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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.12.2021, RV/5102122/2015

Umschulungskosten als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Helmut Mittermayr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2011 und 2012, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (Bf.) erzielte nichtselbständige Einkünfte als Dipl. Gesundheits- und Krankenschwester auf einer Intensivstation. Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagungen 2011 und 2012 beantragte die Bf. die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Ausbildung zur Dipl. Body Vitaltrainerin in der Höhe von EUR 7.061,81 (Jahr 2011) und EUR 3.348,18 (Jahr 2012) als Werbungskosten.

2. Mit Einkommensteuerbescheid 2011 und Einkommensteuerbescheid 2012, jeweils vom , verweigerte das Finanzamt (abgesehen von hier nicht mehr strittigen Aufwendungen) die Anerkennung dieser Werbungskosten. Bei den Aufwendungen für den Lehrgang zur Dipl. Body Vitaltrainerin handle es sich hierbei um Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen, die auch bei nicht berufstätigen Personen von allgemeinem Interesse seien oder die grundsätzlich der privaten Lebensführung dienen würden. Diese Kosten seien auch dann nicht abzugsfähig, wenn derartige Kenntnisse für die ausgeübte Tätigkeit verwendet werden könnten oder von Nutzen seien. Kosten für einen Drucker und die AfA für ein Notebook seien nach Abzug eines 40 %igen Privatanteils berücksichtigt worden.

3. Die Bf. bekämpfte diese Bescheide mit Beschwerde vom und brachte dazu vor, dass ihr erlerntes Wissen aus der Weiterbildung zur Dipl. Body Vitaltrainerin regelmäßig in ihrem Arbeitsbereich auf der Intensivstation angewandt werde. Dazu legte die Bf. folgende Unterlagen bei:

3.1. Bestätigung des Arbeitgebers der Bf. über die Weiterbildung zur Body-Vitaltrainerin vom

Der Arbeitgeber bestätigte, dass die Bf. für die Weiterbildung zur Body-Vitaltrainerin keine Kurskosten bzw. Fahrtkostenzuschuss vom Arbeitergeber erhalten habe. Im Rahmen der Tätigkeit der Bf. als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester sei das in der Ausbildung erlernte Wissen in den Bereichen Anatomie/Physiologie, Ernährung und Gesundheitsförderung auch in der Patientenbetreuung gut einsetzbar. Der Lehrgang Dipl. Body Vitaltrainer sei vom Bildungskonto des Landes Oberösterreich gefördert worden. Ausdrücklich von diesem nicht gefördert würden "Hobbykurse der privaten Lebensführung".

3.2. Auszug aus dem Lehrplan (Auszug aus dem Anhang zum Diplom)

Als Name und Qualifikation der verliehenen Bezeichnung ist angeführt: "Dipl. Body Vitaltrainer/-in, Lehrgang zertifiziert nach ÖNORM D 1501 "Wellnesstrainerin".

Die Bf. markierte im Lehrplan Bereiche ("mehr als 80%"), welche sie regelmäßig bei der Arbeit anwenden würde. Die Hauptstudienfächer im Lehrplan lauteten wie folgt:

3.3. Richtlinien für das Bildungskonto des Landes OÖ für den Zeitraum 2015-2018, welche auszugsweise lauten:

"1. Bereich und Umfang der Förderung:

(1) Mit dem Bildungskonto wird die berufsorientierte Weiterbildung und Umschulung (ausgenommen Umschulungen i.S.d. AMS) zur Arbeitsplatzsicherung gefördert. Die Richtlinien für das Bildungskonto des Landes OÖ für den Zeitraum 2015 bis 2018 treten mit in Kraft."

(…)

6. Nicht gefördert werden:

(…)

(4) der Besuch von Hobbykursen und der Erwerb von Lenkerberechtigungen, ausgenommen der Gruppen C bis F bei unmittelbarer beruflicher Anwendung"

Die Bf. merkte dazu an, dass der Lehrgang Dipl. Body Vitaltrainer vom Bildungskonto des Landes OÖ gefördert worden sei. Ausdrücklich nicht gefördert würden Hobbykurse der privaten Lebensführung.

4. Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

"Es ist zu prüfen, ob bei der Ausbildung zur Body Vitaltrainerin und der Tätigkeit als Krankenschwester ein objektiver und veranlassungsbezogener Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang wäre dann zu bejahen, wenn das durch die Ausbildung zur Body Vitaltrainerin vermittelte Wissen in einem wesentlichen Umfang im Rahmen der Tätigkeit als Krankenschwester verwertet werden kann.

