Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 24.03.2009, RV/0132-L/09

Verfassungsmäßigkeit der Verteilung des Übergangsverlustes auf sieben Gewinnermittlungszeiträume gemäß § 4 Abs. 10 Z 1 EStG 1988 idF StRefG 1993

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zl. B 567/09 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des AP, P,S, vertreten durch Dr.M, Steuerberater, L,S, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom betreffend Einkommensteuer 2007 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (in der Folge kurz Bw) ist Schmuckhändler und bezieht aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Bis ermittelte er diese Einkünfte gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 im Wege des Betriebsvermögensvergleiches nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Ab wurde die Gewinnermittlung im Wege der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG 1988 nach der Nettomethode vorgenommen.

Den entsprechenden gesetzlichen Regelungen zufolge errechnete der steuerliche Vertreter des Bw's einen sich zum Zeitpunkt des Überganges ergebenden Übergangsverlust in Höhe von - 23.480,88 €. Das laufende Betriebsergebnis des Jahres 2007 ermittelte er (erstmals) im Wege der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung mit 18.731,37 € (Gewinn).

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezifferte der Bw im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 mit insgesamt 15.376,96 €, wobei er diesen Betrag folgendermaßen berechnet hatte:


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Laufendes Betriebsergebnis
18.731,37 €
abzüglich 1/7 des Übergangsverlustes von - 23.480,88 € gemäß § 4 Abs. 10 EStG
- 3.354,41 €
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
15.376,96 €

Mit Einkommensteuerbescheid 2007 vom wurde der Pflichtige erklärungsgemäß zur Einkommensteuer veranlagt.

Gegen diesen Bescheid erhob er durch seinen steuerlichen Vertreter mit Schriftsatz vom Berufung und begründete diese in einem ergänzenden Schreiben vom im Wesentlichen folgendermaßen:

Die Höhe des sich auf Grund des Überganges von der Gewinnermittlung des § 4 Abs. 1 zu jener des § 4 Abs. 3 EStG 1988 von ihm selbst in seiner Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelten Übergangsverlustes von - 23.480,98 € werde nicht bestritten.Gegen die Verteilung dieses Verlustes auf sieben Jahre werde allerdings Folgendes eingewendet:Nach § 4 Abs. 10 Z 1 des Einkommensteuergesetzes sei durch Zu- und Abschläge auszuschließen, dass Veränderungen des Betriebsvermögens (Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben) nicht oder doppelt berücksichtigt würden. Ergäben die Zu- und Abschläge einen Überschuss, so sei dieser beim Gewinn des ersten Gewinnermittlungszeitraumes nach dem Wechsel zu berücksichtigen; ein etwaiger Verlust sei allerdings zu je einem Siebentel in den nächsten sieben Gewinnermittlungszeiträumen zu berücksichtigen.Da davon ausgegangen werden könne, dass Zu- und Abschläge in erster Linie Warenbestände, Debitoren und Kreditoren beträfen, würden die durch den Übergang notwendigen Korrekturen überwiegend den ersten Gewinnermittlungszeitraum nach dem Übergang betreffen. Aus dieser Überlegung heraus stelle die Vorschrift des § 4 Abs. 10 Z 1 des Einkommensteuergesetzes eine Ungleichbehandlung dar, da nicht schlüssig sei, warum ein Übergangsgewinn anders behandelt werden solle als ein Übergangsverlust, zumal sowohl der Übergangsgewinn als auch der Übergangsverlust in der Regel in dem dem Übergang folgenden Jahr entstünden (auf die verfassungsrechtlichen Bedenken verweise auch Doralt im Kommentar zum Einkommensteuergesetz).Es werde daher beantragt, den Übergangsverlust in Höhe von 23.480,88 € bei der Einkommensteuerveranlagung 2007 zur Gänze und nicht nur zu einem Siebentel zu berücksichtigen.

Mit Vorlagebericht vom wurde die gegenständliche Berufung vom Finanzamt dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 10 Z 1 EStG 1988 idF BGBl.Nr. 818/1993 (Steuerreformgesetz 1993 - StRefG 1993) gilt beim Wechsel der Gewinnermittlungsart Folgendes (Anm.: Fettdruck durch die Berufungsbehörde):

"Es ist durch Zu- und Abschläge auszuschließen, dass Veränderungen des Betriebsvermögens (Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben) nicht oder doppelt berücksichtigt werden. Ergeben die Zu- und Abschläge einen Überschuss (Übergangsgewinn), so ist dieser beim Gewinn des ersten Gewinnermittlungszeitraumes nach dem Wechsel zu berücksichtigen. Ergeben die Zu- und Abschläge einen Verlust (Übergangsverlust), so ist dieser, beginnend mit dem ersten Gewinnermittlungszeitraum nach dem Wechsel, zu je einemSiebentel in den nächsten sieben Gewinnermittlungszeiträumen zu berücksichtigen. ..."

