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Säumnisbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.02.2022, RS/7100073/2021

Säumnisbeschwerde wegen Anpassung von Aussetzungszinsen nach Aufhebung des Einkommensteuerbescheides gem § 295 Abs 4 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BDO Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, QBC 4 - Am Belvedere 4, Eingang Karl-Popper-Straße 4, 1100 Wien, über die Säumnisbeschwerde vom wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes Österreich betreffend Aussetzungszinsen zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Säumnisbeschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Säumnisbeschwerde

Am langte beim Bundesfinanzgericht folgende Säumnisbeschwerde ein:
"Namens und im Auftrag unseres Mandanten, Herrn ***Bf1***, erheben wir wegen der Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Abgabenbehörde Finanzamt Österreich gem § 284 Abs 1 BAO das Rechtsmittel der

S Ä U M N I S B E S C H W E R D E .

Begründung:

Geltend gemacht wird die Säumnis des Finanzamts Österreich, einen Aussetzungszinsenbescheid nach Aufhebung des zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheids von Amts wegen aufzuheben und die bereits bezahlten Zinsen wieder gutzuschreiben.

Am erließ das Finanzamt Waldviertel einen Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung bezüglich der bis zu diesem Zeitpunkt ausgesetzten Steuerschuld aufgrund des Einkommensteuerbescheids 2008 vom sowie einen Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen, mit dem Zinsen iHv EUR 3.955,49 festgesetzt wurden für Herrn ***Bf1***. Die Aussetzung hatte den folgenden Hintergrund:

Mit erließ das Finanzamt Waldviertel erstmalig einen Einkommensteuerbescheid für Herrn ***Bf1*** (StNr ***BF1StNr1***) für das Jahr 2008, mit dem die Einkommensteuer mit EUR -8.257,66 festgesetzt wurde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit erließ das Finanzamt Waldviertel aufgrund des zwischenzeitig ergangenen Feststellungsbescheids zu Steuernummer ***F-StNr*** vom einen abändernden Bescheid gem § 295 Abs 1 BAO, mit dem die Einkommensteuer mit EUR -6.483,82 festgesetzt wurde. Dieser Bescheid erwuchs ebenfalls in Rechtskraft.

Mit wurde ein neuer Feststellungsbescheid zu Steuernummer ***F-StNr*** erlassen, weshalb das Finanzamt Waldviertel mit abermals einen abändernden Einkommensteuerbescheid 2008 gem § 295 Abs 1 BAO erließ, mit dem die Einkommensteuer mit EUR 24.503,46 festgesetzt wurde. Dieser Bescheid erwuchs ebenfalls in Rechtskraft, wurde jedoch aufgrund eines Antrags gem § 295 Abs 4 BAO zwischenzeitlich aufgehoben, siehe hierzu sogleich.

Gegen den Feststellungsbescheid vom zu Steuernummer ***F-StNr*** wurde mit Berufung erhoben und die sich aus dem Einkommensteuerbescheid 2008 vom ergebende Steuerschuld ausgesetzt. Dieses Rechtsmittel wurde letztlich mit zur GZ RV/7103130/2013 als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde die Zurückweisung damit, dass mangels gesetzeskonformer Zustellung kein bekämpfbarer Feststellungsbescheid zur Steuernummer ***F-StNr*** vorlag. Aufgrund dieser Zurückweisung wurde der oben erwähnte Aussetzungszinsenbescheid seitens des Finanzamt Waldviertels erlassen.

Aufgrund eines Antrags gem § 295 Abs 4 BAO hob das Finanzamt Österreich den Einkommensteuerbescheid 2008 vom mit auf. Durch diese Bescheidaufhebung ist die Grundlage für die Festsetzung und Einbehaltung der Aussetzungszinsen rückwirkend weggefallen. Die Aussetzungszinsen sind daher wieder gutzuschreiben.

B e w e i s: Einkommensteuerbescheid 2008 vom , Anlage ./1
Einkommensteuerbescheid 2008 vom , Anlage ./2
zur GZ RV/7103130/2013; Anlage ./3
Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung vom ,
Anlage ./4
Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom , Anlage ./5
Aufhebungsbescheid vom bzgl Einkommensteuerbescheid 2008 vom
, Anlage ./6

Rechtliche Beurteilung

Gem § 212a Abs 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist. Die Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO ist somit streng akzessorisch mit einem bestimmten Abgabenbescheid, der bekämpft wurde, verknüpft.

Gem § 212a Abs 9 BAO sind Aussetzungszinsen im Fall einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrags zu berechnen. Diese Pflicht zur nachträglichen Anpassung der Aussetzungszinsen ist von Amts wegen und auch im Falle einer nachträglichen Änderung des zugrundeliegenden Bescheids nach § 295 Abs 1 BAO durchzuführen (Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 212a Rz 34). Selbiges sehen auch die Richtlinien zur Aussetzung der Einhebung vor: "Obsiegt der Abgabepflichtige im Berufungsverfahren, so sind Zinsen nicht festzusetzen, es sei denn, daß im Hinblick auf § 212a Abs 3 erster Satz BAO der durch die Berufungserledigung in Wegfall gekommene Betrag geringer ist als der ausgesetzt gewesene. Wird dem Berufungsbegehren zum Teil stattgegeben, so erfolgt eine Zinsenvorschreibung für den verbleibenden Betrag. Wurde die Berufung des Abgabepflichtigen zur Gänze abgewiesen, erfolgt jedoch zu einem späteren Zeitpunkt eine Herabsetzung des Abgabenbetrages durch eine Änderung gemäß § 295 BAO, so hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen." (Richtlinien zur Aussetzung der Einhebung (AE) gemäß § 212a BAO, AÖF 1988/53; https: / / rdb.manz.at/document/ rdb.tso.ER0932800021)

B e w e i s: Richtlinien zur Aussetzung der Einhebung (AE) gemäß § 212a BAO, Anlage ./7

Nichts anderes kann freilich bei einer gänzlichen Aufhebung des Bescheids nach § 295 Abs 4 BAO gelten, in diesem Fall sind die Aussetzungszinsen zur Gänze wieder gutzuschreiben.

