Vorabentscheidungsersuchen wegen Auslegung des Art. 4 Abs. 1 lit. g, des Art. 4 Abs. 3 sowie des Art 7 Abs 2 der Kapitalansammlungsrichtlinie.
Beim EuGH anhängig unter C-251/06. Erledigt durch .
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/0612-L/05-RS1 | Die erste Frage lautet:
Wenn der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung einer Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person von einem Mitgliedstaat, der die Gesellschaftsteuer vor deren Gründung abgeschafft hat, in einen anderen Mitgliedstaat, der die Gesellschaftsteuer zu diesem Zeitpunkt erhebt, verlegt wird, steht dann der Qualifikation dieser Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person als Kapitalgesellschaft „für die Erhebung der Gesellschaftsteuer“ im Sinne der Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG vom und Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG vom entgegen, dass der erstere Mitgliedstaat auf die Erhebung Gesellschaftsteuer durch Aufhebung der entsprechenden nationalen Rechtsgrundlage verzichtet hat? |
RV/0612-L/05-RS2 | Die zweite Frage lautet:
Verbietet Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG vom dem Mitgliedstaat, in den eine Kapitalgesellschaft den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung verlegt, anlässlich der Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung die Erhebung der Gesellschaftsteuer auf die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a und g der Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG vom beschriebenen Vorgänge, wenn die Vorgänge während der Zeit stattgefunden haben, in der die Kapitalgesellschaft ihren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat hatte, der vor Gründung der Kapitalgesellschaft auf die Erhebung Gesellschaftsteuer durch Aufhebung der entsprechenden nationalen Rechtsgrundlage verzichtet hat? |
RV/0612-L/05-RS3 | Die Entscheidung, Fragen betreffend die Auslegung von EU-Recht dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft zur Vorabentscheidung vorzulegen (Vorabentscheidungsersuchen), ist ein behördlicher Willensakt. Formvorschriften für Vorlageentscheidungen stellen weder EGV noch der EuGH auf (B. Schima, Vorabentscheidungsverfahren² (2004), 85). Ausschlaggebend hinsichtlich der Form ist nationales Recht.
Abgabenbehörden erlassen behördliche Willensakte als Bescheide. Wenn Bescheide bloß verfahrensleitend sind und kein Verfahren abschließen, ergehen sie als verfahrensleitende Verfügungen gemäß § 94 BAO, gegen die kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig ist. |
Entscheidungstext
Bescheid
Der Unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Linz, Senat 10, hat durch den Referenten F. im Berufungsverfahren betreffend den an die Firma ING. X. - Y. GmbH, Ort, Str., vertreten durch die Firma Mondsee -Treuhand Wiedlroither GmbH, 5310 Mondsee, Alfred Jäger-Weg 4, gerichteten Bescheid vom des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr, 4040 Linz, Kaarstraße 21 vertreten durch Frau RR AD Pfändtner betreffend Gesellschaftsteuer (ErfNr.: 000.000/2005) entschieden:
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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a) | Wenn der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung einer Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person von einem Mitgliedstaat, der die Gesellschaftsteuer vor deren Gründung abgeschafft hat, in einen anderen Mitgliedstaat, der die Gesellschaftsteuer zu diesem Zeitpunkt erhebt, verlegt wird, steht dann der Qualifikation dieser Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person als Kapitalgesellschaft "für die Erhebung der Gesellschaftsteuer" im Sinne der Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG vom und Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG vom entgegen, dass der erstere Mitgliedstaat auf die Erhebung Gesellschaftsteuer durch Aufhebung der entsprechenden nationalen Rechtsgrundlage verzichtet hat? |
b) | Verbietet Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG vom dem Mitgliedstaat, in den eine Kapitalgesellschaft den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung verlegt, anlässlich der Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung die Erhebung der Gesellschaftsteuer auf die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a und g der Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG vom beschriebenen Vorgänge, wenn die Vorgänge während der Zeit stattgefunden haben, in der die Kapitalgesellschaft ihren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat hatte, der vor Gründung der Kapitalgesellschaft auf die Erhebung Gesellschaftsteuer durch Aufhebung der entsprechenden nationalen Rechtsgrundlage verzichtet hat? |
Rechtsbelehrung:
Gemäß § 244 der Bundesabgabenordnung ist gegen nur das Verfahren betreffende Verfügungen ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Anfechtung ist erst gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid zulässig.
