Bw.; die strittigen Kosten liegen nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach innerhalb des Üblichen. Gegenständlich war - wie bereits ausgeführt - von einer Normalausstattung und damit nicht von durch die Behinderung verursachten Mehraufwendungen auszugehen. Aufwendungen für die Einrichtung und Instandhaltung einer Wohnung, die durch die laufende Benutzung einer Wohnung erforderlich sind oder die dazu dienen, die Wohnung den veränderten Lebensbedürfnissen des Steuerpflichtigen anzupassen, haben die ganz überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen regelmäßig (wenn auch in größeren Zeitabständen) zu tragen. Es handelt sich dabei um Erscheinungen des täglichen Lebens, die den Charakter des Außergewöhnlichen entbehren. Gleiches gilt nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz auch für den Einbau einer Badewannentür zur Verhinderung des Stolperns bzw. Stürzens. Sie wird auch von Personen ohne Behinderung gewünscht und als zweckmäßig erachtet.

Da die gegenständlichen Wohnungskosten der Mehrheit der Steuerpflichtigen mit gleichen Einkommensverhältnissen in annähernd gleicher Höhe erwachsen, kann im Berufungsfall auch das Merkmal der Außergewöhnlichkeit als nicht gegeben erachtet werden.

Es handelt sich daher bei den geltend gemachten Kosten - im Vergleich mit anderen Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse - um keine atypischen, außerhalb der normalen Lebensführung gelegenen Belastungen. Ein behinderungsgerechter Mehraufwand - wie vom VfGH im bereits zitierten Erkenntnis B 785/02 gefordert - liegt im Berufungsfall nicht vor. Dass das Bad in seiner konkreten Ausgestaltung für einen "gesunden" Dritten keinen bzw. nur einen eingeschränkten Wert hätte, ist nicht erkennbar.

Das Finanzamt hat daher den beantragten Aufwendungen zu Recht die Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastungen versagt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
außergewöhnliche Belastung
Zwangsläufigkeit
Gegenwerttheorie
Badezimmerumbau

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at