Gegenständlich liegt weiters ein Anwendungsfall des § 295 Abs 3 BAO vor. Gem § 295 Abs 3 BAO ist ein Bescheid ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom wurde nach § 295 Abs 4 BAO aufgehoben. Wäre bei der Erlassung des Aussetzungszinsenbescheids vom der genannte Einkommensteuerbescheid bereits aufgehoben gewesen, hätte der Aussetzungszinsenbescheid nicht ergehen dürfen. Der Aussetzungszinsenbescheid ist daher nach S 295 Abs 3 BAO aufzuheben und die festgesetzten Aussetzungszinsen wieder gutzuschreiben. Nicht ins Gewicht fällt hierbei, dass nach Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom ein neuer Bescheid aufgrund des neuen Grundlagenbescheids erlassen wurde. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom fußte auf einem "Nichtbescheid" und war daher zur Gänze rechtswidrig. Somit gab es rückwirkend keine Abgabenschuld, deren Einhebung ausgesetzt werden könnte und keine Grundlage für die Vorschreibung von Aussetzungszinsen. Die neuerlich festgesetzte Abgabe an Einkommensteuer für das Jahr 2008 wurde erst gem § 210 Abs 1 BAO einen Monat nach Bekanntgabe des (neuen) Abgabenbescheids, sohin mit fällig und kann nicht Grundlage einer Vorschreibung von Aussetzungszinsen für einen Zeitraum von bis sein.

Wie bereits ausgeführt, wurde der Einkommensteuerbescheid 2008 vom mit aufgehoben. Nach der Aufhebung wäre das Finanzamt Österreich von Amts wegen dazu verpflichtet gewesen, den Aussetzungszinsenbescheid vom aufzuheben und die Aussetzungszinsen wieder gutzuschreiben. Dieser Pflicht ist die belange Behörde binnen eines Zeitraums von 6 Monaten nicht nachgekommen, weshalb Säumnis eingetreten und die gegenständliche Beschwerde zulässig ist.

Aus den oben angeführten Gründen stellen wir folgende

A n t r ä g e :

a) Das Gericht möge der belangten Behörde auftragen, den Aussetzungszinsenbescheid vom gem § 295 Abs 3 BAO aufzuheben;

b) Das Gericht möge der belangten Behörde auftragen, die Aussetzungszinsen bzgl der Einkommensteuer 2008 iHv EUR 3.955,49 auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers gutzuschreiben.

Für eventuelle Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung."

Beigelegt waren die in der Beschwerde als Beweis angeführten Unterlagen.

Beschluss

Mit Beschluss vom hat das Bundesfinanzgericht die Säumnisbeschwerde dem Finanzamt Österreich zugestellt und dem Finanzamt aufgetragen, bis spätestens die versäumte Entscheidung zu erlassen und eine Abschrift dieser Entscheidung vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

Antwort des Finanzamtes

Mit Schreiben vom hat das Finanzamt Österreich Folgendes bekannt gegeben:
"In Entsprechung des nimmt das Finanzamt Österreich, Dienststelle Waldviertel, zu der Säumnisbeschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***CD***,***CD_Ort***, wie folgt Stellung:

Aus folgenden Überlegungen kann keine Verletzung einer Entscheidungspflicht seitens des Finanzamtes Österreich gegeben sein:
Gemäß § 212a Abs. 9 Satz 3 BAO hat im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.

Die Aufhebung der Abgabenschuld laut Einkommensteuerbescheid 2008 vom erfolgte jedoch nicht in einem ihre Festsetzung unmittelbar oder mittelbar betreffenden Beschwerdeverfahren, für das die Aussetzung der Einhebung bewilligt worden war, sondern in einem anderen, eigenständigen, erst später durch Antrag vom eingeleiteten Verfahren nach § 295 Abs. 4 BAO. Vergleichsweise sind Aussetzungszinsen auch dann nicht anlässlich einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld anzupassen (§ 212a Abs. 9 BAO), wenn diese etwa im Zuge einer nachträglichen Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO erfolgt.

Ziel des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 212a BAO war es nämlich (nur), "Rechtsschutzsuchende nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung bis zur endgültigen Erledigung des Rechtsmittels zu belasten " (Stoll, BAO S. 2265).

Im Zusammenhang mit § 212a Abs. 9 Satz 3 BAO ist daher darauf zu verweisen, dass unter "Abgabenschuld" nur jener Abgabenbetrag gemeint sein kann, dessen Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde - inhaltlich - abhängt, somit jener Betrag, für den der Aussetzungsantrag gestellt wurde und einbringungshemmende Wirkung (§ 230 Abs. 6 BAO) hat bzw. dessen Einhebung bis zur Erledigung der Beschwerde ausgesetzt ist. Eine Änderung dieser Abgabenschuld nach Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung (§ 212a Abs. 5 BAO) in einem anderen, erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens eingeleiteten Verfahren kann zu keiner Anpassung von Aussetzungszinsen, weder zugunsten noch zulasten des Abgabepflichtigen, führen.

Anders läge der Fall nur dann, wenn gegen eine Zurückweisung (oder Abweisung) eines Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO Beschwerde erhoben wurde und auf Grund dieser Beschwerdeerhebung die Aussetzung der Einhebung bewilligt wurde (was laut , über Antrag zulässig ist), und dieser Beschwerde in weiterer Folge stattgegeben wird. In einem solchen Fall fallen Aussetzungszinsen nicht an. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Gegenständlich besteht für eine von Amts wegen vorzunehmende Aufhebung der Aussetzungszinsen keine Veranlassung, weshalb sie nicht durchgeführt wurde und die behauptete Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.

Auch § 295 Abs. 3 BAO ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der Spruch des Zinsenbescheides im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdebegehren nicht gefolgt wurde, nicht anders gelautet hätte (vgl. UFSG vom , RV/0824-G/09). Im Übrigen dient § 295 Abs. 3 BAO zur Anpassung (Änderung, Aufhebung) von Bescheiden an nachträglich erlassene "grundlagenbescheidähnliche" Bescheide. Solche Bescheide sind keine förmlichen Grundlagenbescheide, sondern Bescheide, die diesen ähnlich sind und in ihrer Wirkung materiell andere Bescheide beeinflussen (zB ; ). Ein Aufhebungsbescheid gem. § 295 Abs. 4 BAO ist jedoch kein derartiger grundlagenähnlicher Bescheid für einen Aussetzungszinsenbescheid, der anlässlich der Beendigung eines Beschwerdeverfahrens ergangen ist.

In der Säumnisbeschwerde wird auf eine Aussage in BMF-Richtlinien zur Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) in AÖF 1988/53 verwiesen und ein Absatz daraus zitiert, wonach bei einer späteren Änderung gemäß § 295 BAO die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen hätte.

