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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 02.02.2022, RV/7100529/2021

Keine Geschäftsführerhaftung wenn bei Personalüberlassung die Arbeitgebereigenschaft dem Beschäftiger zukommt

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100529/2021-RS1
Bei der Arbeitskräfteüberlassung ist in der Regel derjenige als Dienstgeber anzusehen, welcher die Dienstnehmer dem Dritten überlässt und entlohnt und nicht derjenige, in dessen Betrieb die Dienstnehmer eingesetzt werden (vgl Braunsteiner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 47 Anm 4). Ausnahmsweise wird dann der Beschäftiger als Arbeitgeber anzusehen sein, wenn ihm ein unmittelbares (nicht nur vom Gesteller abgeleitetes) Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer zukommt und der Arbeitnehmer in erster Linie in den Betrieb des Beschäftigers eingegliedert ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Rudolf Wanke, den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. sowie Kommerzialrat Mst. Friedrich Nagl als fachkundigen Laienrichter und Mag. Ulrike Richter als fachkundige Laienrichterin in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH, Nibelungengasse 11 Tür 4, 1010 Wien, über die Beschwerde vom 28. August 2020 gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 8/16/17 , nunmehr Finanzamt Österreich, vom 30. Juli 2020 betreffend Haftung nach §§ 9, 80 BAO zur Steuernummer ***BF1StNr1*** gemäß § 323c Abs. 4 Z 5 BAO am 1. Februar 2022 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schreiben vom 19.2.2020 wandte sich die Beschwerdeführerin wie folgt an die belangte Behörde (Finanzamt Österreich als Rechtsnachfolger des Finanzamtes Wien 8/16/17):
"Im Auftrag unserer Mandantin, Frau ***Bf1***, gestatten wir uns, unter Bezugnahme auf den an die Adresse unserer Mandantin zugestellten Rückstandsausweis und Vollstreckungsauftrag vom 10.02.2020 gegen die "***Primärschuldnerin***" und das heutige Telefonat von meinem Mitarbeiter, Herrn ***AB***, mit Frau ***CD***, wie folgt Stellung zum vorliegenden Sachverhalt zu nehmen:

Unsere Mandantin war vom 16.03.2011 bis 14.08.2014 Geschäftsführerin dieser Gesellschaft, die mit Gesellschafterbeschluss vom 24.07.2014 aufgelöst und liquidiert wurde und mit Eintrag vom 24.03.2015 aus dem Firmenbuch gelöscht wurde.

Am 24.01.2018 wurde von der Wiener Gebietskrankenkasse ein Bescheid über einen Prüfungsauftrag über den Zeitraum ab 01.01.2013 erstellt. Unsere Mandantin hat als Aufbewahrerin der Bücher gemäß § 93 Abs 3 GmbHG die geforderten Unterlagen zur Verfügung gestellt.

Aus dieser Prüfung resultiert die nunmehr betriebene Forderung. Es erscheint bereits ganz grundsätzlich fraglich, ob die bereits liquidierte und gelöschte "***Primärschuldnerin***" noch parteifähig war, da Vermögenslosigkeit eingetreten ist (VwGH 2006/16/0220) und eine fortgesetzte Parteifähigkeit der GmbH eigentlich nicht anzunehmen wäre (VwGH 2006/15/0027).

Mangels Vermögens und damit fehlender Parteifähigkeit der GmbH scheint grundsätzlich eine Zustellung an die liquidierte GmbH auch nicht zu Händen der Schriftenverwahrerin möglich zu sein. Es ist daher zu erwägen, dass dem Vollstreckungsbescheid ein nichtiger Abgabenbescheid zu Grunde liegen könnte.

Selbst wenn ein rechtswirksamer Abgabenbescheid vorläge und rechtswirksam zugestellt worden sein sollte, gestatten wir uns aber darauf hinzuweisen, dass die liquidierte GmbH zum Zeitpunkt der Beendigung über keinerlei Vermögenswerte verfügte. Eine persönliche abgabenrechtliche Haftung unserer Mandantin wurde nicht behauptet und liegt offenkundig auch nicht vor. Bei der Zustelladresse handelt es sich um die Privatadresse unserer Mandantin, an der sich naturgemäß auch keinerlei im Eigentum der vermögenslosen, liquidierten Gesellschaft befindlichen Vermögenswerte aufzufinden wären.

Wir ersuchen zur Vermeidung unnötigen Aufwands jedenfalls darum, von Vollzugsakten an der Privatadresse unserer Mandantin ***Bf1_Adr*** abzusehen. Darüber hinaus ersuchen wir höflichst um nochmalige Überprüfung des zugrunde liegenden Abgabenbescheids, um die Angelegenheit ganz grundsätzlich einer Klärung zuzufuhren.

Für Rückfragen steht Ihnen Herr ***AB*** jederzeit gerne zur Verfügung."

Bescheid

Mit Bescheid vom 30.7.2020 zog die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zu Haftung als Geschäftsführerin der Firma ***Primärschuldnerin*** wegen Dienstgeberbeiträgen und Dienstgeberzuschlägen des Jahres 2013 im Ausmaß von € 34.835,79 heran.

Die Begründung lautet:
"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, haftet für diese Abgaben, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

Sie waren von 16.03.2011 bis 30.07.2014 Geschäftsführerin und seit 24.07.2014 Abwicklerin der Fa. ***Primärschuldnerin***, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (VwGH v. 18. Oktober 1995, 91/13/0037,0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für andere Abgaben ist festzuhalten:
Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral sind, ist es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer hat daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem hat er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (vgl. Erk. des VwGH vom 17. September 1986, ZI . 84/13/0198; vom 13. November 1987, ZI. 85/17/0035 und vom 13. September 1988, ZI. 87/14/0148). Da Sie Ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der o. a. Gesellschaft uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden.
"

Beigelegt waren ein Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung bei der Primärschuldnerin vom 22.10.2019 sowie Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für 2013 in der Höhe von € 31.992,09, eines Säumniszuschlages für Dienstgeberbeiträge in Höhe von € 639,84, ein Bescheid über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag in Höhe von € 2.843,70 sowie eines Säumniszuschlages im Ausmaß von € 56,87.

Im Bericht über die Außenprüfung findet sich als "Feststellungen":
"Laut Feststellung des GPLA-Prüfers

Sachverhaltsdarstellung

<![CDATA[Nachverrechnung laufendes Entgelt, Tätigkeit:
Cutter

Die Nachversteuerung/Korrektur wurde gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO durchgeführt, da folgende neue Tatsache(n) und/oder Beweismittel festgestellt wurden: Vom 02.10.2003 bis 30.09.2013 bestand ein Produktionsrahmenvertrag zwischen der ***Primärschuldnerin*** (***Primärschuldnerin***) und der ***EF*** (***EF***). In diesem Vertrag wurde vereinbart, dass die ***Primärschuldnerin*** Personen, der ***EF*** für deren Sendungsproduktionen (Studioproduktionen, Außendreharbeiten) das notwendige Personal (u.a. Kameramann bzw. -assistent, Cutter) zur Verfügung stellt. Zu diesem Zweck wurden diverse Personen mittels freiem Dienstvertrag bzw. Werkvertrag von der ***Primärschuldnerin*** unter Vertrag genommen. Den monatlichen Abrechnungen gegenüber der ***EF*** ist zu entnehmen, dass nur die Personalkosten der ***Primärschuldnerin*** (Angestellte, freie Dienstnehmer und "Freelancer" inklusive der gezahlten Diäten und Kilometergelder) mit jeweils 6% Aufschlägen für Mängelhaftung und Gewinn sowie der 20% Umsatzsteuer verrechnet worden sind. Die ***Primärschuldnerin*** beschäftigte im Prüfzeitraum insgesamt 38 Personen im Rahmen eines Werkvertrages bzw. auf Honorarbasis. Diese Personen übten folgende Tätigkeiten aus:

Studioumbau, Cutter, Kameramann, Kameraassistenz, Maskenbildner, Grafiker, Bildmeister und Tontechniker. Nach Erhebung der Beschäftigungsumstände bei ***EF*** musste festgestellt werden, dass eine höhere Anzahl der obgenannten Personengruppen ihre Tätigkeit, bei Zutreffen der nachstehend näher begründeten Feststellungen, im Rahmen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ausgeübt haben. Im Wesentlichen wurden in diesen Fällen folgende Arten von Beschäftigungen bei der ***Primärschuldnerin*** vorgefunden:
1. Tätigkeiten im Rahmen von Indoor-Studioproduktionen, welche ausschließlich in den Räumlichkeiten der
***EF***, mit den Betriebsmitteln der ***EF*** und unter Regie- bzw. Redaktionsanweisungen der ***EF*** ausgeübt worden sind (zB. Cutter, Kameramann). 2.Tätigkeiten im Rahmen von Outdoor-Produktionen, welche mit bzw. zum Teil mit Betriebsmitteln der ***EF*** und aufgrund von Regieanweisungen und/oder im, von ***EF*** koordinierten, Kameraverbund ausgeübt worden sind (zB. Übertragung UCL- es sind mehrere Kameras und ein "Regisseur" notwendig).
3.Tätigkeiten im Rahmen von Produktionen der
***EF***, welche regelmässig bzw. notwendigerweise in organisatorischer Einbindung in die Betriebsstruktur ***EF*** erbracht worden sind (zB. Maskenbildner/Früh- und Spätdienste).

Aufgrund der durchgeführten Erhebungen bei ***EF*** und diversen Überprüfungen wurde festgestellt, dass die oben angeführten, gegenständlichen Vertragsverältnisse keine Deckung mit dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der vereinbarten Tätigkeiten iSd § 539a ASVG ivm. mit § 21 BAO finden, weshalb eine abschließende Qualifizierung der Vertragsverhältnisse als Dienstverhältnisse gem. § 4 Abs. 2 ASVG ivm. § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 vorzunehmen war. Nach Erstellung der Beitragsgrundlagen der einzelnen Dienstnehmer anhand der erhaltenen Honorare wurde die Nachverrechnung in der SV unter Berücksichtigung der SV-Höchstbeitragsgrundlage und bei der Mitarbeitervorsorge im Zeitraum vom 01.02.2013 bis 30.09.2013 (Verjährung gemäß § 68 Abs.1 ASVG) durchgeführt. Die Nachversteuerung erfolgte für das Jahr 2013 beim Dienstgeberbeitrag, beim Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und bei der Kommunalsteuer. Für die nachgemeldeten Dienstnehmer wurde keine Lohnsteuer nachverrechnet, da diese Personen laut Finanzamt ihr Einkommen im Zuge der Einkommensteuererklärung veranlagt haben.]]>"

In weiterer Folge sind im Bericht über die Außenprüfung jeweils unter der Überschrift "Sachverhaltsdarstellung" weitere "Tätigkeiten" angeführt (zB "Grafikerin", "Studioassistent, Audiotechniker", "Cutter, MAZ, Bildmeister"). Unmittelbar anschließend an die Bezeichnung der Tätigkeit findet sich dann jeweils derselbe Begründungstext (wie oben).

Beschwerde

Mit Schreiben vom 28.8.2020 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom 30.7.2020 und gegen die Festsetzungsbescheide vom 22.10.2019. Die Beschwerden lauten:
"In umseits bezeichneter Rechtssache gibt die Beschwerdeführerin bekannt, der ***Rechtsanwalt-GmbH***, Vollmacht erteilt zu haben. Es wird um Zustellung sämtlicher Schriftstücke zu Händen der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ersucht.

Gegen den umseits bezeichneten Haftungsbescheid des Finanzamt Wien 8/16/17 vom 30.07.2020, zugestellt am 03.08.2020, erhebt die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist im Umfang des gesamten Spruchs nachstehende

Bescheidbeschwerde

an das Bundesfinanzgericht und führt aus, wie folgt:

A. Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin war vom 16.03.2011 bis 14.08.2014 Geschäftsführerin der ***Primärschuldnerin***, die mit Gesellschafterbeschluss vom 24.07.2014 aufgelöst und liquidiert und mit Eintrag vom 24.03.2015 aus dem Firmenbuch gelöscht wurde.

2. Mit Schreiben vom 24.01.2018 wurde von der WGKK ein Bescheid über einen Prüfungsauftrag an die "***Primärschuldnerin***." an die Adresse ***Bf1_Adr*** versandt und in weiterer Folge ein Prüfverfahren durchgeführt. Anlässlich seiner Einvernahme am 06.09.2019 legte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin dar, dass ein allfälliges ordentliches Dienstverhältnis zur ***EF***, nicht aber zur liquidierten Gesellschaft bestand. Darüber hinaus sei der Bescheid über den Prüfauftrag nicht rechtswirksam zugestellt und allfällige Abgabenforderungen aus dem Jahr 2013 bereits verjährt gewesen.

Beweis: Niederschrift der WGKK vom 06.09.2019 (Beilage 1);

3. Mit Bescheid des Finanzamt Wien 8/16/17 an die "***Primärschuldnerin***." über die Festsetzung des DB und des DZ für das Jahr 2013 vom 22.10.2019 wurde unter Hinweis auf den Bericht vom 22.10.2019 der Dienstgeberbeitrag (DB) für das Jahr 2013 iHv € 31.992,09, der Säumniszuschlag zum DB iHv € 639,84, der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag iHv € 2.843,70 und der Zuschlag zum DZ iHv € 56,87 festgesetzt.

4. Mit 10.02.2020 wurde ein Vollstreckungsauftrag gegen "***Primärschuldnerin***." erlassen, wobei die Beschwerdeführerin als Vertreterin angeführt wurde. Mit Schreiben ihrer Rechtsvertretung vom 19.02.2020 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass eine Zustellung an die liquidierte GmbH nicht zu Händen der Buchverwahrerin möglich sei und eine Vollstreckung mangels Vermögens auch nicht zielführend wäre.

