Berufungsentscheidung - Zoll (Referent), UFSZ1W vom 13.05.2005, ZRV/0142-Z1W/03

Tarifarische Einreihung einer Ware als Lebensmittel oder als Arznei

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
ZRV/0142-Z1W/03-RS1
Für die Beurteilung der Frage, ob aus den USA importierte Tabletten als "Verschiedene Lebensmittelzubereitungen" des Kapitels 21 oder als "Pharmazeutische Erzeugnisse" des Kapitels 30 der Kombinierten Nomenklatur (Art. 20 ZK) einzustufen sind, ist nicht auf Definitionen anderer Gesetze, insbesondere des Arzneimittelrechts, oder auf Begriffsvorstellungen der allgemeinen Verkehrsauffassung zurückzugreifen, sondern sind dafür ausschließlich die Überschriften und verbalen Beschreibungen der Kapitel und Positionen des Zolltarifs heranzuziehen. Steht die Einreihung solcher Tabletten in die Position 2106 (andere Lebensmittelzubereitungen) oder 3004 (Arzneiwaren) zur Alternative, so ist zu beurteilen, ob sie therapeutische (= die Krankenbehandlung betreffende) oder prophylaktische (= Krankheiten vorbeugende) Zwecke erfüllen oder ob sie, trotz hohem Vitamin- und Mineralstoffgehalt, nur auf den allgemeinen Gesundheitszustand einwirken (sogen. Nahrungsergänzungsmittel). In letzterem Fall kommt die Einreihung in die Position 3004 nicht in Betracht.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde der Bf. gegen den Bescheid (Berufungsvorentscheidung) des Zollamtes Wien vom , GZ. 100/39994/02/2003, betreffend Erstattung von Eingangsabgaben, gemäß § 85c ZollR-DG entschieden:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 85c Abs. 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) iVm § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 85c Abs. 7 ZollR-DG steht der Berufungsbehörde der ersten Stufe das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Hauptzollamtes (HZA, nunmehr Zollamt) Wien vom , Zl. 100/39994/2003, wurde ein Antrag der Bf. gemäß Art. 6 Abs.2 und 3 sowie Art. 236 Abs.1 Zollkodex (ZK) vom auf Erstattung der unrichtig buchmäßig erfassten Eingangsabgaben zur Warenanmeldung vom mit WE-Nr. 206/350/600167/93/2003 abgewiesen mit der Begründung, die Bf. habe innerhalb der gesetzten Frist keine Nachweise für ihre Behauptung beigebracht, dass die gegenständliche Ware, nämlich O.- Tabletten, tarifarisch nicht als Nahrungsmittel, sondern als Arznei einzustufen wäre.

Mit Schriftsatz vom wurde dagegen fristgerecht Berufung erhoben mit der Begründung, diese Tabletten seien durch das Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen als Arzneimittel klassifiziert worden und man habe daher Einfuhrbewilligungen einholen müssen. Am war von der Fa. C. eine Warenprobe, nämlich eine Dose O.- Tabletten samt Einpackschachtel und Beipackzettel vorgelegt worden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das HZA Wien die Berufung mit der Begründung ab, dass der Beweismittelanforderung vom nicht innerhalb der bis gewährten Frist entsprochen worden war. Der in der Berufung gegebene Hinweis, dass inzwischen ein Warenmuster an das Zollamt mit dem Abgangsstempel übersandt worden war, ändere ebenso nichts daran, dass die Vorlage des Warenmusters erst nach Fristablauf erfolgt sei wie der in der Berufung gemachte Hinweis auf ein stattgefundenes Telefonat.

Gegen die am zugestellte Berufungsvorentscheidung wurde am im Faxweg unter der Bezeichnung "Einspruch" Beschwerde an die Rechtsbehelfsbehörde 2. Stufe erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass im Dezember 2002 von Dr. B. vom Bundesministerium für Soziale Sicherheit und auch vom Zolllabor in der Vorderen Zollamtsstraße festgestellt worden sei, dass es sich bei "O." - Tabletten um eine Medizin handle, da der Vitamin A - Gehalt für ein Nahrungsergänzungsmittel zu hoch sei. Es gäbe dazu nichts Schriftliches, es werden aber seither die Importverzollungen unter der Einreihung als Medizin vorgenommen.

