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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 23.05.2005, RV/0594-W/04

Gleichbehandlungsgrundsatz, gänzliches Fehlen von Geldmitteln

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/0594-W/04-RS1
wie RV/0048-G/03-RS1
Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des H.H., (Bw.) vertreten durch Dr. Steiner, Dr. Weber, Dr. Hegenbart, Rechtsanwälte, 2500 Baden, Kaiser- Franz- Ring 13, vom gegen den Haftungsbescheid gemäß § 9 iVm § 80 BAO des Finanzamtes Baden, vom entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Am erließ das Finanzamt Baden gegen den Bw. einen Haftungsbescheid gemäß § 9 i.V.m. § 12 BAO.

Er wurde für folgende offene Abgabenschuldigkeiten der L.GesmbHundCoKG zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
1998
30.360,74
DB
1998
1.221,63
DZ
1998
143,89
Kraftfahrzeugsteuer
1998
1.518,86
Kammerumlage
10-12/1998
19,48

Summe € 33.264,60

Über das Vermögen der L.GesmbHundCoKG sei am das Konkursverfahren eröffnet und am aufgehoben worden. Es bestehe daher bei der L.GesmbHundCoKG keine Einbringungsmöglichkeit mehr. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG sei die L.GesmbH, wobei der Bw. als deren Geschäftsführer fungiert habe.

Es lägen keine Gründe vor, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die Abgabenschuldigkeiten zu entrichten, daher müsse angenommen werden, dass der Nichtentrichtung ein schuldhaftes Verhalten zu Grunde liege.

In der Berufung vom wird vorgebracht, dass die verfahrensgegenständliche Firma bereits seit 1998 nicht mehr in der Lage gewesen wäre, wirtschaftliche Mittel zur Bezahlung der Gläubiger aufzubringen. Es seien keinerlei Zahlungen mehr geleistet worden.

Wären noch Zahlungen erfolgt, hätten sie durch den Masseverwalter angefochten werden müssen. Gegen den Bw. sei kein Verfahren wegen fahrlässiger Krida eingeleitet worden, daher treffe ihn kein Verschulden am wirtschaftlichen Untergang des Unternehmens. Zum Beweis des Vorbringens werde auf den Konkursakt, sowie auf den Masseverwalter als allfälligen Zeugen verwiesen.

Am brachte RA Dr. Franz Seidl eine weitere Berufung ein und führte aus, dass die Verbindlichkeiten durch nicht in der Verantwortungssphäre des Bw. gelegene Fehler im Sinne von Baumängeln auf verschiedenen Baustellen nicht einbringlich gemacht werden konnten.

Um jedoch die Gläubiger abzusichern, habe der Bw., der auch als Gründer der Firma fungiert habe, die Haftung für Bankverbindlichkeiten übernommen, weswegen die spätere Gemeinschuldnerin auch nicht überschuldet gewesen sei.

Bis zum Zeitpunkt des Entschlusses der Gesellschafter der L.GesmbHundCoKG, das Unternehmen ohne Gefahr der Vergrößerung von Verbindlichkeiten nicht weiter führen zu können und sodann rechtzeitig ein Insolvenzverfahren einzuleiten, seien sämtliche Gläubiger gleichmäßig befriedigt worden. Unter Berücksichtigung, dass sämtliche Zahlungen mangels Vermögens eingestellt worden seien und dadurch die Gläubigerparität gewahrt worden sei, sei eine Gesamtbefriedigung des Finanzamtes Baden nicht möglich gewesen.

Aus der Bilanz für das Geschäftsjahr 1998 ergebe sich ein nicht übermäßig hoch aushaftender Saldo gegenüber dem Finanzamt Baden, in Relation zum Gesamtumsatz von rund ATS 9.6 Millionen.

Nach ständiger Judikatur sei auch eine Inanspruchnahme des Geschäftsführers für eine durch das Insolvenzverfahren hervorgerufene Vorsteuerberichtigung sowie für erst während des Insolvenzverfahrens entstehende Steuerschulden durch Auseinandersetzung mit Dienstnehmern nicht zulässig.