5. Daraufhin wurde mit 30.07.2020 der nunmehr bekämpfte Haftungsbescheid erlassen, gegen den sich dieser Teil der Beschwerde richtet.

B. Rechtzeitigkeit

6. Der Bescheid wurde am 03.08.2020 zugestellt und erfolgt die Beschwerdeerhebung fristgerecht innerhalb eines Monats.

C. Anfechtungsumfang

7. Der Bescheid wird vollumfänglich wegen der Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung der Verfahrensvorschriften und der Rechtswidrigkeit des Inhalts angefochten.

D. Beschwerdebegründung

8. Der Haftungsbescheid beruht auf einem nichtigen Abgabenbescheid und ist bereits daher rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin ist durch den rechtswidrigen Bescheid in ihren subjektiven Rechten, insbesondere auf Nichtheranziehung zur Haftung nach § 9 BAO und in ihrem Grundrecht auf Eigentum, verletzt. Darüber hinaus fehlt es selbst dann, wenn der dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Abgabenbescheid rechtswirksam und zurecht erlassen worden wäre, an einem Verschulden der Beschwerdeführerin, sodass es an den Voraussetzungen für einen Haftungsbescheid mangelt. Dazu wird näher ausgeführt, wie folgt:

9. Auch wenn der Löschung im Firmenbuch nur deklarativer Charakter zugestanden wird, setzt das Fortbestehen einer Gesellschaft nach der Löschung das Vorhandensein von Vermögen voraus (Ritz, BAO6 § 79 Rz 11). Infolge von Vermögenslosigkeit tritt Vollbeendigung ein (UFS RV/0792-W/05 unter Hinweis auf VwGH 2006/15/0027), die Gesellschaft ist nicht mehr parteifähig, ln diesem Fall kommt auch eine Zustellung gemäß § 80 Abs 3 BAO nicht mehr in Frage, weil diese voraussetzt, dass die aufgelöste GmbH noch nicht beendet (und somit noch parteifähig) ist (ErlRV 686 BlgNR 22. GP). Die rechtswirksame Zustellung von Bescheiden an eine bereits gelöschte Gesellschaft setzt daher voraus, dass ein Vorhandensein von Aktivvermögen vermutet wird (VwGH Ro 2014/13/0035).

10. Dies ist im vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall. Die ***Primärschuldnerin*** war zum Zeitpunkt ihrer Löschung vermögenslos und damit vollbeendet. Eine Vermutung noch vorhandenen Vermögens wurde von der bescheiderlassenden Behörde zutreffend nicht festgestellt. Eine rechtswirksame Zustellung war daher selbst nach der Vertretungsregelung des § 80 Abs 3 BAO nicht mehr möglich, da keinerlei Anhaltspunkte für ein durch ein Aktivvermögen begründetes Fortbestehen der Gesellschaft und ihrer Parteifähigkeit vorhanden waren oder sind. Eine nicht mehr parteifähige Gesellschaft kann auch nicht durch die Bücherverwahrerin vertreten werden, weil die zu vertretende Rechtsperson nicht mehr existiert.

Beweis: Liquidationsbilanz zum 30.11.2014 (Beilage ./2)

11. Dem Haftungsbescheid liegt damit ein nichtiger Abgabenbescheid zugrunde und ist daher auch der Haftungsbescheid rechtswidrig. Selbst wenn der Abgabenbescheid aber rechtswirksam zugestellt worden wäre, fehlt es an einer schuldhaften Pflichtwidrigkeit gemäß § 9 Abs 1 BAO.

12. Dem Abgabenbescheid liegt, wie in weiterer Folge näher ausgeführt wird, die irrige Rechtsansicht der Behörde zugrunde, die ***Primärschuldnerin*** hätte Dienstverhältnisse nach § 4 Abs 2 ASVG begründet, und dass die Einordnung ihrer Vertragspartner als freie Dienstnehmer bzw Werkunternehmer zu Unrecht erfolgt sei. Selbst wenn diese Rechtsansicht zuträfe, unterlag die frühere Geschäftsführerin einem vertretbaren Rechtsirrtum, der nach der ständigen Judikatur des VwGH eine Haftung nach § 9 Abs 1 BAO ausschließt.

13. Der dem Abgabenbescheid zugrunde liegende Sachverhalt wurde nämlich bereits einmal geprüft: die ***Primärschuldnerin*** hat von ihr vermittelte Kameraleute, Cutter, Maskenbildner, etc seit jeher als freie Dienstnehmer bzw Werkvertragsnehmer eingestuft. Im Jahr 2009 wurde eine Lohnsteuer- und Sozialversicherungsprüfung für den Zeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2008 durchgeführt und wurden nur minimale Details beanstandet. Die Einordnung der verschiedenen Vertragspartner wie Kameraleute, Cutter, Maskenbildner, etc als freie Dienstnehmer bzw Werkvertragsnehmer wurde aber als korrekt eingestuft und daher nicht beanstandet.

Beweis: Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom 16.10.2009, Steuernummer *** samt Niederschrift der Schlussbesprechung vom 01.03.2010 (Beilage 3);

14. Im Hinblick auf die erst ein Jahr zuvor abgeschlossene, umfassend durchgeführte GPLA, die keine nennenswerten Beanstandungen mit sich gebracht hatte, konnte die Beschwerdeführerin bei Übernahme der Geschäftsführung davon ausgehen, dass die bislang geübte und anlässlich der Lohnsteuer- und SV-Prüfung von der Behörde überprüfte, aber unbeanstandet gebliebene Praxis rechtskonform war. Es handelte sich deshalb um eine vertretbare Rechtsansicht. Ein schuldhaftes Fehlverhalten lag daher nicht vor.

15. Zudem hat die Beschwerdeführerin für die damals noch in Liquidation befindliche Gesellschaft am 14.11.2014 von der belangten Behörde eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt bekommen. Danach hat sie gem § 160 Abs 3 BAO von der belangten Behörde am 16.3.2015 eine weitere steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt bekommen. Sie konnte daher davon ausgehen, dass keine Abgabenschulden vorhanden waren und dass sie alles richtig gemacht hat. Auch dies schließt ein Verschulden der Beschwerdeführerin aus.

Beweis: Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 11.12.2014 (Beilage./4), Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 16.3.2015 gem § 160 Abs 3 BAO (Beilage ./5)

16. Zudem hat die belangte Behörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und es sich bei der Bescheiderlassung sehr leicht gemacht. Der Bescheid enthält nichts als floskelhafte Textbausteine ohne auch nur den geringsten Bezug zum konkreten Sachverhalt. Der Bescheid ist daher auch wegen gravierender Verfahrensfehler rechtswidrig.

E. Änderungserklärung

16. Der Haftungsbescheid ist aus den oben genannten Gründen vollständig aufzuheben.

F. Begehren

Der Beschwerdeführer stellt daher aus den oben angeführten Gründen den

Antrag,

das Bundesfinanzgericht möge den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 8/16/17 (FA06) vom 30.07.2020, Bezug: ***BFStNr*** wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, erforderlichenfalls nach Durchführung einer Verhandlung, aufheben."

[…]

Beigelegt war eine Niederschrift vom 6.9.2019 mit ***GH***, MA, über Tätigkeiten der freien Dienstnehmer und der Werkvertragsnehmer, eine Liquidationsbilanz vom 30.11.2014, ein Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom 16.10.2009 für die Jahre 2006-2008, eine dazugehörige Niederschrift über eine Schlussbesprechung, ein "Antrag auf Bescheinigung, dass keine fälligen Abgabenforderungen vorliegen" sowie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 16.3.2015.

Am 9.9.2019 verfasste der Außenprüfer eine Niederschrift über die Schlussbesprechung (Beilage zur Beschwerde). Als Teilnehmer der Schlussbesprechung ist neben dem Außenprüfer (als Leiter der Schlussbesprechung) noch "Herr ***GH*** MA (100% Geschellschafter)" genannt. Die wesentlichen Feststellungen, die in dieser Niederschrift angeführt sind, lauten:
"Vom 02.10.2003 bis 30.09.2013 bestand ein Produktionsrahmenvertrag zwischen der ***Primärschuldnerin*** (***Primärschuldnerin***) und der ***EF*** (***EF***). In diesem Vertrag wurden die Erstellung von ***EF*** Beiträgen, Spots und Sendungen gemäß der in der Anlage "Produktionsplan" aufgelisteten Fernsehformate und Projekte vereinbart. Im Zuge von Erhebungen zum tatsächlichen Tätigkeitsumfang der Gesellschaft und nach Befragung des, von der Geschäftsführerin mit der Vertretung bevollmächtigte, 100% Gesellschafters, war festzustellen, dass die ***Primärschuldnerin*** ausschließlich dazu diente, das, für die ***EF***-Sendungsproduktionen (Studioproduktionen, Außendreharbeiten) notwendige, Personal (u.a. Kameramann bzw. -assistent, Cutter) zur Verfügung zu stellen.

Zu diesem Zweck wurden Personen mittels Angestelltenvertrag, freiem Dienstvertrag bzw. Werkvertrag von der ***Primärschuldnerin*** unter Vertrag genommen. Tatsächlich haben alle, für die ***Primärschuldnerin*** tätigen Personen (ausgenommen die Geschäftsführerin), ausschließlich bei und für ***EF*** gearbeitet.

Die Einteilung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes (Dispoplan) sowie die Arbeitsanweisungen und die Kontrolle (Redakteur, Regisseur) oblagen uneingeschränkt ***EF*** bzw. den, von ihr eingesetzten Personen. Die Leistungen dieser Personen wurden nahezu ausschließlich mit den Betriebsmitteln (zB. Kamera, Schneidetisch) der ***EF*** erbracht. Die Höhe des Entgelts bzw. des Honorars orientierte sich ausschließlich an dem, im Produktionsrahmenvertrag integrierten "Kostenplan". In diesem Kostenplan wurden die Stunden- bzw. Tagesgagen der einzelnen Tätigkeiten (zB. Kameramann, Maske, Kabelhilfe) festgelegt. Im Vertretungsfall wurde bei freien Dienstnehmern und Werkvertragsnehmern auf den vorhandenen Pool an Mitarbeiter zurückgegriffen. Die Vertretung wurde von ***EF*** bzw. von ihr eingesetzten Personen und nicht von der ***Primärschuldnerin*** organisiert. In jedem Fall wurden die Vertreter, nach Bekanntgabe des Vertreters durch ***EF***, direkt von der ***Primärschuldnerin*** bezahlt.

Den monatlichen Abrechnungen der ***Primärschuldnerin*** für die ***EF*** ist zu entnehmen, dass tatsächlich nur die, bei der ***Primärschuldnerin*** angefallenen, Personalkosten für Angestellte, freie Dienstnehmer und "Freelancer" (d.s. Werkvertragsnehmer) inklusive der gezahlten Diäten und Kilometergelder mit jeweils 6% Aufschlag für Mängelhaftung und Gewinn sowie der 20% Umsatzsteuer verrechnet worden sind.

Das Vertragsverhältnis zwischen ***Primärschuldnerin*** und ***EF*** wurde per 30.09.2013 beendet. Danach wurde im Zeitraum vom 01.10.2013 bis 31.12.2016 derselbe Produktionsrahmenvertrag (allerdings mit geringenen Gewinnaufschlag) zwischen der ***IJ*** und ***EF*** abgeschlossen. Es wurden alle gewöhnlichen Dienstnehmer, freien Dienstnehmer und Werkvertragsnehmer von der ***IJ*** übernommen und weiterhin bei der ***EF*** beschäftigt.

Werkvertragsnehmer (Freelancer):
Die
***Primärschuldnerin*** beschäftigte im Prüfzeitraum insgesamt 37 Personen im Rahmen eines Werkvertrages bzw. auf Honorarbasis. Diese Personen übten folgende Tätigkeiten aus: Studioumbau, Cutter, Kameramann, Kameraassistenz, Maskenbildner, Grafiker, Bildmeister und Tontechniker. Nach Erhebung der Beschäftigungsumstände bei ***EF*** bzw. bei der Dienstgeberin musste festgestellt werden, dass die obgenannten Personengruppen ihre Tätigkeit, bei Zutreffen der nachstehend näher begründeten Feststellungen, im Rahmen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ausgeübt haben. Im Wesentlichen wurden in diesen Fällen folgende Arten von Beschäftigungen bei der ***Primärschuldnerin*** vorgefunden:
1. Tätigkeiten im Rahmen von Indoor-Studioproduktionen, welche ausschließlich in den Räumlichkeiten der
***EF***, mit den Betriebsmitteln der ***EF*** und unter Regie- bzw. Redaktionsanweisungen der ***EF*** ausgeübt worden sind (zB. Cutter, Kameramann).
2. Tätigkeiten im Rahmen von Outdoor-Produktionen, welche mit bzw. zum Teil mit Betriebsmitteln der
***EF*** und aufgrund von Regieanweisungen und/oder im, von ***EF*** koordinierten, Kameraverbund ausgeübt worden sind (zB. Übertragung UCL- es sind mehrere Kameras und ein "Regisseur" notwendig).
3. Tätigkeiten im Rahmen von Produktionen der
***EF***, welche regelmässig bzw. notwendigerweise in organisatorischer Einbindung in die Betriebsstruktur ***EF*** erbracht worden sind (zB. Maskenbildner/Früh und Spätdienste, Bild- und Tonmeister).

Aufgrund der durchgeführten Erhebungen bei ***Primärschuldnerin*** und ***EF*** sowie bei vorangegangenen Überprüfungen bei Privatsendern wurde festgestellt, dass die oben angeführten, gegenständlichen Vertragsverhältnisse keine Deckung mit dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der vereinbarten Tätigkeiten iSd § 539a ASVG ivm. mit § 21 BAO finden, weshalb eine abschließende Qualifizierung der Vertragsverhältnisse als Dienstverhältnisse gem. § 4 Abs. 2 ASVG ivm. § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 vorzunehmen war.