Begründung:
1.) Sachverhalt des Anlassverfahrens:
Am erfolgte die Erklärung über die Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Eintragung ins Firmenbuch der Republik Österreich unter der Firma "B. GmbH", FN 185264y erfolgte am . Alleinige Gesellschafterin war die Fa. N. Aktiengesellschaft (Amtsgericht München HRB 117720) mit Sitz in DM (Bundesrepublik Deutschland), R. 2. Geschäftsführer war Herr Gerhard W., geb. yyy, wohnhaft in L. 10, NB. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung war in der Bundesrepublik Deutschland.
Am erfolgte ein Zuschuss in Höhe von 102.000.000,00 ATS der Fa. N. Aktiengesellschaft.
Mit Einbringungsvertrag vom erfolgte die Übernahme des Betriebes des nicht protokollierten Einzelunternehmens "Ing. X. "Y."" mit dem Standort in M. (Republik Österreich).
In der Generalversammlung am wurde Herr Ing. Hubert X., geboren am xxx, in M., K. 10 (Republik Österreich) zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Auch wurde die Einbringung des Betriebes des nicht protokollierten Einzelunternehmens "Ing. X. "Y."" beschlossen und es erfolgte ein Beschluss über das Sonderrecht auf Geschäftsführung des Ing. X.. Schließlich wurde die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in "ING. X. - Y. GmbH" umbenannt.
Die österreichische Finanzverwaltung hat nach Durchführung einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr der "ING. X. - Y. GmbH" (Berufungswerberin) mit Bescheid vom die Gesellschaftsteuer in Höhe von 104.680,20 Euro, das sind 1 % vom Wert der Gesellschaftsrechte in Höhe von 10.468.017,90 Euro vorgeschrieben.
2.) Maßgebliche nationale Rechtslage:
2.1.) Der Republik Österreich:
Gemäß § 2 Ziffer 5 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVG), BGBl. Nr. 629/1994 unterliegt der Gesellschaftsteuer die Verlegung der Geschäftsleitung oder des satzungsmäßigen Sitzes einer ausländischen Kapitalgesellschaft in das Inland, wenn die Kapitalgesellschaft durch diese Verlegung zu einer inländischen wird. Dies gilt nicht, wenn die Kapitalgesellschaft vor der Verlegung der Geschäftsleitung oder des satzungsmäßigen Sitzes in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Erhebung der Gesellschaftsteuer als Kapitalgesellschaft angesehen wurde.
Die Steuer wird gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 3 (KVG) bei der Verlegung der Geschäftsleitung oder des satzungsmäßigen Sitzes einer ausländischen Kapitalgesellschaft (§ 2 Z 5 KVG) vom Wert der Gesellschaftsrechte berechnet.
2.2.) Der Bundesrepublik Deutschland:
Mit Artikel 4 Absatz 1 Ziffer 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der Finanzmärkte (Finanzmarktförderungsgesetz) vom wurde zum das Kapitalverkehrsteuergesetz aufgehoben.
3.) Die Standpunkte der Parteien des Berufungsverfahrens:
3.1.) Standpunkt der österreichischen Finanzverwaltung:
Auch wenn die Richtlinie 85/303 EWG (in weiterer Folge: Kapitalansammlungsrichtlinie) die Abschaffung der Gesellschaftsteuer als wünschenswert bezeichnet, erlaube sie den Mitgliedstaaten ausdrücklich die weitere Einhebung dieser Abgabe. Darüber hinaus sei dem Staat Griechenland durch diese Richtlinie sogar die Möglichkeit erst eröffnet worden, die Gesellschaftsteuer neu einzuführen. Primärer Anknüpfungspunkt der Gesellschaftsteuer nach der Richtlinie sei der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft (Zuweisung des Besteuerungsrechtes nach Art 2 Abs 1 der Kapitalansammlungsrichtlinie). Damit es durch die Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung von einem Mitgliedstaat in einen anderen nicht zu einer doppelten Gesellschaftsteuerbelastung kommt, gelte eine solche Verlegung nicht als Gründung iSd. Art 4 Abs 1 lit a der Kapitalansammlungsrichtlinie. Der Bestimmung könne aber nicht der Sinn unterstellt werden, die Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung von einem die Steuer nicht erhebenden in einen erhebenden Mitgliedstaat soll ebenfalls nicht zu einer Besteuerung führen. Denn dadurch würde jenem Mitgliedstaat, der von der richtlinienkonformen Erhebung der Gesellschaftsteuer Gebrauch macht, das Recht auf die Erhebung in nicht zu rechtfertigender Weise eingeschränkt und zu einer Ungleichbehandlung von inländischen Kapitalgesellschaften führen.
