Wann endet die Ausbildungszeit bei einer Maßnahme nach § 18 Abs. 6 ALVG?
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RV/0161-S/12-RS1 | Eine von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservices anerkannte Maßnahme im Sinne des § 18 Abs. 6 ALVG einer Implacementstiftung stellt eine Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar. Dieser Ausbildung liegt ein Bildungsplan zugrunde, in dem die Maßnahmen festgelegt sind. Wesentlicher Teil der Ausbildung ist die Schulung am Arbeitsplatz und die Absolvierung von Kursen und Prüfungen. Eine abgelegte Lehrabschlussprüfung beendet anders als nach § 14 Abs. 2 lit. e BAG nicht das Ausbildungsverhältnis. Dieses endet in dem im Bildungsplan festgelegten Zeitpunkt. Bis zu diesem Zeitpunkt liegt eine Ausbildung vor. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land vom , SVNR, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe entschieden:
Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Tochter des Berufungswerbers Bw, (in der Folge: Bw) K.S., hat eine Ausbildung als Bürokauffrau absolviert.
Laut Bildungsplan der Implacementstiftung sollte K.S. ein Arbeitstraining vom bis bei einer Firma, sowie einen Vorbereitungskurs Lehrabschlussprüfung Bürokauffrau beim Bfi absolvieren.
Über eigenen Antrag vom auf ausnahmsweise Zulassung zur Lehrabschlussprüfung gemäß § 23 Abs. 5 lit. a BAG wurde K.S. mit Bescheid der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Salzburg vom die Zulassung für den Lehrberuf Bürokauffrau erteilt.
K.S. hat die Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Bürokauffrau am bestanden.
Mit Bescheid vom , SVNR, forderte die Abgabenbehörde I. Instanz die für die Monate August 2011 bis Dezember 2011 zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag im Gesamtausmaß von € 1.119,50 zurück.
In der Berufung vom machte der Bw geltend, dass die Ausbildung der Tochter erst am abgeschlossen worden sei und legte zum Nachweis darüber alle relevanten Unterlagen vor.
Mit Berufungsvorentscheidung vom , SVNR, wurde die Berufung abgewiesen mit der Begründung, dass die Berufsausbildung ungeachtet der Dauer der Praktikumszeit mit Ablegung der Lehrabschlussprüfung beendet sei.
Am wurde der Vorlageantrag eingebracht. Strittig ist ausschließlich, wann die Berufsausbildung abgeschlossen worden ist, mit dem im Bildungsplan festgelegten Zeitpunkt () oder mit erfolgreicher Ablegung der Lehrabschlussprüfung am .
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr (ab 24. Lebensjahr) noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Nach § 10 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Grundsätzlich endet das Lehrverhältnis gemäß § 14 Abs. 1 BAG mit Ablauf der im Lehrvertrag vereinbarten Dauer der Lehrzeit.
Vor Ablauf der vereinbarten Lehrzeit endet das Lehrverhältnis gemäß § 14 Abs. 2 lit. e BAG jedoch, wenn der Lehrling die Lehrabschlussprüfung erfolgreich ablegt. Auf diese Bestimmung stützt sich die Abgabenbehörde I. Instanz.
Aufgrund dieser Bestimmung des § 14 Abs. 2 lit. e BAG gelangte sie zu der Ansicht, dass die Berufsausbildung der Tochter bereits mit Ablauf der Woche geendet hat, in der sie die Lehrlingsprüfung (konkret am ) abgelegt hat (Vgl. ; , RV/1268-L/10).
Der Bw meint, gestützt auf Bestätigungen des AMS und der X-GmbH, dass die Ausbildung erst zu dem im vereinbarten Bildungsplan vom festgelegten Zeitpunkt, nämlich am geendet hat.
Der Abgabenbehörde I. Instanz ist unter der Voraussetzung zuzustimmen, dass tatsächlich ein Lehrverhältnis im Sinne der Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes vorgelegen ist.
Die von K.S. absolvierte Ausbildung stellt eine Maßnahme im Sinne des § 18 Abs. 6 lit. b ALVG dar.
§ 18 Abs. 5 und 6 ALVG soweit hier relevant lautet:
"Die Bezugsdauer verlängert sich um höchstens 156 Wochen um Zeiten, in denen der Arbeitslose an einer Maßnahme im Sinne des Abs. 6 teilnimmt. Diese Verlängerung kann um höchstens insgesamt 209 Wochen erfolgen,1. wenn die Maßnahme in einer Ausbildung besteht, für die gesetzliche oder auf gesetzlicher Grundlage erlassene Vorschriften eine längere Dauer vorsehen, für die Zeit dieser Ausbildung;...Eine Maßnahme im Sinne des Abs. 5 ist von der Landesgeschäftsstelle anzuerkennen, wenna) ein oder mehrere Unternehmen für arbeitslos gewordene Arbeitnehmer eine Einrichtung bereitstellen, die für die Planung und Durchführung von Maßnahmen der in lit. b genannten Art nach einem einheitlichen Konzept verantwortlich ist und diesem Konzept von den für den Wirtschaftszweig in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Dienstgeber und Dienstnehmer zugestimmt worden ist,
b) es sich um Maßnahmen handelt, die dem Arbeitslosen die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes insbesondere durch eine Ausbildung oder Weiterbildung im Rahmen des Unternehmens, der Einrichtung oder von anderen Schulungseinrichtungen erleichtern sollen und nach dem Inhalt und nach den angestrebten Zielen den arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen dienen,c) die Maßnahme eine Vollauslastung des Arbeitslosen gleich einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung von Freizeiten, üblichen Urlaubsansprüchen u. dgl. bewirkt, ...,d) die Realisierung des Konzeptes unter Bedachtnahme auf lit. a und b durch ausreichende Bereitstellung der finanziellen, organisatorischen, sachlichen und personellen Voraussetzungen von der Einrichtung sichergestellt ist, unde) dem Arbeitslosen eine Zuschussleistung vom Träger der Einrichtung während seiner Zugehörigkeit zu ihr gewährt wird."