Nach Erstellung der Beitragsgrundlagen der einzelnen Dienstnehmer anhand der erhaltenen Honorare wurde die Nachverrechnung in der SV unter Berücksichtigung der SV-Höchstbeitragsgrundlage und bei der Mitarbeitervorsorge im Zeitraum vom 01.02.2013 bis 30.09.2013 (Verjährung gemäß § 68 Abs.1 ASVG) durchgeführt.

Die Nachversteuerung erfolgte für das Jahr 2013 beim Dienstgeberbeitrag, beim Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und bei der Kommunalsteuer. Für die nachgemeldeten Dienstnehmer wurde keine Lohnsteuer nachverrechnet, da diese Personen laut Finanzamt ihr Einkommen im Zuge der Einkommensteuererklärung veranlagt haben.

Freie Dienstverträge:
Die bei
***Primärschuldnerin*** gemeldeten, freien Dienstnehmer führten folgende Tätigkeiten hauptsächlich im Studio der ***EF*** aus: Kabelhilfe, Maskenbildner, Studioassistent, Kameraassistenz und Autocue-Operator. Nach niederschriftlicher Befragung des, von der Geschäftsführerin bevollmächtigten, 100% Gesellschafters bzw. wie bei früheren branchengleichen Überprüfungen bereits erhoben, war festzustellen, dass es sich bei den oben angeführten Tätigkeiten keinesfalls um Tätigkeiten im Sinne des § 4 Abs. 4 gemäß ASVG handelt. Tatsächlich wurden diese Tätigkeiten immer persönlich unter Einbindung in die betriebliche Struktur des Senders, sowie unter Vorgabe der Arbeitszeit (Dispo- bzw. Dienstplan) und des Arbeitsortes durchgeführt. Wie der 100% Gesellschafter niederschriftlich auch bestätigt hat, waren die Personen an die Weisungen der jeweiligen Sendeleitung (u.a. Redakteur, Regisseur) gebunden und wurden von dieser auch kontrolliert. Das im freien Dienstvertrag eingeräumte generelle Vertretungsrecht wurde tatsächlich nicht gelebt, da im Vertretungsfall auf den vorhandenen Pool an Mitarbeiter zurückgegriffen bzw. von ***EF*** die Vertretung organisiert worden ist. In jedem Fall wurden die Vertreter direkt von der ***Primärschuldnerin*** bezahlt. Dementsprechend wurde die Umqualifizierung der, als freie Dienstnehmer gemeldeten, Personen (Beitragsgruppen M1R, M24U), zu gewöhnlichen Dienstnehmern (Beitragsgruppen D1, N24U) im Rahmen der GPLA durchgeführt."

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 5.10.2020 hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Begründung der Beschwerdevorentscheidung lautet:
"Mit Haftungsbescheid vom 30.07.2020 wurde ***Bf1*** als Haftungspflichtige gemäß §§ 9 und 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Firma ***Primärschuldnerin*** in der Höhe von € 34.835,79 in Anspruch genommen. Gegen diesen Bescheid erhob sie mit Schreiben vom 28.08.2020 fristgerecht Beschwerde, beantragte die Aufhebung des Haftungsbescheides und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Haftungsbescheid auf einem nichtigen Abgabenbescheid beruhe und die Beschwerdeführerin am Unterbleiben der Zahlung der Abgabenschulden überdies kein Verschulden träfe.

Dazu wird Folgendes ausgeführt:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in § 80 Abs. 1 BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Fest steht, dass die Beschwerdeführerin laut Firmenbuch ab dem 16.03.2011 handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma ***Primärschuldnerin*** war. Mit Generalversammlungsbeschluss vom 24.07.2014 wurde die Gesellschaft aufgelöst und die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin abberufen und zur alleinigen Liquidatorin der Firma ***Primärschuldnerin*** bestellt. Am 24.03.2015 erfolgte die Löschung der Firma im Firmenbuch infolge beendeter Liquidation. Wie die Beschwerdeführerin in der Beschwerde bestätigt, war das Unternehmen im Zeitpunkt der Löschung vermögenslos. Daraus ist ersichtlich, dass die offenen Abgabenschuldigkeiten bei der ***Bf1*** uneinbringlich sind.

Mit dem gegenständlichen Haftungsbescheid wurden der Beschwerdeführerin die Bescheide betreffend lohnabhängige Abgaben, nämlich die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für das Jahr 2013 zugestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. VwGH 30.03.2006, 2003/15/0125) ist die Behörde für den Fall, dass einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid vorangeht, daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt.

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1 BAO) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.

Sofern die Beschwerdeführerin mit ihren Einwänden die inhaltliche Richtigkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen bestreitet, ist dem somit entgegenzuhalten, dass dem Haftungsbescheid Abgabenbescheide vorangegangen sind, sodass es der Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 24.02.1999, 98/13/0144) im Verfahren über die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung verwehrt ist, die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung als Vorfrage zu beurteilen. Die Beschwerdeführerin hat neben der Einbringung einer Beschwerde gegen ihre Heranziehung zur Haftung ohnehin gemäß § 248 BAO innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen die Bescheide über die Abgabenansprüche Beschwerde eingebracht. Wird aber neben einer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid eine Beschwerde gegen den Abgabenanspruch erhoben, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt. Die Voraussetzungen für eine Verbindung der beiden Beschwerden zu einem gemeinsamen Verfahren (§ 267 BAO) liegen in einem solchen Fall nicht vor (vgl. VwGH 10.09.1987, 86/13/0148).

Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung durch den zur Haftung Herangezogenen können somit nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren, in dem eine Bindung an die Abgabenbescheide besteht, vorgebracht werden, sondern ausschließlich im Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO betreffend die Bescheide über den Abgabenanspruch.

Auch im Falle eines Obsiegens im zu Grunde liegenden Abgabenverfahren wäre der Haftungsbescheid nicht zu ändern, sondern nur insoweit unwirksam geworden. Betreffend die Heranziehung zur Haftung für die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für das Jahr 2013 wurde in der Begründung des Haftungsbescheides zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen. Es ist demnach unter anderem Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zur erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf. Demnach haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet hat und die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat, als alle anderen Verbindlichkeiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter somit darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde weiters davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen liquiden Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten.

Im vorliegenden Fall hat die Geschäftsführerin in der Beschwerde nicht einmal die Behauptung aufgestellt, sie hätte die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung sämtlicher Verbindlichkeiten verwendet. Demnach wurden von ihr keine Berechnungen und Aufstellungen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, vorgelegt. Ebenso wenig wurden die zu den jeweiligen Fälligkeitstagen vorhandenen liquiden Mittel der Firma ***Primärschuldnerin*** i.L. bekanntgegeben und durch Vorlage von Kontoauszügen nachgewiesen sowie die zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten aushaftenden übrigen Verbindlichkeiten den Abgabenschuldigkeiten gegenübergestellt. Dadurch wurde in der Beschwerde weder der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung erbracht noch das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der vorhandenen liquiden Mittel zu den jeweiligen Fälligkeitstagen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Liquiditätsrechnung dargestellt. Die Behörde war daher zu der Annahme berechtigt, dass die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung schuldhaft nicht nachgekommen ist. Konsequenter Weise haftet die Geschäftsführerin dann für die von der Haftung betroffenen Abgabenschuldigkeiten zur Gänze.

Im vorliegenden Fall entstanden die uneinbringlichen Abgaben in jenem Zeitraum, in dem die Beschwerdeführerin alleinige Geschäftsführerin der Firma ***Primärschuldnerin*** war und wären durch die Beschwerdeführerin fristgerecht zu entrichten gewesen, was von ihr aber pflichtwidrig unterlassen wurde. Dass die haftungsgegenständlichen Abgaben erst nach dem Ende der Geschäftsführertätigkeit der Beschwerdeführerin bescheidmäßig vorgeschrieben wurden, ändert nichts an der Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 28.09.1998, 98/16/0018) bestimmt sich der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob der Geschäftsführer seinen abgabenrechtlichen Pflichten zu ihrer Abstattung nachkam und ob die Gesellschaft die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben wie den Lohnabgaben ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 10.11.1993, 91/13/0181) somit maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären.

Unberechtigt ist auch der Einwand, es fehle an einer schuldhaften Pflichtwidrigkeit gemäß § 9 Abs. 1 BAO, da dem Abgabenbescheid die irrige Rechtsansicht der Behörde zugrunde liege, das Unternehmen hätte Dienstverhältnisse nach § 4 Abs. 2 ASVG begründet. Selbst wenn diese Rechtsansicht zuträfe sei die Beschwerdeführerin einem Rechtsirrtum unterlegen, der eine Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ausschließe.

Zwar berechtigen nur schuldhafte Verletzungen der abgabenrechtlichen Pflichten zur Haftungsinanspruchnahme, eine bestimmte Schuldform ist aber nicht gefordert, sodass bereits leichte Fahrlässigkeit ausreicht. Nach der Judikatur trägt das Risiko des Rechtsirrtums derjenige, der es verabsäumt, sich an geeigneter Stelle - somit bei der zuständigen Abgabenbehörde - zu erkundigen. Der Hinweis auf eine mehrere Jahre vor dem Eintritt der Beschwerdeführerin in das Unternehmen durchgeführte Lohnsteuerprüfung ist jedenfalls nicht geeignet, die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung auszuschließen. Auch der Erhalt einer Unbedenklichkeitsbescheinigung ist nicht zum Nachweis dafür geeignet, dass die Beschwerdeführerin alles richtig gemacht habe, was ihr Verschulden an der Uneinbringlichkeit von Abgaben ausschließe. Es sind im vorliegenden Fall sonst keinerlei Umstände aufgezeigt worden, welche die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung widerlegen könnten. Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Im vorliegenden Fall wird von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme unter anderem nicht gesprochen werden können, da die Abgabenschuld vom Hauptschuldner nicht eingebracht werden kann und dies der Beschwerdeführerin wegen ihrer schuldhaften Pflichtverletzung hinsichtlich der Entrichtung der Abgaben vorwerfbar ist. Sonstige Einwendungen gegen die Ermessensübung wurden in der Beschwerde nicht vorgebracht. Wenn das öffentliche Interesse an einem gesicherten Abgabenaufkommen nur durch Geltendmachung der Haftung gewahrt werden kann, kann in der Heranziehung der Beschwerdeführerin eine Überschreitung des vom Gesetz vorgegebenen Ermessensrahmens nicht erkannt und nicht gesagt werden, die Abgabenbehörde hätte von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht. Auch eine Unbilligkeit der Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin liegt nicht vor, da feststeht, dass sie ihre abgabenrechtlichen Pflichten nicht vollständig erfüllt hat. Hätte sie ordnungsgemäß gehandelt, hätte es keine Nachforderungen gegeben. Insgesamt gesehen ist daher die Geltendmachung der Haftung unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Intereses an der Einbringung der Abgaben geboten. Auf Grund des bereits im Haftungsbescheid dokumentierten Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 9 und 80 BAO erfolgte die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin als Haftungspflichtige für die Abgabenschuldigkeiten der Firma ***Primärschuldnerin*** i.L. im Ausmaß von insgesamt € 34.835,79 daher zu Recht. Im Übrigen wird auf die Begründung des Haftungsbescheides vom 30.07.2020 verwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Vorlageantrag

Mit Vorlageantrag vom 14.10.2020 beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Vorlageantrag lautet:
"In umseits bezeichneter Rechtssache stellt die Beschwerdeführerin gem § 264 BAO einen

VORLAGEANTRAG

an das Verwaltungsgericht und führt ergänzend aus:

1. Vorliegen eines Nicht-Bescheides bzw Nochnicht-Bescheides

In der Beschwerdevorentscheidung wird nicht darauf eingegangen, dass sich der dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Abgabenbescheid an ein nicht existentes Rechtsgebilde, nämlich an eine liquidierte, gelöschte und beendete GmbH richtet. Die Beschwerdevorentscheidung zitiert zwar Entscheidungen des VwGH, wonach zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden ist, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt, jedoch wird dabei übersehen, dass der zugrunde liegende Abgabenbescheid nicht nur inhaltlich falsch ist, sondern dass es sich dabei gar nicht um einen Bescheid handelt:

Gem § 97 BAO werden Erledigungen grundsätzlich durch Zustellung wirksam. Eine Erledigung (ein Bescheid) entfaltet vor Bekanntgabe an den Adressaten keinerlei Rechtswirkungen. Es handelt sich um einen "Nochnicht-Bescheid", der sogar jederzeit von der Behörde zurückgenommen, abgeändert oder durch eine andere Erledigung ersetzt werden kann (Ritz in BAO6 § 97 RZ 1 mwN). Auch an nicht Prozessfähige bekannt gegebene Bescheide sind unwirksam (Ritz, aaO, RZ 2). Eine aufgelöste, liquidierte, gelöschte und vollbeendete GmbH ist nicht mehr Teil des Rechtsbestandes und daher auch nicht prozessfähig. Dies gilt für alle nicht mehr existierenden Gesellschaften (Ritz, aaO, RZ 2 mit zahlreichen Nachweisen).

Die Heranziehung zur Haftung setzt zwar keinen inhaltlich richtigen Abgabenbescheid voraus, sie setzt aber jedenfalls einen Abgabenbescheid voraus. Daher ist bereits jetzt im vorliegenden Beschwerdeverfahren über den Haftungsbescheid auch darüber zu entscheiden, ob der zugrunde liegende Abgabenbescheid überhaupt ein Bescheid ist, oder ob es sich dabei um einen Nicht-Bescheid bzw Nochnicht-Bescheid handelt, dies mangels Existenz des Bescheid-Adressaten.