Sämtliche vorhandenen Geldmittel seien für eine gleichmäßige Befriedigung verwendet worden, dem Bw. sei daher keine schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten.

Der Berufung wurde eine Ausfertigung des Jahresabschlusses 1998 beigelegt.

Mit Vorhalt vom wies die Abgabenbehörde erster Instanz darauf hin, dass es Sache des Bw. sei, darzulegen, dass er die vorhandenen Geldmittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet habe und er daher ersucht werde eine Aufstellung sämtlicher Gläubiger, sowie der Höhe der jeweiligen Verbindlichkeiten und eine vollständige Übersicht über die vorhandenen Mittel und deren Verwendung ab Jänner 1998 bis zur Konkurseröffnung am vorzulegen.

Mit Schreiben vom wurde ergänzend vorgebracht, dass sich auf Grund eines Berechnungsfehlers ein Umsatzsteuerguthaben für 1997 in der Höhe von S 167.000 ergebe.

Darüber hinaus sei im November und Dezember 1998 die Situation so gewesen, dass das Unternehmen insolvent gewesen sei und der Bw. keinerlei Handlungen setzen konnte, die einer Gläubigerbegünstigung nahe gekommen wären. Eine schuldhafte Verletzung der Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen liege demnach nicht vor.

Am erließ die Abgabenbehörde erster Instanz eine Berufungsvorentscheidung und wies die Berufung mit folgenden Argumenten als unbegründet ab.

Nach den § 161 Abs.2 i. V. m. 125 Abs.1 und 170 HGB werde eine KG durch den Komplementär vertreten.

Der Bw. sei laut Firmenbuch seit selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der L.GesmbH gewesen, welche seit die Firma L.GesmbHundCoKG als persönlich haftende Gesellschafterin vertrete, daher sei der Bw. auch für die abgabenrechtlichen Belange und die nach Aufhebung des Konkurses am aushaftenden, uneinbringlichen Verbindlichkeiten der KG verantwortlich.

Im Ausgleichsverfahren bleibe die Handlungsfähigkeit des gesetzlichen Vertreters grundsätzlich bestehen, sodass er nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () seine Pflichten als Geschäftsführer weiterhin wahrzunehmen gehabt habe. Die haftungsgegenständlichen Abgaben seien vor Eröffnung des Anschlusskonkurses fällig gewesen, daher sei grundsätzlich auch die Verpflichtung zur Entrichtung gegeben gewesen.

Ein Nachweis, dass sämtliche Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - gleich behandelt worden wären, sei trotz Aufforderung vom nicht erbracht worden, daher könne dem Berufungsbegehren nicht gefolgt werden.

Am wurde die Vorlage der beiden Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 80 Abs.1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von Ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, sie diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

Unbestritten fungierte der Bw. im Zeitraum bis als handelsrechtlicher Geschäftsführer der L.GesmbH, welche seit die Firma L.GesmbHundCoKG als persönlich haftende Gesellschafterin vertreten hat. Es oblag ihm damit generell die Obsorge für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten in dem Zeitraum in dem er als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen war.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären.

Nach Beendigung des Konkursverfahrens am sind die Abgabenschuldigkeiten bei der GesmbH unbestritten nicht mehr einbringlich, daher ist nach § 9 BAO zu prüfen, ob den Bw. eine schuldhafte Pflichtverletzung an der Unterlassung der Entrichtung der Abgaben trifft.

Haftungsgegenstand sind hauptsächlich Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate 11 und 12/1998 und eine Nachforderung auf Grund der Jahreserklärung 1998.

Gemäß § 21 Umsatzsteuergesetz hat ein Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs.1 und 2 des § 16 selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate 11 und 12/1998 € 19.566,36 und € 11.891,70 wurden fristgerecht eingereicht, aber die Zahllasten nicht zu den gesetzlich vorgesehenen Terminen entrichtet.

