Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 14.04.2008, RV/3311-W/07

Bescheidaufhebung, Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung


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Miterledigte GZ:
RV/0748-W/08
RV/0749-W/08


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/3311-W/07-RS1
Fehlt die Bescheidbegründung, ist nicht auszuschließen, dass Ermittlungen zu einem anders lautenden Bescheid hätten führen können oder dass eine Bescheiderlassung unterblieben wäre: Eine fehlende Bescheidbegründung ist deshalb nicht mit Berufungsvorentscheidung sanierbar.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Alleingesellschafter als ehemaliger Alleingesellschafter der gemäß § 39 FBG aufgelösten Bw., vom und , vertreten durch Harald Studener, 4400 Steyr, Werndlstraße 18, und Betina Fuchs, 4532 Rohr, Audorf 12, gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart betreffend Umsatzsteuer 2004 vom , Körperschaftsteuer 2004 vom und Festsetzung von Umsatzsteuer für 8 - 11/2006 vom entschieden:

I. Umsatz- und Körperschaftsteuer 2004:

Der Berufung wird stattgegeben.

Die Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide 2004 vom und die Berufungsvorentscheidungen vom werden gemäß § 289 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.

II. Festsetzung von Umsatzsteuer 8 - 11/2006:

Der Berufung wird stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) war eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Betriebsgegenstand die Wirtschaftsberatung gewesen ist. Mit Gerichtsbeschluss vom ist die Bw. infolge rechtskräftiger Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens aufgelöst worden.

Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Bw. ist der 1961 geborene Alleingesellschafter gewesen.

Angefochten sind die Bescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2004 und der Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 8 - 11/2006.

I. Umsatz- und Körperschaftsteuer 2004:

Die mit Umsatzsteuerbescheid 2004 () festgesetzte Umsatzsteuer beträgt EUR 34.686,76. Der Umsatzsteuerbescheid 2004 enthält keinen Begründungsteil.

Die mit Körperschaftsteuerbescheid 2004 () festgesetzte Körperschaftsteuer beträgt EUR 50.795,46. Der Körperschaftsteuerbescheid 2004 enthält keinen Begründungsteil.

Die v.a. Bescheide hat die Bw. mit der fristgerecht eingebrachten Berufung angefochten; ihre Anfechtungserklärung lautet:

Im Zeitraum April 2004 bis Juli 2005 seien Adaptierungsarbeiten durchgeführt worden, deshalb seien im Jahr 2004 nicht ganzjährig Mieteinnahmen zugeflossen.

Ab habe die Mieterin EUR 414,38 Monatsmiete gezahlt; die jährlichen Mieteinnahmen haben EUR 4.972,56 betragen.

Das Mietverhältnis sei im Mai 2006 beendet worden und sei deshalb beendet worden, weil ein Finanzbeamter Anzeige erstattet habe.

Bei normalem Verlauf der Vermietungstätigkeit hätte sich ein Einnahmenüberschuss ergeben.

Die Miete für die Geschäftsführerwohnung iHv monatlich EUR 250,00 sei mit dem Finanzamt besprochen und vom Finanzamt akzeptiert worden.

Die Einnahmen für die Ferienwohnung haben ab monatlich EUR 170,00 betragen (= EUR 2.040,00 jährlich). Die Ferienwohnung befinde sich rechts neben dem Eingang und bestehe aus einem rd. 20 m² großen Wohnraum, einer Kochnische, Dusche, WC und einem Schlafzimmer.

Auf diesem Sachverhalt bezogen ergäben sich fremdübliche Mieterträge iHv mehr als EUR 10.000,00. Die Bw. habe mit einem Gesamtüberschuss rechnen können und die Vermietungstätigkeit sei nicht vorgetäuscht worden.

Die Bw. beantragt, von einer Schätzung der Erlöse Abstand zu nehmen und die Kosten für Beratungsleistungen anzuerkennen, da diese Beratungsleistungen von selbständigen Beratern mit eigener UID- und Steuernummer erbracht worden seien.

Den offenen Betrag von EUR 58.889,42 betreffend wendet die Bw. ein, dass es sowohl theoretisch als auch praktisch unmöglich sei, derartige Einnahmen als Ein-Mann-GmbH zu erzielen.

Das Finanzamt hat ein Vorhalteverfahren durchgeführt und hat diverse Unterlagen (bspw. Mietverträge) angefordert.