2. Kein Verschulden

Die Heranziehung zur Haftung setzt auch Verschulden voraus. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin eine vertretbare Rechtsansicht eingenommen. Als sie die Geschäftsführung übernahm, war es bereits langjährige Praxis im Unternehmen der Abgabenpflichtigen, dass verschiedene Vertragspartner wie zB Kameraleute, Cutter , Maskenbildner, etc als freie Dienstnehmer bzw Werkvertragsnehmer eingestuft wurden .

Diese langjährige Praxis wurde von den Abgabenbehörden im Zuge einer Steuerprüfung als zutreffend eingestuft und nicht beanstandet. Die Beschwerdeführerin war daher ohne ihr Verschulden, und zwar aufgrund einer Handlung des Finanzamtes, der Ansicht, dass ihre steuerliche und abgabenrechtliche Beurteilung korrekt ist. Der zur Haftung herangezogene Vertreter einer juristischen Person kann sich auf die Angaben der Abgabenbehörden verlassen. Wenn das Finanzamt selbst eine langjährige steuerliche Praxis für in Ordnung befindet, so kann sich der zur Haftung herangezogene Vertreter darauf verlassen. Dies schließt aber das Verschulden aus.

Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Liquidation der GmbH, deren Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin war, einen Gläubigeraufruf in der Wiener Zeitung voraussetzt. Das Finanzamt ist dem Aufruf aber nicht gefolgt. Die Beschwerdeführerin konnte daher darauf vertrauen, dass keine Abgabenrückstände bestehen.

Im Übrigen ist auch erheblich, dass die Beschwerdeführerin zwei Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom Finanzamt erhalten hat, wonach keine Abgabenrückstände bestehen. Die Beschwerdeführerin war in Ermangelung eines Steuerdeliktes berechtigt, auf diese Auskünfte zu vertrauen. Die Beschwerdeführerin hat die Unbedenklichkeitsbescheinigungen nämlich vor Beendigung der Liquidation und somit vor Verteilung des noch vorhandenen Vermögens an die Gesellschafter eingeholt. Hätte sie gewusst, dass noch Zahlungen zu leisten sind, hätte sie das Vermögen nicht an die Gesellschafter verteilt, sondern dieses für die Erfüllung offener Abgabenverbindlichkeiten verwendet.

Die belangte Behörde führt in der Beschwerdevorentscheidung zwar aus, dass weder eine Steuerprüfung noch der Erhalt zweier Unbedenklichkeitsbescheinigungen das Verschulden ausschließt, jedoch begründet die belangte Behörde diese Ansicht mit keinem Wort.

3. Antrag auf Entscheidung durch den Senat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Die Beschwerdeführerin beantragt gem § 272 BAO die Entscheidung durch den zuständigen Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung."

Vorlagebericht

Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und vom Finanzamt als belangter Behörde im Vorlagebericht angeführt, dass die Aufhebung des Haftungsbescheides im Wesentlichen damit begründet wurde, dass der Haftungsbescheid auf einem nichtigen Abgabenbescheid beruhe und die Beschwerdeführerin am Unterbleiben der Zahlung der Abgabenschulden kein Verschulden träfe.

Beschluss vom12.4.2021 und 6.7.2021 an das Finanzamt

Mit Beschluss vom 12.4.2021 wandte sich das Bundesfinanzgericht wie folgt an die belangte Behörde:
"I. Aus den Aktenteilen, die zusammen mit dem Vorlagebericht vom 9.3.2021 dem Bundesfinanzgericht vorgelegt wurden, und aus dem Beschwerdevorbringen geht hervor, dass die ***Primärschuldnerin*** (Primärschuldnerin) im Jahr 2015 nach Durchführung eines Liquidationsverfahrens aus dem Firmenbuch gelöscht wurde. Nach derzeitigem Verfahrensstand ist nicht ersichtlich, dass die Primärschuldnerin noch über Aktivvermögen verfügt oder zu einem Aktivvermögen gelangen könnte.

In der Beschwerde wird von der Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass die Bescheide über die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen (DB) und von Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag (DZ) unwirksam sein könnten, zumal diese Erledigungen an die Primärschuldnerin gerichtet sind. Sollte sich dieses Vorbringen als zutreffend erweisen, gibt es im Haftungsverfahren keine Bindungswirkung an diese Erledigungen.

Aus dem Bericht über die Außenprüfung ist - nach derzeitiger Ansicht des Bundesfinanzgerichts - nicht ersichtlich, ob (und allenfalls für welche Personen) "freie" oder "echte" Dienstverhältnisse nach Ansicht der belangten Behörde vorliegen.

Die belangte Behörde wird aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen.

II. Das Finanzamt Österreich als Rechtsnachfolger des Finanzamtes Wien 8/16/17 wird gemäß § 266 Abs 4 BAO aufgefordert, jene Aktenteile vorzulegen, aus den ersichtlich ist, welche Personen im Jahr 2013 auf Grund welcher Tätigkeiten als freie oder echte Dienstnehmer eingestuft wurden.

III. Im angefochtenen Haftungsbescheid werden die Abgaben, für die die Beschwerdeführerin zur Haftung herangezogen wurde, wie folgt angeführt:

Die belangte Behörde wird aufgefordert, den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag auf die einzelnen Monatsbeträge aufzugliedern.

[…]

Begründung

Dem Bundesfinanzgericht obliegen Entscheidungen über Beschwerden in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben. Dabei gelten die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) sinngemäß in Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, soweit sie im Verfahren der belangten Behörde gelten (§ 2a BAO). Gemäß § 115 BAO sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Amts wegen zur erforschen.

Gemäß § 269 Abs. 1 BAO haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Zu solchen Obliegenheiten und Befugnissen zählen insbesondere Beweisaufnahmen sowie die Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs (vgl. VwGH 19.10.2016, Ra 2016/15/0058, mwN). Obliegt die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, so können die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 BAO eingeräumten Rechte zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden (§ 272 Abs 4 BAO). Zu diesen Rechten gehören auch verfahrensleitende Beschlüsse (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren, § 269 BAO Tz 1 iVm § 25a VwGG Tz 10).

Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid vorangegangen ist. Ein solcher - die Bindungswirkung auslösender - Abgabenbescheid liegt dann nicht vor, wenn eine solche Erledigung mangels Zustellung nicht wirksam geworden ist.

Der Haftungspflichtigen muss von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung der Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die die Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (VwGH 11.7.2000, 2000/16/0227). Die zur Haftung Herangezogene muss jedenfalls den gegen sie geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können.

Im Bericht über Außenprüfung vom 22.10.2019 findet sich in der Begründung, dass die Beschwerdeführerin im Prüfzeitraum insgesamt 38 Personen im Rahmen eines Werkvertrages bzw. auf Honorarbasis beschäftigte und diese Personen folgende Tätigkeiten ausübten: "Studioumbau, Cutter, Kameramann, Kameraassistenz, Maskenbildner, Grafiker, Bildmeister und Tontechniker. Nach Erhebung der Beschäftigungsumstände bei ***EF*** musste festgestellt werden, dass eine höhere Anzahl der obgenannten Personengruppen ihre Tätigkeit, bei Zutreffen der nachstehend näher begründeten Feststellungen, im Rahmen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ausgeübt haben."

[…]

Aufgrund der durchgeführten Erhebungen bei ***EF*** und diversen Überprüfungen wurde festgestellt, dass die oben angeführten, gegenständlichen Vertragsverältnisse keine Deckung mit dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der vereinbarten Tätigkeiten iSd § 539a ASVG ivm. mit § 21 BAO finden, weshalb eine abschließende Qualifizierung der Vertragsverhältnisse als Dienstverhältnisse gem. § 4 Abs. 2 ASVG ivm. § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 vorzunehmen war. […]

Die Nachversteuerung erfolgte für das Jahr 2013 beim Dienstgeberbeitrag, beim Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und bei der Kommunalsteuer. Für die nachgemeldeten Dienstnehmer wurde keine Lohnsteuer nachverrechnet, da diese Personen laut Finanzamt ihr Einkommen im Zuge der Einkommensteuererklärung veranlagt haben.

Es finden sich darin keine nachvollziehbaren Feststellungen, welche Personen im Jahr 2013 von dieser Begründung betroffen sein sollen, zumal im Bericht über die Außenprüfung überhaupt nicht angeführt ist, welche Personen als Dienstnehmer eingestuft wurden. Unklar ist darüber hinaus, ob die belangte Behörde nun von "freien Dienstverhältnissen" oder von "echten Dienstverhältnisses" ausgeht.

Wird Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag nur in Jahresbeträgen bekannt gegeben und ergibt sich aus dem Haftungsbescheid nicht, wie sich diese monatlichen Beträge zu den Jahresbeträgen verhalten, wurde die Beschwerdeführerin damit nicht in die Lage versetzt, die geforderte Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen vorzulegen und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu berechnen."

In einem ersten Antwortteil hat die belangte Behörde dazu zahlreiche Unterlagen vorgelegt (Honorarnoten über Werkverträge sowie von freien Dienstnehmern, Schlussbesprechungsunterlagen, eine Niederschrift sowie ein Aktenvermerk). Die Niederschrift vom 6.9.2019 mit ***GH*** lautet:
"Gegenstand der Amtshandlung: Tätigkeiten der freien Dienstnehmer und der Werkvertragsnehmer Herr ***GH*** wird zu Beginn der Amtshandlung darüber in Kenntnis gesetzt, dass gemäß § 42 ASVG Dienstgeberinnen und Dienstgebern sowie im Fall einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 oder § 36 Abs. 2 ASVG auch die Bevollmächtigten verpflichtet sind, wahrheitsgemäß Auskunft über alle für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände betreffend die bei ihr/ihm beschäftigten oder beschäftigt gewesenen Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer zu erteilen.

Werden diese Auskünfte nicht oder falsch erteilt, stellt dies gemäß § 111 Abs. 1 Z 3 und 6 ASVG eine Ordnungswidrigkeit dar, welche von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafen von 730 € bis zu 2180 €, im Wiederholungsfall von 2180 € bis zu 5 000 €, zu bestrafen ist.

Auf Befragung der Leiterin/des Leiters der Amtshandlung wird Folgendes wahrheitsgemäß angegeben:

Meine Gattin, Frau ***Bf1*** war vom 16.03.2011 bis 14.08.2014 als Geschäftsführerin in der obgenannten Gesellschaft tätig, im gegenständlichen Prüfzeitraum (GPLA 01/2013 -12/2013) wurden mehrere Personen im Rahmen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 4 ASVG als freie Dienstnehmer (Tätigkeiten: Kabelhilfe, Maskenbildner, Studioassistent, Sekretariat (***Primärschuldnerin***), Kameraassistenz und Autocue-Operator) beschäftigt. Ebenso waren mehrere Personen im Rahmen eines Werkvertrages (Tätigkeiten: Studioumbau Cutter, Kameramann, Kameraassistenz, Maskenbildner, Grafiker, Bildmeister und Tontechniker) für die Gesellschaft tätig.

Vom 02.10.2003 bis 30.09.2013 bestand zwischen der ***Primärschuldnerin*** (***Primärschuldnerin***) und der ***EF*** (***EF***) ein Produktionsrahmenvertrag.

Frage (F): Wie kam dieser Vertrag zustande und wie wurden die darin festgehaltenen Vereinbarungen tatsächlich umgesetzt?

Antwort (A): Der Vertrag zwischen der ***Primärschuldnerin*** und ***EF*** wurde von meiner, bereits verstorbenen, Schwester, Frau ***IJ***, abgeschlossen. Nach ihrem Tod im Februar 2011 erbte ich das Unternehmen (100% Gesellschafter) und berief meine Gattin, Frau ***Bf1***, geb. xx.xx.1965, zur Geschäftsführerin. Der Vertrag wurde tatsächlich nie so gelebt, wie er schriftlich verfasst wurde.

Produktionsplan/Produktionsumfang/***EF***-Sendeschema:
F: Welche Sendungsformate wurden von den Werksvertragsnehmern bzw. den freien Dienstnehmern der
***Primärschuldnerin*** bedient?

A: Die ***Primärschuldnerin*** hat niemals einen Produktionsplan erstellt und auch nie eine eigene Filmproduktion für ***EF*** durchgeführt. Als ich die Firma übernommen habe, waren bereits die meisten echten Dienstnehmer bzw. freie Dienstnehmer sowie die Werkvertragsnehmer für ***EF*** tätig. Tatsächlich haben alle obgenannten Personen - ausgenommen meine Gattin und Herr ***DW5***, der 2 bis 3 Tage im Monat meine Gattin bei der Abrechnungskontrolle unterstützt hat - ausschließlich bei ***EF*** bzw. für ***EF*** gearbeitet.

Kostenplan: Für die bei ***EF*** tätigen, Werksvertragsnehmer bzw. den freien Dienstnehmer der ***Primärschuldnerin*** wurden fixe Tagesgagen von ***EF*** an die ***Primärschuldnerin*** bezahlt.
F: Orientierten sich die Tagesgagen der Werksvertragsnehmer bzw. den freien Dienstnehmer an diesem Kostenplan?

A: Tatsächlich wurden bei einer Neueinstellung von Werksvertragsnehmern die Gagenwünsche der einzelnen Werkvertragsnehmer abgefragt. Dann wurde beim Disponenten von ***EF*** (Herr ***KL***) Rücksprache gehalten, ob die Honorarvorstellung erfüllt werden kann. Nach Zusage von ***EF*** wurde die Honorarhöhe gegenüber dem Werkvertragsnehmer bestätigt oder auch nicht. Tatsächlich fungierte die ***Primärschuldnerin*** nur als Personalvermittler für die ***EF***. Außerdem wurde die Abrechnung anhand der, von ***EF*** zur Verfügung gestellten Unterlagen, administriert. Herr ***KL*** fungierte als externer Disponent für ***EF***. Herr ***KL*** saß im 2. Stock in der Aspernbrückengasse und disponierte das, für die ***EF*** Produktionen notwendige Personal (Kameramänner, Cutter, Maskenbildner, usw.). Ebenso disponierte Herr ***KL*** unsere fix angestellten Bild- und Tonmeister (zB. ***MN***, ***OP***), die in der Studioregie (das ist nicht die Sendeabwicklung) gearbeitet haben.

