Geschäftsführerhaftung und Einwendungen gegen die Abgabenfestsetzungsbescheide
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Michael Zerobin, Herzog Leopold-Straße 2, 2700 Wiener Neustadt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Geschäftsführerhaftung zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Beschwerdeführer wird als Geschäftsführer zur Haftung in Höhe von € 337.153,53 herangezogen. Eine Aufgliederung des Haftungsbetrages auf die einzelnen Abgaben, die einen Bestandteil des Spruches bildet, findet sich am Ende der Entscheidung.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Schreiben vom setzte das Finanzamt Baden Mödling (belangte Behörde) den Beschwerdeführer darüber in Kenntnis, dass am Abgabenkonto der ***Primärschuldnerin*** (Primärschuldnerin) ein Rückstand in Höhe von € 341.390,18 aushaften würde. Die belangte Behörde wies den Beschwerdeführer auf die Möglichkeit der Beibringung eines Gleichbehandlungsnachweises hin und räumte ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme ein.
Bescheid
Mit Bescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung in Höhe von € 341.390,18 heran. Die einzelnen haftungsgegenständlichen Abgaben sind wie folgt angeführt:
Die Begründung lautet wie folgt:
"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg. cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verbindlichkeiten ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.
Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung ergibt sich, dass der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person aus deren Mitteln nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass er die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichten konnte.
Sie waren unbestritten Geschäftsführer der Firma ***Primärschuldnerin***; also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen.
Umsatzsteuer ist im Haftungsbescheid enthalten:
Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1972 bzw. 1994 hat der Unternehmer spätestens am fünfzehnten Tag (Fälligkeitstag) das auf den Kalendermonat (Voranmeldezeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 leg. cit. selbst zu berechnen ist.
Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.
Für die angegebenen Zeiträume wurde die Umsatzsteuer von Ihnen teilweise selbstbemessen bzw. ebenso nur teilweise beglichen.
Hinsichtlich der nicht bezahlten Lohnabgaben wird daher auf die Bestimmungen des § 78 (3) EStG verwiesen.
Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.
Da Sie also Ihren Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der o.a. Gesellschaft uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden.
[…]
Beilagen:
- 45 Bescheide in Kopie"
Beschwerde
Am verfasste der Vertreter des Beschwerdeführers nachfolgende Beschwerde:
"In außen bezeichneter Finanzsache erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Vertreter gegen den Haftungsbescheid vom , innerhalb offener Frist nachstehende
BESCHWERDE
und führe diese aus wie folgt:
Der gesamte Bescheid wird dem Grunde und der Höhe nach bekämpft.
1. Im Haftungsbescheid sind Einkommenssteuerbeträge beginnend mit Juli 2013, sowie für 2 Monate im Jahre 2015, und weiters für das Jahr 2017 dargestellt.
Diese Einkommenssteuerbeträge sind fern jeglicher Realität, sind in dieser sich errechnenden Höhe nicht ins Verdienen gebracht worden, diese Beträge können allesamt nur auf Basis einer Schätzung ermittelt worden sein.
2. Es ist allein von den Beträgen her offensichtlich, dass ich derartige Beträge im Rahmen meiner Tätigkeit für das genannte Unternehmen nicht aus dem Titel Einkommenssteuer vereinnahmen habe können.
3. Auch wenn in der Begründung des Bescheides genannt ist, dass gemäß § 1298 ABGB demjenigen, der vorgibt, an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verbindlichkeiten ohne sein Verschulden verhindert zu sein der Beweis obliegt, bedeutet dies nicht im Umkehrschluss, dass Beträge im Wege eines Haftungsbescheides vorgeschrieben werden können, die realiter in dem bezughabenden Unternehmen gar nicht erwirtschaftet werden konnten.
Die Angemessenheit der vorgeschriebenen Beträge ist zu beachten und auch zu berücksichtigen.
4. Die erkennende Behörde ist daher sehr wohl verpflichtet, die entsprechenden Verfahrensergebnisse im Rahmen der realistischen Einkommensstruktur zu bemessen und in einen Haftungsbescheid - falls erforderlich - einzugliedern.
Die Beträge laut gegenständlichem Haftungsbescheid sind fern jeglicher unternehmerischer Realität, fern jeglicher Umsatzzahlen des Unternehmens.
Aus diesem Grunde wird dies als Verfahrensmangel gerügt und eine Korrektur der einzelnen Positionen unter angemessener Einbeziehung in das Verfahren begehrt.
5. Alle Haftungsbescheide betreffend Einkommenssteuer (Abzugssteuer) sind von der Aufwandseite gerechnet und nicht von der Zahlungsseite. Seitens der Zahlungsseite hätte richtigerweise jede einzelne Zahlung jeder einzelnen Leistung in den einzelnen Rechnungen zugeordnet werden müssen und die Steuer konkret darauf bezogen berechnet werden müssen.
Überdies wurden Ermittlungen dahingehend unterlassen, in welchem Ausmaß aus einer Rechnung für erbrachte Transportleistungen auch tatsächlich Österreich Bezug besteht. Wenn ein beigestellter LKW-Fahrer losfährt oder nach Österreich kommt, für einen österreichischen Spediteur arbeitet, die Leistungen erbringt, dann unterliegt ein derartiges Stellungsentgelt der Abzugssteuer. Dies betrifft allerdings nur jene Tage, in denen eben der Österreichbezug besteht.