Am wurde die Beschwerde inklusive der eingereichten Warenprobe dem Unabhängigen Finanzsenat vorgelegt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Dem Abgabenverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am wurden 6 Karton O.- Tabletten von den USA über den Flughafen Wien ins Zollgebiet der Europäischen Union importiert. Versender der Ware war die E. in Miami, Florida, Empfänger die C. in L. Als Anmelder und indirekter Vertreter fungierte die Bf. Die Waren wurden unter der Warennummer 2106 9092 80 V999 mit der Bezeichnung "andere Lebensmittelzubereitungen: kein Milchfett und keine Saccharose etc. enthaltend: andere" zum freien Verkehr angemeldet und als konform abgefertigt. Eine Rechnung der E. an die C. über 7708,90 USD lag bei. Auf dieser Basis wurden die Eingangsabgaben vorgeschrieben und von der Bf. entrichtet, und zwar 12,8 % Zoll in Höhe von 1020,55 € und 10 % Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 958,19 €, somit insgesamt 1.978,74 €.

Mit Schreiben vom beantragte die Bf. die Erstattung des Zollabgaben- und Einfuhrumsatzsteuerdifferenzbetrages auf ihr Abgabenkonto. Es sei bei der seinerzeitigen Verzollung vom Deklaranten der Bf. im Feld 33 des Einheitspapiers die Warennummer 21069092 80 und die Bezeichnung "Lebensmittel" eingetragen worden, obwohl es sich bei der Ware tatsächlich um eine Medizin handle, welche in die Zolltarifnummer 30049019 00 mit 0 % Zollsatz und 20 % Steuersatz einzureihen war. Es lägen auch Einfuhrbewilligungen des Bundesministeriums für Soziale Sicherheit und Generationen für die Fa. C. vor, in denen diese Ware als Medizin eingestuft wird. Somit sei die Verzollung als Nahrungsergänzungsmittel bzw. Lebensmittel unrichtig gewesen.

Mit Schreiben vom hielt das HZA Wien der Bf. vor, dass aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich sei, dass es sich bei dieser Ware um zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken geeignete Arzneiwaren handle und gewährte eine Frist von 6 Wochen, um anhand entsprechender Beweismittel wie Muster oder sonstiger Unterlagen die für die Einreihung der den Gegenstand des Bescheides vom bildenden Waren nachzuweisen.

Innerhalb der vom Zustelldatum bis zum Ablauf des reichenden Frist war kein Beweismittel vorgelegt worden, sodass mit Bescheid vom die Abweisung des Erstattungsantrags erfolgte.

Am übersandte die C. eine Packung O.- Tabletten und wies darauf hin, dass das Produkt laut einer Arzneimittelgesetz-Entscheidung des Bundesministeriums für Gesundheit vom Dezember 2002 als Arznei einzustufen sei. Es sei auch eine Einfuhrgenehmigung - ausgestellt vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen - bei der Verzollung vorgelegen. Es sei nicht möglich gewesen, früher eine Packung als Muster vorzulegen. Dieses Produkt werde von Augenärzten für Patienten, die an altersbedingter Makuladegeneration leiden, verordnet. Genau für diese verordnete Menge habe man über eine Einfuhrbewilligung verfügt, sodass keine Packung übrig war und man keinem Patienten gerade seine Packung zwecks Musterbeibringung vorenthalten wollte.

Unter Hinweis auf das nun vorliegende Muster berief die Bf. am gegen die Abweisung des Erstattungsantrags und bot als weitere Beweismittel die vorliegenden Einfuhrbewilligungen des Bundesministeriums für Soziale Sicherheit und Generationen an.

In abgabenrechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass sich die Berechnung von Eingangsabgaben gemäß Art. 20 Abs.1 ZK auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere auf das Warennummernsystem der Kombinierten Nomenklatur (Abs. 3 Buchst.a ) stützt. Der gemäß § 45 ZollR-DG vom Bundesminister für Finanzen herausgegebene Österreichische Gebrauchszolltarif (ÖGebrZT) fasst diese Vorschriften unter Einbeziehung von nationalen Bestimmungen automationsgerecht zusammen. Zu jedem Kapitel finden sich einleitend "Anmerkungen" und allenfalls "zusätzliche Anmerkungen" betreffend die Einstufung von Waren in dieses Kapitel. Bei den einzelnen Positionen und Unterpositionen finden sich Angaben und Beschreibungen der dahin tarifierenden Waren.