***EF***-Studionutzung, ***EF***-Ausstattung, Vereinbarung über Nutzung des ***EF*** Studios und der ***EF***-Schnittplätze:
F: In welchem Umfang wurde das
***EF***-Studio bzw. die ***EF***-Ausstattung genützt?

A: Die ***Primärschuldnerin*** hat die Einrichtungen von ***EF*** niemals für eigene Produktionen genützt. Die angestellten Dienstnehmer haben ausschließlich in der ***EF*** -Studioregie gearbeitet. Die freien Dienstnehmer haben ebenso ausschließlich im ***EF***-Studio und in der Studioregie von ***EF*** gearbeitet. Die Werkvertragsnehmer haben sowohl im ***EF*** Studio (Bild- und Tonmeister, Kameramänner, Kabelhelfer, Maskenbildner) als auch außerhalb bei Außendreharbeiten (Kameramann, Kameraassistenten, Maskenbildner) für ***EF*** gearbeitet. Die Cutter haben alle ausnahmslos bei ***EF*** im 1 Stock (Schnittplätze, Schneideräume) gearbeitet. Die Betriebsmittel (zB. Kamera, Schnittplätze, Maskenräume, Schminkmaterial, Tonequipment, Regieplatz) wurden ausschließlich von ***EF*** zur Verfügung gestellt. Die ***Primärschuldnerin*** verfügte nie über entsprechendes Equipment.

Rückerstattung von Beiträgen, die ***EF*** bereits geleistet hat, bei mangelhaften Produktionen:F: Kam es jemals zur Rückerstattung von Beiträgen?
A: Das kam niemals vor, da sie Beiträge ausschließlich unter der Verantwortung von
***EF*** hergestellt worden sind.

F: Konnten sich die Werkvertragsnehmer vertreten lassen?
A: Wenn eine Vertretung notwendig war, wurde diese von Herrn
***KL*** organisiert, da er auch die Dienstplanung durchführte. Wir waren niemals in die Dienstplanerstellung und -Umsetzung eingebunden.

F: Wo bzw. mit welchen Personen haben die freien Dienstnehmer bzw. Werkvertragsnehmer ihre Tätigkeit ausgeübt?

A: Die Dienstnehmer und die freien Dienstnehmer bzw. die Werkvertragsnehmer haben ihre Tätigkeit immer gemeinsam mit den ***EF***-Redakteuren, ***EF***-Regisseuren und mit den Disponenten der ***EF*** ausgeübt. Die notwendigen Arbeitsanweisungen sind immer nur von ***EF*** gekommen. Ebenso wurde die Kontrolle der Arbeitsergebnisse immer nur von ***EF*** ausgeübt. Die ***Primärschuldnerin*** hat nur das Personal rekrutiert und die Abrechnung der Stunden- bzw. Tagesgagen, nach vergleichender Kontrolle zwischen den Arbeitsaufzeichnungen von ***EF*** und den Honorarnoten der freien Dienstnehmer bzw. der Werkvertragsnehmer durchgeführt.

Laut den Honorarnoten haben die freien Dienstnehmer folgende Tätigkeiten ausgeübt?
***DW1*** (Autocue-Operator, Kabelhilfe)
***DW2*** (Kabelhilfe+ Studioassistenz im ***EF*** Studio)
***DW3*** (Autocue-Operator + Kabelhilfe im ***EF*** Studio)
***DW4*** (Maske bei ***EF***)
***DW5*** (Autocue-Operator, Schriftgenerator, MAZ, Unterstützung bei Abrechnungskontrolle ***Primärschuldnerin***)
***DW6***, Mag. (Bedienung Schriftgenerator /***EF*** Liveregie)
***DW7*** (Autocue-Operator + Kabelhilfe im ***EF*** Studio)
***DW8*** (Autocue-Operator, Kabelhilfe)
***DW9***(Maskenbildnerin)
***DW10*** (Bedienung Autocue, Kabelhilfe, Kameraassistent bei ***EF***)

F: Können sie das bestätigen?
A: Ich kann ohne meine Unterlagen keine Auskunft mehr im Detail gegeben.

F: Warum wurde der Produktionsrahmenvertrag per 30.09.2013 beendet?
A:
***EF*** beendete die Zusammenarbeit ohne Angabe von Gründen.
Ich möchte noch anmerken, dass die
***Primärschuldnerin*** bereits mit Gesellschafterbeschluss von 24.07.2014 aufgelöst und mit dem Eintrag der Löschung im Firmenbuch vom 24.03.2015 nicht mehr existiert. Daher konnte der Bescheid über die GPLA nicht rechtswirksam zugestellt werden. Daher sind allfällige Beitragsforderungen für das Jahr 2013 verjährt, sofern sie jemals bestanden haben.
Die ehemalige Liquidatorin, Frau
***Bf1*** hat die Firma nicht mehr vertreten. Eine persönliche Haftung scheidet daher wegen mangelnden Verschuldens aus, da in einer GPLA im Jahr 2010 keine Beanstandungen getroffen worden sind.

Alle Angaben entsprechen der Wahrheit und wurden völlig unbeeinflusst getätigt."

Ein Aktenvermerk vom 10.9.2019 des Prüfers der Wiener Gebietskrankenkasse lautet:
"Sachverhaltsdarstellung zur Tätigkeit der freien Dienstnehmer und Werkvertragsnehmer bei der ***Primärschuldnerin*** und einer daraus resultierenden Haftung entsprechend den Bestimmungen des AÜG:

Vom 02.10.2003 bis 30.09.2013 bestand ein Produktionsrahmenvertrag zwischen der ***Primärschuldnerin*** (***Primärschuldnerin***) und der ***EF*** (***EF***). In diesem Vertrag wurden die Erstellung von ***EF*** Beiträgen, Spots und Sendungen gemäß der in der Anlage "Produktionsplan" aufgelisteten Fernsehformate und Projekte vereinbart. Im Zuge von Erhebungen zum tatsächlichen Tätigkeitsumfang der Gesellschaft und nach Befragung des, von der Geschäftsführerin mit der Vertretung bevollmächtigte, 100% Gesellschafters, war festzustellen, dass die ***Primärschuldnerin*** ausschließlich dazu diente, das, für die ***EF***-Sendungsproduktionen (Studioproduktionen, Außendreharbeiten) notwendige, Personal (u.a. Kameramann bzw. -assistent, Cutter) zur Verfügung zu stellen.

Zu diesem Zweck wurden Personen mittels Angestelltenvertrag, freiem Dienstvertrag bzw. Werkvertrag von der ***Primärschuldnerin*** unter Vertrag genommen. Tatsächlich haben alle, für die ***Primärschuldnerin*** tätigen Personen (ausgenommen die Geschäftsführerin), ausschließlich bei und für ***EF*** gearbeitet. Die Einteilung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes (Dispoplan) sowie die Arbeitsanweisungen und die Kontrolle (Redakteur, Regisseur) oblagen uneingeschränkt ***EF*** bzw. den, von ihr eingesetzten Personen. Die Leistungen dieser Personen wurden nahezu ausschließlich mit den Betriebsmitteln (zB. Kamera, Schneidetisch) der ***EF*** erbracht. Die Höhe des Entgelts bzw. des Honorars orientierte sich ausschließlich an dem, im Produktionsrahmenvertrag integrierten "Kostenplan". In diesem Kostenplan wurden die Stunden- bzw. Tagesgagen der einzelnen Tätigkeiten (zB. Kameramann, Maske, Kabelhilfe) festgelegt. Im Vertretungsfall wurde bei freien Dienstnehmern und Werkvertragsnehmern auf den vorhandenen Pool an Mitarbeiter zurückgegriffen. Die Vertretung wurde von ***EF*** bzw. von ihr eingesetzten Personen und nicht von der ***Primärschuldnerin*** organisiert. In jedem Fall wurden die Vertreter, nach Bekanntgabe des Vertreters durch ***EF***, direkt von der ***Primärschuldnerin*** bezahlt.

Den monatlichen Abrechnungen der ***Primärschuldnerin*** für die ***EF*** ist zu entnehmen, dass tatsächlich nur die, bei der ***Primärschuldnerin*** angefallenen, Personalkosten für Angestellte, freie Dienstnehmer und "Freelancer" (d.s. Werkvertragsnehmer) inklusive der gezahlten Diäten und Kilometergelder mit jeweils 6% Aufschlag für Mängelhaftung und Gewinn sowie der 20% Umsatzsteuer verrechnet worden sind.

Das Vertragsverhältnis wurde per 30.09.2013 beendet. Danach wurde im Zeitraum vom 01.10.2013 bis 31.12.2016 derselbe Produktionsvertrag (allerdings mit geringerem Gewinnaufschlag) zwischen der ***IJ*** (StNr. 33-***Str.Nr.IJ***) und ***EF*** abgeschlossen. Es wurden alle gewöhnlichen Dienstnehmer, freie Dienstnehmer und Werkvertragsnehmer von der ***IJ*** übernommen und weiterhin bei der ***EF*** beschäftigt.

Werkvertragsnehmer (Freelancer):
Die
***Primärschuldnerin*** beschäftigte im Prüfzeitraum insgesamt 37 Personen im Rahmen eines Werkvertrages bzw. auf Honorarbasis. Diese Personen übten folgende Tätigkeiten aus:
Studioumbau, Cutter, Kameramann, Kameraassistenz, Maskenbildner, Grafiker, Bildmeister und Tontechniker. Nach Erhebung der Beschäftigungsumstände bei
***EF*** musste festgestellt werden, dass eine höhere Anzahl der obgenannten Personengruppen ihre Tätigkeit, bei Zutreffen der nachstehend näher begründeten Feststellungen, im Rahmen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ausgeübt haben. Im Wesentlichen wurden in diesen Fällen folgende Arten von Beschäftigungen bei der ***Primärschuldnerin*** vorgefunden:

1. Tätigkeiten im Rahmen von Indoor-Studioproduktionen, welche ausschließlich in den Räumlichkeiten der ***EF***, mit den Betriebsmitteln der ***EF*** und unter Regie- bzw. Redaktionsanweisungen der ***EF*** ausgeübt worden sind (zB. Cutter, Kameramann).

2. Tätigkeiten im Rahmen von Outdoor-Produktionen, welche mit bzw. zum Teil mit Betriebsmitteln der ***EF*** und aufgrund von Regieanweisungen und/oder im, von ***EF*** koordinierten, Kameraverbund ausgeübt worden sind (zB. Übertragung UCL- es sind mehrere Kameras und ein "Regisseur" notwendig).

3. Tätigkeiten im Rahmen von Produktionen der ***EF***, welche regelmäßig bzw. notwendigerweise in organisatorischer Einbindung in die Betriebsstruktur ***EF*** erbracht worden sind (zB. Maskenbildner/Früh- und Spätdienste).

Freie Dienstnehmer
Die bei
***Primärschuldnerin*** gemeldeten, freien Dienstnehmer führten folgende Tätigkeiten hauptsächlich im Studio der ***EF*** aus: Kabelhilfe, Maskenbildner, Studioassistent, Kameraassistenz und Autocue-Operator. Nach niederschriftlicher Befragung des, von der Geschäftsführerin bevollmächtigten, 100% Gesellschafters bzw. wie bei früheren branchengleichen Überprüfungen bereits erhoben, war festzustellen, dass es sich bei den oben angeführten Tätigkeiten keinesfalls um Tätigkeiten im Sinne des § 4 Abs. 4 gemäß ASVG handelt. Tatsächlich wurden diese Tätigkeiten immer persönlich unter Einbindung in die betriebliche Struktur des Senders, sowie unter Vorgabe der Arbeitszeit (Dispo- bzw. Dienstplan) und des Arbeitsortes durchgeführt. Wie der 100% Gesellschafter niederschriftlich auch bestätigt hat, waren die Personen an die Weisungen der jeweiligen Sendeleitung (u.a. Redakteur, Regisseur) gebunden und wurden von dieser auch kontrolliert. Das im freien Dienstvertrag eingeräumte generelle Vertretungsrecht wurde tatsächlich nicht gelebt, da im Vertretungsfall auf den vorhandenen Pool an Mitarbeiter zurückgegriffen bzw. von ***EF*** die Vertretung organisiert worden ist. In jedem Fall wurden die Vertreter direkt von der ***Primärschuldnerin*** bezahlt.

Aufgrund der durchgeführten Erhebungen bei ***Primärschuldnerin*** und ***EF*** sowie bei vorangegangenen Überprüfungen bei Privatsendern wurde festgestellt, dass die oben angeführten, gegenständlichen Vertragsverhältnisse keine Deckung mit dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der vereinbarten Tätigkeiten iSd § 539a ASVG ivm. mit § 21 BAO finden, weshalb eine abschließende Qualifizierung der Vertragsverhältnisse als Dienstverhältnisse gem. § 4 Abs. 2 ASVG ivm. § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 vorzunehmen war.

Nach Würdigung des oben angeführten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass das Vertragsverhältnis zwischen der ***Primärschuldnerin*** (Überlasser) und der ***EF*** (Beschäftiger) tatsächlich als Arbeitskräfteüberlassung gemäß den Bestimmungen des AÜG § 4 Abs. 1 und 2. zu bewerten ist.

Dementsprechend wäre die ***EF*** als Bürge bzw. Ausfallsbürge im Sinne des § 14 Abs. 1 und 2. heranzuziehen.
[…]
"

Mit Schreiben vom 11.5.2021 gab die belangte Behörde folgende Stellungnahme ab:
"Ad Punkt I.:
Dass die Primärschuldnerin nach derzeitigem Verfahrensstand nicht mehr über Aktivvermögen verfügt oder zu einem Aktivvermögen gelangen könnte, war Voraussetzung dafür, dass der gegenständliche Haftungsbescheid erlassen werden konnte.