Auf der Homepage (http://www.implacement-stiftung.at/leistungen.htm) der Arge Implacement-Stiftung ist die Maßnahme näher beschrieben:
"IMPLACEMENTSTIFTUNG - Was ist das?
Zielsetzung: In Branchen mit Fachkräftemangel bietet die Implacementstiftung Unternehmen die Chance, gesuchte Fachkräfte gezielt für ihren Bedarf ausbilden zu lassen. Zugleich bietet die Implacementstiftung Arbeitsuchenden die Möglichkeit einer Qualifizierung mit gesichertem Einstieg nach der Ausbildung.
Zielgruppen: Unternehmen, die - beabsichtigen, gemeinsam mit dem AMS OÖ rekrutierte künftige MitarbeiterInnen nach Ausbildung abgewickelt über eine 'Arbeitsstiftung' in ihrem Unternehmen zu beschäftigen.
TeilnehmerInnen, die - beim AMS arbeitslos vorgemerkt sind (unabhängig, ob ein Anspruch an Versicherungsleistungen besteht) - während der letzten zwölf Monate nicht im Ausbildungsunternehmen beschäftigt waren und - Interesse an einer am Arbeitsmarkt nachgefragten Aus- und Weiterbildung haben (Weiterbildung ohne Altersgrenze, Lehrausbildung für Erwachsene).
Finanzierung: Die TeilnehmerInnen erhalten während der Ausbildung in der Regel Schulungs-arbeitslosengeld des AMS OÖ bzw. eine entsprechende finanzielle Leistung aus Fördermitteln. Das Unternehmen zahlt monatlich einen Beitrag (aus diesen Mitteln werden Organisationskosten und ein Stipendium für den/die TeilnehmerIn abgedeckt) und die noch offenen Ausbildungskosten. 75% der Ausbildungskosten bis zu € 2200.- je TeilnehmerIn werden aus Mitteln des Landes OÖ finanziert."
Zur grundsätzlichen Anerkennung als Ausbildungsverhältnis darf auf das Erkenntnis des , verwiesen werden, wo ausgeführt ist:
"Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/13/0125, vom , Zl. 2009/15/0089, vom , Zl. 2006/15/0080, VwSlg 8.355/F, mwN, und vom , Zl. 2006/15/0076).
Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung im Sinn des § 3 des Studienförderungsgesetzes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufs zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfung gegeben ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/16/0077).
Bei kursmäßigen Veranstaltungen kommt es darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom )"
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle alle erfüllt und auch von der Abgabenbehörde I. Instanz nicht in Streit gezogen. Strittig ist ausschließlich der Zeitpunkt des Endes der Ausbildung.
Zur Durchführung einer solchen Maßnahme im Sinne des § 18 Abs. 5 und 6 ALVG wird ein Bildungsplan erstellt, in dem das Maßnahmenziel, die Dauer und der Maßnahmenablauf festgelegt und von allen vier Beteiligten (AMS, Arbeitsstiftung, Unternehmen und Teilnehmer) unterfertigt wird.
Die Nichterfüllung oder Änderungen sind unverzüglich der Arbeitsstiftung und dem AMS zu melden.
In Branchen mit Fachkräftemangel bietet die Implacementstiftung Unternehmen die Chance, gesuchte Fachkräfte gezielt für ihren Bedarf ausbilden zu lassen. Zugleich bietet die Implacementstiftung Arbeitsuchenden die Möglichkeit einer Qualifizierung mit gesichertem Einstieg nach der Ausbildung. Diese Zielsetzung bedeutet, dass der Teilnehmer neben den vorgeschriebenen Kursen und Prüfungen ein zeitlich festgelegtes Arbeitstraining im Unternehmen zu absolvieren hat.
Erst nach Absolvierung dieses Arbeitstrainings ist der Teilnehmer für das Unternehmen ausgebildet und wird in das ordentliche Beschäftigungsverhältnis übernommen. Genauso wie der Lehrling nach Ablegung der Lehrabschlussprüfung als Geselle in ein anderes Beschäftigungsverhältnis wechselt und anders entlohnt wird, weil das Lehrverhältnis aufgrund des Gesetzes endet.
Anders als nach § 14 Abs. 2 lit. e BAG endet das Ausbildungsverhältnis nach § 18 Abs. 6 ALVG unabhängig vom Zeitpunkt der Ablegung der Lehrabschlussprüfung oder der sonstigen im Ausbildungsplan vorgeschriebenen Prüfungen und Kursen mit dem im Ausbildungsplan festgelegten Zeitpunkt.
Die Absolvierung des vollen im Ausbildungsplan vorgesehenen Arbeitstrainings ist wesentlicher Teil der Maßnahme. Anders als in einem Lehrverhältnis hat die Ablegung der Lehrabschlussprüfung keinen Einfluss auf die Dauer der Schulung am Arbeitsplatz. Sie beendet nicht das Ausbildungsverhältnis. Die anspruchsbegründende Berufsausbildung endet somit grundsätzlich in dem im Ausbildungsplan festgelegten Zeitpunkt.
Dies war im vorliegenden Falle der . Der Rückforderungsbescheid ist daher ersatzlos aufzuheben.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 23 Abs. 5 lit. a BAG, Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969 § 10 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 14 Abs. 1 BAG, Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969 § 14 Abs. 2 lit. e BAG, Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | RdW 2013/179 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at