Am hat das Finanzamt Berufungsvorentscheidungen erlassen und hat die Abweisung des Berufungsbegehrens mit nicht vorgelegten Unterlagen begründet.

Die Berufungsvorentscheidungen hat die Bw. fristgerecht angefochten und hat ihr bisheriges Vorbringen wie folgt ergänzt:

Die Bw. sei in Konkurs. Der Konkurs sei mangels Vermögen mit abgewiesen worden. Die Bw. habe seit Februar 2007 keine Geschäftstätigkeit ausgeübt und sei in Folge rechtskräftiger Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens mit gemäß § 39 FBG aufgelöst worden.

Die Bw. könne keine Verbindlichkeiten mehr begleichen; ihr Geschäftsführer erziele fast keine Einnahmen mehr. Die Bw. habe Aufträge an Fremdfirmen vergeben müssen und ersuche, von einer Zuschätzung bei den Erlösen abzusehen und die Kosten für Fremdfirmen anzuerkennen. Die Forderungsausfälle von mehr als EUR 100.000,00 und die Beendigung des Mietverhältnisses und damit der Entgang von ca. EUR 5.000,00 jährlicher Mieteinnahmen sei durch die fehlerhafte Anzeige von zwei Finanzbeamten verursacht worden.

II. Festsetzung von Umsatzsteuer für 8 - 11/2006:

Die Umsatzsteuer für 8 - 11/2006 ist Gegenstand einer Umsatzsteuersonderprüfung gewesen; die dabei getroffenen Feststellungen lauten im Wesentlichen:

  • Die Umsätze für August und September 2006 sind nicht bekannt.Die Umsätze für Oktober 2006 haben EUR 14.400,00 betragen.Für November 2006 ist keine Umsatzsteuervoranmeldung (UVA) abgegeben worden.Die mit der Rechnung () abgerechneten Leistungen betreffen den Leistungszeitraum - und sind nicht mit den sonstigen laufenden Umsätzen im Zusammenhang zu sehen.

Für den Prüfungszeitraum 8 - 11/2006 seien die Umsätze mit EUR 144.000,00 zu schätzen; sie betragen zuzüglich EUR 178.112,40 aus der Rechnung () EUR 322.112,40.

Am hat das Finanzamt einen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für die Monate 8 - 11/2006 erlassen; die mit diesem Bescheid prüfungskonform festgesetzte Umsatzsteuer beträgt EUR 62.734,53.

Den am durch Hinterlegung zugestellten Bescheid hat die Bw. fristgerecht angefochten (Berufung, ).

Ihren Antrag, die Umsatzsteuer mit EUR 0,00 (bzw. in der bisher festgesetzten Höhe) festzusetzen, hat die Bw. mit einer an die C GmbH gerichteten Rechnung begründet, die nicht bezahlt, sondern nach einem gerichtlichen Vergleich storniert worden sei. Durch eine ungerechtfertigte Anzeige eines Finanzamtes mit anschließendem Prozess und einer ärztlichen Behandlung, der sich der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Bw. ab Prozessbeginn unterziehen habe müssen, habe die Bw. nur geringfügige Umsätze erzielt. Der Prozess habe mit einem Freispruch geendet.

Abschließend teilt die Bw. mit, dass sie ihren Betrieb seit 1995 von Oberösterreich aus geführt und seit Februar 2007 geschlossen habe.

Im Vorhalteverfahren/Finanzamt ist die Bw. u.a. aufgefordert worden, den Ort ihrer Geschäftsleitung bekannt zu geben und Bücher, Aufzeichnungen, Umsatzsteuervoranmeldungen und eine die Rechnung () berichtigende Rechnung vorzulegen. Auf diesen Vorhalt hat die Bw. nicht geantwortet.

Am hat das Finanzamt eine das Berufungsbegehren abweisende Berufungsvorentscheidung erlassen und hat seine Entscheidung im Wesentlichen mit dem nicht beantworteten Vorhalt begründet.

Im gegen die Berufungsvorentscheidung gerichteten Vorlageantrag () hat die Bw. ihr bisheriges Berufungsvorbringen zT wiederholend, zT ergänzend vorgebracht:

Mit dem am abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich habe sich die Bw. verpflichtet, EUR 8.000,00 an die C GmbH zu zahlen, da die Bw. das Gerichtsverfahren nicht mehr finanzieren konnte: Die Bw. und ihr Geschäftsführer seien in Konkurs gewesen.

