Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 16.02.2010, RV/1231-W/04

Kein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe ohne Unterhaltspflicht der Eltern bzw. bei Überschreitung der Einkommensgrenze

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch die Sachwalterin SW, diese vertreten durch Rechtsanwalt, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X. vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Mai 1998 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

1.1. Die besachwaltete Berufungswerberin (im Folgenden Bw.), geb. am ttmmjj, beantragte mit Eingabe vom die Gewährung der "erhöhten" Familienbeihilfe (Grundbetrag Familienbeihilfe inkl. Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung) rückwirkend ab Mai 1998 und legte u.a eine ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer erheblichen Behinderung sowie die Urkunde über die Bestellung des Sachwalters vor.

1.2. Das Finanzamt forderte einen Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung an, laut diesem Datenauszug vom hatte die Bw. laufend Pensionsbezüge wegen geminderter Arbeitsfähigkeit.

2.1 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Bw. mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 kann in Bezug auf ein Kind, das bereits in einem Alter als voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig eingestuft ist, in dem eine Familienbeihilfe noch grundsätzlich vorgesehen ist, die Familienbeihilfe auch über das 26. Lebensjahr hinaus gewährt werden, sofern nicht durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe nicht mehr gegeben ist. Ihre frühere Erwerbstätigkeit und die damit erworbene Berufsunfähigkeitspension stellen einen Ausschließungsgrund für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe dar. Der Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe musste daher abgewiesen werden."

2.2. Die gegen den Abweisungsbescheid erhobene Berufung begründete die Bw. wie folgt:

"Der bezeichnete Bescheid wird zur Gänze angefochten.

1. Vollmacht

Für die Berufungswerberin wurde mit Beschluss des BG A. vom , GZ: SW 999, ein Sachwalter für alle Angelegenheiten des § 273 Abs. 3 Z 3 ABGB bestellt. Die Sachwalterin, Frau SW, hat der ausgewiesenen rechtlichen Vertretung Vollmacht zur Vertretung in diesem Verfahren erteilt.

2. Geltend gemacht werden die Berufungsgründe der Rechtswidrigkeit des Bescheides auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie auf Grund Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Behörde erster Instanz führte aus, dass zwar gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz ein Kind, das voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist, die Familienbeihilfe auch über 26. Lebensjahr beziehen kann, eine Ausnahme liege jedoch durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vor. Die frühere Erwerbstätigkeit und die damit erworbene Berufsunfähigkeitspension stellen nach Ansicht der Behörde erster Instanz einen Ausschließungsgrund für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe dar.

Die Berufungswerberin wurde am Datum geboren. In weiterer Folge war die Berufungswerberin in der Zeit vom bis und vom bis als Arbeiterin bei der Kongregation der S. beschäftigt. Dies wird durch den beiliegenden Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung vom belegt (./1).

Am wurde die Berufungswerberin in das Anstalt verbracht, wo sie bis zum heutigen Tag ohne Unterbrechung lebt. Zum Zeitpunkt ihrer Einweisung teilte der damalige Arbeitgeber mit, dass eine psychische Krankheit vorliege. Als Beweis wird die Vernehmung der Sachwalterin, Frau SW, p.A. Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, Adresse.

Bereits im Verfahren erster Instanz wurde eine ärztliche Bescheinigung zum Nachweis der erheblichen Behinderung iSd. FLAG vom vorgelegt (./2). In der Bescheinigung wird ausgeführt, dass eine Persönlichkeitsteilung vorliegt, dass die Patientin chronisch verhaltensgestört ist und dass der Zustand seit Jahren unverändert anhält.

Das Gutachten über die Bestellung eines Sachwalters belegt, dass die psychische Krankheit und damit die erhebliche Behinderung iSd. § 8 Abs. 5 FLAG bereits vor dem 21. Lebensjahr und damit vor dem in § 2 Abs. 1 lit. c als maßgeblich normierten Zeitpunkt eingetreten ist, Die Beischaffung des Sachwalterschaftsaktes des BG A., GZ: SW 999, wird zum Beweis dieses Vorbringens beantragt; das Gutachten über die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters aus dem Jahr 1979 wird umgehend vorgelegt. Damit wird belegt, dass die Erwerbsunfähigkeit ohne Unterbrechung seit dem 18. Lebensjahr bestanden hat.

Auch die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe liegen vor. Als Beweis wird wiederum die Vernehmung der Sachwalterin, Frau SW, beantragt. Darüber hat die Behörde erster Instanz keine Sachverhaltserhebungen getroffen, wodurch Verfahrensvorschriften verletzt wurden. Hätte die Behörde entsprechende Ermittlungen gesetzt, wäre sie zu dem Ergebnis gekommen, dass sämtliche gesetzliche Voraussetzungen vorliegen.

