Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 30.06.2021, RV/7105704/2018

Geschäftsführerhaftung und Zug-um-Zug-Geschäfte

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7105704/2018-RS1
Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben, weil sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Demnach kann eine Bevorzugung von Gläubigern auch in der Barzahlung von Wirtschaftsgütern oder Dienstleistungen in Form von sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften bestehen (). Für die Frage, ob andere andrängende Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, ist nicht bedeutsam, ob oder inwieweit vom Abgabepflichtigen geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke als Vorsitzenden, den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. als beisitzenden Richter, Kommerzialrat Ing. Friedrich Nagl als fachkundigen Laienrichter und Mag. Johannes Denk als fachkundigen Laienrichter über die Beschwerde des ***Bf1***, vertreten durch INTER-TREUHAND PRACHNER Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H, Hauptplatz 7, 3430, Tulln vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO nach der am am Bundesfinanzgericht in Wien über Antrag der Partei in Anwesenheit von Dr. Doris Prachner und des Beschwerdeführers und von Mag. Julia Höllmüller-Shah für das Finanzamt abgehaltenen mündlichen Verhandlung zur Steuernummer 22-2**/**** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Beschwerdeführer wird im Ausmaß von € 14.000,-- zur Haftung herangezogen. Eine Aufgliederung des Haftungsbetrages auf die einzelnen Abgaben, die einen Bestandteil des Spruches bildet, findet sich am Ende der Entscheidung.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Bescheid

Mit Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln (belangte Behörde; Rechtsvorgänger des Finanzamtes Österreich) den Beschwerdeführer als ehemaligen Geschäftsführer zur Haftung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***Primärschuldnerin***, Firmenbuchnummer ***FB_Nr***, ***Primärschuldnerin_Adresse***, im Ausmaß von € 24.257,20 heran. Die Haftungsumme setzte sich aus aushaftenden Umsatzsteuern der Zeiträume 09/2010, 12/2010 und 01/2011, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag jeweils für 02/2011, Körperschaftsteuer 01-03/2011, Pfändungsgebühren und Barauslagen 2011 und Säumniszuschlägen für 2010 und 2011 zusammen. Begründet wurde der Bescheid wie folgt:
"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg. cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis. Aus dem Zusammenhang der Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist somit eine reine Ausfallshaftung. Die Uneinbringlichkeit begründet sich darauf, dass über die Firma ***Primärschuldnerin***, am ***Datum4*** der Konkurs eröffnet wurde (***GZ_Nr***). Laut Firmenbuch waren Sie seit ***Datum1*** unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. ***Primärschuldnerin***, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern - was sich aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO eindeutig ergibt - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht. Reichten somit die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (Hinweis E , 95/15/0145; E , 97/17/0144; E , 94/14/0147).

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UstG 72 hat der Unternehmer spätestens am 15. des Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit., selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf (vgl. ). Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln des Vertretenen zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (vgl. ). Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. ; ). Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer ist festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1972 bzw. 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten hat. Es wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, verpflichtet ist, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag, zu berechnen, einzubehalten und abzuführen.

Hinsichtlich der Heranziehung für ausstehende Dienstgeberbeiträge und Dienstgeberzuschläge wäre es Ihre Pflicht, für eine zeitgerechte Abfuhr Sorge zu tragen. Die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung ist wiederum als schuldhaftes Verhalten einzustufen. Da Sie Ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der Firma ***Primärschuldnerin***, uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§20) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Haftungspflichtigen zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den (berechtigten) Parteiinteressen der Vorrang einzuräumen."

Beschwerde

Gegen diesen Haftungsbescheid richtet sich die Beschwerde, die mit datiert ist, jedoch erst am Nachmittag des zur Post gegeben wurde und einen Eingangsstempel der belangten Behörde ebenfalls vom trägt. Die Beschwerde hat folgenden Wortlaut:
"Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid gem § 9 BAO zu ***Primärschuldnerin*** zu ***BF1StNr1***2**/****
Antrag auf Aussetzung gem § 212a BAO bis zur Beschwerdeentscheidung

Sehr geehrter Herr ***Bed_FA***,

Ich erhebe innerhalb offener Rechtsmittelfrist das ordentliche Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde gegen den oben angeführten Haftungsbescheid gem § 9 BAO vom wegen Ausfall von Abgabenrückständen im Konkursverfahren ***Primärschuldnerin*** gegen mich als unternehmensrechtlichen Geschäftsführer (GF) in der Höhe von € 24.257,20.

Begründung:
Demnach darf ich die Gründe meiner Schuldlosigkeit bzw. das Nicht-Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung als GF darstellen:

Die Zahlungsunfähigkeit und in weiterer Folge der Konkurs der Schuldnerin "***Primärschuldnerin***" war leider nicht vorherzusehen, da die Entwicklung der Firma bis zum Zeitpunkt des Entstehens eines Bauschadens, welcher ausschließlich durch ein Subunternehmen verschuldet wurde, positiv war.

Ein Subunternehmen verursachte einen Bauschaden, welcher zur Folge hatte, dass die Bauherrschaft des Bauvorhabens ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkam und die Zahlungen einstellte. Eine dahingehende Zustimmung der Bauherrschaft, die Rechnungen wieder zu begleichen sobald der Schaden behoben wurde, hielt der Kunde nicht ein und überwies keinen Rechnungsbetrag. Der Kunde kam laufend mit weiteren Einwänden, welchen nur durch sehr aufwendige und teure Sachverständigengutachten zu entgegnen gewesen wäre. Deshalb habe ich die Haftpflichtversicherung der Schuldnerin "***Primärschuldnerin***" eingeschalten, welche aber die Versicherungsdeckung mit der Begründung "Schaden am eigenen Bauwerk" ablehnte und mich auf den Regressweg gegenüber dem Subunternehmer und dessen Versicherung verwies.

Zeitgleich wurde festgestellt, dass das Subunternehmen, welches den Schaden verursachte, zu diesem Zeitpunkt keinen aufrechten Versicherungsschutz mehr hatte. Der Eigentümer kam während des Bauvorhabens seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach, daher wurde ihm die Versicherung gekündigt. Ein Regress gegen den Subunternehmer (den eigentlichen Schadensverursacher) war deshalb "sinnlos", da dieser zu diesem Zeitpunkt zwischenzeitlich bereits vermögenslos und überschuldet war (und wie gesagt auch keinen Versicherungsschutz mehr hatte), was sich aber meiner Kenntnis bei Auftragserteilung entzog und auch erst nach Auftragserteilung eingetreten ist (Anmerkung: ich habe mit dieser Firma schon über einen längeren Zeitraum bei mehreren anderen Bauvorhaben erfolgreich und problemlos zusammengearbeitet).

Seitens ***Primärschuldnerin*** gelang es mir nicht, eine Finanzierung für Forderungsausfall zu erhalten. Erst zu diesem Zeitpunkt war für mich die Zahlungsunfähigkeit erkennbar bzw trat diese überhaupt ein. Noch am selben Tag nahm ich Kontakt bezüglich der weiteren Vorgehensweise mit der Steuerberaterin der ***Primärschuldnerin*** auf. Am Tag darauf wurde der Rechtsanwalt der Firma ***Primärschuldnerin*** darüber informiert, welcher die notwendigen Schritte einleiten sollte und auch eingeleitet hat. Ein paar Tage nach Eintritt der vollkommen überraschenden Zahlungsunfähigkeit der ***Primärschuldnerin*** (durch das Verschulden eines Subunternehmers ohne Aussicht auf Erfolg im Regressweg) wurde bereits der Konkursantrag eingereicht. Ab Erkennen der Zahlungsunfähigkeit wurden KEINE Überweisungen mehr getätigt (weder offene Eingangsrechnungen, Löhne, Gehälter, Lohnnebenkosten, BUAK,...). Es hat kein Gläubiger (weder durch die Schuldnerin noch durch meine Person) ab diesem Zeitpunkt Geld bekommen. Ich habe daher weder einen Gläubiger bevorzugt noch einen anderen schlechter behandelt oder schlechter gestellt. Mir ist auch nicht bekannt, dass die Masseverwalterin "zu Unrecht bezahlte Gelder" von "bevorzugte Gläubigern" rückgefordert hat - eben weil das nicht vorlag.