Die am eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung hat eine Restschuld in der Höhe von € 2.155,04 ausgewiesen, die gleichfalls nicht entrichtet wurde, wobei die Fälligkeit der Abgabennachforderung bereits mit gegeben war.

Die aushaftenden Beträge an Dienstgeberbeiträgen und Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen resultieren aus einer Lohnsteuerprüfung und waren am fällig.

Die Kammerumlage 10-12/1998 in der Höhe von € 19,48 war am fällig und wurde nicht entrichtet.

Die Kraftfahrzeugsteuer 1-12/1998 in der Höhe von € 1.518,86 war gleichfalls am fällig und wurde ebenfalls bisher nicht entrichtet.

Im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes hätte der Bw., so ferne die vertretene Gesellschaft über Mittel verfügt hat, die Verpflichtung gehabt diese Abgabenschuldigkeiten zu entrichten und den Abgabengläubiger nicht schlechter zu stellen als die übrigen Schuldner ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Schulden nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Schulden verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten zur Gänze (z.B. ).

Ein Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlichen Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter ().

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist davon auszugehen, dass die Umsatzsteuer mit den Preisen für die erbrachten Lieferungen und sonstigen Leistungen bezahlt werde und daher für die Abfuhr an das Finanzamt zur Verfügung stehe ().

Im Rahmen der in den letzten 4 Absätzen angeführten Grundsätze zu gesetzlichen Vorschriften über die Gleichbehandlung von Gläubigern wurde der Bw. im erstinstanzlichen Rechtsmittelverfahren zur Vorlage eines Gläubigerverzeichnisses und eines genauen Nachweises über geleistete Zahlungen aufgefordert. Dieser Aufforderung wurde zwar nicht explizit Folge geleistet, jedoch die bereits bei Verfahrenseröffnung eingeschlagene Linie, es seien keinerlei Geldmittel zur Begleichung der Abgabennachforderungen zur Verfügung gestanden, beibehalten.

Zu prüfen ist, ob zu den Fälligkeitstagen 15. Jänner und bei Gleichbehandlung der Gläubiger noch Abgabenentrichtungen hätten erfolgen müssen. Aus der Aktenlage ergeben sich jedoch keinerlei Hinweise, dass zu diesen Terminen irgendwelche Zahlungen an andere Gläubiger erfolgt sind. Wenn auch durch die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens am noch keine Einschränkung der Handlungsbefugnis gegeben war, so erscheint es dennoch lebensnah, dass knapp vor dem Anstreben eines Ausgleiches bzw. im Zeitraum von nur ca. 2 Monaten vor einer Konkurseröffnung tatsächlich keine Zahlungen mehr vorgenommen werden.

Betreffend die Umsatzsteuernachforderung auf Grund der Jahreserklärung und die Nachforderung an Dienstgeberbeiträgen und Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen erscheint bei Vergleich einerseits mit der Gesamtumsatzsteuerzahllast 1998 S 1.043.618,00, andererseits mit den Gesamtsumme der Dienstgeberbeiträge für 1998 S 245.864,00 und den Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen S 28.616,41 auch unter Berücksichtigung des starken Geschäftsrückganges zwischen 1997 und 1998 eine schuldhafte Pflichtverletzung des Bw. nicht nachweisbar.

Zur Abrundung ist noch festzuhalten, dass an Umsatzsteuer 1998 derzeit nur noch insgesamt ein Betrag in der Höhe von 11.602,19 für 12/1998 aushaftet (die Einbringung ist ausgesetzt).

Im Sinne dieser Überlegungen war nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz der Berufung teilweise mangels Nachweisbarkeit einer schuldhaften Pflichtverletzung, alle Abgaben betreffend zudem mangels Nachweisbarkeit einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes stattzugeben und der Haftungsbescheid aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Gleichbehandlungsgrundsatz
gänzliches Fehlen von Geldmitteln

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
QAAAC-92393