Wenn der Spediteur anderweitige Aufträge im Zuge dieses jeweils einzelnen Monates erfüllt hat, in denen er beispielsweise ständig im Ausland war und nie nach Österreich gekommen ist oder von Österreich weggefahren ist, dann ist die Abzugssteuer für jeden einzelnen Tag herauszurechnen und dieser vorgenannte Umstand zu berücksichtigen.
Diese Umstände sind allesamt im Bescheid festzustellen, das bedeutet dass diese Ermittlungen im vorangegangen Ermittlungsverfahren vorgenommen werden müssen, um dann die entsprechenden Feststellungen überhaupt treffen zu können.
6. Zumal es sich bei der Einkommenssteuer (Abzugssteuer) nicht um eine eigene Abgabeschuld handelt, sondern eine im Haftungsweg geltend gemachte fremde Verpflichtung, ist die erkennende Behörde umso mehr verpflichtet, besondere Sorgfalt und Genauigkeit in der Ermittlung einer eventuellen Aushaftung anzulegen.
Insgesamt gesehen sind daher die gesamten Ermittlungen an Abzugssteuer in den allesamt genannten Bescheid mit den aufgezeigten Verfahrensmängeln behaftet und daher aus diesem Grund ersatzlos zu beheben bzw. an die Behörde erster Instanz zur weiteren Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.
7. Aus Gründen der leichteren Ersichtlichmachung der näherungsweisen Ermittlung einer überhaupt maximal möglichen Abzugssteuer für die Zeiträume 2013, 2014 und 2015 kann dies durch Einbeziehung des sogenannten Brutto-/Nettorechners des Bundesministeriums für Finanzen erfolgen.
Wenn man nun den KV 2018 für einen LKW Lenker (zugunsten des Finanzamtes) nur für das Kalenderjahr 2018 heranzieht, beläuft sich der Bruttolohn eines derartigen Fahrers auf brutto € 1.582,95. Dies ergibt eine monatliche Lohnsteuer pro Fahrer von €61,49.
Die Fahrer waren nicht gänzlich mit Fahrten im österreichischen Bundesgebiet oder mit Österreich Bezug eingesetzt, sodass mindestens 20% des Aufwandes allein Auslandsbezug hatten, also höchstens 80 % Österreichbezug.
Wenn man nun daher für die Berechnung der Abzugssteuer lediglich 80 % der Monatsarbeitsleistung auf das Inland bezieht, das heißt 80 % der monatlichen Lohnsteuer fällt an Lohnsteuer pro Person für nach Österreich überlassene Arbeitskräfte an.
Von der monatlichen Lohnsteuer von € 61,49 x 80 % ergibt dies € 49,19, aufgerundet auf € 50,00 an Lohnsteuer pro Person für nach Österreich überlassene ausländische Arbeitskräfte.
Bei ständigem Einsatz von acht Fahrern würde dies maximal € 400,00 pro Monat, pro Jahr daher € 4.800,00 an Abzugssteuer sich errechnen. Bei drei Jahren sind dies maximal € 14.400,00 und nicht insgesamt jene Beträge an reiner Abzugssteuer, bzw. die Teilbeträge laut den bekämpften Bescheiden.
8. Auch die € 14.4000,00 sind zu hoch. Es waren nie durchgehend acht Fahrer tätig. Der realistische Betrag wird sich auf maximal € 8.000,00 bis € 9.000,00 belaufen.
Berücksichtigt man nun den Umstand dass nicht durchgehend acht Fahrer eingesetzt wurden, sondern zwischen fünf und acht Fahrern, später überhaupt noch weniger, also der Personaleinsatz sich laufend veränderte, ist es aus diesem Grunde unerlässlich die jeweiligen Fälligkeiten genau äufzurechnen und für jeden einzelnen Zeitraum im Detail diese Abzugssteuer zu berechnen.
Das erstinstanzliche Verfahren ist daher in diesem Belang in äußerst hohem Ausmaß fehlerhaft und daher die vorgeschriebenen Beträge und genannten Bescheide betreffend Abzugssteuer ersatzlos zu beheben.
9. Aus diesem Grunde sind daher die gesamten geltend gemachten Beträge an Abzugsteuer nicht den erforderlichen Berechnungen unterzogen und daher zu beheben.
10. Es ergehen daher die
ANTRÄGE
1) vorliegender Beschwerde Folge zu geben, den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben
2) in eventu vorliegender Beschwerde Folge zu geben - und das Verfahren zur Verfahrensergänzung und Neuschöpfung an die Behörde erster Instanz zurückzuüberweisen.
[…]"
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Begründung lautet wie folgt:
"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob (und in welchem Umfang) ein Abgabenanspruch gegeben ist, nur dann als Vorfrage eigenständig im Haftungsverfahren nach § 9 BAO zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid vorangegangen ist (z.B. mwN). Sind dagegen Bescheide über den Abgabenanspruch ergangen, können Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid nicht mit Erfolg erhoben werden. Solche Einwendungen sind nicht im Haftungsverfahren, sondern durch eine dem Haftenden durch § 248 BAO ermöglichte Beschwerde gegen den Abgabenbescheid geltend zu machen (Judikaturnachweise bei Ellinger u.a., BAO, § 248, E 12, E 14 bis E 21).