Es wird nicht bestritten, dass die Ausbildung zur Body Vitaltrainerin für eine Krankenschwester bei ihrer täglichen Arbeit von Vorteil sein kann. In Anbetracht der aufgelisteten Lehrinhalte ist jedoch nicht davon auszugehen, dass das vermittelte Wissen in einem wesentlichen Umfang im Rahmen der beruflichen Tätigkeit verwerten kann. Die Berufung ist daher abzuweisen."

5. Im rechtzeitig gestellten Vorlageantrag vom (eingebracht am ) beantragte die Bf. die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat.

5.1. Ergänzend brachte die Bf. vor, dass im Zuge der Abweisung der Beschwerde vom kein plausibler Grund und auch kein gesetzlicher Hintergrund genannt worden seien und verwies auf Rz 224 und 225 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR).

Die "Vorteile aus dem Kurs" für die Bf. würden unter anderem Folgende sein:

• Erhaltung meiner Arbeitsfähigkeit (Beweglichkeit, Wirbelsäule, mentaler Ausgleich durch Sport, Yoga,...)

• Entspannungstechniken für Intensivpatienten gut anwendbar, v.a. Atemübungen (ebenso als Pneumonieprophylaxe)

• Kenntnisse gut anwendbar bei der Mobilisation von Patienten, Therabandübungen im Liegen,...

• Ernährung: Beratung von Patienten zum Thema gesunde Ernährung

• Physiologie, Anatomie (Bewegungsapparat) auch Teil der Ausbildung zur Dipl.

• Krankenschwester

Weiters würden ab 2016 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit als Dipl. Body Vitaltrainer erzielt, somit pro Jahr ca. 2-3 Kursblöcke mit geschätzten Einnahmen von ca. EUR 600,00 bis 1.000,00. Für das Jahr 2016 seien bereits weitere Kurse geplant.

Dem Vorlageantrag waren folgende Beilagen angefügt:

5.3. Bestätigung des Arbeitgebers der Bf. über die Weiterbildung zur Body-Vitaltrainerin vom (vgl. bereits Punkt 3.1.)

5.4. Ausbildungsablauf und Lehrinhalte zum Lehrgang Gesundheitstrainer, wobei die Lehrinhalte wie folgt lauten:

5.5. Webseite des Landes Oberösterreich betreffend das "Bildungskonto" ("Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen Erwachsener zum besseren Fortkommen im Beruf und zur besseren persönlichen Qualifizierung") des Landes Oberösterreich:

Demnach werden berufsorientierte Weiterbildungen und Umschulungen gefördert. Ausgenommen sind unter anderem der Besuch von Hobbykursen.

6. Im Zuge der Beschwerdevorlage vom brachte die belangte Behörde vor, dass bezweifelt werde, dass die erworbenen Kenntnisse tatsächlich in einem wesentlichen Umfang im Rahmen der Tätigkeit als Krankenschwester auf einer Intensivstation verwertet würden. Nach Ansicht des Finanzamtes liege eine (nahezu ausschließliche) berufliche Veranlassung für den Besuch des Lehrganges nicht vor.

Auf die Entscheidung des , werde hingewiesen.

Das im Vorlageantrag geäußerte Vorbringen einer geplanten selbständigen Tätigkeit ab dem Jahr 2016 gehe über eine bloße Absichtserklärung nicht hinaus.

6.1. Die belangte Behörde legte unter dem Titel "Beilage", datiert mit (vor Erlassung des angefochtenen Bescheides), diverse von der Bf. vorgelegte Belege vor:

• Teilnahme- und Zahlungsbestätigung über die Teilnahme der Bf. an dem Lehrgang "Dipl. Body Vitaltrainer/-in" über einen Betrag von EUR 2.890,00

• Lehrgangs-Stundenplan -

• Belege für diverse Ausgaben für Büroartikel, sportbezogene Literatur, Sportbekleidung und Sportgeräte

Im Vorhalt vom wurde die Bf aufgefordert die konkrete Höhe der bezahlten Ausbildungskosten und die Höhe der im Hinblick auf die Ausbildung zur Body- und Vitaltrainerin erhaltenen Förderungen und Kostenersätze und allfällige in Folge der Ausbildung erzielten selbständigen bzw. gewerblichen Einkünfte und Umsätze, die mit der Ausbildung zur Body- und Vitaltrainerin in Zusammenhang stehen, bekanntzugeben.

Mit E-Mail vom ersuchte die Bf die Frist zur Beantwortung des Vorhaltes bis zu verlängern.

Der Vorhalt wurde mit E-Mail vom beantwortet und Bestätigungen über Einnahmen aus der Tätigkeit als Body Vital Trainer vorgelegt.

Mit Fax vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurückgenommen.