Die für den Konkurs zuständige Masseverwalterin konnte selbst nach Prüfung aller überreichten Unterlagen kein Verschulden durch den Geschäftsführer, ***Bf1***, der ***Primärschuldnerin*** feststellen. Es ist kein Verfahren auf Grund einer Konkursverschleppung oder anderen Gründen gegen mich anhängig oder eingeleitet worden.

Wie ist der beiliegenden offenen Posten Liste der Buchhaltung der ***Primärschuldnerin*** (zur Information: die Buchhaltung heißt zwar 2012, aber das kommt daher, da die Firma ***Primärschuldnerin*** ein abweichendes Wirtschaftsjahr hatte und das Wirtschaftsjahr immer so genannt wird, wie das Jahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Gegenständliche Buchhaltung ist daher vom und wäre bis gegangen). Auf der beiliegenden offenen Posten Liste ist klar und deutlich zu erkennen, dass sämtliche Eingangsrechnungen von Lieferanten über längere Zeiträume offen waren, und sechs Monate vor Konkursöffnung keine Zahlungen, welche nicht Zug-um- Zug gewesen wären, sondern eine Gläubigerbevorzugung dargestellt hätten, passiert sind. Warum die Lohnabgaben des Monats Februar 2011 offen geblieben sind, kann ich dahingehend erklären, als die Löhne Februar auch offen geblieben sind, und die Lohnabgaben IST-Abgaben darstellen, welche erst im Zeitpunkt der Zahlung fällig werden. Warum diese Abgaben dann seitens des Finanzamtes im Mai 2011 nachgebucht worden sind, kann ich mir nicht erklären, da die Mitarbeiter hier aus dem Insolvenzfonds ihre Zahlungen erst später bekamen.

Aus den oben angeführten Gründen trifft den Geschäftsführer, Bmst. ***Bf1***, der ***Primärschuldnerin*** kein schuldhaftes Verhalten weder für die Zahlungsunfähigkeit und in weiterer Folge den Konkurs der Schuldnerin noch lag eine Gläubigerschädigung noch eine Gläubigerbevorzugung vor. Es lag auch keine wie auch immer geartete (schuldhafte) Verletzung der mir auferlegten Pflichten in meiner Organfunktion und auch als Gesellschafter vor. Somit kann ich, Bmst. ***Bf1***, für die übermittelten Ausfälle nicht haftbar gemacht werden, da hierfür der Rechtsgrund fehlt.

Ich ersuche um Zurücknahme des Bescheides und um Stattgabe meiner Beschwerde."

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde der Beschwerde teilweise Folge gegeben. Die zunächst ausgesprochene Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 02/2011 in Höhe von € 1.844,35 wurde nicht mehr aufrecht erhalten. Weiters wurde eine an die belangte Behörde bezahlte Insolvenzquote in Höhe von 2,67 % haftungsmindernd berücksichtigt, sodass eine Haftungssumme von € 21.814,43 verblieb, die sich folgendermaßen zusammensetzt:

Begründet wurde die Beschwerdevorentscheidung wie folgt:
"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Voraussetzung für die Vertreterhaftung sind demnach eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft den Gesellschafter einer Gesellschaft, deren Abgaben nicht entrichtet wurden und uneinbringlich geworden sind, im Haftungsweg die Obliegenheit darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben, die nun uneinbringlich geworden sind, rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Verletzung dieser Pflicht Ursache für die Uneinbringlichkeit der nicht entrichteten Abgaben war (vgl. zB Zl. 2001/13/0127). In diesem Zusammenhang hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ( Zl. 2001/17/0158). Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Schulden nicht ausreichen. Reichen die liquiden Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, hat der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Der vom Vertreter zu erbringenden Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger hat somit auch diese von der Gesellschaft getätigten Zahlungen (etwa. sog. Zug-um-Zug-Geschäfte) zu erfassen (vgl. ; ). Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden Ihrerseits die Schuldlosigkeit an der Zahlungsunfähigkeit sowie das Fehlen liquider Mittel vorgebracht. Diesbezüglich ist Folgendes auszuführen:
Bezüglich der Haftungsfrage nach § 9 BAO ist es nicht entscheidungswesentlich, ob den Geschäftsführer an der Zahlungsunfähigkeit der GmbH ein Verschulden trifft und ob er auf Grund dieser Insolvenz selbst einen Schaden erlitt, da nicht das Verschulden an (und der Schaden aus) der Insolvenz ins Gewicht fällt, sondern das Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen (rechtzeitigen) Abgabenentrichtung vor Konkurseröffnung (vgl. ). Ebenso bedeutungslos für die Haftung nach § 9 BAO sind andere als abgabenrechtliche Pflichten (etwa die Pflicht, rechtzeitig einen Konkursantrag zu stellen).

Betreffend das Vorhandensein liquider Mittel gilt Folgendes:
Stehen ausreichende Mittel zur Entrichtung der Abgaben nicht zur Verfügung, so kann dies nur dann eine für die Uneinbringlichkeit kausale schuldhafte Verletzung der Abfuhrpflicht ausschließen, wenn dem Beschwerdeführer der Nachweis gelingt, den Abgabengläubiger im Vergleich zu den anderen Gläubigern, nicht schlechter behandelt zu haben. Vermag er nämlich nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, kann dem Vertreter die uneinbringlichen Abgaben zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl ), zumal auf diesem, nicht aber auf der Behörde, die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote lastet.

Auf die Notwendigkeit dieser Nachweisführung wurden Sie spätestens im Haftungsbescheid vom ausdrücklich hingewiesen, Sie sind dieser Aufforderung allerdings nicht nachgekommen.

Die pauschale Behauptung sämtliche Gläubiger gleich behandelt zu haben (bzw. ab Erkennen der Zahlungsunfähigkeit keine Überweisungen mehr getätigt zu haben), reicht nicht aus, um den organschaftlichen Vertreter zu exkulpieren, vielmehr hat dieser aufgrund der qualifizierten Behauptungs- und Nachweispflicht den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen (vgl. ). Eine entsprechende Verhältnisrechnung/Quotenberechnung unter Einbeziehung der gesamten Einnahmensituation (vgl. ) sowie der gesamten Liquiditätssituation (vgl. ) zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten liegt dem Finanzamt allerdings nicht vor. Der Verweis auf die "offene Posten"-Liste der Buchhaltung der Gesellschaft ist nicht ausreichend.

Im Hinblick auf die unterlassene Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Beschwerdeführers bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht (). Da es sich bei der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO um eine reine Ausfallshaftung handelt und eine Haftungsinanspruchnahme des Vertreters somit nur hinsichtlich der bei der Primärschuldnerin uneinbringlichen Abgabenschulden in Betracht kommt, war die im Konkursverfahren ausgeschüttete Quote von 2,67% bei Berechnung der Haftungssumme entsprechend zu berücksichtigen.

Betreffend Lohnsteuer 02/2011 (bzw. Dienstgeberbeitrag 02/2011, Zuschlag DB 02/2011) wird seitens des Finanzamtes von der Haftungsinanspruchnahme abgesehen, zumal die Dienstnehmer der Gesellschaft im Februar 2011 tatsächlich nicht mehr lohnbefriedigt wurden.