Die Bindungswirkung im Haftungsverfahren besteht unabhängig davon, ob der zur Haftung Herangezogene gegen die Bescheide über den Abgabenanspruch tatsächlich eine Beschwerde eingebracht hat oder nicht (). Die Bindungswirkung umfasst zwar nur den Inhalt des Spruches des Bescheides über den Abgabenanspruch, es ist aber auch auf die tatsächlichen Feststellungen Bedacht zu nehmen, auf denen der Spruch beruht. Ein Bescheidspruch kann niemals von den ihn tragenden und begründenden Sachverhaltsfeststellungen völlig losgelöst betrachtet werden. Insofern handelt es sich dabei aber nicht mehr um eine Bindung im Rechtssinne, zumal wenn sich die entsprechenden Feststellungen nicht im Spruch finden, sondern (nur) die Grundlage des Spruches bilden (vgl. dazu Stoll, BAO, 1331 f).
Bringt der zur Haftung Herangezogene nur eine Beschwerde gegen den Haftungsbescheid ein, so ist Gegenstand des Verfahrens nur diese Heranziehung zur Haftung. Einwendungen gegen die Richtigkeit des Abgabenanspruches können in diesem Haftungsverfahren im weiteren Verlauf des Verfahrens (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) nicht erhoben werden und dürfen von der Abgabenbehörde sachlich nicht geprüft werden (Stoll, BAO, 2548). Auch die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (; ).
Sämtliche Einwendungen der gegenständlichen Beschwerde richten sich gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung. Entsprechend der obigen Ausführungen konnte der Beschwerde somit kein Erfolg beschieden sein und diese war abzuweisen."
Vorlageantrag
Mit Schreiben vom wurde beantragt, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Beschluss vom
Das Bundesfinanzgericht wandte sich wie folgt an beide Parteien des Verfahrens:
"I. Mit Vorlagebericht vom hat das Finanzamt Österreich die Beschwerde des ***Bf1*** hinsichtlich Geschäftsführerhaftung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Im Aktenverzeichnis ist als Beschwerdedatum der genannt. In den beigelegten Unterlagen wurde hinsichtlich der Beschwerde ein E-Mail vom des Vertreters des Beschwerdeführers an eine Bedienstete des Finanzamtes Österreich vorgelegt, wobei dem E-Mail der Text einer Beschwerde und ein Aufgabeschein (allerdings mit unleserlicher Aufgabenummer) beigefügt wurde.
Im Hinblick auf die Unzulässigkeit von Eingaben per E-Mail werden beide Verfahrensparteien um Stellungnahme ersucht.
Der Beschwerdeführer wird um Bekanntgabe ersucht, ob es einen Nachforschungsauftrag bei der Österreichischen Post AG gibt, aus dessen Ergebnis ersichtlich ist, wer (Name des/der Bediensteten des Finanzamtes Österreich) das Poststück übernommen hat.
II. Mit Haftungsbescheid vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Haftung in Höhe von € 341.390,18 geltend gemacht. Aus dem Firmenbuchauszug, der dem Vorlagebericht beigelegt ist, ist zu entnehmen, dass eine Quote von 1,240998% ausgeschüttet wurde.
Das Finanzamt Österreich wird um Bekanntgabe ersucht, mit welchen Abgabenforderungen diese Quotenzahlung verrechnet wurde und ob auch eine Verrechnung mit den beschwerdegegenständlichen Abgabenforderungen stattgefunden hat.
III. In der Stellungnahme auf der letzten Seite des Vorlageberichts hat das Finanzamt Österreich angeführt, dass sich das gesamte Beschwerdevorbingen ausschließlich gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung wendet, die dem beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheid zu Grunde gelegt wurden.
Der Beschwerdeführer wird ersucht, dazu Stellung zu nehmen.
[…]"
Mit Antwortschreiben vom gab die belangte Behörde folgende Stellungnahme ab:
"[..]
in Hinsicht auf den ergangenen Beschluss wird wie folgt Stellung genommen.
Punkt I.
Die verfahrensgegenständliche Beschwerde wurde Anfang Mai 2021 vom vertretenden Rechtsanwalt bei der belangten Behörde urgiert. Da zum damaligen Zeitpunkt kein Eingang einer Beschwerde festgestellt werden konnte, wurde eine Anfrage an die Scanstelle in Wien gestellt. Laut dortiger Auskunft konnten in beiden Fällen (2 Schreiben, 2 Haftende) keine Eingänge verzeichnet werden. (siehe Beilage)
Da noch ein weiterer ähnlicher Fall vorlag wurde bei den Fachdienststellenleitungen anderer Dienststellen nachgefragt, ob dort ähnliche Probleme bekannt sind. Dies wurde im Wesentlichen verneint.
Letztlich wurde der Eingang mit aufgrund des vorgelegten Aufgabescheins akzeptiert, da nicht verifiziert werden konnte, ob bzw. wo die Schriftstücke bei der Behörde eingegangen sind und Fehler nicht ausgeschlossen werden konnten. Ein tatsächlicher Eingang der Beschwerden konnte allerdings nicht festgestellt werden.
Punkt II.
Die ausgeschüttete Quote wurde mit der Umsatzsteuer 2012 verrechnet. Diese ist Gegenstand in einem anderen Haftungsverfahren. Verfahrensgegenständliche Abgaben waren nicht betroffen.
Sollte eine andere Form der Beantwortung gewünscht oder weitere Erläuterungen erforderlich sein, wird um Kontaktaufnahme ersucht."
Beigelegt war ein E-Mail des Vertreters des Beschwerdeführers vom samt Ausdruck über die Sendungsverfolgung sowie eine Anfrage und die dazugehöhrige Antwort der Scanstelle.