Die Bw. beantragt, von einer Schätzung der Erlöse abzusehen und die Entgelte aus der Rechnung () dem gerichtlichen Vergleich entsprechend zu stornieren.

Dem Vorlageantrag hat die Bw. u.a. beigelegt:

  • Nicht unterfertigte Rechnung vom ; Rechnungslegerin: Bw., Rechnungsempfängerin: C GmbH; lautend:

"Die in der Zeit vom - erbrachten Leistungen stelle ich Ihnen wie folgt in Rechnung:

  • "Letzte Mahnung" der C GmbH vom : Die Bw. wird aufgefordert, EUR 58.889,42 zu zahlen.

  • Vergleichsausfertigung in der Rechtssache C GmbH als Kläger und der Bw. als beklagter Partei wegen EUR 58.889,42 samt Anhang (Werklohn/Honorar), lautend:

"Die Parteien haben - bei der Tagsatzung - am folgenden gerichtlichen Vergleich geschlossen:

1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters ... einen Kostenbeitrag von EUR 8.000,00 (inklusive USt und Barauslagen) zu zahlen, wobei ein Teilbetrag von EUR 5.000,00 bis zur Zahlung fällig ist und ein weiterer Teilbetrag von EUR 3.000,00 in 6 Teilzahlungen zu je EUR 500,00 zum 16. eines jeden Monats beginnend mit zur Zahlung fällig ist.

2. Mit Rechtswirksamkeit des Vergleichs sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Streitteilen bereinigt und verglichen.

3. Für den Fall der Konkurseröffnung über das Vermögen der Beklagten vereinbaren die Parteien, dass Pkt 2 des Vergleichs hinfällig ist und sämtliche wechselseitigen in dem Verfahren geltend gemachten Forderungen wieder aufleben. Dieser Vergleichpunkt wird mit EUR 1.000,00 bewertet.

4. Dieser Vergleich erlangt Rechtswirksamkeit, wenn er nicht mittels Schriftsatz bis spätestens bei Gericht einlangend widerrufen wird."

Stellungnahme der Betriebsprüfung zum Vorlageantrag:

Nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens wird ausgeführt:

"... Die Stornierung der gegenständlichen Rechnung dürfte aber nicht den Tatsachen entsprechen, da ein Teil des in dieser Rechnung ausgewiesenen Umsatzes bereits durch Anzahlungen und Gegenverrechnung abgedeckt war. Der Streit ging offensichtlich lediglich um den offenen Restbetrag von brutto EUR 93.676,66. Es ist somit nicht glaubhaft und auch nicht wahrscheinlich, dass die strittige Rechnung storniert wurde, da sie zu einem Teil von der Fa. C akzeptiert worden war. Wenn die Rechnung nicht berichtigt wurde, schuldet die Bw. die in dieser Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung zur Gänze."

Aus den Veranlagungsakten:

  • Bericht des Masseverwalters vom in der Konkurssache Alleingesellschafter:

Der Gemeinschuldner ist bei einer Tischlerei als Angestellter angemeldet und bezieht dort ein Gehalt iHv rd. EUR 1.100,00 monatlich. Die pfändbaren Gehaltsteile werden ab Juli 2007 der Konkursmasse zugehen.

Der Gemeinschuldner beabsichtigt nun ein weiteres Mal, seine Entschuldung zu versuchen. Es wird ihm zu diesem Zwecke von dritter Seite ein Bargeldbetrag zur Verfügung gestellt, welcher seinen allgemeinen Konkursgläubigern in Form einer Quotenzahlung angeboten werden soll.

  • Aus dem Bericht vom über das Ergebnis einer bei der Bw. durchgeführten Außenprüfung:

Die Büro- und Besprechungsräume der Bw. haben sich in einem Einfamilienhaus befunden, das seit zu 100% für private Wohnzwecke genutzt wird.

UFS-Ermittlungsverfahren/Einbringlichkeit der Abgabenschuld bei der Bw. und bei ihrem Geschäftsführer (Vorhalt, ; Stellungnahme/Finanzamt):

Zur Einbringlichkeit der für die Monate 8 - 11/2006 festgesetzten Umsatzsteuer hat das Finanzamt wie folgt Stellung genommen:

Alleingesellschafter war Geschäftsführer der Bw.. Lt. Beschluss des Landesgerichtes vom 4.7.207 wurde der Konkurs mangels Kostendeckung nicht eröffnet, die Abweisung erfolgte gemäß § 71 KO, in Rechtskraft mit .