Diese Aussage im zur damals neuen Vorschrift gemäß § 212a BAO, der keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, konnte sich nicht auf § 295 Abs. 4 BAO, erstmals eingeführt durch das AbgÄG 2011, beziehen. Diese Bestimmung hat ein eigenständiges Verfahren zum Gegenstand, welches außerhalb des Beschwerdeverfahrens gegen einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten (Einkommensteuer-)Bescheid angestoßen werden kann. Jedoch geht deshalb die Beschwerdemöglichkeit gegen den nach § 295 Abs. 1 BAO geänderten Bescheid nicht verloren, vielmehr wird eine neue Verfahrenslage sowie Rechtsmittelbefugnis erst eröffnet.

An die Stelle des BMF-Erlasses aus 1987 zur Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) sind die Richtlinien für die Abgabeneinhebung (RAE) getreten, AÖF 2004/95, die inzwischen in der Findok als Richtlinie des BMF-010103/0166-IV/4/2014, gültig ab , veröffentlicht sind.

Die RAE stellen einen Auslegungsbehelf zum 6. Abschnitt der BAO dar. In ihnen finden sich zu der im Spannungsfeld der Säumnisbeschwerde stehenden, einleitend zitierten Vorschrift gemäß § 212a Abs. 9 Satz 3 BAO folgende Aussagen:

RAE Rz 564 zweiter Satz lautet:
Unter nachträglicher Herabsetzung der Abgabenschuld ist jede nach Einreichung des Aussetzungsantrages eingetretene Minderung der von diesem betroffenen rückständigen Abgabenschuld bzw. der den Gegenstand der Bewilligung der Aussetzung bildenden Abgabe zu verstehen; bezüglich jener Umstände, die zu einer solchen Minderung führen können, siehe Rz 307 bis Rz 314.

Rz 307 ff (zur Berechnung von Stundungszinsen) lauten:
... Hierunter fallen zB Bescheidaufhebungen gemäß § 278 Abs. 1 BAO oder gemäß § 299 BAO, insbesondere aber Schuldminderungen, die auf einen Abgabenbescheid (§ 198 BAO) zurückzuführen sind. Dazu gehören vor allem Verminderungen, die auf Grund eines endgültigen (§ 200 Abs. 2 BAO) oder eines ändernden Abgabenbescheides (§ 295 BAO), auf Grund einer (teilweise) stattgebenden Beschwerdevorentscheidung oder eines Erkenntnisses oder im Zuge eines Wiederaufnahmsverfahrens eintreten, sowie Minderungen von Abgabenfestsetzungen gegenüber den Vorauszahlungen oder Herabsetzungen von Vorauszahlungen. Die Minderung einer Abgabenschuldigkeit kann sich auch aus der Ersetzung eines Abgabenbescheides durch einen ''Nichtveranlagungsbescheid'' ergeben.

Die RAE-Aussagen zur Berücksichtigung einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld bei Berechnung der Aussetzungszinsen entsprechen inhaltlich der Aussage in Ritz, BAO6, § 212a Tz 34 zweiter Satz, auf die wiederum auch in der vorliegenden Säumnisbeschwerde verwiesen wird:

Entscheidend ist jedoch nicht, ob die Beschwerdeerledigung zu einer Gutschrift oder Nachforderung führt, sondern ob sich der strittige Betrag letztlich als rechtswidrig oder rechtmäßig erweist (vgl. Ritz, RdW 1997, 361).
Der verwiesene Aufsatz von Ritz im RdW-Heft 6/1997 (mit Beispielen) behandelt einen Fall mit zwei Varianten. In beiden Varianten wird dem Berufungsbegehren Rechnung getragen. In der Variante 1 wird eine Gewinntangente während des Berufungsverfahrens mittels § 295 Abs. 1 BAO umgesetzt und dann die stattgebende Berufungserledigung erlassen. Dadurch entfällt die strittige Nachforderung und es fallen keine Aussetzungszinsen an. Die Variante 2 verläuft so, dass die Gewinntangente im Rahmen der Berufungserledigung mitberücksichtigt wird. Dadurch kommt es im Ergebnis zu keiner Gutschrift des strittigen Betrages. Aussetzungszinsen werden vorgeschrieben. Sie erweisen sich als rechtswidrig, weil sie nicht von der Vorgangsweise der Abgabenbehörde abhängen dürfen, nämlich davon, ob zunächst lediglich der zur Nachforderung führende Bescheid erlassen wird oder ob beide Maßnahmen in einem Bescheid vorgenommen werden, was in der Regel zweckmäßiger ist (Anmerkung: und im Hinblick auf § 300 BAO seit 2014 bei Beschwerdeerledigungen durch das BFG der Regelfall ist).

Unter Punkt 4 im Aufsatz von Ritz in RdW 6/1997 wird dargelegt, dass diese Beurteilung gleichermaßen zu Aussetzungszinsen trotz Gutschrift führen kann, wenn nämlich auf Grund anderer Umstände (zB Berücksichtigung offensichtlicher Unrichtigkeiten iSd § 293b BAO) die Berufungserledigung zu einer Gutschrift führt, trotzdem die Berufung hinsichtlich des für die Aussetzung maßgeblichen Berufungsbegehrens abgewiesen wurde. In diesem Fall sind Aussetzungszinsen von der vollen Bemessungsgrundlage festzusetzen.

Daraus ergeben sich für die vorliegende Fallsituation folgende Schlussfolgerungen:
Weder wurde die Bemessungsgrundlage für die Aussetzungszinsen durch die abschließende Beschwerdeerledigung im Feststellungsverfahren geändert oder aufgehoben, noch wurde dem Beschwerdebegehren stattgegeben. Die (kurzfristig bestehende) Gutschrift ergibt sich erst nachträglich auf Grund der Stattgabe des Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO vom mit Bescheid vom . Aus diesem Grund ist keine Herabsetzung oder Aufhebung der zuvor auf Grund der abschließenden Beschwerdeerledigung im Feststellungsverfahren mit zu Recht festgesetzten Aussetzungszinsen vorzunehmen. Im Zusammenhang mit dem Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO vom und seiner Erledigung war keine Beschwerde anhängig und es war in diesem Zusammenhang auch keine Aussetzung der Einhebung beantragt oder bewilligt.