Zum Zeitpunkt, in dem die Bescheide über die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen (DB) und von Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag (DZ) erlassen wurden, dem 22.10.2019, war das Unternehmen zwar schon im Firmenbuch gelöscht, es ergab sich aber durch die Prüfung der Lohnabgaben ein neuerlicher Abwicklungsbedarf. Wie aus dem E-Mail-Verkehr zwischen dem Prüforgan Herrn ***QR*** und der SVZG-GPLA (WGKK) vom 13.09.2019 hervorgeht, kam es wegen der Umqualifizierung der Vertragsverhältnisse als Dienstverhältnisse gemäß § 4 Abs. 2 ASVG iVm § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 zu einer Rückverrechnung eines Betrages von € 228.573,70. Da in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen wird, dass die Löschung im Firmenbuch nur "deklarativ" wirke und die Gesellschaft solange fortbestehe, als noch Aktivvermögen vorhanden ist, hat auch im vorliegenden Fall die noch nicht gänzlich vermögenslose Gesellschaft mit ihrer Löschung im Firmenbuch ihre Existenz nicht verloren. Wird die Gesellschaft gelöscht, obwohl sie noch über verwertbares Vermögen verfügt, das aus welchen Gründen auch immer zunächst nicht berücksichtigt wurde, so ist ihre Rechtspersönlichkeit noch nicht erloschen. Es liegt daher sehr wohl ein Fall des § 80 Abs. 3 BAO vor und die Zustellung der Bescheide vom 22.10.2019 über die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen (DB) und von Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag (DZ) erfolgte wirksam an die Beschwerdeführerin als Vertreterin der Primärschuldnerin.

Teilt man diese Ansicht des Finanzamtes nicht, wurden die gegenständlichen Abgaben im Haftungsbescheid vom 30.07.2020 erstmalig festgesetzt und wäre der Beschwerdeführerin vom Bundesfinanzgericht Gelegenheit zu bieten, Berechnungsgrundlagen für diese Abgaben nachzureichen und allenfalls bekanntgegebene Beträge mit geeigneten Unterlagen wie Kassabuch und Bankkonten nachzuweisen.

Darüber hinaus hätte die Beschwerdeführerin nachzuweisen, dass sie zu den Fälligkeitszeitpunkten alle Gläubiger der Gesellschaft gleich behandelt hat. Aus der am 16.04.2021 nachgereichten Schlussbesprechungsunterlage vom 09.09.2019 ist ersichtlich, wie die Vertragsverhältnisse jeder einzelnen Person eingestuft wurden, und weshalb dies erfolgte.

Ad Punkt: ll.:

Die gegenständlichen Lohnabgaben DB und DZ 2013 sind das Resultat einer Außenprüfung gemäß § 150 BAO, in der von ***QR***, einem Organ der Wiener Gebietskrankenkasse, Lohnkonten, UZ, WR, Dienstverträge, Werkverträge, Buchhaltung, Saldenlisten, Honorarnoten, Diäten und Km-Geld des Zeitraums 01.01.2013 bis 31.12.2016 auf die ordnungsgemäße Berechnung und Entrichtung von Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Abzugsteuer kontrolliert wurden. Dabei stellte sich im Wesentlichen heraus, dass von der Firma ***Primärschuldnerin*** diverse Personen mittels freien Dienstvertrags bzw. Werkvertrags kontraktiert worden waren. Eine höhere Anzahl der obgenannten Personengruppen hat ihre Tätigkeit tatsächlich im Rahmen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ausgeübt. Um welche Personen es sich dabei handelt und welche Tätigkeiten diese ausgeübt haben, ist leider aufgrund eines Programmfehlers im Bericht vom 22.10.2019 über das Ergebnis der Außenprüfung nicht ersichtlich, da anstatt des jeweiligen Namens "<![CDATA[" aufscheint. In der nachgereichten Schlussbesprechungsunterlage vom 09.09.2019 sind diese Namen aber leicht nachvollziehbar dargestellt.

Vom Prüforgan der WGKK wurden sämtliche Unterlagen eingesehen und für jeden einzelnen Beschäftigten die Abrechnungen exemplarisch für jeweils nur einen Monat kopiert und zum Akt genommen. Diese Unterlagen wurden als Honorarnoten_Werkvertragsnehmer_B-H, K-N und P-W vom 01.01.2014 bereits am 16.04.2021 dem Bundesfinanzgericht nachgereicht. Weitere Unterlagen sind im Steuerakt nicht verfügbar, sollten aber bei der Beschwerdeführerin als ehemaliger Liquidatorin und Buchverwahrerin aufliegen. Das Finanzamt ist daher derzeit nicht in der Lage, die geforderte monatsweise Aufgliederung des Dienstgeberbeitrags und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag 2013 vorzulegen. Allerdings hat die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Liquiditätsaufstellung ohnehin die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Dabei hat sie selbst die Beträge darzustellen, die von ihr an Löhnen und Lohnabgaben geschuldet wurden und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu berechnen. Dies umso mehr als es sich bei den Lohnabgaben um von der Abgabepflichtigen selbst zu berechnende Abgaben handelt. Die dafür benötigten Unterlagen und Informationen hätte die Beschwerdeführerin als einzige Geschäftsführerin im gegenständlichen Zeitraum und spätere Liquidatorin zunächst schon im Hinblick auf ihre mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtige, spätestens jedoch nach Erhalt des Haftungsbescheides vom 30.07.2020 sichern müssen, damit ihr die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglicht wird. Im Übrigen geht aus dem Prüfbericht hervor, dass die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der Abgabenbehörde gegenüber überhaupt keine Lohnabgaben entrichtete, da sie die Vertragsverhältnisse der in ihrem Unternehmen als Werkvertragsnehmer oder freie Dienstnehmer beschäftigten Personen nicht als im Rahmen von Dienstverhältnissen im Sinne von § 4 Abs. 2 ASVG iVm § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 einzustufende behandelt hat, womit hinsichtlich der Lohnabgaben offensichtlich eine 100 %ige Gläubigerbenachteiligung bewirkt wurde.

Erforderlichenfalls kann trotzdem von der Abgabenbehörde nach Übermittlung von Aufstellungen über die im Zeitraum Februar bis September 2013 an die Vertragspartner der Primärschuldnerin geleisteten Zahlungen eine Aufgliederung auf die einzelnen Monatsbeträge an Dienstgeberbeiträgen und Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag vorgenommen werden."

Ein beigelegtes E-Mail der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft an die Wiener Gebietskrankenkasse betreffend der Zuordnung der Werkvertragsnehmer zum ASVG bzw. zum GSVG lautet:

Mit Beschluss vom 6.7.2021 wandte sich das Bundesfinanzgericht mit dem Auftrag, die monatlichen Bemessungsgrundlagen für den Dienstgeberbeitrag (DB) und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ) aufgeschlüsselt auf die einzelnen Monate vorzulegen, erneut an die belangte Behörde. Daraufhin gab die belangte Behörde die monatlichen Bemessungsgrundlagen wie folgt bekannt:

Mündliche Verhandlung:

Mit Faxnachricht vom 14.1.2022 wurde auf Grund der Corona-Situation auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war vom 16.03.2011 bis 14.08.2014 Geschäftsführerin der Primärschuldnerin. Mit Gesellschafterbeschluss vom 24.07.2014 wurde die Primärschuldnerin aufgelöst. Die Liquidationsbilanz vom 30.11.2014 weist kein Vermögen der Primärschuldnerin auf. Die Beschwerdeführerin wurde zur Verwahrerin der Bücher bestellt. Am 11.12.2014 bescheinigte das Finanzamt Wien 8/16/17, dass zu diesem Zeitpunkt keine fälligen Abgabenschulden bestanden. Am 16.3.2015 stellte das Finanzamt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Am 24.03.2015 wurde die Löschung infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch eingetragen.

Im Jahr 2019 wurde eine Außenprüfung bei der Primärschuldnerin abgeschlossen. Am 22.10.2019 wurde ein Sammelbescheid hinsichtlich Dienstgeberbeitrag, Dienstgeberzuschlag und Säumniszuschläge erstellt. Der Bescheid ist an die Primärschuldnerin zu Händen der Beschwerdeführerin gerichtet. Es konnte nicht festgestellt werden, wann dieser Bescheid der Beschwerdeführerin übergeben wurde.

Mit Bescheid vom 30.7.2020 wurde die Beschwerdeführerin zur Haftung für Dienstgeberbeiträge und Dienstgeberzuschläge als Geschäftsführerin der Primärschuldnerin herangezogen.

Die Primärschuldnerin schloss im Jahr 2002 mit der ***EF*** einen Produktionsrahmenvertrag, in dem sie sich zur Erstellung von Beiträgen, Spots und Sendungen verpflichtete. Tatsächlich wurde diese vertragliche Tätigkeit nie aufgenommen. Vielmehr nahm die Primärschuldnerin das für die ***EF***-Sendungsproduktionen notwendige Personal meist als Werkvertragsnehmer oder freie Dienstnehmer unter Vertrag. Diese Personen haben ausschließlich bei bzw. für ***EF*** gearbeitet. Die Leistungen dieser Personen wurden mit Betriebsmitteln der ***EF*** erbracht, zumal die Primärschuldnerin gar nicht über das nötige Equipment verfügte. Die Einteilung von Arbeitszeit und Arbeitsort sowie das Erteilen von Arbeitsanweisungen und die Kontrolle oblagen ***EF***. Vertretungen wurden von der ***EF*** organisiert.
Die Abrechnungen erfolgten über die Primärschuldnerin, wobei die standardmäßig geführten Stundenaufzeichnungen als Abrechnungsgrundlage diensten. Die unter Vertrag genommenen Personen legten Rechnungen bzw. Honorarnoten, die sich an Kostenplänen orientierten, an die Primärschuldnerin. Die Höhe der Stundensätze der Vertragspartner wurde vor Beginn ihrer Tätigkeit mit ***EF*** abgeklärt. Die Primärschuldnerin erstellte im haftungsgegenständlichen Zeitraum pro Monat eine Rechnung an die ***EF***, mit der sie sämtliche Personalkosten samt Diäten und Kilometergelder zuzüglich eines Aufschlages für Mängelhaftung in Höhe von 6 % sowie eines Gewinnaufschlages in Höhe von 6%, abrechnete.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Geschäftsführertätigkeit der Beschwerdeführerin sind unstrittig und ergeben sich sowohl aus den Angaben der Beschwerdeführerin als auch aus den Eintragungen im Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin.

Die Feststellungen zur Auflösung und Liquidation der Primärschuldnerin gründen sich einerseits auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde, der auch die entsprechenden Beilagen (Liquidationsbilanz, Unbedenklichkeitsbescheinigung) angeschlossen waren sowie auf eine Einsichtnahme in den Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin. In der Liquidationsbilanz vom 30.11.2014 ist weder Anlage- noch Umlaufvermögen enthalten; lediglich Verbindlichkeiten (in Höhe des Bilanzverlustes) gegenüber Gesellschaftern sind verzeichnet.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 18.12.2014, der beim Firmenbuch hinterlegt ist und in den Einsicht genommen wurde, wurde die Beschwerdeführerin zur "Verwahrerin der Bücher und Schriften" der Primärschuldnerin bestellt.

Die Feststellung, dass die Primärschuldnerin zum Zeitpunkt der Löschung im Firmenbuch vermögenslos war, ergibt sich einerseits aus der mit der Beschwerde vorgelegten Liquidationsbilanz, die weder Anlage- noch Umlaufvermögen aufweist, und andererseits ist auch die belangte Behörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung von der Vermögenslosigkeit ausgegangen.

Aus dem Bericht über die Außenprüfung vom 22.10.2019 ist ersichtlich, dass der Zeitraum 2013 bis 2016 einer Prüfung unterzogen wurde. Aus den - unwidersprochenen - Angaben der Beschwerdeführerin geht hervor, dass am 24.01.2018 von der Wiener Gebietskrankenkasse ein Bescheid über einen Prüfungsauftrag über den Zeitraum ab 01.01.2013 erstellt wurde. Ebenfalls am 22.10.2019 erstellte die belangte Behörde einen
- Bescheid über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) in Höhe von € 45.735,81;
- Säumniszuschlagsbescheid für den DB in Höhe von € 639,84;
- Bescheid über die Festsetzung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) in Höhe von € 4.065,35;
- Säumniszuschlagsbescheid für den DZ in Höhe von € 56,87.
In der Begründung des Sammelbescheides wurde auf den Bericht vom 22.10.2019 sowie allenfalls auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung verwiesen. Der Bescheid ist wie folgt adressiert:
"***Primärschuldnerin***.
z.H.
***Bf1***
***Bf1_Adr***
***Bf1_Ort***"
Weder in den vorgelegten noch in den nachgereichten Unterlagen findet sich ein Nachweis über die Zustellung des Sammelbescheides vom 22.10.2019.