Diese gesetzliche Regelung ist bereits für Veranlagungszeiträume ab 1994 anzuwenden. Die Neufassung erfolgte durch Art. I Z 4c StRefG 1993, BGBl.Nr. 818/1993, sodass ab diesem Zeitraum ein Übergangsverlust nicht mehr in einem Betrag, sondern mit je einem Siebentel in den nächsten sieben Gewinnermittlungszeiträumen zu berücksichtigen ist. Ein Übergangsgewinn ist wie bisher beim Gewinn des ersten Gewinnermittlungszeitraumes nach dem Wechsel der Gewinnermittlungsart zu berücksichtigen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Band III A, Tz 1 zu § 4 Abs. 10 EStG 1988). Übergangsverluste sollten in Hinkunft nur auf sieben Jahre verteilt wirksam werden. Der Siebenjahreszeitraum beginnt mit dem ersten Gewinnermittlungszeitraum nach dem Wechsel der Gewinnermittlung (siehe Erläuterungen zur Regierungsvorlage in ÖStZ 1994, S. 11).

Im gegenständlichen Verfahren bemängelt der Bw weder die Höhe des von ihm selbst bzw. seinem steuerlichen Vertreter ermittelten Übergangsverlustes noch behauptet er eine unrichtige Anwendung der oben zitierten gesetzlichen Bestimmung des § 4 Abs. 10 Z 1 EStG 1988, indem im Rahmen des angefochtenen Einkommensteuerbescheides nur ein Siebentel dieses Übergangsverlustes in Ansatz gebracht worden ist. Er zieht vielmehr die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung in Zweifel, wenn er eine Ungleichbehandlung darin erblickt, dass ein Übergangsgewinn anders behandelt wird als ein Übergangsverlust, obwohl beide in der Regel in dem dem Übergang folgenden Jahr entstünden.

Dem Bw ist grundsätzlich zuzugestehen, dass seine Meinung, was die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit der streitgegenständlichen Bestimmung anlangt, auch von namhaften Autoren geteilt wird (siehe Doralt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Tz 413 zu § 4; ebenso Marschner, in: Jakom, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 1. Aufl., Wien 2008, Tz 413 zu § 4).

Allerdings konnte dies seinem Begehren im gegenständlichen Berufungsverfahren dennoch nicht zum Erfolg verhelfen, und zwar aus folgenden Gründen:

Über Berufungen gegen von Finanzämtern erlassene Bescheide hat gemäß § 260 BAO grundsätzlich der unabhängige Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zu entscheiden.

Nach der Verfassungsbestimmung des § 1 des Bundesgesetzes über den unabhängigenFinanzsenat (UFSG) ist der unabhängige Finanzsenat eine Verwaltungsbehörde.

Gemäß Art. 18 B-VG des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden (Legalitätsprinzip).

Die Verwaltungsbehörden sind demnach verpflichtet, ihre Entscheidungen nur auf Grundlage der geltenden Gesetze und Verordnungen zu treffen. Sowohl die Finanzämter als auch der unabhängige Finanzsenat haben als solche Verwaltungs-(Abgaben-)behörden des Bundes die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes in der geltenden Fassung so lange anzuwenden, als sie dem Rechtsbestand angehören.

Dem unabhängigen Finanzsenat steht auf Grund des zitierten Legalitätsgrundsatzes eine Überprüfung von Gesetzen bzw. gesetzlichen Bestimmungen auf ihre Verfassungskonformität nicht zu. Vor allem ist es ihm verwehrt, bei der Anwendung einer Gesetzesbestimmung rechtspolitische oder kritische Aspekte, die im Wortlaut der anzuwendenden Bestimmung keine Deckung mehr finden, zu berücksichtigen (siehe auch SWK-Heft 1/2005, S 41).

Wenn der Bw im Hinblick darauf, dass sich seiner Ansicht nach bei Übergang zu einer anderen Gewinnermittlungsart die notwendigen Korrekturen überwiegend im ersten Gewinnermittlungszeitraum ergäben, in der in § 4 Abs. 10 Z 1 EStG 1988 normierten Aufteilung des Übergangsverlustes auf sieben Gewinnermittlungszeiträume eine Ungleichbehandlung erblickt, so ist dies ein Einwand, der die Verfassungskonformität dieser Bestimmung in Frage stellt, die zuständigen Abgabenbehörden aber nicht davon entbindet, diese eindeutige gesetzliche Anordnung anzuwenden, solange sie in Geltung steht (in diesem Sinne auch -G/03).

Das alleinige Recht auf die Überprüfung von Gesetzen auf ihre Verfassungskonformität obliegt unter Bedachtnahme auf Art. 144 Abs. 1 B-VG nur dem Verfassungsgerichtshof, wobei die Beschwerde gegen einen entsprechenden Bescheid jedoch erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden kann (siehe hiezu auch Rechtsbelehrung).

Da der unabhängige Finanzsenat als Verwaltungsbehörde des Bundes bei der Beurteilung des berufungsgegenständlichen Sachverhaltes auf Grund des beschriebenen Legalitätsprinzips somit an die in Geltung stehende Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, wonach Übergangsverluste auf sieben Gewinnermittlungszeiträume verteilt zu berücksichtigen sind, gebunden war, konnte dem Berufungsbegehren nicht stattgegeben werden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 4 Abs. 10 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Schlagworte
Übergangsverlust
Verteilung auf sieben Gewinnermittlungszeiträume
verfassungsrechtliche Bedenken
Ungleichbehandlung
Verweise
-G/03

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at