Abschließend wird somit festgehalten, dass seitens des Finanzamtes Österreich die in der Säumnisbeschwerde vom behauptete, auf die §§ 212a Abs. 9 und 295 Abs. 3 BAO gestützte Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war im Jahr 2008 an der ***AB_KG*** als Kommanditist beteiligt.

Am erließ das Finanzamt Waldviertel den Einkommensteuerbescheid 2008, der zu einer Gutschrift in Höhe von € 8.257,66 führte, wobei darin ein Verlustanteil aus der Beteiligung an der ***AB_KG*** in Höhe von € 15.128,87 bereits berücksichtigt wurde.

Am erließ das Finanzamt Waldviertel einen gem. § 295 Abs 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2008, der nur noch eine Gutschrift in Höhe von € 6.493,82 aufwies. Die Änderung gem. § 295 BAO erfolgte aufgrund einer Mitteilung über eine Einkünftefeststellung bei der ***AB_KG***, wobei auf den Beschwerdeführer nur noch ein Verlustanteil in Höhe von € 11.601,19 entfiel.

Am ergingen Wiederaufnahmebescheide und ein neuer Bescheid über die Feststellung von Einkünften für die ***AB_KG*** für das Jahr 2008. Darin wurden dem Beschwerdeführer positive Einkünfte in der Höhe von € 50.393,37 zugewiesen.

Am erließ das Finanzamt Waldviertel erneut einen gem. § 295 Abs 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2008, der auf Grund einer Mitteilung über diese Einkünftefeststellung bei der ***AB_KG*** erging. Durch die Zuweisung von Einkünften in Höhe von € 50.393,37 kam es zu einer Nachforderung an Einkommensteuer in Höhe von € 24.503,46 (die Einkommensteuer betrug € 30.997,28, die sich aus der Nachforderung sowie der nicht mehr zustehenden Gutschrift in Höhe von € 6.493,82 zusammensetzt).

Am wurde ein Rechtsmittel gegen die Erledigungen vom (Wiederaufnahme- und Feststellungsbescheid für die ***AB_KG***) erhoben.

Am wurde die Aussetzung der Einhebung hinsichtlich Einkommensteuer 2008 in Höhe von € 30.997,28 sowie Anspruchszinsen in Höhe von € 2.119,94 bewilligt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde das Rechtsmittel vom als unzulässig zurückgewiesen, weil der angefochtenen Erledigung keine Bescheidqualität zukam.

Mit Bescheid vom wurde der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt. Ebenfalls mit Bescheid vom wurden Aussetzungszinsen in Höhe von € 3.995,49 vorgeschrieben.

Am beantragte der Beschwerdeführer, den Einkommensteuerbescheid vom gem. § 295 Abs 4 BAO aufzuheben. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom zurückgewiesen, weil seit dem Jahr 2012 keine Verlängerungshandlungen hinsichtlich der Einkommensteuer 2008 gesetzt wurden und demzufolge die Verjährung bereits eingetreten war.
Die dagegen eingebrachte Beschwerde vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen.

Bereits am wurde ein neuer Feststellungsbescheid hinsichtlich der Einkünfte der KG für das Jahr 2008 erlassen.

Am beantragte der Beschwerdeführer, die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 299 BAO aufzuheben, weil sich dieser Bescheid im Hinblick auf § 295 Abs 4 BAO idF BGBl I 3/2021 als nicht richtig erweist.

Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 299 BAO aufgehoben. Mit der damit verbundenen (neuen / ersetzenden) Beschwerdevorentscheidung vom (hinsichtlich der nun wieder unerledigten Beschwerde vom ) wurde der Beschwerde vom Folge gegeben und der Zurückweisungsbescheid vom ersatzlos aufgehoben.

Ebenfalls mit Bescheid vom wurde der Einkommensteuerbescheid 2008 vom gemäß § 295 Abs 4 BAO aufgehoben. Mit Bescheid vom wurden auch die Anspruchszinsen in Höhe von € 2.119,94 wieder gutgeschrieben.

Eine amtswegige Aufhebung oder Anpassung des Aussetzungszinsenbescheides vom erfolgte nicht.

Bereits am hat das Finanzamt Österreich erneut den Einkommensteuerbescheid 2008 vom gemäß § 295 Abs 1 BAO abgeändert, was wiederum eine Nachforderung in Höhe von € 30.997,28 nach sich zog. Die Abänderung erfolgte auf Grund eines Feststellungsbescheides vom für die ehemalige ***AB_KG***.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum (vermeintlichen) Einkünftefeststellungsbescheid 2008 der ***AB_KG*** (Steuernummer 23-***F-StNr***) ergeben sich insbesondere aus dem Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7103130/2013.

Die Feststellungen zum Einkommensteuerbescheid 2008 vom gründen sich auf eben diesen Bescheid, in den Einsicht genommen wurde. Die Feststellungen zum Aufhebungsbescheid gem. § 295 Abs 4 BAO ergeben sich aus diesem Bescheid, welcher der Säumnisbeschwerde beigelegt war.

Ebenfalls der Säumnisbeschwerde beigelegt war der Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung vom sowie der Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen gleichen Tag.

Das Abgabenkonto des Beschwerdeführers, in das Einsicht genommen wurde, sieht hinsichtlich der Einkommensteuer 2008 auf Grund
-) des Einkommensteuerbescheides 2008 vom ,
-) des Bescheides über die Bewilligung einer Aussetzung vom ,
-) des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung vom sowie
-) des Bescheides über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 gem. § 295 Abs 4
BAO vom
wie folgt aus:

Hinsichtlich der Anspruchszinsen für Einkommensteuer 2008 sieht das Abgabenkonto des Beschwerdeführers auf Grund
-) des Anspruchszinsenbescheides 2008 vom ,
-) des Bescheides über die Bewilligung einer Aussetzung vom ,
-) des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung vom sowie
-) des Anspruchszinsenbescheides 2008 vom (als Folge der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 gem. § 295 Abs 4 BAO vom )
wie folgt aus:

Die Feststellungen zum Einkommensteuerbescheid 2008 vom gründen sich unter anderem auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7101068/2021, mit dem die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Einkommensteuerbescheid vom unbegründet abgewiesen wurde. Eine gegen dieses Erkenntnis erhobene Parteienrevision wurde zurückgewiesen (). Dem BFG-Erkenntnis vom , RV/7101068/2021 ist noch zu entnehmen, dass gegen den Feststellungsbescheid vom , der als Grundlage für die Bescheidänderung gem. § 295 Abs 1 BAO im Einkommensteuerbescheid 2008 vom genannt ist, ebenfalls Beschwerde erhoben wurde, die beim BFG unter der GZ. RV/7101984/2020 anhängig ist.