Seitens des Finanzamt wurde am ein Haftungsbescheid für den ehem. Geschäftsführer gemäß § 9 BAO über EUR 309.405,13 gefertigt. Dieser Haftungsbescheid wurde nach Absprache mit dem Finanzamt 2 als Konkursforderung im dortigen Insolvenzverfahren gegen Alleingesellschafter, das am beim Landesgericht eröffnet wurde, nicht angemeldet. Das Konkursverfahren wurde mit Beschluss vom 20.12.0007 nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben, für die Konkursgläubiger verblieb keine Quote.

Weiters war Alleingesellschafter Geschäftsführer der N-GmbH. Der Konkurs gegen dieses Unternehmen wurde lt. Beschluss des Landesgerichts vom mangels Kostendeckung nicht eröffnet. Es erging seitens des Finanzamtes ein Haftungsbescheid über EUR 18.666,78, in Rechtskraft seit .

Aufgrund einer Anfrage an das Finanzamt 2 ist der Pflichtige zur Zeit in ...... wohnhaft und nach eigenen Angaben bei der Firma PM. als Büroangestellter mit einem mtl. Gehalt von rund EUR 900,00 tätig.

Seine offenen Rückstände stellen sich folgend dar:

Rückstände der Bw. Haftung über EUR 309.405,13, Berufung eingebracht am AEH EUR 62.734,53

Rückstände der N-GmbH Haftung über EUR 18.666,78

Rückstände Alleingesellschafter Vollstreckbarer Rückstand EUR 278.107,42 AEH EUR 448.721,53 (Verfahren bei UFS Linz anhängig)

Der Pflichtige ist lt. Grundbuchsauszug Hälfteigentümer der EZ ...... Die Liegenschaft wurde lt. Erklärung des Betriebsprüfers im Zuge der Scheidung der Ehegattin zugesprochen.

Aus den vorliegenden Informationen wird die Einbringung des gesamten Rückstandes nicht möglich sein.

Über die Berufung wurde erwogen:

I. Umsatz- und Körperschaftsteuer 2004:

Über den Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheid 2004 ist festzustellen, dass diese Bescheide keine Bescheidbegründungen enthalten.

Fehlende Bescheidbegründungen sind Bescheidaufhebungsgründe:

Gemäß § 289 Abs 1 BAO idgF liegt ein Bescheidaufhebungsgrund vor, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO idgF) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

Fehlt die Bescheidbegründung, ist der als entscheidungsrelevant beurteilte Sachverhalt nicht feststellbar und ist nicht nachvollziehbar, welche Ermittlungen das bescheiderlassende Finanzamt durchgeführt hat, um zur Bemessungsgrundlage für die Abgabenfestsetzung zu gelangen.

Fehlt die Bescheidbegründung, ist nicht auszuschließen, dass Ermittlungen zu einem anders lautenden Bescheid hätten führen können oder dass eine Bescheiderlassung unterblieben wäre: Eine fehlende Bescheidbegründung ist deshalb nicht mit Berufungsvorentscheidung sanierbar sondern ein Aufhebungsgrund im Sinne des § 289 Abs. 1 BAO idgF.

Der Unabhängige Finanzsenat stellt fest, dass der in § 289 Abs 1 BAO idgF normierte Gesetzestatbestand erfüllt ist und entscheidet: Nach dieser Sach- und Rechtslage sind der Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheid 2004 aufzuheben.

II. Umsatzsteuerfestsetzung für 8 - 11/2006:

Strittig sind die mit EUR 144.000,00 geschätzten Umsätze und Umsätze iHv EUR 178.112,40 aus der Rechnung ().

II.I. Umsatzschätzung:

Rechtslage:

Gemäß § 184 Abs 1 BAO idgF sind die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, wenn sie nicht ermittelt oder berechnet werden können.

Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind (§ 184 Abs 2 BAO idgF); zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen (§ 184 Abs 3 BAO idgF).

Sach- und Beweislage:

Im ggstl. Berufungsfall hat eine Umsatzsteuersonderprüfung stattgefunden; die Höhe der Umsätze für August, September und November 2006 konnten die Abgabenbehörden dennoch nicht feststellen. Im Vorhalteverfahren/Finanzamt ist die Bw. u.a. aufgefordert worden, Bücher, Aufzeichnungen und Umsatzsteuervoranmeldungen vorzulegen; Bücher, Aufzeichnungen und Umsatzsteuervoranmeldungen sind den Abgabenbehörden nicht vorgelegt worden.

