Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 18.05.2006, RV/2137-W/05

Progressionsvorbehalt, Arbeitslosengeld

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2137-W/05-RS1
Hat ein Steuerpflichtiger neben laufenden Pensionseinkünften Einkünfte aus einer vorübergehenden unselbständigen Erwerbstätigkeit und in Zeiten, in denen diese Tätigkeit nicht ausgeübt wurde, Arbeitslosengeld bezogen, so entspricht die Besteuerung auch dann den gesetzlichen Bestimmungen, wenn im Einzelfall gegenüber der bisherigen Besteuerung der Pensionseinkünfte eine zusätzliche Besteuerung von über 50 % der Einkünfte aus der vorübergehenden Beschäftigung erfolgt, wobei der Durchschnittssteuersatz aufgrund des Progressionsvorbehaltes des § 3 Abs. 2 EStG 1988 37,9 % beträgt und die in diesem Ausmaß erfolgte zusätzliche Besteuerung darauf zurückzuführen ist, dass die Einkünfte des Steuerpflichtigen auch ohne den Arbeitslosengeldbezug teilweise mit 50 % zu versteuern gewesen wären, sofern dadurch keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintritt (vgl. ).

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des AB, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2003 entschieden:

Die Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird im Sinne der Berufungsvorentscheidung abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind der Berufungsvorentscheidung zu entnehmen.

Entscheidungsgründe

AB, in der Folge mit Bw. bezeichnet, hat im Jahr 2003 einerseits für den Zeitraum 31. Jänner bis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von CD, andererseits eine Firmenpension der AG und schließlich für die Zeiträume vom 1. Jänner bis sowie vom 1. September bis Arbeitslosengeld bezogen.

Mit Einkommensteuerbescheid vom setzte das Finanzamt aufgrund einer durchgeführten Arbeitnehmerveranlagung die Einkommensteuer für das Jahr 2003 in Höhe von 4.848,49 € fest. Bei der Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens haben folgende Sonderausgaben die Bemessungsgrundlage gemindert: Renten oder dauernde Lasten, freiwillige Weiterversicherungen - 1.974,50 €; Kirchenbeitrag - 75,00 €. Zu den Sonderausgaben wurde zunächst ausgeführt, der Gesamtbetrag der Einkünfte übersteige 50.900,00 €. Die Topfsonderausgaben könnten daher nicht (mehr) berücksichtigt werden. Begründend führte das Finanzamt aus, bei der Ermittlung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) seien zuerst die steuerpflichtigen Einkünfte auf den Jahresbetrag umgerechnet worden, Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge berücksichtigt und anhand der sich für das umgerechnete Einkommen ergebenden Tarifsteuer ein Durchschnittssteuersatz ermittelt und auf das Einkommen angewendet worden (Umrechnungsvariante). Danach sei anhand einer Kontrollrechnung festzustellen, ob sich bei Hinzurechnung der Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergebe. Da dies zutreffe, sei der Tarif auf ein Einkommen von 64.176,50 € angewendet worden.

Gegen diesen Bescheid hat der durch seinen Steuerberater vertretene Bw. berufen. Der Bescheid werde angefochten, weil die Einkommensteuer hinsichtlich eines Progressionsvorbehaltes unrichtig berechnet worden sei. Es werde beantragt, die Umrechnung des steuerpflichtigen Einkommens auf den fiktiven Jahresbetrag sowie die Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes zu korrigieren. Begründend wurde ausgeführt, aus dem Bescheid sei die Berechnung des fiktiven Jahresbetrages nicht erkennbar. Der Hinweis, dass eine Kontrollrechnung einen niedrigeren Steuerbetrag ergeben hätte, reiche für die kontrollierende Prüfung des Bescheides nicht aus. Wäre keine Beschäftigung aufgenommen worden, käme es auch bei Bezug von Arbeitslosengeld zu keiner Umrechnung und Anwendung eines Progressionsvorbehaltes. Es käme daher zu keiner Steuernachbelastung. Bilde man eine Summe aus der gesamten Steuerbelastung "aus dem vorübergehenden Dienstverhältnis" und der Steuerminderung durch die Sonderausgaben und stelle diese den steuerpflichtigen Bezügen aus dem vorübergehenden Dienstverhältnis gegenüber, so errechne sich ein Steuersatz von 60,08 %.