Rechtslage

§ 284 BAO lautet:

21. Säumnisbeschwerde

§ 284.(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.

(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.

(7) Sinngemäß sind anzuwenden:
a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),
b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),
c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),
d) § 266 (Vorlage der Akten),
e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),
f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),
g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),
h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).

§ 212a BAO lautet:

§ 212a. (1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,
a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder
b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder
c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

(2a) Ungeachtet einer nicht erfolgten oder nicht zu bewilligenden Aussetzung der Einhebung gemäß Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ist auf Antrag des Abgabepflichtigen die Einhebung der Abgabe in der sich aus dem Bescheid gemäß § 48 Abs. 1 ergebenden Höhe auszusetzen. Dem Antrag ist der Bescheid gemäß § 48 Abs. 1 beizulegen.

(3) Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (Abs. 1) gestellt werden. Sie haben die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages zu enthalten. Weicht der vom Abgabepflichtigen ermittelte Abgabenbetrag von dem sich aus Abs. 1 ergebenden nicht wesentlich ab, so steht dies der Bewilligung der Aussetzung im beantragten Ausmaß nicht entgegen.

(4) Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264) sinngemäß anzuwenden.

(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden
a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder
b) Erkenntnisses (§ 279) oder
c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung

zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.

Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen (§ 212) als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

(5a) Der Ablauf der nach Abs. 2a bewilligten Aussetzung der Einhebung ist anlässlich des Bescheides gemäß § 48 Abs. 2 oder 3 zu verfügen.

(6) Wurde eine Abgabenschuldigkeit durch die Verwendung von sonstigen Gutschriften (§ 213 Abs. 1) oder Guthaben (§ 215 Abs. 4) gänzlich oder teilweise getilgt, so sind, falls dies beantragt wurde, die getilgten Beträge in die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung einzubeziehen, wenn die Tilgung
a) vor Fälligkeit der Abgabenschuldigkeit oder
b) vor Ablauf einer sonst für ihre Entrichtung gemäß § 210 Abs. 2 zustehenden Frist oder
c) bei später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit festgesetzten Abgaben vor Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe des maßgeblichen Bescheides oder
d) nach Einbringen des Antrages auf Aussetzung oder
e) innerhalb eines Monats vor Ablauf der Frist des Abs. 7
erfolgte.

(7) Für die Entrichtung einer Abgabe, deren Einhebung ausgesetzt wurde, steht dem Abgabepflichtigen eine Frist bis zum Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung (Abs. 5 oder 5a) oder eines die Aussetzung betreffenden Bescheides gemäß § 294 zu. Soweit einem vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben wird, steht dem Abgabepflichtigen für die Entrichtung eine Nachfrist von einem Monat ab Bekanntgabe des den Antrag erledigenden Bescheides zu.

(8) Zur Entrichtung oder Tilgung von Abgabenschuldigkeiten, deren Einhebung ausgesetzt ist, dürfen Zahlungen, sonstige Gutschriften (§ 213 Abs. 1) sowie Guthaben (§ 215 Abs. 4) nur auf Verlangen des Abgabepflichtigen verwendet werden. Hiebei ist § 214 Abs. 4 sinngemäß anzuwenden, wenn bei Bekanntgabe des Verwendungszweckes auf den Umstand der Aussetzung der Einhebung der zu entrichtenden oder zu tilgenden Abgabenschuldigkeit ausdrücklich hingewiesen wurde.

(9) Für Abgabenschuldigkeiten sind

a) solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6) oder

b) soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt,

Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen. Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5 oder 5a) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Säumnis

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren, ob das Finanzamt Österreich den Säumniszuschlagsbescheid vom von Amts wegen aufheben oder anpassen musste, weil
-) der ESt-Bescheid 2008 vom , der zu einer Nachforderung führte, sich letztlich auf einen Nichtbescheid (Grundlagenbescheid) gestützt hat;
-) gegen den Nichtbescheid (Grundlagenbescheid) ein Rechtsmittel erhoben wurde;
-) auf Grund des Rechtsmittels gegen den Nichtbescheid (Grundlagenbescheid) eine Aussetzung der Einhebung beantragt und bewilligt wurde;
-) Aussetzungszinsen vorgeschrieben wurden, weil das Rechtsmittel gegen den Nichtbescheid (Grundlagenbescheid) zurückgewiesen wurde und
-) der ESt-Bescheid 2008 vom mit Bescheid vom aufgehoben wurde, womit die Nachforderung wieder weggefallen ist.

Ist die Säumnisbeschwerde weder (durch Beschluss) formell zu erledigen noch (mit Erkenntnis) abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die ausständige Entscheidung mit Erkenntnis in der Sache selbst zu treffen (Ritz/Koran, BAO7, § 284 Tz 28).

Nachforderung

Unter "Nachforderung" im § 212a Abs 1 BAO ist jede aus einer Abgabenfestsetzung resultierende Zahlungsverpflichtung zu verstehen. Eine Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO kommt dann in Betracht, wenn die Höhe einer Abgabe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde abhängt. Grundsätzlich besteht Anspruch auf Aussetzung von berufungs(beschwerde)verfangenen Abgaben, wobei nicht nur eine Berufung / Beschwerde gegen den (abgeleiteten) Abgabenbescheid an sich, sondern auch eine Berufung /Beschwerde gegen einen dem (abgeleiteten) Abgabenbescheid vorgeschalteten Feststellungsbescheid genügt ().

Ablauf der Aussetzung

Gemäß § 212a Abs 5 BAO ist der Ablauf der Aussetzung der Einhebung anlässlich einer über die Beschwerde ergehenden abschließenden Erledigung des Beschwerdeverfahrens zu verfügen. Dazu zählt auch die Zurückweisung eines Rechtsmittels (vgl Stoll, BAO, 2280).
Das Beschwerdeverfahren, das für die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung maßgebend war, wurde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , GZ RV/7103130/2013, dahingehend beendet, dass die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen wurde, weil sie sich gegen einen Nichtbescheid richtete. In weiterer Folge wurden dem Beschwerdeführer Aussetzungszinsen vorgeschrieben.