Als weitere Voraussetzung für die Anspruchsgewährung nennt § 2 Abs. 1 lit. c FLAG die Voraussetzung, dass das Kind voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Gemäß §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 3 FLAG besteht dann kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und es ein zu versteuerndes Einkommen iSd. § 33 Abs. 1 EStG 1988 bezogen hat, dass den Betrag von € 8.725,00 übersteigt.

Gemäß dem beiliegenden Pensionistenausweis 2004 der Pensionsversicherungsanstalt B. vom Jänner 2004 (./3) bezieht die Berufungswerberin eine Eigenpension in der Höhe von € 128,02 monatlich zuzüglich Ausgleichszulage von € 518,35 monatlich. Hinzu kommt ein Pflegegeld von € 268,00 monatlich, das jedoch insofern einkommensneutral ist, als dadurch lediglich Pflege bedingte Leistungen abgegolten werden sollen. Der Bezug von Pflegegeld ist gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 von der Steuer befreit. Der Berufungswerberin werden ein Krankenversicherungsbeitrag von € 28,12 monatlich sowie ein sog. Fremdabzug von € 679,90 (auf Grund der Unterbringung in Anstalt) abgezogen. Die Bemessungsgrundlage für eine Einkommenssteuer ist daher ein monatlicher Betrag von € 618,25 bzw. ein jährlicher Betrag von € 7.419,00.

Sohin ist die Berufungswerberin nicht im Stande, sich selbst den Unterhalt zu beschaffen. Sie bezieht ein Einkommen, das den Bezug der Familienbeihilfe nicht ausschließt.

Bei richtiger Sachverhaltsfeststellung und richtiger rechtlicher Beurteilung wäre die Erstbehörde zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe vorliegen.

Die Berufungswerberin stellt daher den ANTRAG den bekämpften Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab dem stattgegeben werde,

in eventu möge die Angelegenheit zu ergänzenden Sachverhaltsermittlung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen werden.

2.3. Ergänzend zur Berufung vom legt die Berufungswerberin Unterlagen aus dem Sachwalterschaftsakt vor und führte dazu aus:

"- Aus der Entscheidung über die Entmündigung des BG K. vom geht hervor, dass zunächst die Minderjährigkeit der Berufungswerberin bis zu Vollendung des 21. Lebensjahres verlängert wurde, da sie an hochgradigem Schwachsinn als Folge einer Gehirnschädigung im frühen Kindesalter leidet (./1).

- Weiters wird das Tagsatzungsprotokoll vom vorgelegt, in dem das mündlich erstattete Gutachten des Sachverständigen Dr.L. wiedergegeben wird. Darin führt der Sachverständige aus, dass die Berufungswerberin an hochgradigen Schwachsinn als Folge einer Gehirnschädigung im frühen Kindesalter leidet (./2), Das Gutachten mündete in den wiedergegebenen Beschluss über die Verlängerung der Minderjährigkeit. Festzuhalten ist, dass die Berufungswerberin zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung im 19. Lebensjahr war.

- Beiliegend ist ebenfalls das Tagsatzungsprotokoll vom , aus dem erneut die geistige Zurückgebliebenheit und die Notwendigkeit der vollen Entmündigung hervorgeht (./3).

- Zum Nachweis des Einkommens im Jahr 2003 und zum Nachweis dafür, dass das Einkommen unter der gemäß § 5 Abs. 1 FLAG gezogenen Einkommensgrenze liegt, wird der Pensionistenausweis für das Jahr 2003 vorgelegt (./4). Daraus geht eine Eigenpension in der Höhe von € 126,13, eine Ausgleichszulage von € 498,60 und ein Krankenversicherungsbeitrag von € 23,40 hervor.

Bekannt gegeben wird weiters, dass der Vater der Frau H. vor rund 20 Jahren verstorben ist. Zur Mutter bestand noch vor fünf Jahren Kontakt. Auf Frau H. treffen die Voraussetzungen für die Gewährung der Kinderbeihilfe gemäß § 6 FLAG zu, da sie einerseits Halbwaise ist, ihr die verbleibenden Elternteile jedoch nicht überwiegend Unterhalt leisten."

2.4. Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab und führte in der Begründung aus:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz, kann für ein volljähriges Kind, das vor Vollendung des 21. Lebensjahr oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Im § 6 Abs. 1 und Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz, haben auch Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern die Behinderung vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist. In diesem Fall muss die Vollwaise ebenfalls außerstande sein, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen. Es ist eine Gleichstellung der Kinder vorgesehen, deren Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen. Es wird volljährigen, erwerbsunfähigen Personen, die bereits im Kindesalter erheblich behindert waren und die dadurch niemals erwerbsfähig wurden, ein eigener Anspruch auf Familienbeihilfe eingeräumt, sobald sie - infolge des Todes der Eltern - Vollwaisen geworden sind. In Ihrem Fall, da sie sich eine eigene Berufsunfähigkeitspension erworben haben, ist nicht anzunehmen, das Sie zum Kreis der "niemals erwerbsunfähigen Personen" gehören. Ihre Berufung gegen den Abweisungsbescheid wird abgewiesen."