Die Vermeidung einer doppelten Gesellschaftsteuerbelastung einerseits und die Verhinderung einer doppelten Nichtbesteuerung werde in Art 4 Abs 3 lit b der Kapitalansammlungsrichtlinie durch die Wortfolge "wenn diese für die Erhebung der Gesellschaftsteuer in beiden Staaten als Kapitalgesellschaft angesehen wird" erreicht. Der "Erhebung der Gesellschaftsteuer" nach dieser Bestimmung könne nämlich nur jene Bedeutung beigemessen werden, wie sie ihr auch im übrigen Bereich dieser Richtlinie zukomme.
Betrachtet man die Bestimmungen der Art 3 Abs 2 und Art 4 Abs 1 lit e und f der Kapitalansammlungsrichtlinie, in denen ebenfalls von der "Erhebung der Gesellschaftsteuer" die Rede ist, so komme man bei verständiger Auslegung zum Schluss, dass damit die, die Gesellschaftsteuer regelnde, nationale Rechtsordnung des einzelnen Mitgliedstaates gemeint ist. Deutlich würde dies am Beispiel des Art 3 Abs 2 der Kapitalansammlungsrichtlinie. Hier werde normiert, welche Rechtsgebilde als Kapitalgesellschaften iSd. Kapitalansammlungsrichtlinie in Frage kommen. Der letzte Satz laute: "Ein Mitgliedstaat kann jedoch davon absehen, sie für die Erhebung der Gesellschaftsteuer als Kapitalgesellschaft zu betrachten". Dies bedeute, dass das nationale Gesellschaftsteuerrecht nicht alle in Art 3 Abs 1 lit b und c der Kapitalansammlungsrichtlinie aufgezählten bzw. umschriebenen Rechtsgebilde als Kapitalgesellschaften bezeichnen und der Besteuerung unterwerfen muss.
Es könne daher Art 4 Abs 3 lit b Kapitalansammlungsrichtlinie nur so ausgelegt werden, dass die Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung von einem Mitgliedstaat in einen anderen dann nicht als Gründung im Sinne des Art 4 Abs 1 lit a der Kapitalansammlungsrichtlinie angesehen werden kann, wenn die nationalen Rechtsordnungen beider Mitgliedstaaten das gleiche Rechtsgebilde als Kapitalgesellschaft und somit als Objekt der Gesellschaftsteuer festlegen. Grundsätzliche Voraussetzung für die Ausnahme von der Besteuerung nach Art 4 Abs 3 lit b der Kapitalansammlungsrichtlinie sei dem zufolge, dass beide Staaten überhaupt Kapitalgesellschaften im Gesellschaftsteuerrecht definieren. Das sei logischerweise dann nicht der Fall, wenn in einem Mitgliedstaat kein Gesetz zur Erhebung der Gesellschaftsteuer existiert.
Da die Bundesrepublik Deutschland das Kapitalverkehrsteuergesetz einschließlich der Gesellschaftsteuer abgeschafft hätte, sei die Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung einer GmbH nach Österreich als Gründung einer inländischen Kapitalgesellschaft der österreichischen Gesellschaftsteuer zu unterwerfen.
Zum gleichen Ergebnis komme man im Wege eines Größenschlusses bei Art 4 Abs 1 lit g der Kapitalansammlungsrichtlinie. Wenn schon die Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung einer Rechtsform nach Art 3 Abs 1 lit b oder c der Kapitalansammlungsrichtlinie von einem Mitgliedstaat, in dem dieses Rechtsgebilde nicht als Kapitalgesellschaft des nationalen Gesellschaftsteuerrecht gilt, in einen anderen, in welchem das gleiche Rechtsgebilde als Kapitalgesellschaft angesehen wird, als ein der Gesellschaftsteuer unterliegender Vorgang bezeichnet wird, dann müsse dies umso mehr in jenem Fall gelten, in dem im ursprünglichen Staat gar keine Gesellschaftsform mangels gültiger Rechtsgrundlage der Gesellschaftsteuer unterworfen wird.