Abgeleiteter Bescheid

Eine Beschwerde gegen einen "Nichtbescheid", also ein Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides (§ 188 BAO) hat, jedoch kein Bescheid ist, ist nicht denkbar. Solche Beschwerden sind daher zurückzuweisen und insofern auch nicht für eine Änderung einer Einkünftefeststellung erfolgversprechend. Der einzige Erfolg einer solchen Beschwerde besteht darin, dass mit einer rechtskraftfähigen Erledigung (zB Beschluss des Bundesfinanzgerichts oder auch mit Beschwerdevorentscheidung) ausgesprochen wird, dass ein solches Dokument eben kein Bescheid ist und damit auch keine taugliche Rechtsgrundlage für eine rechtskraftdurchbrechende Maßnahme nach § 295 Abs 1 BAO darstellen kann. Allerdings entfaltet auch ein Bescheid nach § 295 Abs 1 BAO, der sich letztlich auf einen Nichtbescheid (vermeintlichen Grundlagenbescheid) stützt, rechtliche Wirkung und kann in Rechtskraft erwachsen. Im Ergebnis liegt sodann ein rechtswidriger, aber rechtskräftiger Bescheid vor, der dem Rechtsbestand angehört.

Aus diesem Grund sieht § 295 Abs 4 BAO auch vor, dass Bescheide, die sich auf einen solchen "Nichtbescheid" stützen, auf Antrag aufzuheben sind. Handelt es sich bei dem Bescheid, der sich auf einen solchen "Nichtbescheid" stützt, um einen Abgabenfestsetzungsbescheid, ist dieser Abgabenfestsetzungsbescheid aufzuheben mit dem Ergebnis, dass er dem Rechtsbestand nicht mehr angehört. Eine in diesem - nunmehr - aufgehobenen Bescheid angeordnete Abgabenfestsetzung fällt damit weg. Bei einer solchen Aufhebung handelt es sich um eine Aufhebung iSd § 205 Abs 1 lit a BAO (vgl Ritz, AFS 2021, 2). Als Folge der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom erging auch ein neuer Anspruchszinsenbescheid, mit dem exakt jene Anspruchszinsen, die als Folge des Einkommensteuerbescheides 2008 vom vorgeschrieben wurden, nun wieder gutgeschrieben wurden.
In Geltung stand am (Bescheiddatum des Aufhebungsbescheides gem. § 295 Abs 4 BAO, mit dem der Einkommensteuerbescheides 2008 vom aufgehoben wurde) nun wieder jener Bescheid, welcher durch den aufgehobenen (sich auf § 295 Abs 1 BAO gestützten) Bescheid aus dem Rechtsbestand verdrängt wurde. Dieser unmittelbar vorangegangene Bescheid und die darin vorgesehene Abgabenfestsetzung gehört(e) nun (wieder) dem Rechtsbestand an.

Aufhebungsantrag

Ein Antragsrecht gem. § 295 Abs 4 BAO dient der Vermeidung aufwendiger Verwaltungsverfahren, sowohl für die Abgabenbehörden als auch für die Abgabepflichtigen, und dient daher der Vermeidung von Kosten für die Verwaltung und für die Abgabepflichtigen. Ein derartiger (vermeidbarer) Mehraufwand würde etwa durch aufwendige, die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerverfahren betreffende Wiederaufnahmsverfahren entstehen.

Aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum AbgÄG 2011 (Erläut RV 1212 BlgNR 24. GP, 31) ist zu entnehmen:
"Stellt sich erst im Laufe eines Berufungsverfahrens (oder eines VwGH-Beschwerdeverfahrens) heraus, dass eine als Feststellungsbescheid (Feststellung von Einkünften nach § 188 BAO) intendierte Erledigung ein absolut nichtiger Verwaltungsakt (ein "Nichtbescheid") ist, aber von der rechtlichen Existenz eines Feststellungsbescheides ausgehende Änderungsbescheide (§ 295 Abs. 1 BAO) erlassen und formell rechtskräftig wurden, so erscheint ein Antragsrecht auf Beseitigung solcher zu Unrecht von den Tatbestandsvoraussetzungen für ihre Erlassung ausgehender (rechtswidriger) Bescheide zweckmäßig.
Ein solches Antragsrecht dient der Vermeidung aufwendiger Verwaltungsverfahren, sowohl für die Abgabenbehörden (erster und zweiter Instanz) als auch für die Abgabepflichtigen, und dient daher der Vermeidung von Kosten für die Verwaltung und für die Abgabepflichtigen.
[…]
Weiters soll die Möglichkeit antragsgemäßer Aufhebung rechtswidriger, zu Unrecht auf § 295 Abs. 1 BAO gestützter Bescheide vorsorglich eingebrachte Berufungen gegen solche Änderungsbescheide vermeiden; solche Berufungen werden bereits derzeit gegen Änderungsbescheide eingebracht mit der bloßen (sicherheitshalber vorgebrachten) Behauptung, es lägen ihnen "Nichtbescheide" zugrunde (etwa als Folge fehlerhafter Adressierungen, mangelnder tatsächlicher Zustellung, fehlenden Hinweises auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO oder keine Zustellung an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person). Die Erledigung solcher Berufungen setzt Ermittlungen des für die Erhebung der betroffenen Einkommensteuer (bzw. Körperschaftsteuer) zuständigen Finanzamtes voraus. Ein derartiger Verwaltungsaufwand würde nicht anfallen, wenn dem Abgabepflichtigen bekannt ist, dass er den auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Bescheid für den Fall, dass sich nachträglich im die Feststellung der Einkünfte betreffenden Berufungsverfahren herausstellt, dass sich die Berufung gegen einen absolut nichtigen Verwaltungsakt richtet, auf Antrag aufheben lassen kann.
"

Der Rechtsbehelf des § 295 Abs 4 BAO wurde vom Gesetzgeber gerade mit dem Ziel geschaffen, solche vorsorglichen Beschwerden zu vermeiden. Damit soll ein gleichwertiger Ersatz für die Einbringung vorsorglicher Beschwerden geschaffen werden. Genau aus diesem Grund hat der Verfassungsgerichtshof auch den Verweis auf die Frist in § 304 BAO aufgehoben (vgl ua).

