Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSW vom 12.05.2006, FSRV/0057-W/05

Einleitung, fahrlässiger Versuch und vertretbare Rechtsansicht

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 2, HR Mag. Gerhard Groschedl, in der Finanzstrafsache gegen Frau K.S., vertreten durch Staudinger & Partner Wirtschaftstreuhand GmbH, 4020 Linz, Brucknerstraße 3-5, über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) des Finanzamtes Baden Mödling vom , SN 2005/00140-001,

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Einleitungsbescheid aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Baden Mödling als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen die Beschwerdeführerin (Bf.) zur SN 027/2005/00140-001 ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass sie vorsätzlich im Bereich des Finanzamtes Baden Mödling durch die Abgabe unrichtiger Umsatz- und Einkommensteuererklärungen, somit unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung von

Einkommensteuer 2000 in Höhe von € 1.109,00 bewirkt, sowie Umsatzsteuer 2002 in Höhe von € 5.639,13 Einkommensteuer 2001 in Höhe von € 1.416,00 Einkommensteuer 2002 in Höhe von € 1.071,00

zu bewirken versucht und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 iVm § 13 FinStrG begangen habe.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Vorsteuerberichtigung für den Verkauf des Mietobjektes, nicht vorgenommen worden und der fondsgebundene Teil der Ablebensversicherung als Werbungskosten abgesetzt worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde der Beschuldigten vom , in der ausgeführt wurde, dass der Vorwurf der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung aus der steuerlichen Betriebsprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 resultiere, bei der die Prüferin festgestellt habe, dass auf eine Vorsteuerverkürzung beim Verkauf einer Wohnung im Ausmaß von 3/10 vergessen worden sei und die Versicherungsprämien aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung, die zur Abdeckung der Kredite für die gekauften Wohnungen diente, nur im Ausmaß von 10 % als Werbungskosten anerkannt worden seien.

Von einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung könne keine Rede sein und liege hinsichtlich der vergessenen Vorsteuerkürzung ein Fehler der Steuerberatungskanzlei vor.

Die ersten Steuererklärungen, die durch die Steuerberatungskanzlei des Parteienvertreters erstellt worden seien, betreffen das Jahr 2000 und sei die im Jahr 2002 veräußerte Wohnung im Jahre 1995 angeschafft worden; es seien keine Unterlagen hinsichtlich des damaligen Vorsteuerabzuges vorgelegen.

Im Zuge der Erstellung der Steuererklärung sei vergessen worden, die Kürzung gemäß § 12 Abs. 10 UStG vorzunehmen und könne der Bf. kein Vorwurf gemacht werden, da ihr die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Vorsteuerkürzungen gemäß § 12 Abs. 10 UStG nicht bekannt gewesen seien.

Die Kürzung der Werbungskosten aus der fondsgebundenen Lebensversicherung sei mit der Prüferin diskutiert worden und sei eine einvernehmliche Lösung dahingehend gesucht worden, dass 10 % als Versicherungskomponente abzugsfähig bleiben und 90 % den Wertpapierfondsanteil betreffen.

Eine Aufgliederung der Lebensversicherung in Fonds- und Versicherungsteil habe durch die Versicherungsgesellschaft nicht erbracht werden können und man habe sich mit der Prüferin in diesem Sinne geeinigt.

Laut Bf. wäre genauso gut möglich, die Versicherungsprämien in voller Höhe als Werbungskosten anzuerkennen und dafür die Auszahlung der Versicherung als Einnahme darzustellen.

Die richtige Vorgangsweise sei auch mit der Prüferin, Frau S., diskutiert worden und wurde in diesem Falle eine Aufteilung 90 % Fonds und 10 % Versicherung vereinbart.

Von einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung könne auch in diesem Falle in keinster Weise gesprochen werden.

