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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 22.11.2012, RV/2768-W/12

Schädlicher Studienwechsel nach dem dritten Semester?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2768-W/12-RS1
Ein schädlicher Studienwechsel nach dem dritten Semester liegt nicht vor, wenn ungeachtet der formellen Inskription im dritten Semester weder Prüfungen abgelegt noch Vorlesungen besucht wurden.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., B., gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling betreffend Familienbeihilfe ab entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Tochter der Berufungswerberin (Bw.) begann im Oktober 2009 an der Universität Wien mit dem Bachelorstudium Ernährungswissenschaften. Das Studium wurde im Wintersemester 2009 und im Sommersemester 2010 betrieben. Ein günstiger Studienerfolg wurde nicht nachgewiesen.

Im Wintersemester 2010 war die Tochter der Bw. (K.) ebenfalls inskribiert, hielt sich jedoch nachweislich vom bis als Au-pair-Mädchen in Irland auf.

Die Bw. bezog für das Wintersemester 2009 und das Sommersemester 2010 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Im Wintersemester 2011 begann K. an der Pädagogischen Hochschule in X. mit dem Bachelorstudium Lehramt Volksschulen. Im Jänner 2012 wurde der erforderliche Studienerfolg erbracht.

Die Bw. stellte am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Oktober 2011.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass K. aus dem Studienjahr 2009/2010 keinen ausreichenden Studienerfolg nachweisen habe können, weshalb derzeit kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.

Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Am stellte die Bw. neuerlich einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Jänner 2012.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Bw. trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht hätte und dadurch ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sei. Es müsse angenommen werden, dass im oben genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe bzw. bestehe.

Die Bw. erhob gegen den Abweisungsbescheid Berufung und führte darin aus, dass an ihrer Postadresse kein Schreiben mit dem Inhalt eingelangt sei, abverlangte Unterlagen beizubringen. Sie beantrage die Aufhebung des Bescheides und die Erlassung eines neuen Bescheides, weil sie kein Schreiben erhalten habe.

Das Finanzamt wies die Berufung vom mit Berufungsvorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 2 (1) Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 , BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998,BGBl. I Nr. 22/1999 sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit.

Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992 , BGBl. Nr. 305*), angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

*) § 17 (1) Studienförderungsgesetz liegt ein günstiger Studienerfolg nicht vor, wenn der Studierende

1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder

3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:

1. Studienwechsel, bei welchen die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden, weil sie dem nunmehr betriebenen Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind,

2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,

3.Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe bezogen wurde,

4. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 3.

(3) Nicht als Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 und 2 gilt der Wechsel von der Studienrichtung Medizin zur Studienrichtung Zahnmedizin für Studierende, die die Studienrichtung Medizin vor dem Studienjahr 1998/99 aufgenommen haben und den Studienwechsel spätestens im Sommersemester 2001 vornehmen.

(4) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt hat. Anerkannte Prüfungen aus dem Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.

Ihre Tochter Angelika war im WS 09/10, SS 2010 und im WS 2011/12 an der Universität Wien in der Studienrichtung Ernährungswissenschaften inskribiert. Da der Studienwechsel nach dem dritten inskribierten Semester erfolgt ist, besteht ab kein Anspruch auf die Familienbeihilfe.

Die Tatsache, dass für Angelika nur für die ersten beiden Semester ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestand, bewirkt lediglich, dass sich die Anzahl der Stehsemester verringert.

Ihre Berufung war daher vollinhaltlich abzuweisen."