Mit Schreiben vom nahm der Vertreter des Beschwerdeführers für den Beschwerdeführer wie folgt Stellung:
"[…]
In gegenständlicher Angelegenheit darf ich zu dem Beschluss vom wie folgt ausführen:
Zu I.:
Seitens meiner Kanzlei wurde mit Postaufgabedatum die genannte Beschwerde, verbunden mit dem Antrag auf Aussetzung an das Finanzamt Österreich übermittelt.
In der Kopie, die dem Finanzamt übermittelt wurde, ist wahrlich die Nummer des Aufgabescheines schlecht bis kaum leserlich.
Ich habe nunmehr deutlichere Kopien hergestellt und erlaube mir diese beizuschließen. Die Kopien sind allesamt Kopien von dem Original bzw. Kopie der Beschwerde samt darauf angebrachtem Originalaufgabeschein.
Ich habe auch noch Lichtbilder von der Kopie, auf der der Aufgabeschein angefertigt wurde, angefertigt und liegen diese (in schwarz/weiß Ausdruck) ebenso bei.
Laut meinen Recherchen ist eine Nachforschung hinsichtlich einer Sendung zur Abklärung, ob diese angekommen sind oder nicht, nur innerhalb von sechs Monaten möglich.
Die Beschwerde wurde am zur Post gegeben, sechs Monate später wäre dies der . Aufgrund Verstreichens der Sechsmonatsfrist ist daher ein Nachforschungsauftrag nicht mehr möglich. Ich verweise auf den Internetausdruck der Homepage der Post.
Es ist mir daher nicht möglich, die Übernahme des Poststückes auf diesem Wege durch die Finanz nachzuweisen.
Zu II.:
Gerichtet an das Finanzamt zur alleinigen Beantwortung.
Zu III.:
In der Beschwerde wurde die Berechnung der im Haftungsbescheid zugrunde gelegten Beträge als unrichtig bekämpft.
Diesbezüglich wurden ausführliche Darstellungen und nachvollziehbare Berechnungen aufgezeigt.
Auf Basis dieser, in der Beschwerde aufgezeigten Berechnungen erfolgte seitens des Beschwerdeführers die Handhabe im Unternehmen.
Dem Beschwerdeführer wurde seitens der steuerlichen Vertretung diesbezüglich keinerlei Mitteilung gemacht, dass die einzelnen Positionen, die nunmehr zu dieser hohen Steuerschuld geführt haben, anderweitig zu berechnen und abzuführen wären, wie sie tatsächlich berechnet und abgeführt wurden.
Insgesamt die Positionen, die sich aus der Berechnung der Abzugssteuer errechnet, waren dem Beschwerdeführer von der Vertretung nicht mitgeteilt worden, ansonsten diese auch entsprechend geändert berechnet und abgeführt worden wäre.
Im Rahmen der sonstigen Positionen ergab sich - im Vergleich zu den Positionen an Einkommenssteuer - eine relativ "moderate" Nachforderung, berücksichtigt man den Zeitraum, für den diese geltend gemacht wurden. Diese stehen in keinem Verhältnis zu den anderweitigen Beträgen.
Auch daraus ist der Schluss gerechtfertigt, dass die hohen Beträge aus Unkenntnis und nicht erfolgter Information seitens der steuerlichen Vertretung sich in diesem Sinne entwickelt haben.
Es ist daher nicht im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers gelegen, dass derartig exorbitant hohe Beträge an Einkommenssteuer für die genannten Zeiträume sich angesammelt haben, da bei entsprechender Belehrung der Beschwerdeführer gesetzesgemäß gehandelt hätte.
Beweis: Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei
Ergänzend wird ausgeführt, dass in der Beschwerde auch die Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügt wurde.
Soweit die Stellungnahme zu Punkt III.
[…]
Beilagen w.e."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Mit Bescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** im Ausmaß von € 341.390,18 heran. Am gab der Vertreter des Beschwerdeführers eine dagegen gerichtete Beschwerde als Einschreibesendung zur Post. Dieses Schreiben wurde der belangten Behörde am zugestellt.
Der Beschwerdeführer war von Juli 2013 bis Dezember 2017 Geschäftsführer der Primärschuldnerin.
Mit Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom ***Datum1*** zur GZ ***GZ*** wurde das Konkursverfahren über die Primärschuldnerin eröffnet. Mit Beschluss desselben Gerichts vom ***Datum2*** wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben. Es wurde eine Quote von 1,240998 % ausgeschüttet. Damit steht die Uneinbringlichkeit in Höhe von 98,759002 % fest.
Die belangte Behörde hat Forderungen in Höhe von € 597.308,95 im Konkursverfahren angemeldet, die auch anerkannt wurden. Haftungsgegenständliche Abgaben wurden von der belangten Behörde unter anderem im Schätzungswege festgesetzt. Am hat der Masseverwalter die Quote, die auf die belangte Behörde entfällt, in Höhe von € 7.412,59 überwiesen. Die gesamte Quote wurde mit der Umsatzsteuer 2012 verrechnet, für die der Beschwerdeführer jedoch nicht zur Haftung herangezogen wurde.
Beweiswürdigung
Die belangte Behörde hat dem Bundesfinanzgericht im Zuge der Aktenvorlage die Beschwerde vom vorgelegt, wobei ersichtlich ist, dass diese Beschwerde per E-Mail an die belangte Behörde gesendet wurde.