§ 323 Abs 31 BAO idF AbgÄG 2011 sieht vor, dass § 295 Abs 4 BAO idF AbgÄG 2011 mit in Kraft getreten ist. Das Rechtsmittel gegen den vermeintlichen Feststellungsbescheid 2008 wurde im September 2012 erhoben. Ein Rechtsmittel gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 vom , dessen einzige zulässige Begründung darin bestehen hätte können, die Unwirksamkeit des vermeintlichen Feststellungsbescheides zu behaupten, wurde nicht erhoben. Angesichts der zeitlichen Nähe zum in Kraft treten des § 295 Abs 4 BAO, mit der Intention, genau solche Rechtsmittel zu vermeiden, kann davon ausgegangen werden, dass alleine die Existenz dieser Norm (auch) dazu geführt hat, auf ein Rechtsmittel gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 vom zu verzichten.

Aussetzungszinsen

Nach dem Erkenntnis des , ist es im Hinblick auf ein Mindestmaß von faktischer Effizienz von Rechtsschutzeinrichtungen nicht zulässig, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch erledigt ist. Ein dem rechtsstaatlichen Prinzip innewohnender Gesichtspunkt besteht insbesondere auch darin, dass die unabdingbar geforderten Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Maß an Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen.

Wird gemäß § 212a BAO die Einhebung strittiger Abgabenbeträge ausgesetzt, so fallen Aussetzungszinsen an, wenn sich die Nachforderung als rechtmäßig erweist. Der Abgabepflichtige trägt somit das Zinsenrisiko.
Wird durch die Erledigung des Rechtsmittels hingegen eine Minderung der für die Aussetzungszinsenberechnung maßgebenden Abgabenschuld ausgelöst, werden insofern keine Zinsen berechnet. Gemäß § 212a BAO trägt der Abgabepflichtige das Rechtsschutzrisiko in all den Fällen nicht, in denen seinem Rechtsmittel ganz oder teilweise entsprochen wird.

Entscheidend ist die Frage, ob die faktische Effizienz des Rechtsschutzes durch die Regelung der Aussetzungszinsen und deren Höhe beeinträchtigt wird.

Herabsetzung

Eine Bewilligung der Aussetzung der Einhebung bewirkt die Aussetzung ex nunc (). Unter "Nachforderung" iSd § 212a Abs 1 BAO ist jede aus einer Abgabenfestsetzung resultierende Zahlungsverpflichtung zu verstehen (). Die Aussetzung kommt höchstens insoweit in Betracht, als der Bescheid eine Nachforderung zur Folge hat ().

Aussetzungszinsen stellen ein Äquivalent für den tatsächlich in Anspruch genommenen Zahlungsaufschub dar (). Für die Frage der Berechnung der Aussetzungszinsen hat die Behörde amtswegige Ermittlungen über den Aussetzungsbetrag anzustellen ().

Bemessungsgrundlage der Aussetzungszinsen ist der für die Aussetzung in Betracht kommende Abgabenbetrag bzw die im Aussetzungsbescheid angeführte Abgabenschuldigkeit. Abgesehen von dem in § 212a Abs 9 BAO ausdrücklich vorgesehenen Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld stellt die Feststellung des ausgesetzten Betrages im Aussetzungsgbescheid die Grundlage für die mit weiterem Bescheid vorzuschreibenden Aussetzungszinsen dar (). § 212a Abs 9 BAO ist eine auf einzelne Abgabenschulden abstellende Regelung, die es nicht erlaubt, die infolge Herabsetzung einer Abgabenschuld entstehende Gutschrift rückwirkend bei der Berechnung der Aussetzungszinsen für eine andere Abgabenschuld zu berücksichtigen ().

§ 205a Abs 1 BAO setzt voraus, dass die Herabsetzung der Abgabenschuldigkeit unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung des Rechtsmittels "abhängt" (). Damit ist eine idente Voraussetzung wie in § 212a Abs 1 BAO angesprochen. § 212a Abs 9 BAO spricht jedoch nur von einer "nachträglichen Herabsetzung". Somit werden bei einer Herabsetzung der Nachforderung auch die Aussetzungszinsen reduziert ().

Unter einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld ist jede nach Einreichung des Aussetzungsantrages eingetretene Minderung der Abgabenschuld durch Bescheid zu verstehen. Solche Herabsetzungen können sich etwa aus Beschwerde(vor)entscheidungen, Bescheidaufhebungen (nach § 278 Abs 1 BAO oder § 299 BAO) oder auch durch Abänderungen nach § 295 BAO ergeben (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 212a Rz 88a).
Wird eine Bescheidbeschwerde, die Anlass für eine Aussetzung der Einhebung war, durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides erledigt (§ 278 Abs. 1 BAO), so wird durch die Aufhebung eine aus dem angefochtenen Bescheid resultierende Nachforderung beseitigt. Dies entspricht einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld iSd § 212a Abs. 9 dritter Satz BAO, sodass für die nunmehr weggefallene Nachforderung keine Aussetzungszinsen festzusetzen sind (vgl RAE 2014 Rz 572).

Die Aufhebung eines Bescheides, aus dem sich Gutschriften ergeben haben, kann zu einer Nachforderung führen (). Im umgekehrten Fall, also die Aufhebung eines Bescheides, aus dem sich eine Nachforderung ergibt, muss sich eine Gutschrift und damit eine Herabsetzung vorliegen.

Im Falle der nachträglichen Herabsetzung der für die Zinsenberechnung maßgeblichen Abgabenschuld hat die Festsetzung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen (Ellinger/Bibus/Ottinger, Abgabeneinhebung durch die Finanzämter, § 212a Tz 24).

Eine Neuberechnung der Aussetzungszinsen hat auch dann zu erfolgen, wenn die Herabsetzung der Abgabenschuld erst nach Erledigung der maßgeblichen Bescheidbeschwerde und nach erfolgter Festsetzung der Aussetzungszinsen eintritt (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 212a Rz 90.)

Das Finanzamt geht von der Nichtanwendbarkeit des § 212a Abs 9 Satz 3 BAO aus, weil die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom nicht in einem der Festsetzung unmittelbar oder mittelbar betreffenden Beschwerdeverfahren, für das die Aussetzung der Einhebung bewilligt wurde, erfolgte, sondern in einem Verfahren nach § 295 Abs 4 BAO. Als weitere Begründung führt das Finanzamt an, dass selbst im Zuge einer nachträglichen Wiederaufnahme des Verfahrens, das zu einer Herabsetzung der Abgabenschuld geführt hat, keine Anpassung der Aussetzungszinsen zu erfolgen hätte.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass ein solcher Sachverhalt nicht beschwerdegegenständlich ist. Darüber hinaus wird in der Literatur sehr wohl vertreten, dass eine nachträgliche Herabsetzung einer Abgabenschuld auch durch einen neuen Sachbescheid nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen kann (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 212a Rz 88a). Auch Bescheidaufhebungen nach § 299 BAO können zu einer Herabsetzung führen (-I/05).