Ebenfalls zur Anwendung kommen die "Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur" (AV) im Anhang I, Titel I A zur VO Nr. 2658/87 des Rates, geändert durch VO Nr. 1832/2002 der Kommission vom , insbesondere zur Lösung von Konkurrenzproblemen, wenn mehrere Positionen für die Einreihung einer Ware in Betracht kommen.

So lautet etwa AV 1: "Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist - die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften."

AV 6: " Maßgebend für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position sind der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und - sinngemäß - die vorstehenden Allgemeinen Vorschriften. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser Allgemeinen Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln."

Gemäß Art. 236 Abs.1 ZK iVm § 2 Abs.1 ZollR-DG sind Eingangs- oder Ausgangsabgaben insoweit zu erstatten oder zu erlassen, als nachgewiesen wird, dass der Betrag nicht gesetzlich geschuldet war. Gemäß Art. 236 Abs. 2 1. Unterabsatz ZK erfolgt die Erstattung oder der Erlass auf einen innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach Mitteilung der betreffenden Abgaben gestellten Antrag.

Zur Entscheidung des HZA Wien auf den diesbezüglichen Antrag der Bf. ist zu vermerken, dass die verspätete Beibringung der Warenprobe allein keine Begründung dafür abgeben konnte, eine abweisende Berufungsvorentscheidung zu erlassen. Konnte das HZA Wien noch in der Begründung des Erstbescheides vom darauf hinweisen, dass innerhalb der am ausgelösten 6-wöchigen Frist keine Beweismittel beigebracht wurden, so hat die Bf. aber doch die am im HZA Wien eingelangte Warenprobe vor der am ergangenen Berufungsvorentscheidung zur Berufung vom vorgelegt. Sowohl aus § 115 Abs.4 als auch - für das Rechtsmittelverfahren - aus § 280 BAO folgt die Verpflichtung der Behörde, solche "Neuerungen" über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen. Es ist daher wie folgt auf die Sache selbst einzugehen.

Strittig ist die Frage. ob die Tabletten unter die Tarifnummer 21069092, also in Kapitel 21 ("Verschiedene Lebensmittelzubereitungen") oder unter 30049019, also in Kapitel 30 ("Pharmazeutische Erzeugnisse") einzureihen sind.

Im Akt des Zollamtes zu Zl. 100/39994/2003 befindet sich ein aus einem anderen Akt stammender Untersuchungsbefund der Technischen Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung (TUA) zu den verfahrensgegenständlichen O.-Tabletten vom . Das Ergebnis lautet:

" Zubereitung auf Basis von Lactose, mikrokristalliner Cellulose, Vitaminen, Beta-Carotin, Spurenelementen, Mineralstoffen sowie Tablettierhilfsmitteln. Stärke/Glucose weniger als 5 GHT, Saccharose/Invertzucker/Isoglucose weniger als 5 GHT, Milchfett weniger als 1,5 GHT und Milchprotein weniger als 2,5 GHT. Das Erzeugnis stellt ein Ergänzungsnahrungsmittel dar. Einreihung als: Andere Lebensmittelzubereitung, anderweit weder genannt noch inbegriffen. Tarifierungsvorschlag: 21069092/80/V999 ".

Aus einer Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen an den geht hervor, dass bei den in Rede stehenden O.- Tabletten auf Grund des Gehalts der Vitamine A, C und E und von Zink gemäß §§ 1 und 11 Arzneimittelgesetz eine Arzneispezialität vorliegt. Die Firma C. importiert das gegenständliche Produkt regelmäßig seit Dezember 2002 nach § 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz. Die einzelnen Rezepte enthalten bis zu 6 Packungen zu je 120 Tabletten /Packung ( entspricht dem Halbjahresbedarf des Patienten).