Es verbleibt sohin ein bei der Primärschuldnerin uneinbringlicher Restbetrag von € 21.814,43, der der Ausfallshaftung gem. § 9 Abs.1 BAO unterliegt. Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Ihrerseits wurden keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können. Aufgrund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftungspflichtiger für die gegenständlichen Abgabeschuldigkeiten zu Recht. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Zustellung des Haftungsbescheides sowie der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung erfolgt(e) trotz aufrechter Zustellungsbevollmächtigung des Parteienvertreters direkt an den Haftungspflichtigen. Begründend wird hierzu Folgendes ausgeführt:

Gemäß § 103 Abs. 1 zweiter Satz BAO können im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden (vgl. ). Mit der Direktzustellung des Haftungsbescheides wurde eine umgehende Verständigung von der Heranziehung zur Haftung des ehemaligen Geschäftsführers erreicht. Da die Beschwerde durch den Haftungspflichtigen selbst und nicht über den Parteienvertreter eingebracht wurde, erfolgte auch die Zustellung der Beschwerdeerledigung aus Zweckmäßigkeitsgründen auf direktem Wege."

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertreterin einen Vorlageantrag und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat. Begründet wurde der Vorlageantrag folgendermaßen:
"Sehr geehrte Damen und Herren,

Im Namen und im Auftrag unseres oben angeführten Mandanten, Herrn BM ***Bf1*** als In-Haftungsgenommener und damit Beschwerter, beantragen wir hinsichtlich der Beschwerdevorentscheidung vom (Zustellung am ) über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid (Haftung als ehemaliger Geschäftsführer für Abgabenschulden der GmbH) vom innerhalb offener Frist das Rechtsmittel des VORLAGEANTRAG - Antrag auf Entscheidung über die BESCHWERDE durch das Bundesfinanzgericht.

Sachverhalt
Im Haftungsbescheid vom bzw. in der BVE unter nur teilweiser Stattgabe vom geht das Finanzamt davon aus, dass der Geschäftsführer Herr Ing.
***Bf1*** gegen die Gläubigergleichbehandlung in seiner Eigenschaft als (ehemaliger) Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** (in Konkurs, gelöscht) verstoßen habe, da er nicht nachweisen vermag, dass der die Abgabenbehörde im Vergleich zu den anderen Gläubigern nicht schlechter behandelt hat.

Herr ***Bf1*** hat unter Auflösung seines "Notgroschens" bei der Bank aus dem Verkauf seines Hauses einstweilen unter Protest den Rückstand aus der GF-Haftung an das Finanzamt gezahlt - zur Vermeidung von Stundungszinsen im Falle des Verlierens bzw. zur Erzielung eines besseren Veranlagungserfolges im Fall des Obsiegens als bei der Bank. Dies ist nicht als "Schuldanerkenntnis" zu sehen - sondern erfolgte ausschließlich aus den o.a Gründen.

Es wird unsererseits vorweg nochmals darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen zur Geltendmachung der persönlichen Haftung des BM ***Bf1*** als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** nicht vorliegen, sodass vorweg beantragt wird, von einer Heranziehung zur Haftung des Geschäftsführers Abstand zu nehmen. Im Einzelnen wird hierzu ausgeführt wie folgt:

Begründung

Richtig ist, dass der BM Ing ***Bf1*** (i.d.F. GF) Alleingesellschafter und Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** war, über deren Vermögen zu ***GZ_Nr*** des LG St. Pölten am ***Datum4*** das Konkursverfahren eröffnet wurde. Zunächst ist festzuhalten, dass die Haftung des Geschäftsführers ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatznachrecht nachgebildete Verschuldenshaftung ist, die den Geschäftsführer nur dann trifft, wenn er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Zuschlägen schuldhaft verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die Abgaben- oder Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, die Abgabenseite aber unbezahlt belässt bzw. im Falle des Fehlens ausreichender Mittel, nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Abgabengläubiger und Sozialversicherungsträger Sorge trägt (vgl. das Erkenntnis des ).

Wesentliche und primäre sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters nach § 9 BAO ist die objektive gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der Zuschläge beim Primärschuldner. Erst wenn diese feststeht, ist auch die Prüfung der für eine Haftung maßgeblichen weiteren, an die Person der allenfalls haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen.

Mit Beschluss vom des LG St. Pölten wurde das gegenständliche Unternehmen auf Antrag des Masseverwalters geschlossen. Hierzu ist auszuführen, dass das Unternehmen erst mit Beschluss vom des LG St. Pölten auf Antrag der Masseverwalterin geschlossen wurde, sodass es vor diesem Zeitpunkt noch nicht gewiss war, ob das Unternehmen nicht doch weitergeführt werden könnte. Aus diesem Grund ist es auch nachvollziehbar, dass der Geschäftsführer des gegenständlichen Unternehmens bis zum Tag der Konkurseröffnung alles darangesetzt hat, um dieses vor einem Konkursverfahren zu bewahren. Es ist in diesem Zusammenhang einleuchtend, dass der Einschreiter zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebes tätig wurde und damit laufende Zug-um-Zug Geschäfte getätigt hat (zB Bezahlung der Tankrechnung des Firmenautos, und Bezahlung der Telefonrechnung, zur Aufrechterhaltung der Geschäftsverbindungen).
Ursache für die Insolvenz der Gemeinschuldnerin war die Tatsache, dass bereits vor Beginn der Geschäftstätigkeit () die Schuldnerin mit einem zu hohen Fremdkapital und ohne entsprechende Eigenkapitalquote finanziert war. Im Jahr 2010 wurden von der Gemeinschuldnerin 2 Subunternehmen, nämlich ein Trockenbauunternehmen und ein Fassadenunternehmen für Bauprojekte beauftragt. Deren Tätigkeiten führten zu Mängel und Schäden, weshalb die Kunden in weiterer Folge die Zahlung des vereinbarten Werklohnes verweigerten. Die zwei Subunternehmen befanden sich in einer schlechten wirtschaftlichen Lage, sodass Regressansprüche bei diesen nicht einbringlich gemacht werden konnten (siehe dazu auch die Ausführungen von Herrn
***Bf1*** in der Beschwerde vom ).

In dem Insolvenzverfahren der Gemeinschuldnerin wurden insgesamt Forderungen in Höhe von € 593.284,35 angemeldet, wobei davon € 47.259,92 durch den Insolvenzverwalter bestritten wurden. Zum Haftungsvorhalt gegen Ing. BM ***Bf1*** als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** (gelöscht) wird ausgeführt, dass die Haftungsbestimmung des § 9 BAO lediglich dann greift, sofern die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vorliegende Bilanzauswertungen ergeben im Übrigen für die letzten 2 Geschäftsjahre - Bilanzstichtag ist jeweils der 31.01. - nachstehendes Bild:

Das Finanzamt fordert den Geschäftsführer in deren Bescheid auf, Unterlagen bezüglich Gläubigergleichbehandlung für den Zeitraum von sechs Monaten vor Konkurseröffnung, also von - vorzulegen und schlüssige Nachweise dafür zu erbringen. Dies ist mit Originalunterlagen schwierig bzw. unmöglich, da die Geschäftsunterlagen im Rahmen einer Insolvenz vollständig an den Insolvenzverwalter (hier: Frau ***MV***) übergeben werden müssen, da der Insolvenzverwalter ja bereits Gläubigerbevorzugungen (wegen Anfechtungen) und hinsichtlich deliktischer Haftung des GF wegen Insolvenzverschleppung untersuchen muss. Frau Dr. ***MV*** wurde hinsichtlich Wiederausfolgung der Unterlagen kontaktiert und sie gab an, dass sie die Unterlagen nach Abschluss des Verfahrens und Löschung der GmbH in ein versiegeltes Lager zur Einlagerung bis zum Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist eingelagert hat und diese zwischenzeitlich (weil 7 Jahre Aufbewahrungsfrist abgelaufen) unter Versiegelung wahrscheinlich vernichtet wurden, weil dies der Auftrag an die Einlagerungsfirma ist: nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist automatische Vernichtung.

