Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Hofrätin Dr. Anna Maria Radschek und die weiteren Mitglieder Hofrat Mag. Dr. Kurt Folk, KR Oswald Heimhilcher und Helmut Tomek im Beisein der Schriftführerin Gerlinde Maurer über die Berufung des Bw., vertreten durch FM Steuerberatung GmbH, 2460 Bruckneudorf, Lindenbreite 19, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 21/22 vom betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2000 und 2001 nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung, entschieden:
Die angefochtenen Bescheide werden gem. § 289 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Strittig ist die Verhängung eines griffweise geschätzten Sicherheitszuschlages aufgrund nicht ordnungsgemäßer Buchführung und die Nichtanerkennung von Vorsteuerbeträgen.
Beim Berufungswerber (Bw.) fand für die Jahre 2000 und 2001 eine Außenprüfung gem. §§ 147ff BAO statt, wobei u.a. folgende Feststellungen getroffen und im Betriebsprüfungsbericht sowie im Schriftsatz vom ausführlich dargestellt wurden:
Lt. Tz. 1 des Bp-Berichtes seien für das Jahr 2000 möglicherweise dem Erst-Prüfer Belege vorgelegt worden, dem Zweit-Prüfer seien diese erst bei der Schlussbesprechung vorgelegt worden.Für das Jahr 2001 würden die Buchungsbelege fehlen. Belegnummern seien keine vergeben worden, der zu einer Buchung gehörende Beleg könne nur nach Belegdatum und Betrag gefunden werden. Ausgangsrechnungen seien erst nach Zahlungseingang erfasst worden.Die Versteuerung der Umsätze entspreche weder dem Soll- noch dem Ist-System.Die Buchhaltung sei daher nicht ausreichend nachvollziehbar, die Besteuerungsgrundlagen seien daher zu schätzen.Die Belege für das Jahr 2000 seien erst bei der Schlussbesprechung aus einem Lagerraum des steuerlichen Vertreters geholt worden, diese hätten sich nicht bei den vom Prüfer zurückgebrachten Belegen befunden.Die Verweigerung der Vorlage der Belege 2000 sei daher rechtswidrig gewesen.
Lt. Tz. 3 erfolge für das Jahr 2000 keine Zurechnung, da die Belege dem Zweit-Prüfer nicht vorgelegen seien. Die erklärten Umsätze für das Jahr 2001 würden um einen Sicherheitszuschlag i.H.v. 100.000 S (exkl. 20 % USt) erhöht.Das Betriebsergebnis werde griffweise um 30.000 S im Jahre 2001 erhöht, um den Unwägbarkeiten der Buchhaltung Rechnung zu tragen.
Nachforschungen bei der Firma A hätten ergeben, dass Herr B nur bis Oktober 1999 einen Gewerbeschein gehabt habe und an der Rechnungsadresse seit Juli 2001 nicht mehr ansässig gewesen sei ("der neue Mieter auf Top 10 kenne einen Herrn B nicht").Dass die Adresse des Rechnungsausstellers nicht richtig sei, hätte dem Bw. bekannt sein müssen, da er im gleichen Haus selbst ein Büro unterhalte, das sogar lt. Rechnung vom von Personal des Herrn B adaptiert worden sein sollte.Ein Dienstgeberkonto bei der Wiener Gebietskrankenkasse des Herrn B habe nicht festgestellt werden können.Der Bw. habe Kopien des Führerscheines und des Gewerbescheines zum Nachweis der Existenz von Herrn B vorgelegt.Schriftliche Vereinbarungen über die zu erbringenden Leistungen bei Vertragsabschluss, sowie Bezeichnung der Leistungen über die Sammelbegriffe in den Rechnungen hinaus seien nicht vorhanden gewesen. Die Zahlungen seien in bar erfolgt.Lt. Auskunft der steuerlichen Vertretung habe er 1999 sein Unternehmen geschlossen und danach keine Tätigkeit mehr ausgeübt.Grundaufzeichnungen über die erbrachten Leistungen hätten vom Bw. nicht vorgelegt werden können.Da somit für die Betriebsprüfung ein tatsächlicher Leistungsaustausch unwahrscheinlich gewesen sei, seien folgende Rechnungen nicht anerkannt worden (alle Beträge in Schilling):
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Datum | Rechnungsbetrag(exkl. USt) | Vorsteuer |
90.000 | 18.000 | |
40.000 | 8.000 | |
45.000 | 9.000 | |
100.000 | 20.000 | |
Summe 2001: | 185.000 | 37.000 |
Betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO werde festgehalten, dass Feststellungen in den Textziffern 2 bis 4 getroffen worden seien, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machten.