Mit Beschluss vom wurde die Vorhaltsbeantwortung dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht.

Das Finanzamt wiederholte in der Stellungnahme vom im Wesentlichen seine bisherige Rechtsansicht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf arbeitet als Krankenpflegerin auf der Intensivstation im Krankenhaus R und erzielt daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

In den Jahren 2011 und 2012 absolvierte die Bf. eine Ausbildung zur Dipl. Body Vitaltrainerin und beantragte in den Steuererklärungen Aufwendungen in der Höhe von EUR 7.061,81 (Jahr 2011) und EUR 3.348,18 (Jahr 2012) als Werbungskosten.

Zu den Details der Ausbildung zur Dipl. Body Vitaltrainerin wird auf die obige Darstellung des Verfahrensablaufes verwiesen.

Ab dem Jahr 2016 übte sie die Tätigkeit als Body Vital Trainerin aus.

In den Jahren ab 2016 erzielte die Bf aus der Tätigkeit als Body Vital Trainerin folgende Einkünfte bzw. Einnahmen aus Gewerbebetrieb.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
2016
2017
2018
2019
2020
Einnahmen
480,00
1.113,00
970,00
1.050,00
555,00
Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. Bescheide
-1.188,67
-1.172,72
-1.893,94
567,24
237,63

Beweiswürdigung

Die obigen Feststellungen bezüglich der Tätigkeit als Krankenpflegerin, die Höhe der Aufwendungen und zum Inhalt der Ausbildung ergeben sich aus den Angaben der Bf.

Die Höhe der Einnahmen aus der Tätigkeit als Body Vital Trainerin ergeben sich aus der Vorhaltbeantwortung.

Die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ergeben sich aus den entsprechenden Einkommensteuerbescheiden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Rechtliche Grundlagen

§ 16 Abs. 1 EStG 1988 Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch:

Z. 10. Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen. Aufwendungen für Nächtigungen sind jedoch höchstens im Ausmaß des den Bundesbediensteten zustehenden Nächtigungsgeldes der Höchststufe bei Anwendung des § 13 Abs. 7 der Reisegebührenvorschrift zu berücksichtigen.

Erwägungen

Zu dem Lehrgang Dipl. Body Vitaltrainerin der AB ergingen bereits mehrere Erkenntnisse des BFG bzw. UFS, wo die Ausbildungskosten nicht als Werbungskosten anerkannt wurden, vgl. RV/2661-W/08 vom , RV/0825-L/04 vom und RV/0988-L/12 vom .

Es ist daher davon auszugehen, dass das vermittelte Wissen nicht in einem wesentlichen Umfang im Rahmen der beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester verwertet werden kann. Untermauert wird diese Sichtweise auch durch die oben angeführten, bereits ergangenen Erkenntnisse und Entscheidungen des UFS zu diesem speziellen Lehrgang.

Werbungskosten iSd von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit liegen daher - wie das Finanzamt richtig darstellt - nicht vor.

Darüber hinaus stellt sich jedoch die Frage, ob die Aufwendungen als solche für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen, angesehen werden können.

Ausbildungskosten sind auch dann als umfassende Umschulungsmaßnahmen abzugsfähig, wenn sie nicht auf die Ausübung eines Hauptberufes abzielen. Es ist dabei aber erforderlich, dass der neue Beruf ernsthaft angestrebt und nicht bloß hobbymäßig betrieben wird (vgl. ).

Eine ernsthafte Absicht zur Einkünfteerzielung manifestiert sich dadurch, dass die Bf zwar nicht unmittelbar nach der Ausbildung, aber ab dem Jahr 2016 bis dato mit der praktischen Anwendung des Erlernten im Sinne eines Gewerbebetriebs begonnen hat. Die Einkünfte aus diesem Gewerbebetrieb wurden vom Finanzamt anerkannt und endgültig veranlagt.

Das Gericht geht daher davon aus, dass die Bf bereits bei Absolvierung der streitgegenständlichen Kurse vorhatte, einen darauf aufbauenden Beruf auszuüben.

Insgesamt kommt das Gericht daher zu der Ansicht, dass zwar keine Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit, jedoch Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen, vorliegen.

Die begehrten Aufwendungen in Höhe von in Höhe von € 7.061,81 (Jahr 2011) und € 3.348,18 (Jahr 2012) stellen daher Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG Z 10 1988 (Umschulungskosten) dar.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und die Bescheide abzuändern.

Hinsichtlich der Berechnung der Einkommensteuer wird auf die beiliegenden Berechnungsblätter verwiesen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die entscheidungswesentlichen Fragen lagen im Bereich der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung. Das Erkenntnis hing nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5102122.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at