TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Sonstiger Bescheid, UFSW vom 02.01.2012, RV/3485-W/11

Kassation, wenn das gesamte Verfahren vom UFS durchzuführen wäre

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Folgerechtssätze
RV/3485-W/11-RS1
wie RV/0263-W/02-RS1
Wenn die fehlenden Ermittlungen (§ 115 Abs 1 BAO) einen vergleichsweise großen Umfang haben und im zweitinstanzlichen Vorhalteverfahren eine hinreichende Klärung dieser Fragen nicht zu erwarten ist, ist es zweckmäßig, dass diese Ermittlungen von der Abgabenbehörde erster Instanz nachgeholt werden.

Entscheidungstext

Bescheid

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Berufungswerberin, vertreten durch Haunschmidt & Partner Steuerberatungsgesellschaft mbH, Steuerberatungskanzlei, 1090 Wien, Julius Tandler-Platz 6/9, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 entschieden:

Der angefochtene Bescheid und die Berufungsvorentscheidung werden gemäß § 289 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.

Begründung

1. Verfahrenshergang: Die Berufungswerberin (Bw) beantragte bei der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 erhöhte Sonderausgaben zu berücksichtigen, was die Amtspartei mit angefochtenem Bescheid erklärungskonform tat.

In der mit Schriftsatz vom erhobenen Berufung brachte die Bw vor, dass sie "leider" bei ihrer Arbeitnehmerveranlagung vergessen habe, die Werbungskosten ihrer Ausbildung gelten zu machen. Seit vorigem Jahr besuche sie den Universitätslehrgang "Tiergestützte Therapie und Tiergestützte Fördermaßnahmen". Nach erfolgreichem Abschluss könne sie diese Ausbildung in ihrem Beruf als Volksschullehrerin ausüben. Die damit zusammenhängenden Werbungskosten bezifferte sie mit € 5.160,00.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies die Amtspartei die Berufung als unbegründet ab und führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, dass der strittige Universitätslehrgang nicht als Berufsfortbildung betrachtet werden könne. Auch wenn diese Kurse geeignet seien, die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu verbessern, stellten sie keine berufsspezifische Fortbildung dar (§ 20 Abs. 1 Z 2a EStG 1988).

In dem als Berufung bezeichneten Vorlageantrag vom wurde vorgetragen, dass die Ausbildung an der TAT-Universität im Jahr 2011 erfolgreich beendet worden sei. Diese erlangte Ausbildung und zusätzliches Wissen wird der Bw als Volksschullehrerin (Einrichtung einer eigenen Klasse an einer näher bezeichneten Volksschule) verwenden können. Darüber hinaus werde die Bw auch in Form einer selbstständigen Tätigkeit aus diesem zusätzlichen Ausbildungswege Einkünfte erzielen. Die im Jahr 2010 erwachsenen Kosten stellten zur Gänze Betriebsausgaben dar; eine Einkommensteuererklärung, in der unter der Kennzahl 320 ein Verlust von € 5.421,60 ausgewiesen wird, liegt dem Vorlageantrag bei.

Weiters liegt dem Vorlageantrag eine Information zum Thema TAT-Universitätslehrgang bei, in der Zielsetzung, Zielgruppe, Ausbildungshergang usw. dargestellt sind.

Die Berufung wurde von der Amtspartei mit Vorlagebericht vom vorgelegt.

2. Rechtsgrundlagen: Ist die Berufung weder zurückzuweisen (§ 273) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 274) zu erklären, so kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Abs. 1 BAO die Berufung durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

3. rechtliche Beurteilung: Ein Bescheid ist der Rechtssetzungsakt einer Verwaltungsbehörde sowie eine individuell-konkrete Rechtsnorm. Individuell-konkret bedeutet, dass der Spruch, der die normative Anordnung der Behörde darstellt, zu dem im Einzelfall festgestellten Sachverhalt ergeht. Gegenständlich war es aufgrund des Verhaltens der Bw der Amtspartei nicht möglich, den rechtserheblichen Sachverhalt festzustellen.

Der angefochtene Bescheid vom erweist sich in casu deswegen als rechtswidrig, weil die Bw im Vorlageantrag mit ihrer berichtigten Einkommensteuererklärung erstmals jene entscheidungsrelevanten Angaben macht, die sie in ihrer Abgabenerklärung hätte machen sollen. Darüber hinaus weicht die Bw im Vorlageantrag von ihrem Berufungsvorbringen der Fortbildung ab und führt Umschulung ins Treffen, sodass die Amtspartei bei diesem Verfahrenslauf keine Möglichkeit hatte, ihrem Auftrag zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit zu entsprechen.

Auch wenn oben dargestellter Prozessverlauf unter Rechtsschutzaspekten nicht zu beanstanden ist, so ist dennoch zu sagen, dass der unabhängige Finanzsenat als Abgabenbehörde II. Instanz primär als Rechtsschutzbehörde eingerichtet ist. Aufgabe einer Rechtsschutzbehörde ist es nun aber gerade nicht, durch Ermittlungshandlungen erstmals den entscheidungsrelevanten Sachverhalts zu erheben bzw. festzustellen, wobei es ohne Belang ist, wer das bisherige Unterbleiben der Sachverhaltsfeststellung zu verantworten hat.

Im gegenständlichen Fall kommt weiters hinzu, dass auch aus dem Vorlageantrag der Parteiwille der Bw nicht eindeutig hervorgeht, ob sie also Werbungskosten wegen Fortbildung iSd § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 oder vorweggenommene Betriebsausgaben aus einer künftigen Einkunftsquelle iSd § 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988 begehrt. Zwar ordnet sie sämtliche mit der Ausbildungsmaßnahme in Zusammenhang stehenden Kosten gänzlich der selbständigen Arbeit zu, doch argumentiert sie gleichzeitig, dass sie die erlangte Ausbildung als Volksschullehrerin, also in ihrem konkret ausgeübten Beruf, wird verwenden können.

Im fortzusetzenden Verfahren wird die Bw durch entsprechende Mitwirkung am Verfahren ihren Parteiwillen zu konkretisieren haben, wobei sie auf die Zulässigkeit zur Stellung von begründeten Eventualanträgen hinzuweisen ist, wodurch die Amtspartei - erstmals - in die Lage versetzt werden wird, die materielle Wahrheit Fortbildung, Ausbildung und/oder Umschulung iSd § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 bzw. iSd § 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988 zu erforschen. Auch eine Zuordnung der angefallenen Kosten auf beide Einkunftsquellen erscheint nicht ausgeschlossen, wobei Zuordnung nicht automatisch Abzug bedeutet.

Im Fall einer Umschulungsmaßnahme ist von der Amtspartei das jüngst ergangene Erkenntnis , zu beachten.

Wenn die fehlenden Ermittlungen (§ 115 Abs 1 BAO) einen vergleichsweise großen Umfang haben und im zweitinstanzlichen Vorhalteverfahren eine hinreichende Klärung dieser Fragen nicht zu erwarten ist, ist es zweckmäßig, dass diese Ermittlungen von der Abgabenbehörde erster Instanz nachgeholt werden (). Ermittlungen im Zusammenhang mit der Eignung einer intendierten Tätigkeit als Einkunftsquelle sind regelmäßig solche großen Umfangs.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 289 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 Abs. 1 Z 2a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 289 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Kassation
Ermessen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at