Wurde eine gesellschafts- bzw. handelsrechtliche Rechtsform im Zeitpunkt der Gründung im Sinne der Kapitalansammlungsrichtlinie nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Gesellschaftsteuerrecht des Mitgliedstaates nicht als Kapitalgesellschaft angesehen, dann führe eine nachfolgende Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung der Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat, in dem diese Rechtsform als Kapitalgesellschaft des Gesellschaftssteuerrechtes gilt, zu einer Besteuerung, sofern das nationale Recht diesen Rechtsvorgang nicht ausdrücklich von der Gesellschaftsteuerpflicht befreit.
3.2.) Standpunkt der Berufungswerberin:
Eine Richtlinie sei für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überlasse jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel (Art 249 Abs 3 EGV), sie stelle ein zweistufiges, mittelbares Rechtsinstrument dar.
Die Kapitalansammlungsrichtlinie sei an alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union gerichtet, die die Richtlinie vollständig, genau und innerhalb der in der Richtlinie gesetzten Frist umzusetzen haben.
Der Begriff des "Zieles" beziehe sich nicht auf allgemeine Vertragsziele, sondern auf jene Rechtswirkungen, die sich aus dem Inhalt der Richtlinie ableiten lassen und die der Mitgliedstaat auf seinem Gebiet zu garantieren hat. Aus der Verbindlichkeit des Richtlinienzieles iVm Art 10 EGV ergebe sich, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, "alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten" (vgl. EuGH Rs-Colson und Kamann, C-14/83). Ziel der Konzeption der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) sei, dass die Steuer auf die Ansammlung von Kapital, die im Rahmen einer Gesellschaft angesammelt worden ist, nur einmal erhoben werden kann.
Durch die Richtlinie 85/303/EWG vom , durch die die Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) abgeändert wurde, sei ferner den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt worden, aufgrund der ungünstigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Gesellschaftsteuer für den gemeinsamen Markt die Gesellschaftsteuer grundsätzlich abzuschaffen. Aufgrund budgetärer Gründe könne aber die Gesellschaftsteuer weiterhin erhoben werden. Nach dieser Änderung zur Kapitalansammlungsrichtlinie müsse den Mitgliedstaaten folglich die Möglichkeit belassen werden, Vorgänge,die in den Anwendungsbereich der Gesellschaftsteuer fallen, vollständig oder teilweise von der Gesellschaftsteuer zu befreien oder der Steuer zu unterwerfen. Festzuhalten sei, dass es grundsätzliches Ziel der Kapitalansammlungsrichtlinie sei, die Gesellschaftsteuer abzuschaffen.
Deutschland hätte von dieser Möglichkeit der Aufhebung des KVStG Gebrauch gemacht.
Nach der Rechtsprechung des EuGH gelte das Gebot der richtlinienkonformen Interpretation auch dann noch, wenn die Richtlinie bereits ordnungsgemäß innationales Recht umgesetzt worden ist (vgl EuGH Rs-Habermann Beltermann/Arbeiterwohlfahrt, C-421/92). Nach Auffassung des EuGH müsse sich die Auslegung des nationalen Rechts soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten.
Nach der maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung des Art 4 Abs 3 lit b der Kapitalansammlungsrichtlinie sei die Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung oder des satzungsmäßigen Sitzes einer Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person von einem Mitgliedstaat in einen anderen, wenn diese für die Erhebung der Gesellschaftsteuer in beiden Mitgliedstaaten als Kapitalgesellschaft angesehen wird, nicht als Gründung iSd Art 4 Abs 1 lit a Kapitalansammlungsrichtlinie zu behandeln und unterliege auf Grund ausdrücklicher Richtlinien mäßiger Bestimmung nicht der Gesellschaftsteuer.