Weiters ist festzuhalten, dass die ehemalige Gemeinschuldnerin, in dem von dem Finanzamt vorgegebenen Beurteilungszeitraum von bis maximal drei Dienstnehmer angestellt hatte bzw. bei Konkurseröffnung im Mai 2011 nur mehr ein Dienstnehmer tätig war und das Finanzamt seine Regressforderung gegenüber dem GF hinsichtlich Lohnabgaben schon eingeschränkt bzw. gänzlich zurückgenommen hat: siehe dazu die Ausführungen in der teilweisen Stattgabe der Beschwerde vom im Rahmen der BVE vom : hier erkannte die Finanzverwaltung keine Gläubigerbevorzugung aufgrund der vorgelegten Unterlagen (und damit Storno der Ist-Abgaben wie L, DB, DZ wegen Nichtauszahlung Löhne ab 2/2011).

Umso mehr verwundert es, warum das Finanzamt dann hinsichtlich der Umsatzsteuer 9/2010 (hier lag ein Ratenansuchen vor) und 12/2010 und 1/2011 (die Umsatzsteuer 10/2010 wurde bezahlt, da die der Zahllast zugrundeliegenden Kunden bezahlt hatten // die Umsatzsteuer 11/2010 wies ein Guthaben aus, welches zur Reduktion des Rückstandes U 9/2010 verwendet wurde)) sowie der damit im Zusammenhang stehenden Nebengebühren (SZ) anhand der Offenen-Posten (OP) Liste als "pauschale" Behauptung abtut. Es ist aus der beiliegenden OP-Liste eindeutig ersichtlich, dass - außer Zug-um-Zug Zahlungen - keine anderen Zahlungen an Lieferanten geleistet wurden. Das ist keine pauschale Behauptung, sondern nachweisbar und ersichtlich - zumindest aus den Buchhaltungskonten!

Beweis:
- beiliegender Kontoausdruck aus der Finanzbuchhaltung: Bankkonto Raika
***R1*** (Minus 58.368,40) und Raika ***R2*** (Minus 6.516,95)
- beiliegende Finanzierungs- und Vermögensstruktur der Gemeinschuldnerin anhand Saldenliste zum (Ende Wirtschaftsjahr, sowie eine Saldenliste zum - Ende der Verbuchungen)
- OP Liste Lieferanten zum , aus der ersichtlich ist, dass nur Zug-um-Zug Zahlungen getätigt wurden - aber alle "Altlasten" unbedient und offen verblieben.

Anhand dieser Auszüge ist vor allem festzuhalten, dass die Gemeinschuldnerin im Jänner 2011 die letzten Zahlungen an das Finanzamt bzw. die Gebietskrankenkasse anweisen konnte bzw. die letzten UVA-Überweisungen im Oktober 2010 getätigt wurden (November 2010 wies ein Vorsteuerguthaben aus und reduzierte den Rückstand aus 9/2010). Dies vor allem zum Beweis dafür, dass der GF die Abgabenschulden (und Zuschläge) gegenüber den anderen Verbindlichkeiten nicht schlechter behandelt hat, zumal während des Beobachtungszeitraumes keinerlei Zahlungen mehr an das Finanzamt bzw. Gebietskrankenkasse und Lieferanten (abseits Zug-um-Zug) erfolgt sind.

Das Finanzamt übersieht, dass es sich bei den einzigen Zahlungen 6 Monate vor Insolvenzeröffnung um Zug-um-Zug-Geschäfte gehandelt hat, sodass wechselseitige Leistungsverpflichtungen aus dem Rechtsgeschäft sofort erfüllt wurden und somit keine Gläubigerstellung entstehen konnte. Die Rechtsprechung dehnt das Zug-um-Zug-Prinzip im Einklang mit einem Teil der Lehre auf den Leistungsaustausch im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen aus, sofern ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Eine gleichzeitige Bewirkung von Leistung und Gegenleistung wird nicht gefordert. Maßgeblich ist der nach der Verkehrsauffassung gegebene einheitliche wirtschaftliche Vorgang (RIS-Justiz RS0064633).

In allen Zahlungen vor Insolvenzeröffnung lagen das Datum der Rechnungslegung und die Bezahlung durch den Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** in einem engen zeitlichen Zusammenhang, sodass jedenfalls von einem Zug-um-Zug-Geschäft auszugehen ist, welches demzufolge anfechtungsfest ist, zumal dies zu keiner Gläubigerbenachteiligung führt.

Zu Zahlungen in der Krise, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen und bei Vorliegen von Zahlungsrückständen erfolgen, wird davon ausgegangen, dass jedenfalls eine auf die laufende periodisch wiederkehrende Schuld geleistete (und gewidmete) Zahlung anfechtungsfest sei.

In diesem Zusammenhang verweisen wir auf die Entscheidung des OGH zu GZ 3Ob 8/10p, in welcher dieser ein anfechtungsfestes Zug-um-Zug-Geschäft bei einem Stromlieferungsvertrag bejaht, zumal hier der enge zeitliche Zusammenhang zwischen erbrachter Leistung und Zahlung ausschlaggebend sei. Maßgeblich für die Beurteilung des engen zeitlichen Zusammenhangs ist die Fälligkeit.

Weiters besteht in der oben genannten Entscheidung keine Benachteiligungsabsicht, auch wenn der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin nach Eintritt der materiellen Insolvenz einen von mehreren Gläubigern voll befriedigt, weil er - wenngleich aufgrund einer objektiv unrichtigen Zukunftsprognose - hoffte, die Zahlungsunfähigkeit zu beheben: in diesem konkreten und zu beurteilenden Fall die erhoffte Finanzierung durch Bank bzw. Übernahme des Fremdverschuldens durch die Versicherung. Und damit wären auch die anderen Gläubiger, wenngleich zu einem späteren Zeitpunkt, voll befriedigen zu gewesen. Auch wenn der Geschäftsführer vielleicht manche Lieferanten durch die Zahlungen bewusst bevorzugt habe, habe er wegen der erhofften Übernahme damit gerechnet, auch die übrigen Verbindlichkeiten befriedigen zu können. Diese Erwartungshaltung schließe - so der OGH - die Benachteiligungsabsicht aus. Wie bereits oben vorgebracht, hat Herr ***Bf1*** in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin*** gehofft, sein Unternehmen weiterführen zu können und somit die Zahlungsunfähigkeit zu beheben.

Von einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers wäre dann auszugehen, wenn dieser die Zahlungsverpflichtung gegenüber z.B. der Gebietskrankenkasse zur Gänze erfüllt, die offenen Abgabenschulden jedoch nicht begleicht. Aufgrund der Tatsache, dass der Geschäftsführer im Beobachtungszeitraum keinerlei Bevorzugungen von Gläubigern vorgenommen hat, kann diesem auch eine Ungleichbehandlung der Gläubiger nicht vorgeworfen werden.

Lediglich Zahlungen an den Handyvertragspartner sowie Lohnauszahlungen bis Jänner 2011 (alles Zug- um Zug) wurden getätigt, zumal der Einschreiter sich immer noch bemühte, die GmbH vor dem Konkurs zu bewahren. Lohnzahlungen sind (auch wenn der Lohn periodengemäß im Nachhinein ausbezahlt wird, der Arbeitnehmer also vorleistet) wegen des zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs als Zug-um-Zug-Leistung aufzufassen (RIS-Justiz RS0064643). Zusammengefasst ist demzufolge kein wie immer gearteter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ersichtlich.

Dementsprechend hat der Geschäftsführer mit seiner Beschwerde vom zusammen mit den vorgelegten und auch jetzt beiliegenden Unterlagen eindeutig dargelegt, dass keinerlei Bevorzugungen anderer Gläubiger gegenüber Finanzamt (und anderen Behörden) vorgenommen wurden. Die Bankkonten waren permanent überzogen (siehe Saldenführung der Finanzbuchhaltungskontoblätter ab ) und ließen keine weitere Ausnutzung zu. Damit kann Herr ***Bf1*** nachweislich belegen, dass ihm zu keinem Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabenschulden Mittel zur vollen Erfüllung zur Verfügung gestanden sind. In diesem Zusammenhang werden weitere Unterlagen zu den einzelnen Fälligkeitszeitpunkten vorgelegt.