Waren der Position 3004 werden in der Kombinierten Nomenklatur (KN) folgendermaßen abgegrenzt:

"Arzneiwaren ( ausgenommen Erzeugnisse der Position 3002, 3005 oder 3006), die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert ( einschließlich solcher, die über die Haut verabreicht werden ) oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf"

In den Anmerkungen zu Kapitel 30 heisst es :

1. Zu Kapitel 30 gehören nicht:

a) Nahrungsmittel oder Getränke ( wie diätetische, diabetische oder angereicherte Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, tonische Getränke und Mineralwasser), andere nicht intravenös zu verabreichende Nährstoffzubereitungen (Abschnitt IV);

...

Weiters in den zusätzlichen Anmerkungen zu Kapitel 30:

1. Zu Position 3004 gehören pflanzliche Arzneizubereitungen und Zubereitungen auf der Grundlage folgender Wirkstoffe: Vitamine, Mineralstoffe, essenzielle Aminosäuren oder Fettsäuren, in Aufmachungen für den Einzelverkauf. Diese Zubereitungen sind in Position 3004 einzureihen, wenn auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel folgende Angaben gemacht werden:

a) die spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, bei denen diese Erzeugnisse verwendet werden sollen:

b) die Konzentration der aktiven Wirkstoffe oder der darin enthaltenen Stoffe

c) die Dosierung

d) die Art der Anwendung.

In diese Position gehören homöopathische Arzneizubereitungen, vorausgesetzt, sie erfüllen die unter Buchstaben a), c) und d) genannten Bedingungen.

Bei Zubereitung auf der Grundlage von Vitaminen, Mineralstoffen, essenziellen Aminosäuren oder Fettsäuren muss die Menge eines dieser Stoffe pro auf dem Etikett angegebener empfohlener Tagesdosis deutlich höher sein, als die für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlene Tagesdosis.

Bei der verfahrensgegenständlichen Ware finden sich auf der Umschlagschachtel, dem Beipackzettel und auf der Dose selbst u.a. folgende Aufschriften:

" O., Vitamins for the Eyes. Uniquely Formulated Eye Vitamin and Mineral Supplement.

Your eyesight is among your most valuable of assets. As the leader in occular nutritional research and vitamin supplements for the eye, B. is committed to helping you preserve the health of your eyes with our new O. (und als Fußnote beigefügt ):

This statement has not been eveluated by the Food and Drug Administration. This product is not intended to diagnose, treat, cure or prevent any disease.

O. is a unique antioxidant vitamin and mineral formula which was specifically developed for use in National Eye institute age-related eye study (AREDS).

O. is a high-potency antioxidant supplement with the antioxidant vitamins A,C,E and selected minerals in amounts well above 100 % of the US Government recommended daily value.

Recommended intake: Adults, take two tablets, two times daily or as directed by your doctor or pharmacist.

Smokers: Please consult your eye care professional about the risks associated with smoking and using Beta-Carotene.

O. is the #1 recommended eye vitamin and mineral supplement brand among eye care professionals.

Contents of daily dosage (4 tablets):

Vitamin A: 28,640 IU = 573 % of daily value

Vitamin C: 452 mg = 753 % of daily value

Vitamin E: 400 IU = 1333 % of daily value

Zinc: 69,6 mg = 464 % of daily value

Copper: 1,6 mg = 80 % of daily value

Other ingredients: Lactose Monohydrate, Microcrystalline Cellulose, Crospovidone, Stearic Acid, Magnesium stearate, Silicon dioxide, Polysorbate 80, Triethyl Citrate, FD&C Yellow #6, FD&C Red #40. "