2.5. Mit Eingabe vom stellte die Bw. ohne weiterem Vorbringen den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

3.1. Im gegenständlichen Berufungsfall ist laut Aktenlage bzw. den vorgelegten Unterlagen - übereinstimmend mit dem Berufungsvorbringen - folgender Sachverhalt unstrittig:

- Die zum Zeitpunkt der Antragstellung 42-jährige Bw. ist nach dem vor Jahren verstorbenen Vater Halbwaise und erhält keine Unterhaltsleistungen von der Mutter.

- Sie war zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr (in der Zeit vom bis und vom bis ) als Arbeiterin bei der Kongregation der S. V. beschäftigt.

- Die Bw. wurde noch als Minderjährige ab dem letzten Arbeitstag beim vorgenannten Dienstgeber (ab dem ) im Anstalt, vormals Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie A., untergebracht. Laut den Meldedaten im Zentralen Melderegister ist sie seit im b. Landespflegeheim Z. wohnhaft.

- Wegen geistiger Zurückgebliebenheit als Folge einer Gehirnschädigung im frühen Kindesalter wurde zunächst mit Beschluss GZ 99 vom die Minderjährigkeit der Bw. bis zum 21. Lebensjahr verlängert und mit Beschluss des BG K. vom die Notwendigkeit der vollen Entmündigung ausgesprochen.

- Mit Beschluss des BG A., GZ SW 999 wurde zur Besorgung aller Angelegenheiten am ein Sachwalter bestellt.

- Laut ärztlicher Bescheinigung, ausgestellt am vom Anstalt, ist die Bw. wegen Minderbegabung und Persönlichkeitsstörung voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen; ergänzende Bemerkung: Pat. chron. verhaltensgestört, seit Jahren unveränderter Residualzustand.

- Die Bw. bezieht eine Eigenpension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (laut vorgelegtem Versicherungsdatenauszug seit ), sowie die Ausgleichszulage und seit 1993 auch Pflegegeld.

3.2. Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die Bw. einen "Eigenanspruch" auf die Familienbeihilfe und (erst damit) auch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung hat.

4.1. Gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Volljährige Vollwaisen haben nach § 6 Abs. 2 FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die vorstehend erwähnten Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und eine der Anspruchsvoraussetzungen nach Abs. 2 lit. a bis h erfüllt ist, wobei bei dem im gegenständlichen Fall gegebenen Sachverhalt nur lit. d in Frage kommt.

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

4.2. Zum Eigenanspruch (Unterhaltspflicht)

4.2.1 § 6 Abs. 5 FLAG geht vom aufrechten Bestehen einer Unterhaltspflicht der Eltern der anspruchswerbenden Person aus. Dafür spricht schon die Wortinterpretation zufolge Verwendung der Worte "Unterhalt leisten" im geltenden Gesetzestext, weil dieser der Terminologie des Zivilrechtes (§ 140, 141,142 ABGB, § 1 UnterhaltsschutzG) entnommene Begriff in seiner dem Zivilrecht entsprechenden Verwendung das Bestehen einer gesetzlichen Pflicht zur Unterhaltsleistung denknotwendig voraussetzt (; , 2002/15/0181).

Der Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe durch § 6 Abs. 5 FLAG 1967 ist einem Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, und das weder im Haushalt der Eltern wohnt noch von diesen Unterhalt erhält und auch nicht Vollwaise ist, somit nur dann eingeräumt, wenn dem Kind zivilrechtlich noch ein Unterhaltsanspruch zusteht ().

Im Berufungsfall hat die Bw. selbst den Antrag auf Zuerkennung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt und es ist damit zunächst zu prüfen, ob die Bw. grundsätzlich einen aufrechten Unterhaltsanspruch gegenüber der Mutter hatte oder im Hinblick auf ihren eigenen Pensionsanspruch von einer Selbsterhaltungsfähigkeit der Bw. auszugehen ist ().

Gemäß § 140 Abs. 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Nach § 140 Abs. 3 ABGB mindert sich ein solcher Unterhaltsanspruch allerdings insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist.

Selbsterhaltungsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit zur angemessenen Bedürfnisdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushaltes (OGH 3 Ob 547/90, 10 Ob S 19/90). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Personen zur Befriedigung ihrer einfachsten Lebensbedürfnisse eines bestimmten Mindestbetrages bedürften. Bei durchschnittlichen Lebensverhältnissen kann für die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes der Richtsatz für die Gewährung der Ausgleichszulage nach § 293 Abs. 1 des ASVG als Orientierungshilfe herangezogen werden.

