Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bw. und der Kinder im Ausland.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der X. Y., M., gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum bis entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) bezog für ihre Töchter LM, geb. am 00.00.1999, und IV, geb. am 00.00.1995, im Streitzeitraum (Jänner 2002 bis Mai 2003) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag.
Im Zuge einer vom Gatten der Bw. eingereichten Arbeitnehmerveranlagung für 2001 stellte das Finanzamt fest, dass sich der Lebensmittelpunkt der Familie von April 2001 bis Mai 2003 nicht in Österreich, sondern in den USA befunden hatte.
Der Haushalt in Österreich wurde komplett aufgelöst. Es war nicht vorhersehbar, wie lange der Aufenthalt in den USA dauern würde. Es handelte sich um keine befristete Entsendung durch den Dienstgeber des
Dies wird durch folgende Unterlagen (in Kopie) dokumentiert:
Lieferausfolgescheine der Fa. Schenker-BTL vom
Zeugnisse als Schulbesuchsbestätigungen
Aufenthaltsbewilligungen und VISA der Bw., ihres Gatten und der zwei Töchter
U.S. Steuererklärung (2001 Income Tax Returns)
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Bw. die zu Unrecht bezogenen Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für LM und IV zurück und begründete dies wie folgt:
"Gemäß § 2 Abs. 8 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der bis gültigen Fassung haben Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
Laut den bei der Arbeitnehmerveranlagung 2001 Ihres Gatten vorgelegten Unter lagen (Aufenthaltsgenehmigungen für die Kinder und der Eltern, Schulzeugnisse der Kinder, Aufstellung der Spedition bez. Übersiedelung des Hausrates)und den Angaben Ihres Gatten befand sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen von April 2001 bis Mai 2003 in den USA."
Die Bw. erhob gegen den Bescheid fristgerecht Berufung und führte dazu aus:
"Die Entsendung in die USA war ein befristeter Einsatz von zwei Jahren (2001 bis 2003). Während dieser zwei Jahre wurden weiterhin die Sozialversicherungsbeiträge einbezahlt. In diesem Zeitraum war auch die gesamte Familie in Österreich krankenversichert. Die Sozialversicherungsbeträge wurden dabei von der aufnehmenden Gesellschaft in den USA ( O.) an XY Österreich entrichtet und XY Österreich hat diese in das österreichische Sozialversicherungssystem einbezahlt. Diese Abgaben haben mich während meiner Entsendung bereits indirekt belastet. Daher bin ich davon ausgegangen, dass ich/wir auch weiterhin Anspruch auf die FB haben..."
Das Finanzamt erließ am eine Berufungsvorentscheidung und wies die Berufung vom mit folgender Begründung ab:
"Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben Anspruch auf Familienbeihilfe. Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, haben gern. § 2 Abs 8 FLAG nur dann Anspruch, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten. Gern. § 5 Abs 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrecht zu erhalten, ist aber keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind (z.B. Ferienzeit), unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die stärkste persönliche Beziehung eines Menschen im Regelfall zu dem Ort besteht, an dem er regelmäßig mit seiner Familie lebt, dass also der Mittelpunkt der Lebensinteresse einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthalts ihrer Familie zu finden sein wird. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich ausgesprochen, dass ein Verheirateter, der mehr als 150 Tage im Jahr mit seiner Familie zusammen lebe, dort seinen Lebensmittelpunkt habe. Verfügt eine Person im Ausland über eine Wohnung, sei es als Eigentümer, Mieter oder auch bloß als Mitbewohner, und benützt diese Wohnung jahrelang, kann nicht angenommen werden, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich hat. Eine sich aus der Staatsbürgerschaft ergebende gefühlsmäßige Heimatverbundenheit, der Wunsch späterhin nach Österreich zurückzukehren sowie gelegentliche Aufenthalte in Österreich, rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen hat der Verwaltungsgerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom , 98/15/0016, unter Hinweis auf seine frühere Rechtssprechung ( betreffend einen zweijährigen Aufenthalt eines Kindes in den USA) den Familienbeihilfenanspruch für ein Kind verneint, das für knapp drei Jahre in den USA eine Schule besucht hat und sich nur in der Ferienzeit im Inland aufgehalten hat. Hiezu wurde festgehalten: Hielt sich das Kind während der Schuljahre im Streitzeitraum in den USA auf, ist das Verbringen der Ferien in Österreich jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch der ständige Aufenthalt in den USA nicht unterbrochen wurde. Ähnliche Sachverhalte lagen in den VwGH-Erkenntnissen vom , 2002/13/0079, sowie vom , 2002/14/0050, vor - auch hier begründete ein mehrjähriger Schulbesuch im Ausland dort für diesen Zeitraum einen ständigen Aufenthalt.
In diversen Telefonaten mit Ihrem Gatten bzw. dessen Steuerberater führten Sie an, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen seit April 2001 in den USA liegt. Der gesamte Hausstand in Österreich wurde aufgelöst und es gab keine Wohnmöglichkeit in Österreich. Weiters war nicht vorhersehbar wie lange die Entsendung ihres Mannes und somit der Aufenthalt der ganzen Familie in der USA andauern wird. Ihr(e) Kind(er) besucht(en) in der USA die Schule bzw. den Kindergarten.
Aufgrund dieser Angaben wurden die amerikanischen Einkünfte in Österreich bei der Steuerberechnung nicht berücksichtigt.
Haben Personen sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz, besteht auf Grund der Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetztes 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe nur unter der Voraussetzung, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet liegt und sich die Kinder für die die Familienbeihilfe bezogen werden soll, ständig im Bundesgebiet aufhalten.