In der Niederschrift vom 6.9.2019, die im Zuge der Außenprüfung durch ein Organ der Wiener Gebietskrankenkasse mit dem Alleingesellschafter aufgenommen wurde, geht hervor, dass zwischen der Primärschuldnerin und der ***EF*** ein Produktionsrahmenvertrag bestand, die von der mittlerweile verstorbenen Geschäftsführerin im Jahr 2002 abgeschlossen wurde. Im Bericht über die Außenprüfung ist festgehalten, dass in diesem Vertrag vereinbart wurde, dass die Primärschuldnerin der ***EF*** für deren Sendungsproduktionen (Studioproduktionen, Außendreharbeiten) das notwendige Personal (u.a. Kameramann bzw. -assistent, Cutter) zur Verfügung stellt. Das Personal wurde dabei für folgende Tätigkeiten herangezogen:
1. Tätigkeiten im Rahmen von Indoor-Studioproduktionen, die ausschließlich in den Räumlichkeiten der ***EF***, mit den Betriebsmitteln der ***EF*** und unter Regie- bzw. Redaktionsanweisungen der ***EF*** ausgeübt worden sind (zB. Cutter, Kameramann).
2. Tätigkeiten im Rahmen von Outdoor-Produktionen, welche aufgrund von Regieanweisungen und/oder im, von ***EF*** koordinierten, Kameraverbund ausgeübt worden sind (zB. Übertragung UCL- es sind mehrere Kameras und ein ,,Regisseur" notwendig).
3.Tätigkeiten im Rahmen von Produktionen der ***EF***, welche in organisatorischer Einbindung in die Betriebsstruktur ***EF*** erbracht worden sind (zB. Maskenbildner/Früh- und Spätdienste).
Dazu gab der Gesellschafter im Rahmen der Niederschrift an, dass der Produktionsrahmenvertrag nie so gelebt wurde, wie er verfasst wurde, weil die Primärschuldnerin nie eigene Produktionen für ***EF*** durchgeführt hätte, selbst gar nicht über entsprechendes Equipemt verfügt hatte und sämtliche freie Dienstnehmer und Werkvertragsnehmer ausschließlich für ***EF*** gearbeitet hätten, wobei auch die Arbeitsanweisungen von ***EF*** erteilt wurden. Auch im Bericht über die Außenprüfung ist festgehalten, dass die Tätigkeiten notwendigerweise in organisatorischer Einbindung in die Betriebsstruktur bei ***EF*** erbracht wurden.
Ebenfalls aus der Niederschrift ist zu entnehmen, dass bei Neueinstellungen die Gagenwünsche der Vertragspartner abgefragt wurden und in weiterer Folge mit ***EF*** Rücksprache gehalten wurde, ob die Honorarforderung erfüllt werden kann. Die Abrechnung, die von der Primärschuldnerin durchgeführt wurde, wurde anhand der von ***EF*** zur Verfügung gestellten Unterlagen erstellt. Diese Angaben des Gesellschafters decken sich mit den im Zuge der Außenprüfung erhobenen Unterlagen: Für jeden Vertragspartner wurde pro Monat eine Excel-Tabelle erstellt, die die genauen Arbeitszeiten (Beginn- und Endzeit), allfällige Überstunden und die Angabe, bei welcher Sendung/Produktion mitgewirkt wurde, enthält.
Beispiel einer Excel-Tabelle mit den Arbeitsaufzeichnungen:

Auf Grund dieser Excel-Tabelle hat dann jeder Vertragspartner seine Rechnung bzw. Honorarnote erstellt.
Beispiel einer Rechnung:

In der Niederschrift vom 6.9.2019 wurde noch festgehalten, dass die Primärschuldnerin niemals in eine Dienstplanerstellung eingebunden war. Diese Angaben passen auch zu den Ausführungen des Außenprüfers in einem Aktenvermerk für die "Abteilung Beitragseinhebung" vom 10.9.2019, wonach im Vertretungsfall auf den vorhandenen Pool an freien Dienstnehmern / Werkvertragsnehmern zurückgegriffen wurde und die Vertretung direkt von ***EF*** organisiert wurde. Lediglich die Verrechnung erfolgte über die Primärschuldnerin.

Aus der Niederschrift mit ***GH*** vom 6.9.2019 geht hervor, dass sämtliche Personen, deren Tätigkeit vom angefochtenen Bescheid umfasst ist, ausschließlich bei ***EF*** bzw. für ***EF*** gearbeitet hätten; lediglich ***DW5*** habe die Beschwerdeführerin unterstützt. Diese Angaben passen auch zur Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 9.9.2019, aus der hervorgeht, dass für ***DW5*** keine "Nachforderung Finanz" ausgewiesen ist. Daraus folgt, dass vom Haftungsbescheid nur jene Tätigkeiten (Personen) erfasst sind, die für die Erstellung der Fernsehbeiträge eingesetzt wurden.

Aus den ebenfalls im Zuge der Außenprüfung erhobenen Rechnungen, welche die Primärschuldnerin monatlich an die ***EF*** gelegt hatte, geht hervor, dass sämtliche Personalkosten samt Haftungs- und Gewinnaufschlag verrechnet wurden. Aus den Umsatzsteuervoranmeldungen der Primärschuldnerin, in die ebenfalls Einsicht genommen wurde, geht hervor, dass der monatliche Netto-Rechnungsbetrag mit den gemeldeten steuerbaren Umsätzen übereinstimmt. Somit sind die Erhebungen der Außenprüfung bzw. die Angaben des Gesellschafters in der Niederschrift glaubhaft, dass die Primärschuldnerin ausschließlich die Personen rekrutiert hatte, die ***EF*** für die Produktion von Sendungen benötigt hatte.

Rechtsgrundlagen

§ 79 BAO lautet:

§ 79. Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 Zivilprozeßordnung ist sinngemäß anzuwenden.

§ 80 BAO lautet:

2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 224 BAO lautet:

2. Geltendmachung von Haftungen.

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.

(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

§ 41 Abs 3 GSVG lautet:

(3) Wenn für eine Person auf Grund einer bestimmten Tätigkeit nachträglich statt der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz die Pflichtversicherung nach dem ASVG festgestellt wird, so hat die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen
1. keine Pflichtversicherung für den entsprechenden Zeitraum festzustellen, wenn in diesem Zeitraum keine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, andernfalls
2. die Beitragsgrundlagen nach § 26 um die auf Grund dieser Tätigkeit festgestellten Beitragsgrundlagen nach dem ASVG (allgemeine Beitragsgrundlage und Sonderzahlungen) zu vermindern.

Soweit aus diesem Grund Beiträge zur Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung zu Ungebühr entrichtet wurden, sind diese an den für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen. Abs. 1 ist nicht anzuwenden. Der zuständige Versicherungsträger hat die überwiesenen Beiträge auf die ihm geschuldeten Beiträge anzurechnen. Übersteigen die anzurechnenden die dem zuständigen Versicherungsträger geschuldeten Beiträge, so ist der Überschuss der versicherten Person durch den zuständigen Versicherungsträger zu erstatten.

§ 41 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idF BGBl I 19/2013 lautet (auszugsweise):

§ 41. (1) Den Dienstgeberbeitrag haben alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen; als im Bundesgebiet beschäftigt gilt ein Dienstnehmer auch dann, wenn er zur Dienstleistung ins Ausland entsendet ist.

(2) Dienstnehmer sind Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 stehen, freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988.

(3) Der Beitrag des Dienstgebers ist von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die im Abs. 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (Beitragsgrundlage). Arbeitslöhne sind Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b des Einkommensteuergesetzes 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 und an freie Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG.

[…]

(5) Der Beitrag beträgt 4,5 vH der Beitragsgrundlage.

§ 122 Abs 7 und Abs 8 WKG idF BGBl I 120/2013 lauten:

(7) Die Landeskammern können zur Bedeckung ihrer Aufwendungen festlegen, dass die Kammermitglieder eine weitere Umlage zu entrichten haben. Diese ist beim einzelnen Kammermitglied von der Summe der in seiner Unternehmung (seinen Unternehmungen) nach § 2 anfallenden Arbeitslöhne zu berechnen, wobei als Bemessungsgrundlage die Beitragsgrundlage nach § 41 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967, gilt (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag). Die Umlage ist in einem Hundertsatz dieser Beitragsgrundlage zu berechnen. Der Hundertsatz ist vom Wirtschaftsparlament der Landeskammer festzusetzen; er darf 0,29 vH der Beitragsgrundlage nicht übersteigen. Hat ein Kammermitglied gemeinsam mit einem oder mit mehr als einem anderen Kammermitglied eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, so wird die weitere Umlage hinsichtlich der Arbeitslöhne, die bei der Arbeitsgemeinschaft anfallen, durch diese entrichtet. Bei einer Personengesellschaft des Handelsrechts, bei der ein Komplementär eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts ist, gehören die diesbezüglichen, bei der Komplementärgesellschaft anfallenden Arbeitslöhne auch dann zur Beitragsgrundlage, wenn die Komplementärgesellschaft keine Berechtigung nach § 2 besitzt. Die Bestimmungen der §§ 42a und 43 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967, finden auf die Umlage sinngemäß Anwendung. Über Rechtsmittel, mit denen die Umlagepflicht dem Grunde nach bestritten wird, hat der Präsident der Landeskammer zu entscheiden. Solche Rechtsmittel gelten als Berufungen nach § 128 Abs. 3; § 128 Abs. 3 und Abs. 5 sind sinngemäß anzuwenden. Ein im Verhältnis zur Summe der Arbeitslöhne der Arbeitnehmer der Mitglieder der einzelnen Landeskammern ungleichgewichtiges Aufkommen aus der weiteren Umlage ist zwischen den Landeskammern auszugleichen (Finanzausgleich).

(8) Die Bundeskammer kann zur Bedeckung ihrer Aufwendungen eine Umlage nach Abs. 7 festlegen. Abs. 7 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Umlage 0,15 vH der dort angeführten Beitragsgrundlage nicht übersteigen darf.

§ 47 Abs 2 EStG 1988 lautet:

(2) Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein Dienstverhältnis ist weiters dann anzunehmen, wenn bei einer Person, die an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich im Sinne des § 22 Z 2 beteiligt ist, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b vorliegen. Ein Dienstverhältnis ist weiters bei Personen anzunehmen, die Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 beziehen.

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (VwGH 3.7.2003, 2000/15/0043). Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet (VwGH 23.3.2010, 2009/16/0104).

Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Die Haftung des § 9 BAO betrifft Vertreter iSd §§ 80 bis 83 BAO. Als Geschäftsführerin der Primärschuldnerin war die Beschwerdeführerin ihre Vertreterin. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (VwGH 26.5.2004, 99/14/0218). Da die Primärschuldnerin im Firmenbuch nach Durchführung der Liquidation gelöscht wurde, liegt Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin vor.

Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Ein bestellter Geschäftsführer hat die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB VwGH 2.7.2002, 96/14/0076, und vom VwGH 13.4.2005, 2001/13/0190).

Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört,
- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.

Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB VwGH 16.12.1999, 97/15/0051; VwGH 20.6.2000, 98/15/0084; VwGH 22.4.2015, 2013/16/0123; VwGH 27.5.2020, Ra 2020/13/0027). Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB VwGH 7.12.2000, 2000/16/0601). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB VwGH 18.10.1995, 91/13/0037; VwGH 31.10.2000, 95/15/0137).

Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB VwGH 23.11.2004, 2001/15/0108). Er hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen.

Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind - wenn der Haftungsinanspruchnahme ein Bindungswirkung auslösender Bescheid an die Gesellschaft vorangegangen ist - in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (vgl. VwGH 18.3.2013, 2012/16/0049). Aus dem Umstand, dass § 248 BAO dem Haftungspflichtigen das Recht einräumt, unbeschadet der Einbringung einer Beschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung auch gegen den Abgabenbescheid eine Beschwerde zu erheben, die dem Abgabepflichtigen zustehen, kann nicht geschlossen werden, dass die beiden vom Haftungspflichtigen eingebrachten Rechtsmittel zu einem gemeinsamen Verfahren zu verbinden sind (VwGH 2.2.1968, 0732/67). Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid vorangegangen ist. Auf die "Fälligstellung" durch solche Bescheide kommt es nicht an, weil die in Rede stehende Steuer als Selbstbemessungsabgabe von der Primärschuldnerin nicht erst im Jahr der bescheidmäßigen Festsetzung einzubehalten und abzuführen gewesen wäre. Wurde bei Selbstbemessungsangaben noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO oder gemäß § 202 BAO erlassen, so ist im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch (seine Höhe) abzusprechen (VwGH 20.11.2014, Ro 2014/16/0057; VwGH 26.5.2021, Ra 2020/13/0073).

Abgabenfestsetzung gegenüber der Primärschuldnerin:

Als Vorfrage ist zunächst zu klären, ob es Bescheide über eine Abgabenfestsetzung der haftungsgegenständlichen Abgaben gibt, die an die Primärschuldnerin ergangen sind und demnach eine Bindungswirkung an solche Bescheide besteht.

Gemäß § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen (insbesondere Bescheide) dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung. Ist die Rechtspersönlichkeit vor Bekanntgabe der Erledigung erloschen, kann diese Erledigung keine Wirksamkeit mehr entfalten (vgl VwGH 22.4.1998, 97/13/0210). In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die belangte Behörde mit 22.10.2019 einen Sammelbescheid an die Primärschuldnerin erstellt hatte, wobei die Primärschuldnerin bereits am 24.3.2015 in Folge einer beendeten Liquidation im Firmenbuch gelöscht wurde.

Nach weit überwiegender Auffassung setzt die Beendigung der Gesellschaft einen aus zwei konstitutiven Elementen bestehenden Doppeltatbestand voraus, nämlich Löschung und Vermögenslosigkeit (OGH 3.4.2008, 8 ObA 72/07g). Nur die Vollbeendigung führt zum Verlust der Rechtspersönlichkeit und der Parteifähigkeit (OGH 26.4.2006, 3 Ob 32/06m).

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklaratorischen Charakter (VwGH 17. 5. 2004, 2003/17/0134) und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist (vgl. OGH 19.6.2006, 8 ObA 46/06g) und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt sind (vgl. Ritz, BAO6, § 79, Tz 10, 11; VwGH 21.9.2005, 2001/13/0059; VwGH 11.11.2008, 2006/13/0187). Die Rechts- und Parteifähigkeit einer GmbH bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn die Abgabenfestsetzung etwa durch Anrechnung von Steuervorauszahlungen, Abzugsteuern oder Vorsteuern zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann. In einem Verfahren, das eine bereits entrichtete Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe zum Gegenstand hatte und die bereits gelöschte Gesellschaft einen möglichen Rückforderungsanspruch und somit eine etwaige Forderung hatte, kam ihr in diesem Verfahren - trotz bereits erfolgter Löschung im Firmenbuch - Parteifähigkeit zu (VwGH 1.3.2018, Ra 2015/16/0074). An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher im Fall eines bestehenden Abwicklungsbedarfs grundsätzlich rechtswirksam (vgl. VwGH 26.2.2003, 98/17/0185; VwGH 28.6.2007, 2006/16/0220; VwGH 24.2.2011, 2007/15/0112; VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035).

