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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 16.04.2008, RV/0690-L/07

Gesellschafterhaftung bei noch nicht rechtskräftiger Abgabenfestsetzung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des L, vertreten durch Europa Treuhand Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., 4020 Linz, Europaplatz 4, vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Linz vom zu StNr. 000/0000, mit dem der Berufungswerber gemäß § 12 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Firma P KEG "i.L." im Ausmaß von 72.591,19 € in Anspruch genommen wurde, entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

1) Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die im Firmenbuch zu FN 0000 protokollierte P KEG mit Sitz in Linz gegründet. Als persönlich haftender Gesellschafter fungierte Mag.L, der nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zur Vertretung und kaufmännischen Geschäftsführung der Gesellschaft ausschließlich berufen war.

Am wurde die Auflösung der Gesellschaft im Firmenbuch eingetragen. Die Firma erhielt den Zusatz "i.L.", als Liquidator wurde der Komplementär eingetragen. Am wurde die Firma im Firmenbuch infolge beendeter Liquidation gelöscht.

2) Aufgrund eines Prüfungsauftrages vom wurde bei der KEG eine Prüfung gemäß § 147 BAO durchgeführt, die erst mit Bericht vom abgeschlossen werden konnte. Die Prüferin traf zahlreiche Feststellungen, die insbesondere zu Nachforderungen an Umsatzsteuer für die Jahre 2001 bis 2003 führten.

Das Finanzamt schloss sich den Prüferfeststellungen an, und erließ unter Wiederaufnahme der Verfahren mit Bescheiden vom geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003.

Mit Eingabe vom , beim Finanzamt eingelangt am , wurde unter anderem gegen diese Umsatzsteuerbescheide Berufung erhoben.

Das Finanzamt wies diese Berufung mit Berufungsvorentscheidungen vom (betreffend Umsatzsteuer 2001) und (betreffend Umsatzsteuer 2002 und 2003) als unbegründet ab. Die in den Berufungsvorentscheidungen angekündigte zusätzliche Bescheidbegründung datiert vom , und wurde mit RSb-Brief zugestellt. Die Sendung wurde beim Postamt hinterlegt, als Beginn der Abholfrist wird der ausgewiesen.

Am wurde der RSb-Brief, der die zusätzliche Begründung zu den Berufungsvorentscheidungen vom enthielt, vom Postamt an das Finanzamt als nicht behoben zurückgesendet. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache am wurde diese ergänzende Bescheidbegründung ausgehändigt.

Mit Telefax vom wurde die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt, "nachdem erst heute die Bescheidbegründung vorliegt." Weiteres Sachvorbringen wurde nicht erstattet.

Mit Bescheiden vom wies das Finanzamt diesen Vorlageantrag als verspätet zurück. Gegen diese Zurückweisungsbescheide wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben.

Diese Berufung wurde mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0813-L/07, als unbegründet abgewiesen.

3) Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber gemäß § 12 BAO für folgende aushaftende Abgaben der primärschuldnerischen Gesellschaft in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Säumniszuschlag 1
2003
192,41
Säumniszuschlag 1
2004
1.212,00
Umsatzsteuer
2002
2.632,00
Umsatzsteuer
2003
308,00
Umsatzsteuer
2001
275,00
Umsatzsteuer
2002
7.368,00
Umsatzsteuer
2003
60.292,00
Aussetzungszinsen
2007
311,78
Summe
72.591,19

In der Begründung wurde auf die den Berufungswerber als persönlich haftender Gesellschafter gemäß § 12 BAO treffende Haftung für die Abgaben der KEG hingewiesen. Zur Einbringung der angeführten Abgaben sei die Geltendmachung der Haftung notwendig, da die Firma mit infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch gelöscht worden sei.

Der Bescheid wurde dem Berufungswerber aufgrund seines entsprechenden telefonischen Ersuchens vom nicht an dessen Wohnanschrift, sondern unter seiner Büroadresse zugestellt. Die Zustellung erfolgt mit RSa-Brief, der am übernommen wurde.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom Berufung erhoben. Die Inanspruchnahme einer Haftung liege grundsätzlich im Ermessen der Abgabebehörde. Bei der Ermessensausübung sei vor allem der Zweck der Haftungsbestimmung zu berücksichtigen. Daraus ergebe sich eine gewisse Nachrangigkeit der Haftung im Verhältnis zur Inanspruchnahme des Hauptschuldners. Eine Inanspruchnahme der Haftung sei auch nur dann möglich, wenn der Abgabenanspruch endgültig und rechtskräftig festgesetzt sei. Die "Berufungen" gegen die Bescheide für die Jahre 2001 bis 2003 seien noch nicht rechtskräftig, da die Zurückweisung des Vorlageantrages mit Rechtsmittel bekämpft werde, da diese zu Unrecht erfolgt sei. Daher seien die Abgabenansprüche noch nicht rechtskräftig. Eine Inanspruchnahme des Haftungsverpflichteten sei daher noch nicht möglich.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

Gemäß § 161 Abs. 1 UGB ist eine Kommanditgesellschaft eine unter eigener Firma geführte Gesellschaft, bei der die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern bei einem Teil der Gesellschafter auf einen bestimmten Betrag (Haftsumme) beschränkt ist (Kommanditisten), beim anderen Teil dagegen unbeschränkt ist (Komplementäre). Soweit der zweite Abschnitt des zweiten Buches des UGB nichts anderes bestimmt, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Gesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung (§ 161 Abs. 2 UGB).