Die Beschwerde wurde dennoch von der belangten Behörde in Bearbeitung genommen. In einer per E-Mail eingebrachten Stellungnahme führte die belangte Behörde aus, dass ein tatsächlicher Eingang der Beschwerde bei der belangten Behörde nicht festgestellt werden konnte. Letztlich wurde der Eingang mit aufgrund des vorgelegten Aufgabescheins akzeptiert, da "nicht verifiziert werden konnte, ob bzw. wo die Schriftstücke bei der Behörde eingegangen sind und Fehler nicht ausgeschlossen werden konnten." Die Scanstelle teilte der belangten Behörde mit, dass dort keine Unterlagen auffindbar sind, wunderte sich jedoch, dass der Vertreter des Beschwerdeführers im Jahr 2020 Schriftsätze mittels FAX eingebracht hatte, nun jedoch den Postweg wählte.
Der Vertreter des Beschwerdeführers reichtet dem Bundesfinanzgericht eine gut lesbare Kopie (bzw. Foto) einer Kopie der Beschwerde, auf der auch der Aufgabeschein der Post samt Aufgabenummer und Poststempel sichtbar war nach. Ebenfalls nachgereicht wurde eine Abfrage der Sendungsverfolgung, aus der hervorgeht, dass das Schreiben mit dieser Aufgabenummer am von der belangten Behörde übernommen wurde. Die Adressierung lautet "Finanzamt Österreich Postfach 260 1000 Wien" und entspricht damit exakt den Absenderdaten am angefochtenen Bescheid.
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts ist insbesondere durch das Ergebnis der Sendungsverfolgung erwiesen, dass das Poststück in die Sphäre der belangten Behörde gelangt ist und demnach die Beschwerde fristgerecht eingebracht wurde. Schließlich hat auch die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme eingeräumt, dass es in der Dienststelle der belangten Behörde weitere ähnliche Fälle gab, in denen laut Scanstelle jedoch keine Eingänge verzeichnet wurden. Insgesamt entspricht es auch durchaus der Lebenserfahrung, dass in einer Scanstelle, die täglich eine Vielzahl von Postsendungen bearbeitet, Fehler passieren und Poststücke in Verstoß geraten oder falsch zugeordnet werden.
Die Feststellungen zum Konkursverfahren gründen sich insbesondere auf die Eintragungen im Firmenbuch, in das Einsicht genommen wurde. Die Feststellung, dass die gesamte Quotenzahlung, welche die belangte Behörde erhalten hatte, mit nicht haftungsgegenständlichen Abgaben verrechnet wurde, ergibt sich insbesondere aus der Beantwortung der belangten Behörde vom .
Aus dem Verteilungsentwurf im Konkurs der Primärschuldnerin vom , in den Einsicht genommen wurde, geht hervor, dass die belangte Behörde ihre Forderungen in insgesamt vier Forderungsanmeldungen geltend gemacht hatte. Teilweise findet sich im Verteilungsentwurf bei den Finanzamtsforderungen der Hinweis, dass dem Insolvenzverwalter diesbezügliche Informationen und Unterlagen fehlen und dass eine Abgabenfestsetzung auf Grund fehlender Abgabenerklärungen erforderllich war. Ebenfalls ist ersichtlich, dass die Kanzlei ***AB*** Forderungen in Höhe von über 11.000 € angemeldet hatte.
Rechtslage
§ 9 BAO lautet:
§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden.
§ 80 BAO lautet:
2. Vertreter.
§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
§ 224 BAO lautet:
2. Geltendmachung von Haftungen.
§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.
(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Einlangen des Anbringens
Die Beförderung durch die Post erfolgt auf Gefahr des Absenders (). Die Beweislast für das Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde trifft den Absender. Dafür reicht der Beweis der Postaufgabe nicht aus (; ). Auch wenn üblicherweise der Post übergebene, nicht bescheinigte Briefsendungen den Adressaten erreichen, ersetzt diese Erfahrungstatsache den Beweis des Einlangens nicht (); dasselbe gilt auch für die Übermittlung im Wege des Telefax () oder für die Übermittlung eines im Wege der elektronischen Datenverarbeitung erstellten Belegs ().
Wenn gem § 108 Abs 4 BAO die Tage des Postenlaufes in die Fristen des Verfahrens nicht eingerechnet werden, bedeutet dies nicht etwa, dass für die Einhaltung der Frist allein die Aufgabe des Schriftstückes zur Post maßgebend ist. Auch hier ist stets die Einbringung (das Einlangen) bei der zuständigen Behörde maßgebend, nur werden eben (im Falle der Einbringung) die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet ().
Kann der Abgabepflichtige die behauptete Postaufgabe von nicht bei der Abgabenbehörde eingelangten fristgebundenen Anträgen nicht nachweisen, so stellt sich auch die bei erwiesener Postaufgabe die Frage eines wegen des ohne Verschulden des Abgabepflichtigen eingetretenen Verlustes der Sendungen auf dem Postweg anzunehmenden Wiedereinsetzungsgrundes ().
Ein Schriftsatz befindet sich ab Einlangen in der Einlaufstelle in der Sphäre der Behörde, die sich der Einlaufstelle bedient, was auch dann gilt, wenn es sich um eine gemeinsame Einlaufstelle mehrerer Behörden handelt. Die Unterlassung der (rechtzeitigen) Weiterleitung des Schriftsatzes von der Einlaufstelle an die jeweils zuständige Stelle stellt einen behördlichen Fehler dar ().
Bei der Frage, ob ein Rechtsmittel rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, handelt es sich um eine Rechtsfrage, welche die Behörde auf Grund der von ihr festgehaltenen Tatsachen zu entscheiden hat ().