Inwieweit eine Gesellschaft als Kapitalgesellschaft iSd Kapitalansammlungsrichtlinie zu behandeln ist, ergäbe sich aus Art 3 der Kapitalansammlungsrichtlinie. Demnach sei eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen als auch österreichischen Rechts als Kapitalgesellschaft im Sinne dieser Richtlinie zu verstehen. Eine Richtlinie sei hinsichtlich des zu erreichenden Zieles für jeden Mitgliedstaat verbindlich, wobei sich das Ziel aus dem Inhalt der Richtlinie ableiten lässt. Ziel der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) sowie der Richtlinie 85/303/EWG vom sei, dass die Gesellschaftsteuer (höchstens) nur einmal erhoben werden kann bzw. die Gesellschaftsteuer überhaupt abzuschaffen.
Obwohl mit der Änderung der Richtlinie 85/303/EWG vom den einzelnen Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt wurde, die Gesellschaftsteuer nicht mehr zu erheben, sei die Richtlinie nicht dahingehend abgeändert worden, dass die Bestimmung "Erhebung der Gesellschaftsteuer in beiden Mitgliedstaaten" so zu verstehen sei, dass beide Mitgliedstaaten ihr Besteuerungsrecht auch tatsächlich ausüben müssen. Obwohl Deutschland das KVStG aufgehoben hat, sei - um den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen - nicht das deutsche KVStG, sondern die Kapitalansammlungsrichtlinie bei der Prüfung heranzuziehen, ob es sich für die "Erhebung der Gesellschaftsteuer" um eine in beiden Mitgliedstaaten als Kapitalgesellschaft angesehene Gesellschaft handelt.
Durch Art 4 iVm Art 3 der Kapitalansammlungsrichtlinie würden abschließend die Besteuerungshoheiten im Bereich der Gesellschaftsteuer festgelegt. Nach dieser Bestimmung werde derjenige Mitgliedstaat bestimmt, der für die Besteuerung der Gesellschaftsteuer ausschließlich zuständig ist. Im vorliegenden Fall stehe demnach Deutschland das Besteuerungsrecht zu. Die Nichterhebung der Gesellschaftsteuer in Deutschland könne aber nicht dazu führen, dass das Besteuerungsrecht in die Mitgliedstaaten der EU abwandert, die Gesellschaftsteuer erheben (wie die Republik Österreich).
Eine derartige Ausweitung der Besteuerungshoheiten finde in der Kapitalansammlungsrichtlinie keine Deckung. Gestützt werde diese Auffassung auch durch die ständige Rechtsprechung des EuGH zu einer anderen sekundärrechtlichen Bestimmung der EG, der 6. MwSt-RL (bspw Rs Cookies World Vertriebsgesellschaft mbH iL, C-155/01, Slg 2003 1-08785). Demnachdürfe sich ein Mitgliedstaat nicht Besteuerungsrechte an einem wirtschaftlichen Vorgang aneignen, die nach der 6. MwSt-RL grundsätzlich einem anderen Mitgliedstaat zustehen.
Sowohl nach der Zielsetzung der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) als auch nach der Richtlinie 85/303/EWG vom sollten die Gesellschaftsteuer innerhalb des Gemeinschaftsgebietes (maximal) nur einmal erhoben werden. Somit könne die Kapitalansammlungsrichtlinie nicht dahingehend interpretiert werden, dass zumindest ein Mitgliedstaat besteuern soll.
Nach dem Gebot der richtlinienkonformen Interpretation sei auch nach bereits ordnungsgemäßer Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht - das nationale Recht am inhaltlichen Gehalt der Richtlinie zu messen. Nach der Bestimmung des Art 4 Abs 3 lit b der Kapitalansammlungsrichtlinie sei die Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung oder des satzungsmäßigen Sitzes einer Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person von einem Mitgliedstaat in einen anderen, wenn diese für die Erhebung der Gesellschaftsteuer in beiden Mitgliedstaaten als Kapitalgesellschaft angesehen wird, nicht als Gründung iSd Art 4 Abs 1 lit a der Kapitalansammlungsrichtlinie zu behandeln. Da nach Art 3 der Kapitalansammlungsrichtlinie eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen als auch österreichischen Rechts als Kapitalgesellschaft im Sinne dieser Richtlinie zu verstehen sei, spreche nichts gegen die steuerliche Unbeachtlichkeit der Verlegung der Geschäftsleitung.