Das Finanzamt verfügte in der Folge die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO und folgte in den neu erlassenen Sachbescheiden den Feststellungen der Betriebsprüfung.
Der Bw. erhob gegen die o.a. Bescheide Berufung und führt in dieser sowie im Schriftsatz vom im Wesentlichen folgendermaßen aus:
Sämtliche vom Betriebsprüfer angeforderten Unterlagen seien diesem ordnungsgemäß übergeben worden (Buchungsdaten auf elektronischem Datenträger, sämtliche Belegordner).Eine Verknüpfung zwischen Buchführung und Beleg sei über das Buchungsjournal stets herstellbar gewesen.Das Rechnungswesen sei nicht vom Bw. selbst, sondern von der Firma C erstellt worden.
Die Behauptung des zweiten Betriebsprüfers Herrn D, wonach Belege gefehlt hätten, könne nicht nachvollzogen werden, habe doch der erste Betriebsprüfer Herr E schriftlich die Übernahme der Buchhaltung für das Streitjahr 2000 bestätigt und Herr D diese Belege nach sieben monatiger Verwahrung im Finanzamt dem steuerlichen Vertreter wieder selbst retourniert.Von einer verweigerten Wiedervorlage könne auch keine Rede sein, auch hätten keine Belege gefehlt, eine nochmalige Einsicht wäre somit jederzeit, wenn dies für wesentlich erachtet worden wäre, möglich gewesen.
Die fortlaufende Belegnummerierung sei kein Erfordernis für den Vorsteuerabzug und es ergebe sich daraus keine Schätzungsberechtigung.Die Auffindbarkeit der Belege über das Buchungsjournal nach Belegdatum und oder Betrag werde vom Prüfer selbst bestätigt.Es habe daher nach Ansicht des Bw. keine "objektive Unmöglichkeit die Besteuerungsgrundlagen ermitteln zu können" bestanden.
Dass Ausgangsrechnungen, die innerhalb der Buchungsperiode bezahlt, aber erst mit dem Zahlungseingang verbucht worden seien, widerspreche nicht der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.Ein zeitliches Auseinanderklaffen von Leistungszeitraum, Buchungszeitraum und Zahlungseingang werde im Bp-Bericht nicht beanstandet.Die Umsätze seien somit spätestens bei Zahlungseingang versteuert worden, eine Abgabenverkürzung sei daher nicht erfolgt.
Herr B habe über zwei Gewerbeberechtigungen verfügt, einerseits über das Gewerbe "Organisation und Betreuung von Veranstaltungen" (zum Berufungszeitpunkt aufrecht) und andererseits über das Gewerbe eines "Ankündigungsunternehmens" (stillgelegt erst am ).Die Behauptung des Betriebsprüfers, wonach Herr B seit Oktober 1999 über keinen Gewerbeschein verfügt hätte, sei somit falsch.Herr B sei für die Abwicklung derartiger Aufträge in der Eventbranche bekannt gewesen.Die Leistungserbringung sei tatsächlich erfolgt, da es sich um in breiter Öffentlichkeit abgehaltene Veranstaltungen gehandelt habe.Die Leistungen seien abgerechnet und nachweislich entrichtet worden.Die Identität des Leistungserbringers sei ausreichend dokumentiert worden (Personalausweis und Gewerbeschein).Inwieweit der Leistungserbringer selbst seinen Abgabepflichten nachgekommen sei, könne vom Bw. nicht beurteilt werden, da dies nicht seine Aufgabe sei.Demzufolge habe der Bw. keinen Einfluss darauf, ob Herr B bei der Wiender Gebietskrankenkasse in Dienstgeberkonto habe oder nicht.Aus dem Umstand, dass der Leistungserbringer zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht anzutreffen gewesen wäre, könne nicht geschlossen werden, dass die Identität des Rechnungsausstellers nicht ausreichend klar sei. Eine "dauernde" Anwesenheit sei weder gesetzlich bedungen noch wirtschaftlich umsetzbar. Auch eine nachfolgende Adressänderung oder vorübergehende Abwesenheit des Leistungserbringers müsse dem Leistungsempfänger nicht angezeigt werden.
Unverständlich sei auch die Verwehrung von Aufwendungen unter Hinweis auf § 162 BAO.Der Bw. habe nicht nur nicht die Identität des Empfängers der abgesetzten Beträge bezeichnet, sondern auch dokumentarisch (Führerschein und Gewerbeschein) nachgewiesen. Von einer mangelnden Kenntnis des Empfängers könne daher nicht gesprochen werden.