Tatbestand:
Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (). Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet ().
Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Als Geschäftsführer der Primärschuldnerin war der Beschwerdeführer ihr Vertreter.
Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Aus der Konkurseröffnung allein ergibt sich noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit. Diese ist erst dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann; schließlich würde selbst eine geringe Quote die Haftung betragsmäßig entsprechend vermindern (zB ).
Auf Grund des Abschlusses des Konkursverfahrens steht die Uneinbinglichkeit in jenem Ausmaß, das nicht von der Quote abgedeckt ist, fest.
Pflichtverletzung:
Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Ein bestellter Geschäftsführer hat die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen.
Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört,
- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.
Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ; ). Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ).
Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ). Er hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen.
Die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Beschwerdeführer besteht darin, dass die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstagen unterlassen wurden.
Verschulden:
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid zu halten. Die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (; ).
Eine Haftung kommt auch für aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen entstandene Abgabenschulden in Betracht (vgl. ). Der Geschäftsführer haftet für eine solche Abgabennachforderung bei der Gesellschaft, wenn ihm ein Verschulden an der Verletzung jener abgabenrechtlichen Pflichten, die die Schätzung begründet hat, zugerechnet werden kann (insbesondere Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Gründen des § 184 Abs 2 und 3 BAO).
Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind - wenn der Haftungsinanspruchnahme ein Bindungswirkung auslösender Bescheid an die Gesellschaft vorangegangen ist - in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (vgl. ).
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist für die Frage der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten eines Vertreters des Abgabepflichtigen maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (). Mit einem Vorbringen, dass sich die Haftungsbeträge erst aus Nachforderungen als Folge abgabenbehördlicher Prüfungen ergeben haben, wird keine Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides aufgezeigt. Die Verpflichtung zur Entrichtung der genannten Abgaben ist nämlich bereits vor Bescheiderlassung ex lege eingetreten ().
Gemäß § 21 Abs 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung (Steuererklärung) einzureichen. Eine sich ergebende Vorauszahlung ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Somit wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung zur Umsatzsteuer (Jahresumsatzsteuerbescheid) keine von § 21 Abs. 1 und 3 UStG abweichende Fälligkeit begründet. Das bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuernachzahlung für die Fälligkeit relevant ist, sondern die entsprechende gesetzliche Bestimmung, die besagt, dass sich im Fall rückständiger Vorauszahlungen der 15. des auf den betreffenden Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates als Fälligkeitstag ergibt (; ; ).
Gemäß § 79 Abs 1 EStG 1988 ist die Lohnsteuer spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats abzuführen. Ebenso bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Kalendermonats ist der Dienstgeberbeitrag (§ 43 Abs 1 FLAG) und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 WKG iVm § 43 FLAG) zu entrichten. Der Dienstgeberbeitrag ist gem § 41 Abs 3 FLAG von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen ().
Gemäß § 101 EStG 1988 ist eine Abzugsteuer (nach § 99 EStG 1988) spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats abzuführen.
Unabhängig von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ist die Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr von Umsatzsteuern, Lohnabgaben oder Kapitalertragsteuer jedenfalls schuldhaft, weil es sich dabei um solche Abgaben handelt, deren Entrichtung bzw Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch diese Schwierigkeiten nicht gehindert war ().
Unter dem Aspekt des dem Vertreter vorzuwerfenden Verschuldens an der Verletzung der Vertreterpflichten ist es beachtlich, wenn er auf Grund eines Rechtsirrtums die Entrichtung der Abgaben unterlassen hat und ihm ausnahmsweise ein solcher Rechtsirrtum nicht vorzuwerfen wäre. Gesetzesunkenntnis oder irrtümlich objektiv fehlerhafte Rechtsauffassung sind aber nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. Jemand, der es unterlässt, geeignete Erkundigungen über die Rechtslage anzustellen, kann sich nicht erfolgreich auf entschuldigenden Rechtsirrtum stützen (). Die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter entbindet zwar den Vertreter nicht von seinen Pflichten. Sie kann ihn allerdings entschuldigen, wenn er im Haftungsverfahren Sachverhalte vorträgt, aus denen sich ableiten lässt, dass der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die vermeintliche Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren lassen hat, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters vorgelegen wären (). Das Risiko des Rechtsirrtums trägt auch der, der es verabsäumt, sich an geeigneter Stelle zu erkundigen ().
In einer nicht datierten Selbstanzeige, die offenbar vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers verfasst wurde und - laut handschriftlichem Vermerk - vor Prüfungsbeginn dem Außenprüfer übergeben wurde, ist festgehalten, dass bei bestimmten bezogenen Leistungen "die Möglichkeit [besteht], dass diese als Gestellung von Arbeitskräften eingestuft werden und damit eine Abzugsteuer […] einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen gewesen wäre."
Bereits aus dieser Selbstanzeige ist ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Abzugssteuerpflicht bewusst war. Hingegen wurde nicht einmal ansatzweise behauptet, dass der Beschwerdeführer geeignete Erkundigungen über die Rechtslage eingeholt hätte. Es wurde sachverhaltsmäßig auch nicht vorgetragen, dass der Beschwerdeführer dem beauftragten Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die vermeintliche Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren lassen hat. Wenn nur in der Beschwerde angeführt ist, dass ein Grund der hohen Abgabenforderungen in der Unkenntnis des Beschwerdeführers gelegen ist, ist daraus ein mangelndes Verschulden nicht ersichtlich. Aus dem Vorbringen, dass erst in einer Beantwortung eines Beschlusses des Bundesfinanzgerichts erstattet wurde, in dem darauf hingewiesen wurde, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung richtet, wonach dem Beschwerdeführer "von der Vertretung" ein Aspekt des Steuerrechts nicht mitgeteilt worden wäre, geht nicht hervor, dass der Beschwerdeführer als Vertreter der Primärschuldnerin der Steuerberatung alle relevanten Sachverhalte vorgetragen hatte und sich dementsprechend informieren ließ. Ein solches Vorbringen ist daher nicht geeignet, die Voraussetzungen für einen Rechtsirrtum darzulegen.