Da die Bf. in diesem Fall kein Verschulden treffe und ein vorsätzliches Handeln nicht unterstellt werden könne, werde ersucht, das Strafverfahren einzustellen bzw. höchstens eine fahrlässige Abgabenverkürzung gemäß § 34 FinStrG zu unterstellen.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 83 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz, sofern genügend Verdachtsgründe für die Einleitung wegen eines Finanzvergehens gegeben sind, das Finanzstrafverfahren einzuleiten.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist auszuführen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt, wenn gegen den Verdächtigen genügende Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Betracht kommt. Ein derartiger Verdacht, der die Finanzstrafbehörde zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens verpflichtet, kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ein Verdacht ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. beispielsweise ). Dabei ist nur zu prüfen, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe gegeben sind, nicht darum, schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Untersuchungsverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde bekannt gewordenen Umstände für einen Verdacht ausreichen oder nicht.

Nach dem von der Finanzstrafbehörde erster Instanz geäußerten Verdacht soll die Bf. eine Vorsteuerverkürzung beim Verkauf einer Wohnung im Ausmaß von 3/10 nicht vorgenommen haben. Wenn dazu der Parteienvertreter ausführt, dass die in Rede stehende Vorsteuerkürzung ein Fehler der Steuerberatungskanzlei gewesen sei, da im Zuge der Erstellung der Steuererklärung die Vorsteuerkürzungen gemäß § 12 Abs. 10 UStG vorzunehmen vergessen worden sind und der Bf. die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich dieser Kürzung nicht bekannt gewesen sind, trifft die Bf. bestenfalls ein Auswahlverschulden, das zu einer fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 FinStrG führen hätte können. Da jedoch hinsichtlich der Umsatzsteuerverkürzung wegen des Verdachts einer versuchten Abgabenhinterziehung eingeleitet wurde, ein fahrlässiger Versuch jedoch nicht strafbar ist, war der Beschwerde insoweit stattzugeben.

Der zweite Punkt, auf den sich der Verdacht der Finanzstrafbehörde erster Instanz stützt, ist die Kürzung der Werbungskosten aus der fondsgebundenen Lebensversicherung. Dazu wurde ausgeführt, dass dieser Punkt mit der Betriebsprüferin diskutiert wurde und eine einvernehmliche Lösung dahingehend gefunden wurde, dass 10 % als Versicherungskomponente abzugsfähig bleiben und 90 % den Wertpapierfondsanteil betreffen. Laut Parteienvertreter sei auch die von der Bf. geltend gemachte Rechtsansicht, die Versicherungsprämien in voller Höhe als Werbungskosten anzuerkennen und dafür die Auszahlung der Versicherung als Einnahme darzustellen, vertretbar gewesen.

In diesem Zusammenhang sei ein Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erlaubt, der ausführt, dass es denkunmöglich ist, wenn ein Steuerpflichtiger auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht gehandelt hat, ihm Fahrlässigkeit seines Handelns zur Last zu legen und ihn wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung zu bestrafen (). Auch der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Judikatur angeschlossen und ausgeführt, dass es rechtswidrig ist, wenn jemand auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht gehandelt hat, ihm Fahrlässigkeit des Handelns zur Last zu legen ().

Da sich somit der Verdacht der subjektiven Tatseite des eingeleiteten Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nicht mit der für ein Finanzstrafverfahren erforderlichen Sicherheit bestätigen lässt, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Soweit in der Beschwerde ersucht wird, das Strafverfahren einzustellen, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, sofern das Rechtsmittel nicht gemäß § 156 FinStrG zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung der Rechtsmittelentscheidung ihre Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde erster Instanz zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder das Rechtsmittel als unbegründet abzuweisen.

Da auf das Rechtsmittelverfahren gemäß § 157 FinStrG die Bestimmungen der §§ 115, 117 Abs. 2, 119 bis 123, 125 bis 130 und 132 bis 136 FinStrG sinngemäß anzuwenden sind, jedoch weder § 82 FinStrG noch § 124 FinStrG erwähnt werden, liegt die Kompetenz zur Einstellung des Finanzstrafverfahrens bei der Finanzstrafbehörde erster Instanz.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Einleitung
fahrlässiger Versuch
vertretbare Rechtsansicht

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