Der Bw. beantrage daher die Verminderung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage 2001 um den Betrag des griffweise geschätzten Sicherheitszuschlages i.H.v. 100.000 S. Weiters die Anerkennung der Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen B i.H.v. 18.000 S (2000) und 37.000 S (2001).Bei der Einkommensteuer werde die Verminderung der Besteuerungsgrundlagen infolge der Nichtanerkennung der Aufwendungen im Zusammenhang mit den Eingangsrechnungen B i.H.v. 90.000 S (2000) und 195.000 S (2001) beantragt; weiters im Jahre 2001 die Verminderung um den Betrag der nicht begründbaren Sicherheitszuschätzung i.H.v. 100.000 S sowie um den Betrag von 30.000 S wegen sogenannter "Unwägbarkeiten der Buchhaltung".
Da damit zu rechnen war, der Bw. werde auf eine abweisende Berufungsvorentscheidung mit Vorlageantrag reagieren, wurde aus diesem Grunde vom Finanzamt eine Berufungsvorentscheidung nicht erlassen. Gem. § 276 Abs. 6 BAO legte das Finanzamt die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz direkt vor.
Im Zuge des Erörterungsgespräches vom und seiner Stellungnahme vom zu den Vorhalten der Abgabenbehörde zweiter Instanz betreffend Nachweise zu den strittigen Betriebsausgaben führt der Bw. u.a. ergänzend aus:
Für das Jahr 2000 seien keine Originalbelege mehr vorhanden, es existiere jedoch eine Diskette mit sämtlichen Buchhaltungsunterlagen und sämtliche berichtsrelevanten Rechnungen in Kopie.
Der Bw. lege drei Originalrechnungen vom , und vor.
Hinsichtlich der aktuellen Adresse des Herrn B könne er keine Angaben machen.
Die Zahlungsbeträge seien Herrn B teilweise bar übergeben worden, zumindest die Akkontobeträge.
Der steuerliche Vertreter des Bw. halte nochmals fest, dass der Betriebsprüfung die Buchhaltungsbelege des Jahres 2000 jederzeit zur Verfügung gestanden seien.
Lediglich bei der Rechnung vom i.H.v. 120.000 S (inkl. USt) seien Akkontozahlungen in bar geleistet worden (á conto vom 27. Mai i.H.v. 15.000 S, 9. Juli i.H.v. 20.000 S, 30. August i.H.v. 30.000 S und 10. September i.H.v. 20.000 S).
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach § 289 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wenn die Berufung weder
zurückzuweisen (§ 273) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2 BAO, § 275 BAO) oder als
gegenstandslos (§ 256 Abs. 3 BAO, § 274 BAO) zu erklären ist, diese durch Aufhebung des
angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter
Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn
Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders
lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben
können. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage
zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
Nach § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.
Die Erledigung von Berufungen gemäß § 289 Abs. 1 BAO liegt im Ermessen der
Abgabenbehörde zweiter Instanz. Zweck der Kassationsmöglichkeit des § 289 Abs. 1 BAO ist
die Entlastung der Abgabenbehörde zweiter Instanz und die Beschleunigung des
zweitinstanzlichen Berufungsverfahrens. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber
nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ()
unterlaufen werden, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster
Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde
käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache
würde.
Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder
berechnen kann, hat sie diese gemäß § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. Dabei sind alle
Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist
gemäß § 184 Abs. 2 BAO insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine
Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über
Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind. Gemäß
§ 184 Abs. 3 BAO ist ferner zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder
Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn
die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formellen Mängel
aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in
Zweifel zu ziehen.
Die Schätzungsberechtigung der Abgabenbehörde beruht allein auf der objektiven
Unmöglichkeit der zuverlässigen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, wobei
unmaßgebend bleibt, ob den Abgabepflichtigen ein Verschulden an der lückenhaften bzw.
mangelhaften Darstellung der Besteuerungsgrundlagen trifft oder nicht. Ziel der Schätzung
muss stets die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses sein, dh. sie soll der Ermittlung
derjenigen Besteuerungsgrundlagen dienen, die aufgrund des gegebenen, wenn auch nur
bruchstückhaften Sachverhaltes bzw. nur lückenhafter Anhaltspunkte die größte
Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben.
Dem Wesen nach ist die Schätzung ein Beweisverfahren, bei dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise (indirekte Beweisführung) ermittelt wird (vgl. Hlavenka, ÖStZ 1993, 364; vgl. auch ).
Der Aktenlage kann nicht entnommen werden, dass das Finanzamt bei Erlassung der
angefochtenen Bescheide ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat.
Bei der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ist auch das Parteiengehör zu wahren
(; ; ).