In freier und gekürzter Übersetzung bedeutet das , dass die verfahrensgegenständlichen Tabletten ein für die Augengesundheit entwickeltes Vitamin- und Mineralstoff- Ergänzungsmittel sind. Die Firma B. hat sich als führendes Unternehmen in der Forschung für den Augen dienenden Nährstoffen und Vitaminen darauf konzentriert, bei der Erhaltung der Augengesundheit mit den O.-Tabletten zu helfen. Die Tabletten wurden speziell für den Gebrauch zu altersbezogenen Augenstudien im National Eye Institute entwickelt. Sie sind ein hochkonzentriertes Ergänzungsmittel mit den Vitaminen A,C,E und ausgewählten Mineralstoffen in Mengen, die weit über 100 % des von der US -Verwaltung empfohlenen täglichen Bedarfes liegen. Es sollten von Erwachsenen täglich zweimal je 2 Tabletten oder aber gemäß ärztlicher Anweisung eingenommen werden. Eine Einnahme mit anderen Vitamin - Ergänzungsmitteln kann nach Beratung durch Arzt oder Apotheker erfolgen. Es erfolgt ein Hinweis auf Vorsicht bei gleichzeitiger Benützung durch Raucher. O. wird von Augenspezialisten als empfohlene Nr.1 - Marke unter den Vitamin- und Mineralergänzungsstoffen fürs Auge bezeichnet. Weiters werden angegeben die hohen Konzentrationen der Vitamine A,C,E und von Spurenelementen sowie eine Aufzählung weiterer Inhaltsstoffe.

In zollrechtlicher Hinsicht besonders hervorzuheben ist die oben in Fettdruck angeführte Passage: Dieses Produkt ist nicht gedacht für die Diagnose, Behandlung, Heilung oder Vorbeugung irgendwelcher Krankheiten.

Dieser zuletzt genannte Satz sowie der Tenor der gesamten Beschreibung der Substanz macht deutlich, dass es sich um ein der Augengesundheit nützliches Vitamin- und Mineralstoffe - Präparat handelt, dessen Einnahme im Grunde durch jeden erfolgen kann und das nicht zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestimmter Krankheiten oder Leiden dient, wie das für Waren der Position 3004 gefordert ist ( vgl. auch zusätzliche Anmerkung 1, Pkt. a zu Kapitel 30 ). Es ist dabei nicht von Belang, ob man diese Tabletten aus Gründen des österreichischen Arzneimittelrechts als Arznei einstuft, weil es sich um zwei verschiedene Zweige des Verwaltungsrechts mit unterschiedlichen Beurteilungsmaßstäben handelt. Wenn die Gesundheitsbehörde die Substanz wegen ihres hohen Vitamingehalts nunmehr als Arznei einstuft und die Einfuhr gemäß Arzneiwareneinfuhrgesetz nur mit erteilter Bewilligung zulässig ist, hat das nicht notwendigerweise zur Folge, dass auch die zolltarifarische Einstufung der Ware "wechselt".

In der höchstgerichtlichen Judikatur sind zu dieser Thematik mehrere Entscheidungen in diesem Sinn ergangen:

So hat z.B. der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom in der Rechtssache C-201/96 betreffend die Frage, ob ein Erzeugnis in Form von Dragees mit hohem Vitamin A -Gehalt, weiters aus geringeren Mengen von 11 weiteren Vitaminen sowie Zucker, Kakao, Arzneiträgern und Aromen bestehend, das vorzugsweise zur Verhütung oder Behebung eines Vitaminmangels im Zusammenhang mit unzureichender Ernährung verabreicht wird, in die Position 3004 der KN einzureihen ist, verneint und dazu ausgeführt, dass für die Tarifierung arzneimittelrechtliche Aspekte, insbesondere der Umstand, dass für das Inverkehrbringen als Arzneimittel die Genehmigung der zuständigen nationalen Behörde nötig ist, nicht von Belang sind. Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Position der KN festgelegt sind. Dazu können auch die von der Europäischen Kommission ausgearbeiteten Erläuterungen zur KN als weiteres, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel herangezogen werden. Im Mittelpunkt steht der Aspekt, dass die Substanz für die Einreihung in die Position 3004 nach deren Wortlaut eine genau umschriebene therapeutische oder prophylaktische Eigenschaft aufweisen muss, deren Wirkung sich auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert oder bei der Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden kann. Das Fehlen solcher Merkmale kann keineswegs dadurch ausgeglichen werden, dass die Substanz nach Arzneimittelrecht als Arznei einzustufen ist. Erzeugnissen, die nur allgemein, etwa durch ihren Vitamingehalt, auf den Gesundheitszustand einwirken, ist die Position 2106 der KN vorbehalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 99/17/0460 betreffend die tarifarische Einreihung des laut einem Bescheid des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz zum Verkauf in Apotheken zugelassenen Kräftigungsmittels Leaton-Vitamin-Tonikum ebenfalls in diesem Sinn entschieden. Der in dem zugrundeliegenden Verfahren geäußerten Ansicht der Beschwerdeführerin, es komme auf die tatsächliche Qualifikation der Ware als Arzneimittel und nicht auf eine verwaltungstechnische Einordnung in einen Zolltarif an, hat der Verwaltungsgerichtshof dahingehend eine Absage erteilt, dass bei einem nach österreichischem Arzneimittelgesetz zugelassenen Produkt, das lediglich allgemein auf den Gesundheitszustand einwirkt, ohne seine Wirkung auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus zu konzentrieren oder der Verhütung oder Behandlung konkreter Krankheiten oder Leiden dienlich zu sein, als Ergänzungsnahrungsmittel anzusehen und nicht ins Kapitel 30 des Zolltarifs einzureihen ist.