Lohnsteuer und Gleichbehandlungsgrundsatz:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflicht darstellt (zB Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 78 Anm 19). Die einbehaltene Lohnsteuer ist zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden und unterliegt bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot. Eine Begrenzung der Haftung in Höhe des sogenannten Quotenschadens kommt diesbezüglich nicht in Betracht (). Dasselbe gilt für die Kapitalertragsteuer (; ) sowie für Beträge nach § 99 EStG (Ritz/Koran, BAO7 § 9 Tz 11d).
Ausmaß der Haftung:
Die Haftung ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen oder hat nur mehr den Charakter einer Naturalobligation (), ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar (). Das Erlöschen der Abgabenschuld wird unter anderem durch die Entrichtung der Abgaben - etwa durch einen Gesamtschuldner - bewirkt (), durch Nachsicht oder Löschung (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 4 Tz 9).
Um den zur Haftung herangezogenen Vertreter in die Lage zu versetzen, den Nachweis über die Gläubigergleichbehandlung anzutreten, ist es erforderlich, dass ihm die Behörde eine nach der jeweiligen Fälligkeit der Abgabe gegliederte Aufstellung übermittelt (vgl. ; , 2011/16/0188; , 2013/16/0199; , 2013/16/0208), zumal der Vertreter auch nur verpflichtet ist, fällige Abgaben zu begleichen (vgl. etwa ).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, hat die Konkursordnung Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO (z.B. ). In seinem Erkenntnis , (bestätigt durch ) hat der Unabhängige Finanzsenat darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf § 50 KO, wonach die Insolvenzforderungen nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu befriedigen sind, die Zahlung(en) des Masseverwalters anlässlich der Verteilung der Konkursmasse anteilig auf die eine Konkursforderung darstellenden Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen wären. Diese Aussage hat auch für das Verhältnis zwischen § 50 IO und § 214 BAO Geltung (zB ).
In einem Bescheid, mit dem eine persönliche Haftung geltend gemacht wird, wird die Identität der Sache durch den Tatbestand begrenzt, der für die geltend gemachte Haftung maßgebend ist (zB § 9 BAO). Im angefochtenen Bescheid wurden Abgabenschuldigkeiten in voller Höhe - also ohne Reduktion um die Quote von 1,240998% - in Ansatz gebracht. Bezüglich des die Quote umfassenden Betrages liegt aber keine Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin vor, da es eben durch die Zahlungen im Insolvenzverfahren zu einer anteiligen Befriedigung aus der Masse gekommen war. Die Verrechnung der Quotenzahlungen durch die belangte Behörde mit Abgabenschuldigkeiten, die nicht zum Gegenstand des angefochtenen Bescheides gemacht wurden, obwohl es sich um Insolvenzverbindlichkeiten gehandelt hat und insofern der Beschwerdeführer insgesamt "nur" in einem niedrigeren Ausmaß zur Haftung herangezogen wurde, bedeutet nicht, dass der Haftende auf Grund einer solchen Verrechnung für die anderem (übrigen) Abgabenschuldigkeiten in voller Höhe zur Haftung herangezogen werden könnte. Somit ist der Beschwerde in folgendem Ausmaß (Einschränkung der Haftung) Folge zu geben:
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Abgabenart | Zeitraum | Haftungsbetrag | Einschränkung | Haftung BFG |
U 2013 | 2013 | 3.944,40 | - 48,95 | 3.895,45 |
LSt | 2013 | 1.941,00 | - 24,09 | 1.916,91 |
2014 | 1.133,33 | - 14,06 | 1.119,27 | |
2015 | 925,48 | - 11,49 | 913,99 | |
2016 | 4.204,80 | - 52,18 | 4.152,62 | |
DB | 2013 | 1.557,72 | - 19,33 | 1.538,39 |
2014 | 561,88 | - 6,97 | 554,91 | |
2015 | 809,08 | - 10,04 | 799,04 | |
2016 | 2.212,01 | - 27,45 | 2.184,56 | |
DZ | 2014 | 54,94 | - 0,68 | 54,26 |
2015 | 79,23 | - 0,98 | 78,25 | |
2016 | 216,31 | - 2,68 | 213,63 | |
ESt (BE) | 7/2013 | 6.240,00 | - 77,44 | 6.162,56 |
8/2013 | 5.980,00 | - 74,21 | 5.905,79 | |
9/2013 | 5.684,00 | - 70,54 | 5.613,46 | |
10/2013 | 6.880,00 | - 85,38 | 6.794,62 | |
11/2013 | 7.100,00 | - 88,11 | 7.011,89 | |
12/2013 | 15.580,00 | - 193,35 | 15.386,65 | |
ESt (BE) | 2/2014 | 7.840,00 | - 97,29 | 7.742,71 |