Beweis:
- beiliegende Saldenliste per (= Einstellung der Buchhaltung): umfasst den Zeitraum - ;
- beiliegende Saldenliste (inkl. Erfolgsrechnung) per (Wirtschaftsjahrende) Detail-Bankkonten-Ausdrucke der Kontenblätter mit Saldoführung aus der Finanzbuchhaltung ab
- Alles in allem muss die Finanzverwaltung demzufolge bei richtiger rechtlicher Beurteilung von der Erlassung eines Haftungsbescheides Abstand nehmen. Aufgrund dieser Tatsachen stellen wir daher im Namen und im Auftrag unseres oben angeführten Mandanten den
ANTRAG
den Haftungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben. Des Weiteren stellen wir im Namen und im Auftrag unseres oben angeführten Mandanten den
ANTRAG

auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 284 BAO. Ebenso stellen im Namen und im Auftrag unseres oben angeführten Mandanten den
ANTRAG
auf Entscheidung des gesamten Berufungssenats gemäß § 282 BAO."

Vorlagebericht

Im Anschluss an den Vorlageantrag wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom vorgelegt und vom Finanzamt als belangter Behörde im Vorlagebericht angeführt, dass die Abweisung der Beschwerde beantragt werde und wie folgt Stellung genommen werde:
"Im Rahmen der Beschwerde wurde vom Beschwerdeführer eine Ungleichbehandlung der Gläubiger bestätigt. Der Bf. hat keine gänzliche Mittellosigkeit der Gesellschaft bei Fälligkeit der im Haftungsbescheid enthaltenen Abgabenschuldigkeiten nachgewiesen, sondern sich dahin geäußert, dass insbesondere die Mitarbeiter und bestimmte Vertragspartner betreffend Zahlungserhalt bevorzugt wurden, um die geschäftlichen Beziehungen aufrechtzuerhalten. Der Bf. scheint den Standpunkt zu vertreten, er habe die laufenden Kosten des Geschäftsbetriebes gegenüber den Abgabenschuldigkeiten privilegiert behandeln dürfen. Für eine solche Privilegierung besteht jedoch kein rechtlicher Grund, selbst wenn die Bezahlung laufender Betriebsaufwendungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwendig ist (vgl. Ritz, BAO5 (2014) § 9 Rz 11a). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Der vom Vertreter zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger hat somit auch diese von der Gesellschaft getätigten Zahlungen (etwa. sog. Zug-um-Zug-Geschäfte) zu erfassen (vgl. ; ).

Ein Geschäftsführer einer GmbH handelt demnach schuldhaft, wenn er die Zahlung (Entrichtung) von Abgabenschuldigkeiten gegenüber anderen Verbindlichkeiten hintanstellt (vgl. ). Die Gründe, weshalb die Bf. die Begleichung der Abgabenschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten vernachlässigt hat, sind nicht ausschlaggebend. Entscheidungswesentlich bezüglich der Haftungsfrage nach § 9 BAO ist nicht die Schuldlosigkeit des Geschäftsführers an den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen der GmbH, sondern die Gleichbehandlung der Abgabenschulden mit anderen Verbindlichkeiten in Bezug auf ihre Bezahlung (vgl. ).

Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist nichts anderes als das Eingeständnis des Bf., dem unter der Annahme tatsächlich fehlender Mittel zur vollständigen Abgabenentrichtung bestehenden Gleichbehandlungsgebot gegenüber dem Abgabengläubiger nicht entsprochen zu haben. Diese Pflichtverletzung führte zur Uneinbringlichkeit der Abgaben. Die Ursachen der Insolvenz haben keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verschuldensfrage hinsichtlich einer Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO, da es in diesem Zusammenhang nicht relevant ist, ob dem Geschäftsführer an der Zahlungsunfähigkeit der GmbH ein Verschulden trifft, da nicht das Verschulden an (und der Schaden aus) der Insolvenz ins Gewicht fällt, sondern das Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen (rechtzeitigen) Abgabenentrichtung vor Konkurseröffnung (vgl. )."

Beschluss vom

Mit Beschluss vom wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die Höhe der Differenzquoten bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitstage bekannt zugeben, zumal die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vom und im Vorlagebericht vom darauf hingewiesen hat, das auch Zug-um-Zug Geschäfte vom Gleichbehandlungsgebot umfasst sein können, während der Beschwerdeführer stets auf konkursrechtliche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob Zug-um-Zug Geschäfte konkursrechtlich anfechtungsfest sind, verweist.

Mit Schreiben vom hat die steuerliche Vertretung für den Beschwerdeführer wie folgt geantwortet:
"Wir möchten nochmals festhalten dass der Geschäftsführer (GF) der Firma ***Primärschuldnerin*** in keinster Weise gegen den Paragraph 9 BAO verstoßen hat, und ihn daher keine schuldhafte Verletzung an der Einbringlichkelt Abgaben trifft, da er keinen Gläubiger bevorzugt, sondern alle Gläubiger gleichmäßig behandelt hat.
Er hat damit keinesfalls schuldhaft die Zahlung von Abgabenschulden gegenüber anderen Verbindlichkeiten hintenangestellt, wie seitens der Behörde (Finanzamt) behauptet.

Laut OGH zur GZ 30b 8/10p sind Zug um Zug Geschäfte anfechtungsfestes Geschäft, weil ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen erbrachter Leistung und Bezahlung ausschlaggebend ist. In dieser Entscheidung hat der OGH auch judiziert, dass es keine Benachteiligungsabsicht des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin nach Eintritt der materiellen Insolvenz darstellt, wenn er einen von mehreren kleineren Lieferanten (zum Beispiel Spritlieferanten oder die Telekom) voll befriedigt, weil er - wenngleich aufgrund einer objektiv unrichtigen Zukunftsprognose - hoffte, die Zahlungsunfähigkeit zu beheben und damit auch alle anderen Gläubiger, wenngleich erst zu einem späteren Zeitpunkt, voll befriedigen zu können.

Diese Erwartungshaltung schließt laut OGH die Benachteiligungsabsicht aus, und erst diese Benachteiligungsabsicht wäre im Sinne der BAO haftungslösend, zumal bei Zug-um-Zug Geschäften der leistende Unternehmer erst gar keine Gläubigerstellung erlangt, und daher auch nicht in den Kreis der hinsichtlich Bevorzugung zu beachtenden Gläubiger fallen kann. Von einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers wäre nur dann auszugehen, wenn dieser die Zahlungsverpflichtung gegenüber zum Beispiel der Krankenkasse zur Gänze erfüllt hätte, die offenen Abgabenschulden jedoch nicht begleicht.

Aufgrund der Tatsache, dass der GF im Beobachtungszeitraum aber keinerlei Bevorzugungen verbleibenden vorgenommen hat, kann diesen auch eine Ungleichbehandlung der Gläubiger nicht vorgeworfen werden. Den Geschäftsführer trifft die nach dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung für Abgabenrückstande nur dann, wenn er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Abgaben schuldhaft verletzt.

Zug-um-Zug Geschäfte erhalten, im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung, aufgrund des zeitlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung nach der Verkehrsauffassung überhaupt keine Gläubigerstellung und sind daher in die Beurteilung einer schuldhaften Pflichtverletzung gar nicht ein zu beziehen (RIS-Justiz RS0064633). Daher ist der Einwand der Finanzverwaltung, aus Zug-um-Zug Geschäften eine schuldhafte Pflichtverletzung (weil Gläubigerbevorzugung) abzuleiten, falsch.

Wir möchten auch nochmals betonen, dass eine Gläubigerbevorzugung (und damit Verschuldenshaftung durch den GF) durch die Masseverwalterin zu prüfen ist und diese Prüfung ist erfolgt - ohne Beanstandungen. Als Beweis legen wir hiermit das E-Mail von der Masseverwalterin ***MV*** vom vor, dass sie diese Prüfung sogar unter dem Aspekt vornehmen wird, ob nicht sogar eine Bevorzugung(!) der Finanzverwaltung als Gläubiger vorliegt, die sie zur Anfechtung berechtigen würde, falls eine Ratenvereinbarung getroffen worden wäre.