Die Bw. stellte fristgerecht einen Vorlageantrag und führte darin begründend aus:

"Meine Tochter K. inskribierte im Oktober 2009 an der Universität Wien die Studienrichtung Ernährungswissenschaften. Sie inskribierte in der Folge auch im Sommersemester 2010 sowie im Wintersemester 2010/2011. Am Ende des Sommersemesters 2010 musste sie jedoch feststellen, dass das von ihr gewählte Studium nicht ihrer Vorstellung entsprach und es war für sie sicher, dass sie das Studium der Ernährungswissenschaften nicht weiter fortsetzen werde. Es war für sie nicht klar, welchen Ausbildungsweg sie in der Folge einschlagen werde. Zur Entscheidungsfindung wollte sie einige Monate im Ausland als Au-pair arbeiten und meldete sich im August 2010 bei der Organisation "au-pair4you" an. Obwohl sie wusste, dass sie das Studium der Ernährungswissenschaften nicht mehr fortsetzen wollte und mangels einer für sie anderen Alternative inskribierte sie noch einmal im Wintersemester 2010/2011 oben genannten Studienzweig. Unmittelbar nach der Inskription erhielt sie von der Organisation "au-pair4you" die Benachrichtigung, dass sie am bei einer Familie in Irland die Stelle als Au-pair antreten könne. In der Folge war sie vom bis in Irland als Au-pair beschäftigt (eine Bestätigung liegt dem Antrag bei). Sie hätte folglich nur im Oktober die Vorlesungen an der Universität Wien besuchen können, tatsächlich war sie kein einziges Mal dort. Sie hat zwar formell für das Wintersemester 2010/2011 inskribiert, führte das Studium in diesem Semester aber in Wirklichkeit nicht durch. Seit dem Wintersemester 2011/2012 ist sie an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich, Bachelor Studium LA Volksschulen, inskribiert und weist einen guten Studienerfolg auf (ein Studienerfolgsnachweis liegt dem Antrag bei). Ich ersuche, der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes Mödling vom nicht stattzugeben und ersuche um Anweisung der Familienbeihilfe für meine Tochter K. ... ab ."

Über die Berufung wurde erwogen:

Gesetzliche Bestimmungen:

Diesbezüglich wird auf die ausführliche Begründung in der Berufungsvorentscheidung vom verwiesen.

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

K. begann im Oktober 2009 mit dem Bachelorstudium Ernährungswissenschaften an der Universität Wien und war drei Semester in dieser Studienrichtung inskribiert.

Unstrittig ist, dass sie sich vom bis in Irland als Au-pair-Mädchen aufhielt. Aufgrund der glaubwürdigen Angaben der Bw. im Vorlageantrag kann als erwiesen angenommen werden, dass K. nur formell im Wintersemester 2010/2011 inskribiert war. Aufgrund der Vorlaufzeit für die Bewerbung als Au-pair-Mädchen sowie des Umstandes, dass durch den Aufenthalt in Irland ab im Wintersemester 2010 nur mehr ein Monat als potentielle Studienzeit zur Verfügung gestanden wäre, ist es auch durchaus wahrscheinlich, dass die Tochter der Bw. in diesem Monat keine Vorlesungen besucht hat.

Im Oktober 2011 begann K. an der Pädagogischen Hochschule in X. mit dem Bachelorstudium Lehramt Volksschulen. Der erforderliche Studienerfolg wurde nunmehr erbracht.

Rechtliche Würdigung:

Der Unabhängige Finanzsenat hat mehrfach zur Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b 11. Satz FLAG 1967, wonach als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt, judiziert, dass das Vorlegen einer Fortsetzungsbestätigung als reiner Formalakt nicht genügt, um im ersten Studienjahr von einer Berufsausbildung ausgehen zu können. Das Ablegen von Prüfungen und der Besuch von Lehrgangsveranstaltungen sind essenzielle Bestandteile, um eine Berufsausbildung als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Familienbeihilfe anzuerkennen (Wimmer in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 59 unter Hinweis auf RV/0258-G/03).

Dies muss aber auch im vorliegenden Berufungsfall gelten, in dem als erwiesen anzunehmen ist, dass schon allein aufgrund des Auslandsaufenthalts der Tochter der Bw. im Wintersemester 2010 von einer ernstgemeinten Inskription nicht auszugehen ist.

Daraus folgt, dass - ungeachtet der rein formalen Inskription in diesem Semester - der Abbruch des Studiums bereits nach zwei Semestern erfolgt ist. Somit liegt kein familienbeihilfenschädlicher Studienwechsel iSd § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
RV/0258-G/03

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at