Nach dieser Sach- und Beweislage ist es für die Abgabenbehörden unmöglich gewesen, die richtigen Besteuerungsgrundlagen festzustellen. Die Abgabenbehörden sind deshalb berechtigt gewesen, die Umsätze zu schätzen.

Mit ihrem Antrag, die Umsatzsteuer mit EUR 0,00 bzw. in der bisher festgesetzten Höhe festzusetzen, hat die Bw. keine begründeten Überlegungen vorgebracht, die gegen das Schätzungsergebnis und damit für eine andere Schätzungsmethode sprechen.

Der Unabhängige Finanzsenat stellt fest:

Die Umsätze mit EUR 144.000,00 zu schätzen, ist rechtskonform gewesen.

II.II. Umsatz aus der Rechnung ():

Rechtslage:

Führt der Unternehmer Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 idgF aus, ist er berechtigt, Rechnungen auszustellen. Führt er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, soweit sie nicht Unternehmer ist, aus, ist er verpflichtet, Rechnungen auszustellen (§ 11 Abs 1 UStG 1994 idgF).

Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt (§ 11 Abs 12 UStG 1994 idgF).

Sach- und Beweislage:

Über die Rechnung () ist aus den Veranlagungsakten festzustellen, dass die Bw. keine diese Rechnung berichtigende Rechnung vorgelegt hat.

Aus dem Berufungsvorbringen "ist durch den Vergleich storniert worden" ist zu schließen, dass der Rechnungsleger die Rechnung nie berichtigt hat.

Aus der Vergleichsausfertigung ist nicht erkennbar, dass die Rechnung () storniert worden ist:

  • Die Rechnung () wird im Vergleich nicht erwähnt.

  • Die vom Vergleich umfassten Verbindlichkeiten betragen EUR 58.889,42 und stimmen damit nicht mit dem in der Rechnung ausgewiesenen Rechnungsbetrag überein.

  • Gemäß Pkt. 2. und 3. des Vergleichs verliert der Vergleich seine Rechtswirksamkeit, wenn über das Vermögen der Bw. der Konkurs eröffnet wird. Dieser Vergleich ist am geschlossen worden; mit Gerichtsbeschluss vom ist die Bw. infolge rechtskräftiger Abweisung eines Konkursantrags aufgelöst worden: Der Vergleich hat daher seine Rechtswirksamkeit verloren. Rechtswirkungslose Vergleiche bewirken kein Rechnungsstorno und keine Rechnungsberichtigung.

Der Unabhängige Finanzsenat stellt fest:

Nach dieser Sach- und Beweislage ist die Rechnung () weder berichtigt noch storniert worden. Die Steuerschuld kraft Rechnungslegung ist in Höhe der in dieser Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer entstanden.

II.III. Abstandnahme/Abgabenfestsetzung:

Rechtslage:

Gemäß § 206 lit b BAO idgF kann die Abgabenbehörde von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen, wenn und soweit im Einzelfall auf Grund von, der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden, Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar sein wird.

Eine Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung liegt im Ermessen der Abgabenbehörden erster und zweiter Instanz.

Die Durchsetzbarkeit des Abgabenanspruchs ist beim Abgabenschuldner und bei allfälligen Haftungspflichtigen zu prüfen.

Sach- und Beweislage:

Die für die Monate 8 - 11/2006 festgesetzte Umsatzsteuer beträgt EUR 62.734,53.

Über die Durchsetzbarkeit eines Abgabenanspruchs iHv EUR 62.734,53 bei der Bw. und/oder bei ihrem Gesellschafter-Geschäftsführers ist festzustellen:

Ad. Durchsetzbarkeit des Abgabenanspruchs bei der Bw.:

Die Abgabenschulden der Bw. sind nicht mit Pfandrechten auf Vermögenswerte der Bw. besichert worden. Im Konkursverfahren der Bw. ist der Konkursantrag mangels kostendeckenden Vermögens der Bw. abgewiesen worden; sodass kein verwertbares Vermögen der Bw. vorhanden ist, um den Abgabenanspruch durchzusetzen.