Die Prüfung hat generell zu keiner Anfechtung und Rückforderung geführt, deshalb sich auch daraus alternativ das nicht schuldhafte und nicht bevorzugende Verhalten des Geschäftsführers ableiten lässt. Dies kann die Masseverwalterin, Frau Doktor ***MV***, auch jederzeit bestätigen.

Eine Aufstellung des Vermögens und der Schulden (Verbindlichkeiten) zum , , und (danach wurde die Fortführung Buchhaltung in Ermangelung von Zahlungsmöglichkeit nicht mehr beauftragt) liegen bei. Daraus ergibt sich eine sehr konstante rechnerische Quote bei Fortführung zu Fortführungswerten "(going concern").

Zusatzanmerkung: unser Buchhaltungsprogramm kann technisch keine Auswertung zum 15. eines jeden Monats im Nachhinein, wobei solche Auswertung auf keine andere Aussage als die Auswertungen zum Monatsende ergeben würden.

Dass die tatsächliche Quote zu Liquidations- und Zerschlagungswerten weit niedriger war, liegt in der Natur der Sache: Haftrücklässe - Bankgarantien werden in der Insolvenz gezogen, Kunden zahlen offene Rechnungen in der Insolvenz nicht... das Anlagevermögen ist in Bausch und Bogen nicht gut verwertbar...

Weiters ist auch eine Übersicht über die "liquiden Mittel" zu den Fälligkeitsstichtagen beigelegt, an der erkennbar ist, dass in Summe immer negative Banksalden vorlagen und die Kontenüberziehung nur durch eine persönliche Haftung des GF möglich war.

Alles in allem muss das Finanzamt demzufolge bei korrekter rechtlicher Beurteilung von der Erlassung eines Haftungsbescheides Abstand nehmen.

Aus all diesen Gründen stellen wir weiterhin den Antrag, von der Haftung des Geschäftsführers Abstand zu nehmen."

Beigelegt waren die erwähnten Unterlagen, nämlich ein E-Mail der Masseverwalterin, eine Aufstellung über Bankkontostände zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Aufstellungen über Vermögensstände zu Monatsletzten und zum .

Mündliche Verhandlung

Zunächst verwies die steuerliche Vertreterin auf die mehrseitigen Listen über die Entwicklung der Vermögensstände und der Schulden im Streitzeitraum. Aus der Entwicklung des Verhältnisses des Vermögens zu den Schulden ergebe sich, dass die Quote jeweils die gleiche gewesen ist und alle Gläubiger gleichermaßen befriedigt worden wären. Darüber hinaus verwies die steuerliche Vertreterin auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs, die bereits in den Schriftsätzen dargestellt wurde, wonach bei Zug um Zug-Geschäften keine Gläubigerstellung erlangt wird und deshalb eine Gläubigerbenachteiligung gar nicht vorliegen könne. Schließlich liege auch gar keine Benachteiligungsabsicht durch den Beschwerdeführer vor.
Der Beschwerdeführer ergänzte, dass er sich unmittelbar nach Kenntnis des endgültigen Schadenseintritts an seine steuerliche Vertretung gewandt habe und sich dann sofort über deren Anraten mit dem Anwalt zwecks Einleitung des Insolvenzverfahrens in Verbindung gesetzt habe. Der Ausfall durch die schlechte Leistung eines Subunternehmers habe rund € 70.000 betragen und andererseits hätten die Auftraggeber darüber hinaus auch Schadenersatzforderungen geltend gemacht. Die Primärschuldnerin sei Generalunternehmer für die Errichtung des Rohbaus eines Einfamilienhauses samt bestimmter weiterer Bauarbeiten gewesen, habe sich aber für bestimmte Gewerke diverser Subunternehmer bedient. Es wäre weder der GmbH noch der Masseverwalterin gelungen, die offene Rechnung vom Bauherrn zu erhalten. Die GmbH hätte mangels jeglicher finanzieller Mittel nicht die Möglichkeit gehabt, einerseits den Bauherrn und andererseits die Subunternehmen zu klagen.

Die Finanzamtsvertreterin verwies darauf, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Ursachen der Insolvenz letztlich nicht entscheidungsrelevant seien und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Seitens der beschwerdeführenden Partei wurde abschließend die Stattgabe ihrer Beschwerde beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war von ***Datum1*** bis zur amtswegigen Löschung am ***Datum2*** Geschäftsführer der ***Primärschuldnerin***.

Die Uneinbringlichkeit der Haftungsschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der am ***Datum2*** erfolgten amtswegigen Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG fest.

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom ***Datum4*** wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin Fa. ***Primärschuldnerin*** das Konkursverfahren eröffnet und in der Folge mit Beschluss desselben Gerichtes vom die Schließung des Unternehmens angeordnet. Am wurde die auf die belangte Behörde entfallende Konkursquote überwiesen. Mit Beschluss des Landesgerichts vom ***Datum3*** wurde der Konkurs aufgehoben. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten steht somit im Ausmaß von 97,3 % fest.

Abgaben, die von der ***Primärschuldnerin*** zu entrichten waren, wurden von dieser, wie nachstehend angeführt, nicht entrichtet. Die Abgaben waren zu folgenden Terminen fällig:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag
Abgabenschuld
Fälligkeitstag
U (Umsatzsteuer)
09/2010
5.772,30
9.201,31
U
12/2010
6.402,29
6.593,23
U
01/2011
8.871,84
10.128,77
K (Körperschaftsteuer)
01-03/2011
437,00
437,00
SZA (1. Säumniszuschlag)
2010
184,03
184,05
SZA
2011
468,37
468,37
SZB (2. Säumniszuschlag)
2010
70,18
70,18
EG (Pfändungsgebühr)
2011
70,18
70,18
BAL (Barauslagenersatz)
2011
0,55
0,55
Lohnsteuer
02/2011
1.199,58
1.199,58
Dienstgeberbeitrag
02/2011
592,14
592,14
Dienstgeberzuschlag
02/2011
52,63
52,63
24.121,09

Folgende Abgaben waren erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag
Abgabenschuld
Fälligkeitstag
SZB (2. Säumniszuschlag)
2011
65,93
SZC (3. Säumniszuschlag)
2011
70,18
136,11

Folgende Abgaben wurden im Haftungsbescheid zusammengefasst, bestehen jedoch aus mehreren Teilbeträgen, die zu unterschiedlichen Zeiten fällig wurden:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag
Abgabenschuld
Fälligkeitstag
SZA (1. Säumniszuschlag)
2011
189,26
202,58
76,53
468,37
468,37

Die Löhne für den Monat Februar 2011 wurden nicht ausbezahlt. Davon sind folgende Abgaben betroffen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag
Lohnsteuer
02/2011
1.199,58
Dienstgeberbeitrag
02/2011
592,14
Dienstgeberzuschlag
02/2011
52,63
1.844,35

Zug-um-Zug Geschäfte wurden durchgeführt. Es kann nicht feststellt werden, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Abgaben die Abgabenforderungen an die Gesellschaft gleich oder nicht schlechter als die Forderungen anderer Gläubiger behandelt hat.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen zum Insolvenzverfahren beruhen einerseits auf Eintragungen im Firmenbuchauszug der ***Primärschuldnerin*** und andererseits auf den Angaben des Beschwerdeführers und dem vorgelegten Verwaltungsakt. Aus dem Firmenbuchauszug geht hervor, dass seit ***Datum4*** eine Masseverwalterin bestellt war. Aus den vorgelegten Finanzamtsakten geht hervor, dass die Quote des Insolvenzverfahrens (in Höhe von 2,39 %) vollständig bezahlt wurde. Ebenfalls aus dem Firmenbuch ist zu entnehmen, dass die Primärschuldnerin im Februar 2014 amtswegig wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.