Das Finanzamt gab der Berufung mit einer Berufungsvorentscheidung Folge und setzte die Einkommensteuer mit 3.578,60 € fest. Es wurden dieselben Sonderausgaben wie im zunächst erlassenen Bescheid berücksichtigt. Zu den Sonderausgaben wurde wiederum ausgeführt, der Gesamtbetrag der Einkünfte übersteige 50.900,00 €. Die Topfsonderausgaben könnten daher nicht (mehr) berücksichtigt werden. Begründend wurde ausgeführt, bei der Ermittlung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) sei von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag von 17.375,85 € durch 213 Tage dividiert und mit 365 Tagen multipliziert worden. Mit diesem umgerechneten Jahresbetrag und sonstigen allfälligen Einkünften sei das Einkommen rechnerisch mit 71.037,28 € ermittelt worden. Darauf sei der Tarif angewendet und ein Durchschnittssteuersatz mit 37,90 % ermittelt worden. Dieser Steuersatz sei dann wie im Bescheid dargestellt - hinsichtlich allfälliger ermäßigter Einkünfte entsprechend aliquotiert - auf die Einkünfte angewendet worden.

Der Bw. stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und beantragte, eine Berichtigung der Berechnung der Einkommensteuer vorzunehmen, sodass der Steuersatz jedenfalls die Grenze von 50 % nicht übersteige. Die Festsetzung einer Steuernachzahlung von 3.578,60 € bedeute, dass das Einkommen aus der vorübergehenden Beschäftigung letztlich mit über 50 %, nämlich mit 52,77 % besteuert werde. Bei der Berechnung dieses Prozentsatzes bildete der steuerliche Vertreter eine Summe aus der errechneten Lohnsteuer von laufenden Bezügen, der Einkommensteuer-Nachbelastung und der Steuerminderung der Sonderausgaben in Höhe von 1.024.75 € und stellte die so errechnete "gesamte Steuer auf laufende Bezüge" den laufenden steuerpflichtigen Bezügen gegenüber.

Über die Berufung wurde erwogen:

Streit besteht darüber, ob die Einkünfte des Bw. aus dem vorübergehenden Dienstverhältnis "mit 52,77 %" zu besteuern sind.

Die Berechnung der Steuer in der Berufungsvorentscheidung erfolgte gemäß den geltenden gesetzlichen Bestimmungen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 idgF ist das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld von der Einkommensteuer befreit.

Gemäß § 3 Abs. 2 leg cit. gilt jedoch Folgendes: Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z. 5 lit. a ... nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

Da sich gegenständlich im Falle einer Einbeziehung des Arbeitslosengeldes eine höhere Besteuerung ergeben würde (Kontrollrechnung), wurde die Einkommensteuer unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes festgesetzt.

Im Übrigen hat bereits das EStG 1972 idF 3. Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 606 eine vergleichbare Bestimmung enthalten. Zu dieser Bestimmung hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. G 71/90 ua Folgendes ausgeführt: "Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 277 BlgNR 17. GP 6f, begründen diese Änderung wie folgt: ... soll die Begünstigung der Steuerfreiheit für Arbeitslosengeld nur mehr derart gewährt werden, dass die mit einer Steuerbefreiung einhergehende Progressionsmilderung in diesen Fällen ausgeschlossen wird. ... Eine lediglich auf den Bezug - nach wie vor steuerfreier - Transferleistungen zurückzuführende Progressionsmilderung ist damit ausgeschlossen. ... Andere Einkünfte, die die Höhe derartiger Transferleistungen nicht beeinflussen (zB Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitaleinkünfte), sind immer in der tatsächlichen Höhe anzusetzen. Für den Fall des Bezuges niedrigerer steuerpflichtiger Erwerbs- und Pensionseinkünfte im Restzeitraum des Jahres ist überdies noch vorgesehen, dass aus der Umrechnung keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintreten darf."

Die gegenständlichen Einkünfte wurden mit einem Durchschnittsteuersatz von 37,9 % besteuert. Dies entspricht laut Berechnung des Bw. einer Besteuerung des zusätzlichen Einkommens mit 52,77 %. Zu einer höheren Besteuerung als mit 50 % kommt es jedoch lediglich aufgrund des Umstandes, dass der Bw. mit seinen Einkünften bereits vor Anwendung des Progressionsvorbehaltes teilweise einem Steuersatz von 50 % unterlegen ist. Der Progressionsvorbehalt beim Arbeitslosengeld bewirkt bezogen auf die gesamten Einkünfte immer eine Erhöhung des angewendeten Durchschnittssteuersatzes. Der Gesetzgeber hat lediglich insoweit eine Grenze vorgesehen, als keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintreten darf. Diese Grenze wurde im gegenständlichen Fall nicht überschritten.

Da die Berufung gemäß § 276 Abs. 3 BAO im Falle der rechtzeitigen Einbringung eines Vorlageantrages von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt gilt, war der Berufung im Sinne der Berufungsvorentscheidung Folge zu geben.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Progressionsvorbehalt
Arbeitslosengeld
Pensionsbezug
Verweise
Zitiert/besprochen in

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at