Der Partei sind daher vor Bescheiderlassung die Ausgangspunkte, Überlegungen,
Schlussfolgerungen, die angewandte Schätzungsmethode und das Schätzungsergebnis zur
Kenntnis zu bringen. Es liegt danach an der Partei, begründete Überlegungen vorzubringen,
die zB. für eine andere Schätzungsmethode oder gegen einzelne Elemente der Schätzung
sprechen (). Die Abgabenbehörde hat auf alle substantiiert
vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen einzugehen und sich damit
auseinander zu setzen, auch wenn die Richtigkeit der Behauptungen erst durch weitere
Erhebungen geklärt werden muss (zB. ;
95/13/0282, 0283; ; ).
Auch Schätzungsergebnisse unterliegen - nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. a BAO bzw. des § 288 Abs. 1 lit. d BAO - der Pflicht zur Begründung. Die Begründung hat die für die
Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung
zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse
(Darstellung der Berechnung) darzulegen (zB. ; VwGH
, 2002/16/0290; ).
Den vorstehenden Grundsätzen hat das Finanzamt bei Erlassung der angefochtenen
Bescheide nicht entsprochen, weshalb es dem Abgabepflichtigen auch erst im
Berufungsverfahren möglich war, entsprechende Einwendungen gegen die vom Finanzamt
durchgeführte Schätzung vorzubringen.
So brachte er erstmals in der Berufung vom vor, dass Herr B über zwei Gewerbeberechtigungen verfügte. Die Gewerbeberechtigung betreffend "Ankündigungsunternehmen" sei erst am stillgelegt worden.
Auch die Angaben des Nachmieters von Herrn B lassen lediglich den Schluss zu, dass sich dieser seit Juli 2001 an der angegebenen Adresse nicht mehr aufgehalten habe. Daraus kann daher nicht abgeleitet werden, dass die Rechnungsadresse bereits vorher unrichtig gewesen wäre.
Es wird aber festgehalten, dass die im Jahr 2001 erstellten Rechnungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, da die Adresse des leistenden Unternehmers jedenfalls unrichtig ist, da sich Herr B im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung nachweislich nicht mehr an der angegebenen Adresse aufgehalten hat und daher an dieser Adresse auch kein Unternehmen betrieben hat.
Für die vorangegangenen Zeiträume hat es das Finanzamt jedoch unterlassen, Ermittlungen hinsichtlich des tatsächlichen Aufenthaltsortes von Herrn B durchzuführen.
Darüber hinaus hat es das Finanzamt auch unterlassen, Ermittlungen darüber anzustellen, ob an den in den Aufzeichnungen des Bw. aufscheinenden Daten tatsächlich Auszahlungen an die jeweiligen Subunternehmer erfolgten, da - wie vom Bw. auch angegeben - zumeist Zahlungen vor Rechnungslegung erfolgten. Eine Überprüfung der Aufzeichnungen in dieser Hinsicht, aus der auch Rückschlüsse gezogen werden könnten, ob die tatsächlich ausbezahlten Beträge dem Unternehmen den Aufzeichnungen zufolge auch zur Verfügung standen, ist jedoch unterblieben, obwohl daraus Rückschlüsse auf nicht deklarierte Einnahmen hätten gezogen werden können.
Weiters wurde seitens der Betriebsprüfung im Bp-Bericht fälschlich behauptet, dass für das Jahr 2000 dem Prüfer keine Belege vorgelegt wurden - obwohl der Betriebsprüfer in seiner Stellungnahme vom selbst bestätigt, dass die Belege für das Jahr 2000 sehr wohl bei der Schlussbesprechung vorhanden waren.
Weder lassen sich aus dem Bp-Bericht im Jahre 2001 die konkreten Gründe für die Verhängung eines Sicherheitszuschlages, noch dessen Höhe den Darstellungen der Finanzamtsvertreter entnehmen. Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass die Verhängung eines Sicherheitszuschlages nur dann zulässig ist, wenn Gründe für die Annahme vorliegen, dass Einnahmen nicht erklärt wurden. Derartige Gründe wurden jedoch nicht angeführt.
Eine im § 289 Abs. 1 BAO geforderte Unterlassung von Ermittlungen kann sich auch daraus
ergeben, dass erstmals in der Berufung oder im Vorlageantrag Umstände releviert werden
(kein Neuerungsverbot nach § 280 BAO) und die Abgabenbehörde erster Instanz vor
Berufungsvorlage (§ 276 Abs. 6 erster Satz BAO) keine diesbezüglichen Ermittlungen
durchgeführt hat (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 3. Auflage, § 289 Tz 11).