Im Zusammenhang mit Anträgen nach § 295 Abs 4 BAO kann nach Ansicht des Finanzamtes eine Herabsetzung iSd § 212a Abs 9 Satz 3 BAO nur dann vorliegen, wenn ein solcher Antrag (nach § 295 Abs 4 BAO) zunächst zurück- oder abgewiesen wurde, gegen diese negative Erledigung ein Rechtsmittel ergriffen wurde und damit zusammenhängend eine Aussetzung der Einhebung beantragt wird, die auch die Aussetzungszinsen umfasst. Wird einem solchen Rechtsmittel Folge gegeben, was letztlich zur beantragten Aufhebung des Abgabenfestsetzungsbescheides nach § 295 Abs 4 BAO führt, fallen nach Ansicht des Finanzamtes keine Aussetzungszinsen an. Ein solcher Sachverhalt liegt aber auch nicht vor.
Diese Ansicht hat zur Konsequenz, dass bei rechtsrichtiger Stattgabe eines Antrages nach § 295 Abs 4 BAO durch das Finanzamt, der Beschwerdeführer stets mit Aussetzungszinsen belastet bleibt, weil - nach Ansicht des Finanzamtes - trotz Herabsetzung des Abgabenanspruchs als Folge der Stattgabe nach § 295 Abs 4 BAO die Aussetzungszinsen nicht anzupassen seien. Wird der Antrag nach § 295 Abs 4 BAO vom Finanzamt jedoch - rechtlich verfehlt - negativ erledigt, muss der Abgabepflichtige dagegen ein Rechtsmittel ergreifen und kann im Zuge eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung auch die Aussetzung der Aussetzungszinsen begehren. Als Folge einer positiven Erledigung dieses Rechtsmittels fallen - offenbar nach Ansicht des Finanzamtes - auch die Aussetzungszinsen weg.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts kann es keinen Unterschied machen, ob die Abgabenbehörde einem Antrag auch § 295 Abs 4 BAO in rechtsrichtiger Weise Folge gibt oder einen solchen Antrag zunächst negativ behandelt und erst im Rechtsmittelverfahren dem Antrag zum Durchbruch verholfen wird. Führt die Aufhebung eines Abgabenfestsetzungsbescheides auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 295 Abs 4 BAO zu einer Herabsetzung der Abgabenschuld, liegt ein Anwendungsfall des § 212a Abs 9 dritter Satz BAO vor.

§ 212a BAO ermöglicht die Aussetzung der Einhebung auch dann, wenn (lediglich) eine Beschwerde gegen den Grundlagenbescheid erhoben wird. § 295 Abs 4 BAO steht in einem Zusammenhang mit solchen Beschwerden, zumal eine der Anwendungsvoraussetzungen des § 295 Abs 4 BAO gerade darin besteht, dass eine solche Beschwerde zurückgewiesen wird. Zu einer Herabsetzung einer Abgabenschuld auf Grund einer Beschwerde gegen einen Grundlagenbescheid, der sich als Nichtbescheid herausstellt, kann es gar nicht kommen. Eine Versagung der Herabsetzung/Neuberechnung der Anspruchszinsen, wenn sich erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt, dass der Grundlagenbescheid ein Nichtbescheid ist, würde keinen effektiven Rechtsschutz darstellen.

Aus dem vom Finanzamt zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2016/13/0044 ist jedenfalls zu entnehmen (Tz 23), dass die Aufhebung eines Änderungsbescheides gemäß § 295 Abs 4 BAO, die nicht im Ermessen der Abgabenbehörde liegt, zu einer Herabsetzung, aber auch zu einem gänzlichen Wegfall einer Abgabenschuld führen kann.

Dieselbe Ansicht wurde auch bereits vom Bundesfinanzgericht vertreten (vgl , wobei diesem Verfahren jeder Sachverhalt zu Grunde lag, der für den VfGH den Anlassfall für die Aufhebung jenes Satzes in § 295 Abs 4 BAO [idF BGBl I 70/2013] darstellte, der auf die Frist des § 304 BAO verwies).

Ein solcher Sachverhalt liegt vor. Letztlich hat das Finanzamt Österreich mit Bescheid vom den Einkommensteuerbescheid 2008 vom , der eine Nachforderung nach sich zog, die der Anspruchszinsenberechnung zur Grunde gelegt wurde, gemäß § 295 Abs 4 BAO aufgehoben. Damit ist die Nachforderung nachträglich weggefallen und die Abgabenforderung insofern herabgesetzt worden. Eine Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen ist damit ebenfalls weggefallen. Die Voraussetzungen des § 212a Abs 9 dritter Satz BAO sind gegeben. Eine Neufestsetzung kommt jedoch mangels Bemessungsgrundlage nicht in Betracht. Somit verbleibt nur die Aufhebung des Aussetzungszinsenbescheides vom . Dies hat das Finanzamt unterlassen. Der Säumnisbeschwerde war daher Folge zu geben.

§ 212a Abs 9 BAO stellt auch die verfahrensrechtliche Grundlage für die Anpassung bzw. Aufhebung von Aussetzungszinsenbescheiden dar (vgl RAE 2014 Rz 568; Ellinger/Bibus/Ottinger, Abgabeneinhebung durch die Finanzämter, § 212a Tz 28; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 212a Rz 90).

Revisionszulassung

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob in Rechtskraft erwachsene Bescheide über die Festsetzung von Aussetzungszinsen amtswegig aufzuheben sind, wenn jener Einkommensteuerbescheid, der zu einer Nachforderung geführt hat, die gemäß § 212a BAO ausgesetzt war, nach § 295 Abs 4 BAO aufgehoben wird, nachdem sich die Beschwerde iZm mit dem Aussetzungsantrag, dem Folge gegeben wurde, gegen einen vermeintlichen Grundlagenbescheid gerichtet hat, ist nicht ersichtlich. Eine ordentliche Revision ist daher zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 284 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise





-I/05
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RS.7100073.2021

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