Im vorliegenden Fall sprechen folgende Umstände, dass die stärkeren persönlichen Beziehungen nicht zu Österreich, sondern zu den USA bestehen;
der Ehegatte wohnte und arbeitete im Streitzeitraum ständig in den USA.
Laut eigenen Angaben wurde der gesamte Haushalt (Wohnsitz) in Österreich aufgelöst; es gab keine Wohnmöglichkeit in Österreich
ihr Kind besuchte in der USA die Schule bzw. den Kindergarten, somit ist eine weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 8 FLAG, nämlich dass sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten, nicht erfüllt.
Es kann damit angenommen werden, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem in Rede stehenden Zeitraum sich nicht in Österreich befunden hat.
Das Finanzamt Waldviertel geht aufgrund des oben geschilderten Sachverhaltes davon aus, dass sich der Mittelpunkt (Anm.: der Lebensinteressen der Bw.) für die Zeit vom April 2001 bis Mai 2003 nicht mehr in Österreich, sondern in den USA befindet. Somit besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Daher musste die Familienbeihilfe für den Zeitraum Jänner 2002 bis Mai 2003 zurückgefordert werden. Die Berufung war somit abzuweisen."
Die Bw. stellte mit Schreiben vom fristgerecht den Antrag auf Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte dazu Folgendes aus:
"In meiner Begründung wurde angegeben, dass während des Aufenthaltszeitraumes in den USA auch weiterhin Sozialabgaben in das österreichische Sozialsystem einbezahlt wurden. Auf diesen Umstand wurde in der Berufungsvorentscheidung nicht eingegangen. Aus meiner Sicht macht es schon einen Unterschied, ob ich nur beziehe und nichts beitrage. In der Berufungsvorentscheidung wurde als Begründung auch angegeben, dass wir unseren Haushalt in Österreich aufgegeben haben. Das stimmt auch, aber unser Haus blieb unvermietet und stand für eine Rückkehr jederzeit zur Verfügung (extra Belastung). Ich möchte Sie ersuchen, speziell die freiwillige Leistung der Sozialabgaben (ca. 100.000 Schilling pro Jahr) zu berücksichtigen."
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Feststehender Sachverhalt
Die Bw., ihr Gatte und die beiden Töchter sind österreichische Staatsbürger. Die gesamte Familie lebte von April 2001 bis Mai 2003 in den USA, war jedoch weiterhin mit einem Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet.
Der Gatte der Bw. arbeitete bei der Firma XY AG. Die Kinder besuchten in den USA die Schule. Der gesamte Hausrat wurde in die USA übersiedelt, die Familie besitzt jedoch seit Dezember 1992 ein Haus in M, wo sie auch nach ihrer Heimkehr aus den USA wohnen.
2. Mittelpunkt der Lebensinteressen, ständiger Aufenthalt im Inland
2.1 Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG haben Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten.
Nach der ständigen Rechtsprechung kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen haben. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestehen im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt. Verfügt eine Person im Ausland über eine Wohnung, sei es als Eigentümer, Mieter oder auch bloß als Mitbewohner und benützt sie diese Wohnung jahrelang und ständig aus beruflichen Gründen gemeinsam mit den engsten Familienangehörigen, so kann nicht angenommen werden, dass sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich hat (vgl. ; , 89/14/0054; , 88/16/0229; , 88/16/0068; , 86/16/0198 und , 83/16/0177).
Die Bw. führte in ihrem Vorlageantrag vom aus, dass sie und ihr Gatte zwar den Haushalt in Österreich aufgegeben hätten, jedoch ihr Haus unvermietet geblieben sei, sodass es für eine Rückkehr jederzeit zur Verfügung gestanden sei, sowie weiters, dass sie in den USA weiterhin Sozialabgaben in das österreichische Sozialsystem einbezahlt hätten (jährlich ca. 100.000 Schilling).
Laut telefonischer Auskunft des Gatten der Bw. sei nicht absehbar gewesen, wie lange der berufliche Aufenthalt in den USA dauern würde, weil es sich um keine befristete Entsendung gehandelt habe.
All dies wird vom unabhängigen Finanzsenat nicht in Zweifel gezogen. Aber gerade auf Grund dieser Ausführungen und der Tatsache, dass sich die Bw. mit ihrer Familie ständig in den USA aufgehalten hat, steht für den unabhängigen Finanzsenat fest, dass die Bw. und ihre Familie im Streitzeitraum den Lebensmittelpunkt eindeutig in den USA gehabt haben.
2.2 In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass sich im Berufungsfall weder die Kinder ständig iSd § 5 Abs. 3 FLAG im Inland aufgehalten haben noch die Bw. und ihr Gatte den Mittelpunkt der Lebensinteressen iSd § 2 Abs. 8 FLAG im Inland gehabt haben. Somit ist ein Familienbeihilfenanspruch aufgrund der innerstaatlichen Vorschriften nicht gegeben. Ergänzend wird auf die fundierten und rechtlich zutreffenden Ausführungen des Finanzamtes in der Berufungsvorentscheidung verwiesen.
2.3 Wenn die Bw. schließlich darauf verweist, dass sie weiterhin "Sozialabgaben in das österreichische Sozialsystem einbezahlt" habe, so ist hierzu festzustellen, dass ein inländischer Familienbeihilfenanspruch nicht an die Entrichtung oder Nichtentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen geknüpft ist. Ebenso spielt es keine Rolle, ob der inländische Wohnsitz endgültig aufgegeben wurde oder nicht.
Daraus folgt, dass der angefochtene Rückforderungsbescheid zu Recht ergangen ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte | Ständiger Aufenthalt Lebensmittelpunkt |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at