Das Finanzamt hätte daher nach Einbringung der Berufung zu ermitteln gehabt, ob die Buchhaltungsbelege für alle Streitjahre vollständig vorhanden sind und sich tatsächlich daraus eine Schätzungsberechtigung mittels Sicherheitszuschlag rechtfertigen lässt.
Das Finanzamt hätte den Abgabepflichtigen u.a. auffordern müssen, die Namen und Adressen der Geschäftspartner sowie die Höhe der erzielten Bar-Einnahmen (á conto Zahlungen) bzw. Kontoüberweisungen bekannt zu geben und einen Nachweis darüber abzuverlangen.
Aufgrund der vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen, kann nicht beurteilt werden, ob
eine Prüfung der Belege des Jahres 2000 Unregelmäßigkeiten ergeben hätte,
Einnahmen verkürzt wurden,
die Voraussetzungen für die Verhängung eines Sicherheitszuschlages vorliegen und auf welche Annahmen sich die Höhe des vom Finanzamt verhängten Sicherheitszuschlages gründet,
die Voraussetzungen für eine griffweise Zuschätzung gegeben sind und welche Annahmen der vom Finanzamt festgesetzten Höhe zugrunde liegen,
der Rechnungsaussteller B auch vor dem Juli 2001 nicht mehr an der Rechnungsadresse ansässig war und daher an dieser Adresse kein Unternehmen betrieb.
Die entsprechenden Ermittlungen wurden vom Finanzamt nicht durchgeführt und auf das Vorbringen des Abgabepflichtigen wurde bislang auch nicht eingegangen. Bei Durchführung dieser Ermittlungen hätten im Ergebnis anders lautende Bescheide ergehen können, weshalb die Voraussetzungen für eine im Ermessen der Abgabenbehörde zweiter Instanz liegende Zurückverweisung der Sache gemäß § 289 Abs. 1 BAO vorliegen.
Die Ermessensentscheidung (§ 20 BAO) zur Bescheidaufhebung wird damit begründet, dass
es dem Finanzamt obliegt, tragfähige Sachverhaltsermittlungen zur Begründung ihrer
Bescheide zu tätigen.
Die Klärung obiger Fragen erfordern umfangreiche zusätzliche Erhebungen, ohne die eine abschließende rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der durchgeführten Schätzung nicht getroffen werden kann, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Rahmen dieser Ermittlungen Umstände hervorkommen, die zu anders lautenden Bescheiden führen könnten.
Für die Zurückverweisung spricht weiters der Umstand, dass es nicht primäre Aufgabe der
Berufungsbehörde sein kann, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt erstmalig zu
ermitteln. Primäre Aufgabe von Rechtsmittelbehörden ist vielmehr die Überprüfung der
Sachverhaltsfeststellungen und rechtlichen Würdigung der Vorinstanz.
Gegen die Verfahrensergänzung durch die Berufungsbehörde spricht weiters der Umstand,
dass im Hinblick auf das kontradiktorische Rechtsmittelverfahren alle Beweisergebnisse erst
der Amtspartei zur allfälligen Stellungnahme vorgehalten werden müssten, weshalb auch
prozessökonomische Gründe für die Aufhebung unter Zurückverweisung an die Vorinstanz
sprechen.
Im Rahmen der Ermessensübung ist schließlich auch auf die Bestimmung des
§ 276 Abs. 6 erster Satz BAO Bedacht zu nehmen, wonach die Abgabenbehörde erster Instanz eine Berufung erst nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen der
Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen hat. Auch geht der Gesetzgeber mit der
Regelung des § 279 Abs. 2 BAO erkennbar davon aus, dass eine Beweisaufnahme vor der
Abgabenbehörde zweiter Instanz nur mehr darin bestehen soll, notwendige Ergänzungen des
(bisherigen) Ermittlungsverfahrens vorzunehmen. Der Unabhängige Finanzsenat betrachtet es im Hinblick auf seine Funktion als unabhängiges Kontroll- und Rechtsschutzorgan nicht als
seine Aufgabe, eine derartige Ermittlungstätigkeit erstmals durchzuführen.
Im Hinblick auf den Umfang der vorzunehmenden Verfahrensergänzungen und zur Wahrung
des vollen Instanzenzuges für den Bw. sah sich die Berufungsbehörde dazu veranlasst, von
der ihr gemäß § 289 Abs. 1 BAO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen und die
angefochtenen Bescheide unter Zurückverweisung der Rechtssache an das Finanzamt aufzuheben.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 289 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Zurückverweisung Betriebsprüfung unterlassene Erhebungen Schätzung |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at