Die Feststellungen zur unternehmensrechtlichen Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers beruhen einerseits auf den Angaben in den Verwaltungsakten und andererseits sind die Daten zum Geschäftsführer auch aus dem Firmenbuchauszug zu entnehmen.

Die Feststellung, wonach Säumniszuschläge des Jahres 2011 am Haftungsbescheid zusammengefasst geltend gemacht wurden und somit der Eindruck erweckt wurde, dass es sich um einen Säumniszuschlagsbescheid mit einer Höhe von € 468,37 handelt, ergibt sich aus dem Haftungsbescheid. Aus dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin, in das vom Bundesfinanzgericht Einsicht genommen wurde, geht jedoch hervor, dass für das Jahr 2011 insgesamt drei erste Säumniszuschläge festgesetzt wurden. Darüber hinaus geht aus den Buchungsdaten hervor, dass ein zweiter und ein dritter Säumniszuschlag (SZA) erst nach Konkurseröffnung fällig waren.

Die Feststellung, wonach die Löhne für den Monat Februar 2011 nicht ausbezahlt wurden ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, das auch von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung übernommen wurde.

In der Beschwerde vom bringt der Beschwerdeführer vor, dass sich aus der Offenen-Posten-Liste ergebe, dass sämtliche Eingangsrechnungen von Lieferanten, bei denen es sich um keine Zug-um-Zug-Geschäfte gehandelt hat, länger offen gewesen waren. Damit räumt der Beschwerdeführer selbst ein, dass es Zug-um-Zug-Geschäfte gegeben hat. Eine Aufstellung der vollständigen Zahlungen wurde jedoch nicht vorgelegt. Auch aus den dem Vorlageantrag beigefügten Unterlagen sind keine Zahlungen, die vom Beschwerdeführer getätigt wurden, ersichtlich. Auch jene Unterlagen, die der Beantwortung des Beschlusses vom beigelegt waren, enthalten nur Aufstellungen des Vermögens und der Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin bestimmten Stichtagen (meist zum Monatsende). Das daraus ermittelte Verhältnis (Verhältnis des Vermögens zu den Verbindlichkeiten) ist keine Quotenberechnung zu den Fälligkeiten der haftungsgegenständlichen Abgaben, aus welcher hervorgehen würde, dass Mittel, die der Primärschuldnerin zur Verfügung standen (etwa zur Erfüllung der Zug-um-Zug - Geschäfte), die jedoch für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten nicht ausreichten, dazu verwendet wurden, das diese Mittel auf alle Verbindlichkeiten (und somit auch auf Abgabenverbindlichkeiten) gleichmäßig aufgeteilt worden wären.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer für die Primärschuldnerin Zug-um-Zug Geschäfte durchgeführt hatte ergibt sich unter anderem aus dem Beschwerdevorbringen und den Ausführungen im Vorlageantrag.

Rechtsgrundlagen

§ 9 BAO lautet:

§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden.

§ 80 BAO lautet:

2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 224 BAO lautet:

2. Geltendmachung von Haftungen.

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.

(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

§ 238 BAO lautet:

F. Verjährung fälliger Abgaben.

§ 238. (1) Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

§ 209a gilt sinngemäß.

(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

(3) Die Verjährung ist gehemmt, solange
a) die Einhebung oder zwangsweise Einbringung einer Abgabe innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist, oder
b) die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist, oder
c) einer Revision gemäß § 30 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, oder einer Beschwerde gemäß § 85 des Verfassungsgerichtshofgesetzes - VfGG, BGBl. Nr. 85/1953, aufschiebende Wirkung zuerkannt ist.

(4) Wenn fällige Abgaben durch Handpfand gesichert sind, findet § 1483 ABGB sinngemäß Anwendung. Sind sie durch bücherliche Eintragung gesichert, so kann innerhalb von dreißig Jahren nach erfolgter Eintragung gegen die Geltendmachung der durch das Pfandrecht gesicherten Forderung die seither eingetretene Verjährung der Abgabe nicht eingewendet werden.

(5) Wird ein Bescheid, mit dem eine Abgabenschuldigkeit gelöscht (§ 235) oder nachgesehen (§ 236) wird, innerhalb von drei Jahren ab seiner Bekanntgabe (§ 97) abgeändert oder aufgehoben, so lebt dadurch der Abgabenanspruch wieder auf und beginnt die Verjährungsfrist mit der Bekanntgabe des Abänderungs- oder Aufhebungsbescheides neu zu laufen.

(6) Die Abs. 1 bis 5 gelten auch für die Einhebung und zwangsweise Einbringung der im § 207 Abs. 4 bezeichneten gegen Abgabepflichtige gerichteten Ansprüche.

§ 9 IO lautet:

Verjährung

§ 9. (1) Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluß über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

(2) Wird ein Anspruch bei der Prüfungstagsatzung bestritten, so gilt die Verjährung vom Tage der Anmeldung bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruches bestimmten Frist als gehemmt.

Rechtliche Beurteilung

Verjährung:
Gemäß § 238 Abs 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, (grundsätzlich) binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Die Einhebungsverjährung befristet das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen. Einhebungsmaßnahmen sind nur auf Abgabenschuldigkeiten zulässig, die noch nicht "einhebungsverjährt" sind. Ergeht ein als Einhebungsmaßnahme zu qualifizierender Bescheid zu Unrecht nach Eintritt der Einhebungsverjährung, so ist er inhaltlich rechtswidrig (). Gemäß § 238 Abs 2 BAO wird die fünfjährige Einhebungsverjährung, die mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, durch jede zur Durchsetzung des Anspruchs unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Ist eine solche Unterbrechung eingetreten, beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, neu zu laufen.

Bereits aus der Überschrift zu § 1 IO ist ersichtlich, dass sowohl ein Konkurs- als auch ein Sanierungsverfahren ein Insolvenzverfahren ist. Gemäß § 74 Abs 1 IO ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein Edikt öffentlich bekanntzumachen, wobei das Verfahren ausdrücklich entweder als Konkursverfahren oder als Sanierungsverfahren zu bezeichnen ist.

Die Verjährung der Forderung gegenüber dem Schuldner (hier: ***Primärschuldnerin*** ) begann von Neuem mit Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist, zu laufen. Am wurde in der Insolvenzdatei bekannt gemacht, dass der Beschluss über die Aufhebung des Konkurses vom ***Datum3*** rechtskräftig geworden ist. Der Haftungsbescheid erging somit innerhalb der Verjährungsfrist.

Tatbestand:
Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (). Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet ().

Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Die Haftung nach § 9 Abs 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Es entspricht daher dem Gesetz, wenn die Behörde die Haftung erst dann geltend macht, wenn sie Kenntnis über das Ausmaß der Uneinbringlichkeit hat ().
Aus der Konkurseröffnung allein ergibt sich noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit. Diese ist erst dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann; schließlich würde selbst eine geringe Quote die Haftung betragsmäßig entsprechend vermindern (zB ).

Pflichtverletzung:
Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört es, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht). Zu den Aufgaben eines Vertreters gehört auch die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-,Offenlegungs- und Wahrheitspflichten.

Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ). Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB ; ).

Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ). Er hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen.

Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Als bestellter Geschäftsführer hat er die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB , und vom ).