Demnach haften die Komplementäre für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner unbeschränkt. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam (§ 128 UGB).

Gemäß § 906 Abs. 14 UGB traten unter anderem die §§ 105 bis 180 UGB mit in Kraft. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind auf Sachverhalte, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben, die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Gemäß § 4 Abs. 1 EGG waren auf eingetragene Erwerbsgesellschaften die Vorschriften des Handelsgesetzbuches und der Vierten Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch über die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft sowie - unter Bedachtnahme auf die §§ 2 und 6 - die für diese Gesellschaften geltenden Vorschriften über die Firma anzuwenden. Gemäß § 128 iVm § 161 HGB hafteten die Komplementäre einer KG für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung war Dritten gegenüber unwirksam. Dies galt gemäß § 4 Abs. 1 EGG auch für die persönlich haftenden Gesellschafter einer KEG.

An der persönlichen, unbeschränkten und unmittelbaren Haftung des Berufungswerbers für die Abgabenschulden der Primärschuldnerin ist durch das Inkrafttreten des UGB somit keine Änderung eingetreten. Der Berufungswerber kam als persönlich haftender Gesellschafter daher als Haftungspflichtiger im Sinne des § 12 BAO in Betracht.

In der gegenständlichen Berufung wurde die Ansicht vertreten, dass eine Heranziehung zur Haftung nur dann möglich wäre, wenn der Abgabenanspruch endgültig und rechtskräftig festgesetzt sei. Abgesehen davon, dass die Berufung gegen die Bescheide vom , mit denen der Vorlageantrag vom als verspätet zurückgewiesen wurde, mit der oben unter Punkt 2 erwähnten Berufungsentscheidung vom abgewiesen wurde, ist diese Rechtsansicht verfehlt, da die Inanspruchnahme des Haftenden nicht die Rechtskraft des an den Erstschuldner gerichteten Abgabenbescheides voraussetzt, da unter anderem nach § 254 BAO auch durch Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten wird ( mit Hinweis auf ). Die Erlassung eines Haftungsbescheides ist eine Einhebungsmaßnahme. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 12 BAO für die Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung für die gegenständlichen Abgaben lagen daher vor.

Die Gesellschafterhaftung zählt zu den persönlichen Haftungen im Sinne des § 7 BAO, deren Geltendmachung im Ermessen der Abgabenbehörde liegt. Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. § 12 BAO normiert zwar keine Ausfallshaftung, die Nachrangigkeit der Haftung ist aber auch hier zu berücksichtigen (Ritz, BAO³, § 12 Tz 5). Bei der Ermessensübung ist vor allem der Zweck der Haftungsbestimmung zu berücksichtigen. Haftungen sind Besicherungsinstitute. Daraus ergibt sich eine gewisse Nachrangigkeit der Haftung im Verhältnis zur Inanspruchnahme des Hauptschuldners. Der Haftende darf daher in der Regel nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert wäre oder wenn die Inanspruchnahme des Hauptschuldners aus rechtlichen Gründen nicht möglich oder nicht zulässig wäre (Ritz, BAO³, § 7 Tz 6).

Eine Einbringung der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin ist im vorliegenden Fall im Hinblick darauf, dass die Gesellschaft bereits liquidiert und im Firmenbuch gelöscht wurde, nicht mehr möglich, sodass die Hereinbringung der Abgaben nur mehr im Haftungsweg möglich erscheint. Der Berufungswerber ist Geschäftsführer der Managementgruppe Y. Im Haftungsakt erliegen zwei Grundbuchsabfragen, denen zufolge der Berufungswerber Alleineigentümer der hypothekarisch unbelasteten Liegenschaft A sowie der (belasteten) Liegenschaft B ist. Es war daher nicht von vornherein davon auszugehen, dass die Haftungsschuld zur Gänze und auf Dauer auch beim Berufungswerber uneinbringlich wäre, vielmehr erscheint die Einbringung zumindest eines Teiles der Haftungsschuld durchaus realistisch. Die Geltendmachung der Haftung war daher zweckmäßig. Billigkeitsgründe, welche diese Zweckmäßigkeitsgründe überwiegen würden, wurden nicht vorgebracht.

Insgesamt gesehen erweist sich der angefochtene Haftungsbescheid daher als rechtmäßig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 12 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Rechtskraft der Abgabenfestsetzung
Ermessen
Nachrangigkeit der Haftung
Verweise
VwGH, 98/15/0084
VwGH, 86/14/0095

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at