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Berufungsentscheidung - Zoll (Referent), UFSZ3K vom 18.05.2006, ZRV/0054-Z3K/03

Aufhebung aus Rechtsgründen wegen Verkürzung des Instanzenzuges.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
ZRV/0054-Z3K/03-RS1
Die Abgabenbehörde zweiter Instanz darf in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelbehörde in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid im Ergebnis erstmals erlassen. Sie darf beispielsweise nicht erstmals eine Abgabe überhaupt oder eine andere Abgabe an Stelle der festgesetzten Abgabe vorschreiben oder jemanden erstmals in eine Schuldnerposition verweisen. Ein Eingriff in die sachliche Zuständigkeit ist auch dann gegeben, wenn aus organisatorischen Gründen sowohl die Entscheidung erster Instanz als auch die der Rechtsbehelfsbehörde vom Hauptzollamt getroffen wird, weil auch die funktionelle Zuständigkeit der entscheidenden Behörde zu beachten ist. Die Abgabenbehörden haben daher die funktionelle Zuständigkeit ebenso wie die örtliche und sachliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.
ZRV/0054-Z3K/03-RS2
Ein in der Ergänzung zur Beschwerde gestellter Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird nicht rechtswirksam gestellt, weil ein solcher Antrag, um rechtswirksam zu sein, schon in der Beschwerdeschrift selbst gestellt werden muss.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde des Bf., vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte und Strafverteidiger, 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Linz, vertreten durch HR Dr. Norbert Koplinger, vom , Zl. 1234, betreffend Eingangsabgaben entschieden:

Der angefochtene Bescheid (Berufungsvorentscheidung) wird aus Rechtsgründen wegen Verkürzung des Instanzenzuges aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom , Zl. 2345, hat das Hauptzollamt Linz festgestellt, der Bf. habe 28 Stangen (5.600 Stück) Filterzigaretten der Marke Ernte 23 in seinem Besitz gehabt, obwohl er im Zeitpunkt des Erwerbes oder Erhaltes der Ware gewusst habe oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden seien. Es sei daher gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 ZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG die Eingangsabgabenschuld im Betrage von insgesamt € 238,23 für Ca.S. kraft Gesetzes entstanden. Das Hauptzollamt Linz begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, der Bf. habe anlässlich seiner Einvernahme am den Erwerb der Zigaretten zugestanden. Er habe die Zigaretten im Frühjahr 2001 von den Gebrüdern E. käuflich um den Preis von ATS 200,00 je Stange erworben.

Dagegen wendet sich der Bf. in der mit ihm über die Vernehmung als Verdächtiger aufgenommen Niederschrift vom vor Organen des Hauptzollamtes Linz als Finanzstrafbehörde I. Instanz. Der Bf. hat dort im Wesentlichen erklärt, er habe am vorgesprochen und eingewendet, er sei mit der den Abgabenbescheiden zugrunde gelegten Menge an Zigaretten nicht einverstanden, er sei bei der Aufnahme des Protokolls vom offenbar falsch verstanden worden.

Der Bf. hat die Mängel der Berufung, die er in der mit ihm aufgenommen Niederschrift vom erhoben hat, in der Niederschrift vom behoben.

Das Hauptzollamt Linz hat über diese Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom entschieden. Es hat den Spruch des angefochtenen Bescheides (2. Absatz) einerseits dahingehend abgeändert, dass die Eingangsabgabenschuld nicht für Ca.S., sondern für den Bf. entstanden sei. Auf der anderen Seite hat das Hauptzollamt Linz den Tatbestand betreffend die Entstehung der Eingangsabgaben dahingehend ergänzt, das die Eingangsabgabenschuld gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3, dritter Anstrich ZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG entstanden und die Abgabenerhöhung in der Bestimmung des § 108 Abs. 1 ZollR-DG begründet sei. Im Übrigen hat es die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Dagegen wendet sich die Beschwerde vom . Im Wesentlichen werden vom Bf. als Beschwerdegründe die materielle Rechtswidrigkeit, die unrichtige rechtliche Beurteilung und eine unrichtige Beweiswürdigung sowie die formelle Rechtswidrigkeit als Folge eine mangelhaft gebliebenen Verfahrens geltend gemacht.

Der Bf. hat die Gründe für seine Beschwerde in der Beschwerdeergänzung vom verbreitert, um die Einvernahme von drei Zeugen ersucht und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz außer in den Fällen des Abs. 1 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 85c ZollR-DG ist gegen Berufungsvorentscheidungen sowie wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Berufungsbehörde der ersten Stufe als Rechtsbehelf der zweiten Stufe (Art. 243 Abs. 2 Buchstabe b ZK) die Beschwerde an den Unabhängigen Finanzsenat zulässig.