3/2014 | 9.080,00 | - 112,68 | 8.967,32 | |
4/2014 | 9.000,00 | - 111,69 | 8.888,31 | |
5/2014 | 9.220,00 | - 114,42 | 9.105,58 | |
6/2014 | 9.420,00 | - 116,90 | 9.303,10 | |
7/2014 | 9.460,00 | - 117,40 | 9.342,60 | |
8/2014 | 8.980,00 | - 111,44 | 8.868,56 | |
9/2014 | 9.100,00 | - 112,93 | 8.987,07 | |
10/2014 | 8.840,00 | - 109,70 | 8.730,30 | |
11/2014 | 9.360,00 | - 116,16 | 9.243,84 | |
12/2014 | 6.630,00 | - 82,28 | 6.547,72 | |
ESt (BE) | 1/2015 | 5.440,00 | - 67,51 | 5.372,49 |
2/2015 | 5.400,00 | - 67,01 | 5.332,99 | |
3/2015 | 5.200,00 | - 64,53 | 5.135,47 | |
4/2015 | 6.240,00 | - 77,44 | 6.162,56 | |
5/2015 | 5.720,00 | - 70,99 | 5.649,01 | |
6/2015 | 4.920,00 | - 61,06 | 4.858,94 | |
7/2015 | 5.756,00 | - 71,43 | 5.684,57 | |
8/2015 | 5.200,00 | - 64,53 | 5.135,47 | |
9/2015 | 6.120,00 | - 75,95 | 6.044,05 | |
10/2015 | 5.200,00 | - 64,53 | 5.135,47 | |
11/2015 | 6.640,00 | - 82,40 | 6.557,60 | |
ESt (BE) | 1-12/2016 | 80.080,00 | - 993,79 | 79.086,21 |
ESt (BE) | 7/2017 | 1.344,00 | - 16,68 | 1.327,32 |
1-07/2017 | 31.056,00 | - 385,40 | 30.670,60 | |
8/2017 | 1.680,00 | - 20,85 | 1.659,15 | |
9/2017 | 1.680,00 | - 20,85 | 1.659,15 | |
10/2017 | 1.680,00 | - 20,85 | 1.659,15 | |
341.390,18 | - 4.236,65 | 337.153,53 |
Abgabenbescheid - Beschwerde:
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Beschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch eine Beschwerde erheben; dies gilt auch für einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid, der an den Arbeitgeber ergangen ist (). Das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (; ). Diese Beschwerden müssen nicht in gesonderten Schriftsätzen eingebracht werden ().
Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde erhebt, so ist zunächst nur über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen.
Dem Haftungsbescheid vom sind Abgabenfestsetzungsbescheide vorangegangen. In der Beschwerde wird auch eingewendet, dass die Höhe der Abgabenfestsetzungen falsch (zu hoch) wäre. Auch in der Stellungnahme vom wird ergänzend angeführt, dass in der gegenständlichen Beschwerde die Berechnung der im Haftungsbescheid zugrunde gelegten Beträge als unrichtig bekämpft wurde. Dabei handelt es sich jedoch um Einwendungen, die in einem Rechtsmittelverfahren bezüglich der Abgabenfestsetzungsbescheide zu erheben wären.
Kausalität:
Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat ().
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (; ).
Ein solcher Nachweis wurde jedoch nicht vorgelegt, obwohl im Haftungsvorhalt vom darauf hingewiesen wurde und im Haftungsbescheid auch Abgabenangeführt sind (zB USt, DB, DZ), für die ein Gleichbehandlungsnachweis in Betracht kommt.
Ermessen:
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.
Ergebnis:
Die Haftung besteht für folgende Abgaben:
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Abgabenart | Zeitraum | Haftung (€) |
U 2013 | 2013 | 3.895,45 |
LSt | 2013 | 1.916,91 |
2014 | 1.119,27 | |
2015 | 913,99 | |
2016 | 4.152,62 | |
DB | 2013 | 1.538,39 |
2014 | 554,91 | |
2015 | 799,04 | |
2016 | 2.184,56 | |
DZ | 2014 | 54,26 |
2015 | 78,25 | |
2016 | 213,63 | |
ESt (BE) | 7/2013 | 6.162,56 |
8/2013 | 5.905,79 | |
9/2013 | 5.613,46 | |
10/2013 | 6.794,62 | |
11/2013 | 7.011,89 | |
12/2013 | 15.386,65 | |
ESt (BE) | 2/2014 | 7.742,71 |
3/2014 | 8.967,32 | |
4/2014 | 8.888,31 | |
5/2014 | 9.105,58 | |
6/2014 | 9.303,10 | |
7/2014 | 9.342,60 | |
8/2014 | 8.868,56 | |
9/2014 | 8.987,07 | |
10/2014 | 8.730,30 | |
11/2014 | 9.243,84 | |
12/2014 | 6.547,72 | |
ESt (BE) | 1/2015 | 5.372,49 |
2/2015 | 5.332,99 | |
3/2015 | 5.135,47 | |
4/2015 | 6.162,56 | |
5/2015 | 5.649,01 | |
6/2015 | 4.858,94 | |
7/2015 | 5.684,57 | |
8/2015 | 5.135,47 | |
9/2015 | 6.044,05 | |
10/2015 | 5.135,47 | |
11/2015 | 6.557,60 | |
ESt (BE) | 1-12/2016 | 79.086,21 |
ESt (BE) | 7/2017 | 1.327,32 |
1-07/2017 | 30.670,60 | |
8/2017 | 1.659,15 | |
9/2017 | 1.659,15 | |
10/2017 | 1.659,15 | |
337.153,53 |
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 108 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102878.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at