Auch bei dem im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Erzeugnis trifft dies zu, da schon die vom Hersteller oben ausgeführte Beschreibung klar erkennen lässt, dass ein für die Einreihung in die Position 3004 erforderlicher therapeutischer ( = die Krankenbehandlung betreffender ) oder prophylaktischer ( = Krankheiten vorbeugender ) Zweck nicht vorliegt. Auch die allgemeine Verkehrsauffassung, in der man diese Substanz eher als Arznei denn als Nahrungsmittel einstufen mag oder der Umstand, dass die O.-Tabletten auf ärztliche Verschreibung hin in den USA bestellt werden, ändert an diesem zollrechtlichen Aspekt nichts. Aus diesen Gründen musste es bei der ursprünglichen Einreihung in die Position 2106, die dem Verzollungsantrag vom und der durch die TUA insbesondere in Hinblick auf AV 1 und AV 6 schlüssig erfolgten Befundung der O. - Tabletten entspricht, bleiben und war der Beschwerde auf eine andere tarifarische Einreihung und daraus resultierender Abgabenerstattung der Erfolg spruchgemäß zu versagen.

Abschließend sei erläuternd Folgendes bemerkt:

Gerade im weiten Feld des Verwaltungsrechts kommt es häufig vor, dass ein Sachverhalt von mehreren rechtlichen Blickwinkeln aus beurteilt werden muss. Dazu sei ein vergleichendes Beispiel gebracht: Für die Durchführung etwa eines Bauprojekts müssen gesetzliche Bestimmungen des Baurechts, Raumordnungsrechts, Wasserrechts, Umweltrechts und Gewerberechts berücksichtigt werden. Es kann dabei vorkommen, dass das Bauprojekt nach einer dieser Materien durchaus bewilligungsfähig ist, nach einer anderen aber nicht. Auf diese Weise können solche - auf den ersten Blick "widersprüchliche" - Ergebnisse zustandekommen. Tatsächlich handelt es sich dabei gar nicht um einen Widerspruch, sondern es müssen zur Beurteilung eines Sachverhalts eben mehrere rechtliche Würdigungen nebeneinandertreten. Im Fall eines Bauprojekts wird dieses nicht verwirklicht werden können, wenn das auch nur nach einer der tangierten rechtlichen Materien unzulässig wäre. Im vorliegenden Fall waren bezüglich der Einfuhr von Tabletten zwei Rechtsmaterien betroffen: die durch die Zollbehörden im Finanzressort zu beurteilende Frage der tarifarischen Einreihung ( und die daraus resultierende Abgabenberechnung ) und die durch das Gesundheitsministerium im Gesundheitsressort zu beurteilende Frage einer durch Bewilligung kontrollierten Einfuhr. Diese nebeneinander zu beurteilenden Fragen führen zu dem Ergebnis, dass ein Ergänzungsnahrungsmittel ins Zollgebiet der Europäischen Union eingeführt wurde, für dessen Einfuhr noch eine zusätzliche Bewilligung notwendig ist.

Wien,

Der Referent:

Hofrat Dr. MMag. Schönauer Roland

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 20 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 236 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Schlagworte
Zolltarif
Kombinierte Nomenklatur
Lebensmittelzubereitung
Arzneiwaren
Verweise


Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at