Daraus ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid und damit der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens in Zollangelegenheiten die zwingend zu erlassende Berufungsvorentscheidung (arg. "haben" in § 85b Abs. 2 ZollR-DG) und nicht der dieser zugrunde liegende Bescheid ist.

Nach § 85c Abs. 8 ZollR-DG gelten für die Einbringung der Beschwerde, für das Verfahren des Unabhängigen Finanzsenates sowie für dessen Entscheidungen die diesbezüglichen Bestimmungen der BAO sinngemäß, so weit die im ZollR-DG enthaltenen Regelungen nicht entgegen stehen. Die sinngemäße Anwendung des § 289 Abs. 2 BAO besteht darin, dass in Erledigung der Beschwerde die angefochtene Berufungsvorentscheidung nach jeder Richtung abgeändert oder aufgehoben oder die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (z.B. ) darf die Abgabenbehörde zweiter Instanz in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelbehörde in Aussicht genommene rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid im Ergebnis erstmals erlassen. Sie darf beispielsweise nicht erstmals eine Abgabe überhaupt oder eine andere Abgabe an Stelle der festgesetzten Abgabe vorschreiben oder jemanden erstmals in eine Schuldnerposition verweisen. Würde die Rechtsmittelbehörde diese Befugnis für sich in Anspruch nehmen, dann wäre dies ein Eingriff in die sachliche Zuständigkeit der Behörde erster Instanz. Ein solcher Eingriff ist auch dann gegeben, wenn aus organisatorischen Gründen sowohl die Entscheidung erster Instanz als auch die der Rechtsbehelfsbehörde vom Hauptzollamt getroffen wird, weil auch die funktionelle Zuständigkeit der entscheidenden Behörde zu beachten ist. Im Fall der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung entscheidet das Hauptzollamt funktionell als Rechtsmittel- bzw. -behelfsbehörde. Die funktionelle Zuständigkeit wird auch als eine besondere sachliche Zuständigkeit bezeichnet. Die Abgabenbehörden haben daher die funktionelle Zuständigkeit ebenso wie die örtliche und sachliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.

Mit der bekämpften Berufungsvorentscheidung, einer Entscheidung über den nicht aufsteigenden Rechtsbehelf der Berufung durch die auf Grund des Art. 243 Abs. 2 ZK auf der ersten Stufe eingerichtete Zollbehörde, wurde der Bf. erstmals in eine Schuldnerposition verwiesen, die er im Sinne des durch Berufung bekämpften Bescheides des Hauptzollamtes Linz vom nicht hatte. Der Bf. ist im Spruch des Bescheides des Hauptzollamtes Linz zwar namentlich genannt, nicht jedoch in eine Zollschuldnerposition verwiesen. Dies ergibt sich zwingend aus dem durch Berufungsvorentscheidung diesbezüglich geänderten Spruch, wenn danach die Eingangsabgabenschuld nicht für Ca.S., sondern für den Bf. entstanden ist.

Dadurch, dass die Berufungsbehörde der ersten Rechtsstufe die ihr zugewiesene sachliche Zuständigkeit im Sinne des oben erwähnten Erkenntnisses des VwGH nicht von Amts wegen wahrgenommen und beachtet hat, gegenüber dem Bf. damit den Rechtszug verkürzt hat, hat sie als Rechtsbehelfsbehörde in die sachliche Zuständigkeit der Behörde erster Instanz und damit in das Recht des Bf. auf den zuständigen Richter eingegriffen.

Der Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom ist im Sinne des § 246 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 93 Abs. 2 BAO als an den Bf. ergangen zu bewerten, so dass der Bf. berechtigt war, Berufung zu erheben.

Der vom Bf. erst in der Ergänzung zur Beschwerde gestellt Antrag, der Unabhängige Finanzsenat möge eine mündliche Verhandlung anberaumen, wurde gemäß der ständigen Rechtsprechung des VwGH nicht rechtswirksam gestellt, weil ein solcher Antrag, um rechtswirksam zu sein, schon in der Berufungsschrift (Beschwerdeschrift) selbst gestellt werden muss (; ).

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 289 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Eingriff in die sachliche Zuständigkeit
Verkürzung des Rechtszuges
Sache
Angelegenheit in erster Instanz
Antrag auf mündliche Verhandlung
Beschwerdeschrift
Rechtswirksamkeit.
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at