Die Bw. ist mit Gerichtsbeschluss aufgelöst worden; dass sie dennoch irgendeine Geschäftstätigkeit ausübt und aus dieser Geschäftstätigkeit Einnahmen erzielt, ist nach Aktenlage auszuschließen: Die Bw. ist eine sog. "Ein-Mann-GmbH" gewesen. Ihr (Allein)Gesellschafter-Geschäftsführer ist jetzt Büroangestellter; seine Arbeitskraft steht der Bw. deshalb nicht mehr zur Verfügung. Ihre Geschäftsräume befanden sich in einem, jetzt zu 100% privat genutzten, Gebäude. Dass die Bw. andernorts Geschäftsräume hat; ist vom Finanzamt nicht festgestellt worden.

Ein Abgabenanspruch iHv EUR 62.734,53 ist deshalb bei der Bw. nicht durchsetzbar.

Ad. Durchsetzbarkeit des Abgabenanspruchs beim Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw.:

Aus dem Haftungsbescheid () ist festzustellen, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw. für die Abgabenschulden der Bw. haftet.

Die Abgabenschulden der Bw. sind nicht mit Pfandrechten auf Vermögenswerte des Gesellschafter-Geschäftsführers der Bw. besichert worden, sodass die Abgabenbehörden keinen Zugriff auf verwertbares Vermögen des Gesellschafter-Geschäftsführers der Bw. haben.

Im Konkursverfahren des Gesellschafter-Geschäftsführers der Bw. sind die Abgabenbehörden nicht Massegläubiger gewesen, da Abgabenschulden nicht angemeldet worden sind. Das Vermögen des Gesellschafter-Geschäftsführers ist zur Gänze an die Massegläubiger verteilt worden, sodass kein verwertbares Vermögen des Gesellschafter-Geschäftsführers der Bw. vorhanden ist, um den Abgabenanspruch durchzusetzen.

Das Konkursverfahren über eine GmbH, deren Geschäftsführer der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw. gewesen ist, ist mangels Kostendeckung nicht eröffnet worden, sodass der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw. keine zur Tilgung der Abgabenschuld verwendbare, Einnahmen aus der Geschäftsführertätigkeit bei dieser Gesellschaft erzielt.

Als Büroangestellter bezieht der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw. ein monatliches Gehalt iHv +/- EUR 900,00. Der monatliche Grundbetrag des Existenzminimums beträgt derzeit EUR 747,00. Würde der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw. die das Existenzminimum übersteigenden EUR 153,00 zur Tilgung der für die Monate 8 - 11/2006 festgesetzten Umsatzsteuer verwenden, hätte er diese Abgabenschuld nach +/- 34 Jahren - und damit im Jahr 2042 - getilgt: Im Jahr 2042 wäre der 1961 geborene Gesellschafter-Geschäftsführer 81 Jahre alt und würde seit +/- 20 Jahren Pensionseinkünfte beziehen. Da Pensionseinkünfte niedriger als Aktivbezüge sind; ist davon auszugehen, dass die monatlichen Pensionseinkünfte weniger als EUR 900,00 betragen und die gesamte Abgabenschuld nicht nach 34 Jahren sondern nach mehr als 34 Jahren getilgt wäre.

Auf dem Abgabenkonto des Gesellschafter-Geschäftsführers der Bw. besteht jedoch ein vollstreckbarer Rückstand iHv 278.107,42. Bei vorrangiger Tilgung der eigenen Abgabenschulden (und gleich bleibenden Einkommensverhältnissen) hätte der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw. seine eigenen Abgabenschulden in +/- 151 Jahren (!!!) getilgt und könnte frühestens im Jahr 2159 mit der Tilgung der Abgabenschulden der Bw. beginnen.

Ein Abgabenanspruch iHv EUR 62.734,53 ist deshalb beim Gesellschafter-Geschäftsführer der Bw. nicht durchsetzbar.

Die v.a. Ausführungen zusammenfassend ist für den Unabhängige Finanzsenat erwiesen, dass die vom Finanzamt für die Monate 8 - 11/2006 festgesetzte Umsatzsteuer zur Gänze uneinbringlich ist.

Der Unabhängige Finanzsenat stellt fest, dass der in § 206 lit b BAO idgF normierte Gesetzestatbestand nach dieser Sachlage erfüllt ist und entscheidet:

Von der Einbringung der Umsatzsteuer für die Monate 8 - 11/2006 iHv EUR 62.734,53 wird Abstand genommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 289 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 206 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Bescheidbegründung

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