Ob der jeweilige Mitgliedstaat sein Besteuerungsrecht tatsächlich in Anspruch nimmt, sei nach dem Wortlaut des Art 4 Abs 3 lit b der Kapitalansammlungsrichtlinie nicht Voraussetzung für die Anwendung des zweiten Satzes des § 2 Z 5 KVG, da die Kapitalansammlungsrichtlinie keine "subject to tax "-Klausel beinhalte. Insoweit führe auch die Aufhebung des KVStG in Deutschland, wodurch Deutschland auf sein Besteuerungsrecht verzichtet, zu keiner anderen Lösung. Maßgeblich sei nur, dass die Kapitalgesellschaft vor der Verlegung der Geschäftsleitung oder des satzungsmäßigen Sitzes in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als Kapitalgesellschaft angesehen wurde.
Die von der Finanzbehörde vertretene Auffassung, die Bestimmung Art 4 Abs 3 lit b Kapitalansammlungsrichtlinie nicht anzuwenden, wenn der andere Staat von seinem Besteuerungsrecht nicht Gebrauch macht, widerspreche dem Ziel und Zweck als auch den inhaltlichen Bestimmungen der Art 3 und 4 der Kapitalansammlungsrichtlinie. Da die Voraussetzung für die Anwendung des Art 4 Abs 3 lit b der Kapitalansammlungsrichtlinie erfüllt sei, könne von einem nicht dem KVG unterliegenden Sachverhalt ausgegangen werden.
4.) Erheblichkeit der Fragen:
4.1.) Zur ersten Frage:
Die Erheblichkeit der ersten Frage für das Ausgangsverfahren ergibt sich bereits aus Rechtsstandpunkten der Parteien des Berufungsverfahrens. Die Auslegung der Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe g und Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG ist entscheidend für das gegenständliche Verfahren, da gerade in diesem Punkt unterschiedliche Rechtsauffassungen der Parteien bestehen (vgl. Pkt. 3.).
4.2.) Zur zweiten Frage:
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Senior Engineering Investments BV, C-494/03 könne die Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG nicht so ausgelegt werden, dass einem Mitgliedstaat gestattet wird, die steuerrechtliche Enthaltsamkeit eines anderen Mitgliedstaates auszunützen, seine eigenen Steuereinnahmen zu erhöhen. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall stellt sich die Frage, ob der Besteuerungsverzicht der Bundesrepublik Deutschland zum schädlich für das Besteuerungsrecht der Republik Österreich ist. Gegebenenfalls würde trotz der Erfüllung der Tatbestände der Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a und g der Richtlinie 69/335/EWG vom in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG vom auf Grund eines Besteuerungsverzichtes eines Mitgliedstaates auch die Besteuerung durch einen anderen Mitgliedstaat ausgeschlossen sein.
5.) Voraussetzungen der Vorlage:
Die Befugnis zur Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens kommt nur Gerichten im gemeinschaftsrechtlichen Sinn zu (Artikel 234 Abs. 2 EG-Vertrag). In diesem Sinne ist der Unabhängige Finanzsenat Österreichs ein vorlageberechtigtes Gericht. Zur Gerichtseigenschaft des Unabhängigen Finanzsenates darf auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom , Rs C-278/02 (Herbert Handlbauer GmbH), verwiesen werden.
Beilagen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften:
Akt des Berufungsverfahrens laut Aktenverzeichnis
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | Art. 234 EGV, EG-Vertrag, ABl. Nr. C 241 vom S. 1 Art. 4 Abs. 1 lit. g Kapitalansammlungs-RL, RL 69/335/EWG, ABl. Nr. L 249 vom S. 25 Art. 4 Abs. 3 lit. b Kapitalansammlungs-RL, RL 69/335/EWG, ABl. Nr. L 249 vom S. 25 Art. 7 Abs. 2 Kapitalansammlungs-RL, RL 69/335/EWG, ABl. Nr. L 249 vom S. 25 § 2 Z 5 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934 § 94 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung Auswirkungen des Besteuerungsverzichtes eines Mitgliedstaates auf andere Mitgliedsstaaten der EU Form eines Vorabentscheidungsersuchens |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | SWK 21/2006, S 615 UFSaktuell 2006, 234 RdW 2006/439 ARD 5717/17/2006 taxlex 2007, 619 taxlex 2008, 57 taxlex 2006, 535 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at