Der Auflösung folgt idR die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG). Während dieser Zeit wird eine Kapitalgesellschaft durch die im Firmenbuch eingetragenen Liquidatoren oder Abwickler (§ 93 GmbHG) vertreten.

Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch (§ 93 GmbHG). Mit ihr endet auch das Liquidatorenamt. Sollten in weiterer Folge noch Bescheide an die im Firmenbuch gelöschte Gesellschaft erlassen werden, regelt § 80 Abs. 3 BAO, dass Zustellungsvertreter einer gelöschten GmbH nach Beendigung der Liquidation ist, wer gemäß § 93 Abs. 3 GmbHG auf die Dauer von sieben Jahren zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war. Bei diesem "Verwahrer", der in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrages oder eines Gesellschafterbeschlusses durch das Gericht bestimmt wird, kann es sich um einen Gesellschafter oder um eine dritte Person handeln.

Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft - so wie bisher - einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter. In der Zeit zwischen Auflösung und Vollbeendigung (vollständige Abwicklung aller Rechtsverhältnisse) fungiert grundsätzlich der vormalige Geschäftsführer als "geborener Liquidator"(VwGH 17.12.1993, 92/15/0121; UFS 23.5.2011, RV/2748-W/09). An ihn können an die Gesellschaft adressierte Erledigungen bis zur Bestellung eines Liquidators noch zugestellt werden (vgl Knechtl/Mitterlehner/Panholzer, SWK-Spezial: Die Körperschaftsteuererklärung 2020 (2021), 50 f).

Die Löschung einer GmbH im Firmenbuch wirkt insofern nur deklarativ, als sie nicht zum Verlust der Parteifähigkeit führt, solange Vermögen vorhanden ist (vgl. dazu die Nachweise bei Ritz, BAO6, § 79 Tz 11; ebenso die Entscheidung des OGH 22.4.2014, 7 Ob 55/14k, GES 2014/6, 283, wonach die Vermögenslosigkeit der aus diesem Grund gelöschten GmbH aber "bis zum Beweis des Gegenteils ... anzunehmen" sei). Die dabei zunächst nicht angesprochene Frage, ob dies auch gilt, wenn "die Abgabenfestsetzung in keiner denkbaren Konstellation - etwa durch Anrechnung von Steuervorauszahlungen, Abzugsteuern oder Vorsteuern - zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann", ließ der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 29.3.2007, 2006/15/0027, ausdrücklich offen. Die Vollbeendigung tritt nur ein, wenn neben der Löschung auch die materiell-rechtliche Voraussetzung der Vermögenslosigkeit gegeben ist (OGH 15.9.2020, 6 Ob 118/20a).

In den ErläutRV betr das AbgÄG 2004 (BGBl I 2004/180), durch das dem § 80 BAO der Abs 3 angefügt worden ist, wird ausgeführt, dass die Abgabenbehörde insbesondere für im Zeitpunkt der Löschung der GmbH im Firmenbuch offene Rechtsmittelverfahren sowie für Außenprüfungen (§ 147 Abs 1 BAO) einen Vertreter der aufgelösten, aber noch nicht beendeten (somit noch parteifähigen) GmbH benötigt und dass die Vertretungsregelung im neuen § 80 Abs 3 BAO zweckmäßiger ist als eine ua für die Gerichte aufwendige Bestellung eines nach § 15a GmbHG bzw nach § 93 Abs 5 GmbHG.

Eine Kapitalgesellschaft verliert mit der Vollbeendigung ihre Parteifähigkeit. Voraussetzung dafür ist ihre Vermögenslosigkeit, also der Mangel an Aktivvermögen. Bis zum Beweis des Gegenteils ist anzunehmen, dass eine im Firmenbuch gelöschte Kapitalgesellschaft vermögenslos und damit nicht (mehr) parteifähig ist (OGH 22.04.2014, 7 Ob 55/14k). Die bloße Existenz von Rechtsverhältnissen zu Dritten reicht zur Annahme der Weiterexistenz der Gesellschaft nicht aus.

Im Antwortschreiben vom 11.5.2021 hat die belangte Behörde vorgebracht, dass es wegen der Umqualifizierung der Werkverträge als Dienstverhältnisse "zu einer Rückverrechnung eines Betrages von € 228.573,70" kam und dass es sich dabei um verwertbares Vermögen der Primärschuldnerin handeln würde. Damit wäre nicht von einer Vermögenslosigkeit auszugehen und § 80 Abs 3 BAO anwendbar.

Mit dem in Kraft treten des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes mit 1.7.2017 sieht § 41 Abs. 3 GSVG vor, dass der aufgrund einer nachträglichen Feststellung der Pflichtversicherung nach dem ASVG für die Beitragseinhebung zuständige Versicherungsträger eine Anrechnung der nach dieser Bestimmung durch die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) an ihn "überwiesenen Beiträge" auf die Beitragsschuld vorzunehmen hat. Eine Anrechnung nach § 41 Abs 3 GSVG kommt erst in Betracht, wenn die Überweisung der Beiträge durch die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen bereits erfolgt ist und der zuständige Versicherungsträger über die Beiträge daher verfügt (VwGH 29.1.2020, Ra 2018/08/0245). Die Überweisung der Beiträge erfolgt somit direkt von der SVS an die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Die ÖGK rechnet die Beiträge auf offene Beitragsschulden des Dienstgebers nach dem ASVG an. Wenn der überwiesene Betrag die geschuldeten Beiträge übersteigt, hat die ÖGK den Überschuss von Amts wegen an die versicherte Person (nunmehrige Dienstnehmer) zurückzuerstatten (vgl Atzmüller/Lidauer, Rechtsfolgen bei fehlerhafter Zuordnung der Erwerbstätigkeit, ZAS 2021, 173 (176).
Der Dienstgeber kann über diesen Betrag nicht verfügen und an ihn erfolgt auch keine Auszahlung. Die Regelung des § 41 Abs 3 GSVG bewirkt lediglich, dass im Falle der Umqualifizierung der Dienstgeber nicht die vollen ASVG-Beiträge nachzahlen muss, sondern jene Pflichtversicherungsbeiträge auf seine Beitragsschuld angerechnet werden, die der Dienstnehmer bereits an einen Versicherungsträger entrichtet hat.
Ein Aktivvermögen der Primärschuldnerin kann darin nicht erblickt werden.

Da die Primärschuldnerin zum Zeitpunkt der Erlassung des Sammelbescheides vom 22.10.2019 kein Aktivvermögen mehr hatte und in Folge einer Liquidation im Firmenbuch bereits im Jahr 2015 gelöscht wurde, ist von der Vermögenslosigkeit auszugehen, was zur Folge hat, dass die Rechtspersönlichkeit der Primärschuldnerin nicht mehr bestanden hatte. Eine Übergabe des Sammelbescheides an die Beschwerdeführerin (für die von der belangten Behörde kein Zustellnachweis vorgelegt wurde) konnte daher keine Wirksamkeit und keine Bindungswirkung entfalten. Daher ist in einer weiteren Vorfrage zu klären, ob der Abgabenanspruch hinsichtlich Dienstgeberbeitrag bzw. Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag überhaupt entstanden ist.

Abgabenanspruch:

Den Dienstgeberbeitrag haben alle Dienstgeber zu bezahlten, die im Inland Dienstnehmer beschäftigen. Gemäß § 41 Abs 2 FLAG 1967 sind Dienstnehmer alle Personen, die in einem Dienstverhältnis iSd § 47 Abs 2 EStG 1988 stehen. Der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (§ 128 Abs 7 und Abs 8 WKG) hat als Bemessungsgrundlage die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG 1967.

Bei Beurteilung der Frage, ob die Merkmale eines Dienstverhältnisses vorliegen, kommt es nicht auf die von den Vertragsparteien gewählte Form oder Bezeichnung bzw auf den Willen der Parteien an, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung (auf die tatsächlichen Verhältnisse). Es sind somit ausschließlich die objektiven Umstände maßgebend (Braunsteiner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 47 Anm 15 mwN).

Der Legaldefinition in § 47 Abs 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich
-) die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und
-) die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers.
Wenn beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist auf weitere Abgrenzungskriterien (zB Fehlen eines Unternehmerrisikos) Bedacht zu nehmen (Braunsteiner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 47 Anm 15 mwN).

Bei der Arbeitskräfteüberlassung ist in der Regel derjenige als Dienstgeber anzusehen, welcher die Dienstnehmer dem Dritten überlässt und entlohnt und nicht derjenige, in dessen Betrieb die Dienstnehmer eingesetzt werden. Somit ist grundsätzlich von einem Dienstverhältnis zu jenem Arbeitgeber auszugehen, welcher die Dienste verschafft, nicht jedoch - mangels Auszahlung von steuerpflichtigem Arbeitslohn - zwischen dem Arbeitnehmer und demjenigen, dem die Arbeitsleistung erbracht wird (Braunsteiner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 47 Anm 4; VwGH 27.10.1987, 85/14/0010). Ausnahmsweise wird dann der Beschäftiger als Arbeitgeber anzusehen sein, wenn ihm ein unmittelbares (nicht nur vom Gesteller abgeleitetes) Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer zukommt und der Arbeitnehmer in erster Linie in den Betrieb des Beschäftigers eingegliedert ist. In diesem Zusammenhang kann etwa darauf abgestellt werden, wer über die Höhe der Bezüge entscheidet, wer das Risiko einer Lohnzahlung im Nichtleistungsfall trägt, wer den Arbeitnehmer kündigen bzw. entlassen darf, wer den Arbeitnehmer nach Ablauf der Entsendezeit behält bzw. wer über das Urlaubsausmaß entscheidet (vgl. Ludwig, ecolex 1994, 421; VwGH 19.12.2002, 99/15/0191).

Gegen das Vorliegen eines Unternehmerrisikos sprechen etwa die Abrechnung nach Arbeitsstunden, die vorgegebene Arbeitszeit, ein erfolgsunabhängiges Entgelt oder die Stellung der Arbeitsmittel durch den Arbeitgeber (vgl. Kuprian in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 41 Tz 26).

Sowohl im Bericht über die Außenprüfung als auch in der Niederschrift vom 6.9.2019 ist festgehalten, dass die Personen, auf die sich die haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen beziehen, für die Tätigkeiten als Cutter, Kameramann, Kameraassistenz, Maskenbildner, Grafiker, Bildmeister und Tontechniker überlassen wurden und sämtliche Tätigkeiten unter Regie- bzw. Redaktionsanweisungen von ***EF*** erbracht werden mussten. Allen Personen war auch klar, dass sie ihre Tätigkeit für ***EF*** und nicht für die Primärschuldnerin erbringen. Durch die Tätigkeit bei Studioproduktionen war auch der Arbeitsort und die Arbeitszeit vorgegeben. Es ist kaum vorstellbar, dass bei einer Tätigkeit in der "***EF*** Liveregie" nicht von einer zeitlichen und organisatorischen Eingliederung auszugehen wäre.

In wirtschaftlicher Hinsicht hat über die Höhe der Bezüge stets ***EF*** entschieden. So hat etwa der Gesellschafter der Primärschuldnerin im Rahmen der Niederschrift vom 6.9.2019 angegeben, dass im Zuge von "Neueinstellungen" die "Gagenwünsche" der Vertragspartner abgefragt wurden und bei ***EF*** diesbezüglich Rücksprache gehalten wurde. Erst nach Zusage durch ***EF*** wurde die Honorarhöhe schlussendlich bestätigt.

Sowohl auf Grund der Weisungsgebundenheit und der organisatorischen Eingliederung gegenüber ***EF*** als auch auf Grund des fehlenden Unternehmerrisikos ist nicht von Werkvertragsverhältnissen oder von freien Dienstverträgen, sondern von echten Dienstverhältnissen gegenüber ***EF*** auszugehen. Die Primärschuldnerin hat lediglich zwei Arten von Dienstleistungen erbracht: zunächst die Personalsuche samt der Fixierung des Stundenlohnes und sodann die Abrechnung anhand der von ***EF*** zur Verfügung gestellten Unterlagen. Von einer Eingliederung in einen Betrieb der Primärschuldnerin kann daher keine Rede sein. Die Primärschuldnerin ist daher nicht als Dienstgeber anzusehen und kann daher auch keinen Dienstgeberbeitrag und keinen Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag schulden. Ein Abgabenanspruch gegenüber der Primärschuldnerin ist daher nicht gegeben.

Die Haftung ist insofern akzessorisch, als sie das Bestehen des Abgabenanspruchs zur Zeit der Verwirklichung des die Haftung auslösenden Sachverhalts voraussetzt. Die Haftungsschuld ist ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen, ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar (VwGH 20.11.1996, 93/15/0006). Da keine Hauptschuld der ***Primärschuldnerin*** gegenüber entstanden ist, kann auch keine Haftung in Betracht kommen.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Darüber hinaus hing diese Entscheidung im Wesentlichen von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am 2. Februar 2022

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 41 Abs. 3 GSVG, Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 560/1978
§ 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 122 Abs. 7 und 8 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
Verweise
VwGH 03.07.2003, 2000/15/0043
VwGH 23.03.2010, 2009/16/0104
VwGH 18.03.2013, 2012/16/0049
VwGH 20.11.2014, Ro 2014/16/0057
VwGH 01.03.2018, Ra 2015/16/0074
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100529.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at