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Abgabenbescheide haben im Spruch den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu enthalten (§ 198 Abs 2 BAO). Bezieht sich die Angabe der Fälligkeit nicht auf die gesamte festgesetzte Abgabe, sondern nur auf einen Teil (zB Nachforderung gegenüber einem Vorauszahlungsbescheid), so ist außer dem Zeitpunkt auch der Betrag zu nennen, auf den er sich bezieht; dieser Betrag (Höhe der Nachforderung) ist Spruchbestandteil (Ritz, BAO6, §198 Tz 12; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 198 Anm 20). Gemäß § 210 Abs 1 BAO werden Abgaben - unbeschadet besonderer Regelungen - mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig (zB für Einkommensteuerabschlusszahlungen nach § 46 EStG, wobei die Bestimmung auch für die Körperschaftsteuer gilt). Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit (). Gemäß § 21 Abs 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Voranmeldungszeitraum folgenden Kalendermonates eine Voranmeldung (Steuererklärung) einzureichen. Eine sich ergebende Vorauszahlung ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Somit wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung zur Umsatzsteuer (Jahresumsatzsteuerbescheid) keine von § 21 Abs. 1 und 3 UStG abweichende Fälligkeit begründet. Das bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuernachzahlung für die Fälligkeit relevant ist, sondern die entsprechende gesetzliche Bestimmung, die besagt, dass sich im Fall rückständiger Vorauszahlungen der 15. des auf den betreffenden Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates als Fälligkeitstag ergibt. Gemäß § 79 Abs 1 EStG ist die Lohnsteuer spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats abzuführen. Ebenso bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Kalendermonats ist der Dienstgeberbeitrag (§ 43 Abs 1 FLAG) und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 WKG iVm § 43 FLAG) zu entrichten. Der Dienstgeberbeitrag ist gem § 41 Abs 3 FLAG von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen ().

Unabhängig von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ist die Verletzung der Verpflichtung zur Abfuhr von Umsatzsteuern oder Lohnabgaben jedenfalls schuldhaft, weil es sich dabei um solche Abgaben handelt, deren Entrichtung bzw Abfuhr bei korrekter Geschäftsführung durch diese Schwierigkeiten nicht gehindert war ().

Bereits aus der Überschrift zu § 1 IO ist ersichtlich, dass sowohl ein Konkurs- als auch ein Sanierungsverfahren ein Insolvenzverfahren ist. Gemäß § 74 Abs 1 IO ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein Edikt öffentlich bekanntzumachen, wobei das Verfahren ausdrücklich entweder als Konkursverfahren oder als Sanierungsverfahren zu bezeichnen ist. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom ***Datum4*** zur Geschäftszahl GZ ***GZ_Nr*** wurde das Konkursverfahren über die ***Primärschuldnerin*** eröffnet und mit Beschluss vom ***Datum3*** der Konkurs aufgehoben. Gemäß § 2 IO treten die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folgt. Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Somit konnte der Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt keine Zahlungen für die Primärschuldner mehr vornehmen. Für Abgaben, die nach diesem Zeitpunkt fällig wurden, kann der Vertreter nicht zur Haftung herangezogen werden. Somit ist der Beschwerde für folgende Abgaben Folge zu geben:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Abgabenschuld
Fälligkeitstag
SZB (2. Säumniszuschlag)
2011
65,93
SZC (3. Säumniszuschlag)
2011
70,18
136,11

Ausmaß der Haftung:
Die Haftung des § 9 BAO ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen, ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar ().

Gemäß § 4 Abs 2 Z 3 BAO entsteht der Abgabenanspruch im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte. Der Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber ist im Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns vorzunehmen. Daraus folgt, dass für Löhne, die nicht in voller Höhe dem Arbeitnehmer zugeflossen sind, kein Abgabenanspruch in voller Höhe - sondern bezogen auf die zugeflossenen Löhne - entstanden ist. Wenn kein Abgabenanspruch entstanden ist, trifft den Arbeitgeber keine Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug. Somit kann auch den Vertreter (Geschäftsführer) keine Haftung für jene Lohnsteuerbeträge treffen, die sich auf tatsächlich nicht zugeflossene Arbeitslöhne beziehten Dazu hat bereits die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung festgehalten, dass die Löhne für Februar 2011 nicht ausbezahlt wurden und damit auch keine Abgabenschuld für lohnabhängige Abgaben entstehen konnte.

Im Ergebnis sind die am Abgabenkonto verbuchten lohnabhängigen Abgaben zu hoch, weil dafür die Abgabenschuld zum Teil gar nicht entstanden ist. Somit ist der Beschwerde in folgendem Ausmaß (Einschränkung der Haftung) - wie auch schon in der Beschwerdevorentscheidung - Folge zu geben:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag
Lohnsteuer
02/2011
1.199,58
Dienstgeberbeitrag
02/2011
592,14
Dienstgeberzuschlag
02/2011
52,63
1.844,35

Sowohl am angefochtenen Haftungsbescheid als auch in der Beschwerdevorentscheidung findet sich als Abgabenart ein "Säumniszuschlag A" für 2011 im Ausmaß von € 468,37. Tatsächlich handelt es sich dabei nicht um einen Säumniszuschlag, sondern um drei Säumniszuschläge, die auch zu drei unterschiedlichen Terminen verbucht wurden. Einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von € 468,37 gibt es jedoch nicht. Der Beschwerde war daher in diesem Ausmaß Folge zu geben.

Kausalität:
Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat (). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (). Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. ; ).
Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben. Der vom Vertreter zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger hat somit auch die von der Gesellschaft getätigten Zug-um-Zug-Geschäfte zu erfassen (vgl. ). Für die Frage, ob andere andrängende Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, ist es nicht relevant, ob geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären ().

Die im Zuge des Vorlageantrages beigelegten Unterlagen enthalten jedoch nur eine Aufstellung von Forderungen und Verbindlichkeiten zu verschiedenen Tagen. Nicht enthalten sind Zahlungen, die der Geschäftsführer getätigt hat. Da sich eine Haftung nur auf jenen Betrag erstrecken kann, um den der Abgabengläubiger mehr erlangt hätte, als er als Folge des pflichtwidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers erlangt hat, lastet auf dem Vertreter, die Verpflichtung zur Ermittlung der entsprechenden Quote. Eine solche Berechnung enthalten weder jene Unterlagen, die mit dem Vorlageantrag vorgelegt wurde noch jene Unterlagen, die im Zug der Beantwortung des Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes beigelegt wurden (in denen eine "Quote" als Verhältnis zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin bezeichnet wird).

Nebenansprüche:
Die persönliche Haftung des Geschäftsführers erstreckt sich gemäß § 7 Abs 2 BAO auch auf Nebenansprüche iSd § 3 Abs 1 und 2 BAO. Stundungszinsen, Aussetzungszinsen und Säumniszuschläge zählen gemäß § 3 Abs 2 lit d BAO zu den Nebengebühren und sind somit Teil der Nebenansprüche (; zu Säumniszuschläge wegen Nichtentrichtung haftungsgegenständlicher Beträge an Umsatzsteuer und Lohnsteuer).

Ermessen:
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf (). Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab (). Das Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin wurde bereits im Juni 2013 aufgehoben. Auch die Quotenzahlung ging im Juni 2013 bei der belangten Behörde ein, wodurch das Ausmaß der Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin seit diesem Zeitpunkt feststand. Der Haftungsbescheid erging jedoch erst im Juli 2018, somit fünf Jahre nachdem das Ausmaß der Uneinbringlichkeit feststand. Ein langer Zeitabstand zwischen der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin und der Inanspruchnahme zur Haftung liegt somit vor. Im Rahmen des Ermessens war der Haftungsbetrag somit um ca 34 % zu reduzieren.

Ergebnis:
Im Ergebnis besteht die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer in folgendem Ausmaß zu Recht:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Haftungsbetrag
U (Umsatzsteuer)
09/2010
5.772,30
U
12/2010
6.402,29
U
01/2011
8.871,84
K (Körperschaftsteuer)
01-03/2011
437,00
SZA (1. Säumniszuschlag)
2010
184,03
SZB (2. Säumniszuschlag)
2010
70,18
EG (Pfändungsgebühr)
2011
70,18
BAL (Barauslagenersatz)
2011
0,55
21.808,37
- Quote
- 582,28
21.226,09
- Ermessen
- 7.226,09
14.000,00

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insb hinsichtlich der Frage der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Zug-um-Zug Geschäften - ). Es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7105704.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at