"Alles, was dem Kind, sei es als Naturalleistungen oder an Geldleistungen welcher Art immer auf Grund eines Anspruches zukommt, ist nach § 140 Abs.3 ABGB ... bei der Beurteilung, ob das Kind bereits selbsterhaltungsfähig sei, zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz erleidet nur insoweit eine Ausnahme, als bestimmte Einkünfte auf Grund gesetzlicher Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind. "(OGH 1Ob627/90)

Das Pflegegeld hat den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen (Art. II § 1 des Bundespflegegeldgesetzes BGBl. Nr. 110/1993 - siehe ). Das der Bw. gewährte Pflegegeld wurde, dem Berufungsvorbringen entsprechend, auch nicht in die nachfolgenden Berechnungen miteinbezogen.

4.2.2. Bei der Berechnung der effektiv zur Verfügung stehenden Mittel sind die monatlichen Bruttoeinkünfte unter Berücksichtigung der zweimaligen Sonderzahlungen um den Krankenversicherungsbeitrag zu verringern. Die nachstehenden Monatsbeträge wurden für die einzelnen Jahre (über Abfrage Lohnzettelauskunft) wie folgt ermittelt: Jahreseinkünfte laut Lohnzettel brutto (Eigenpension + Ausgleichszulage) abzüglich den Sozialversicherungsbeiträgen laut Lohnzettel durch 12 Monate:

1998: ATS 112.017,00 - 4.201,00 = 107.816,00 / 12 = 8.984,67 1999: ATS 113.464,00 - 4.255,00 = 109.209,00 / 12 = 9.100,00 2000: ATS 115.364,00 - 4.326,00 = 111.038,00 / 12 = 9.253,16 2001: € 8.514,06 - 319,31 = 8.194,75 / 12 = 682,89 2002: € 8.737,40 - 327,60 = 8.409,80 / 12 = 700,82 2003: € 8.914,08 - 334,32 = 8.579,76 / 12 = 714,98 2004: € 9.049,18 - 393,68 = 8.655,50 / 12 = 721,29 2005: € 9.186,38 - 454,72 = 8.731,66 / 12 = 727,64 2006: € 9.564,52 - 473,48 = 9.091,04 / 12 = 757,58 2007: € 10.061,50 - 498,04 = 9.563,46 / 12 = 796,95 2008: € 10.552,40 - 530,52 = 10021,88 / 12 = 835,.08

Die Höhe des Richtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a, bb im Zusammenhang mit Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr. 189/1955. betrug für das Jahr 1998 ATS 7.992,- (€ 580,80), für das Jahr 1999 ATS 8.112 (€ 589,52), für das Jahr 2000 ATS 8.312 (€ 604,12), für das Jahr 2001 ATS 8.437 (€ 613,14), für das Jahr 2002 € 630,92, für das Jahr 2003 € 643,55, für das Jahr 2004 € 653,19, für das Jahr 2005 € 662,99, für das Jahr 2006 € 690,00, für das Jahr 2007 € 726,00, für das Jahr 2008 € 772,40.

Die der Bw. effektiv (ohne dem für die pflegebedingte Mehraufwendungen gewährten Pflegegeld) monatlich zur Verfügung stehenden Einkünfte lagen im strittigen Zeitraum ab Mai 1998 nach der vorstehenden Aufstellung jeweils über den für das entsprechende Jahr geltenden ASVG-Richtsätzen.

Wenn die Eltern für ihr Kind keinen Unterhalt zu leisten haben, weil es die seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse aus eigenen Einkünften selbst abdecken kann, liegt ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe nicht vor.

4.3. Zum Ausschließungsgrund des eigenen Einkommens nach § 6 Abs. 3 FLAG 1967

Abgesehen vom fehlenden Unterhaltsanspruch ist ein Eigenanspruch eines Kindes auf jeden Fall dann ausgeschlossen, wenn dieses ein beihilfenschädliches Einkommen iSd § 6 Abs. 3 FLAG hat.

Ob der Einkommensbezug zum (zeitweiligen) Entfall der Familienbeihilfe führt, ist eine von der Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, zu unterscheidende Frage, die nach den allgemeinen Regeln des FLAG zu lösen ist (VfGH B700/07).

Gemäß § 6 Abs. 3 FLAG 1967 idF BGBl. 201/1996 (im strittigen Zeitraum anzuwenden für die Jahre 1998 bis 2000) haben Vollwaisen , die das 18. Lebensjahr vollendet haben und selbst Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1988, BGBl. Nr. 400, beziehen, die den Betrag nach § 5 Abs. 2 lit. c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) BGBl. Nr. 189/1955, monatlich übersteigen, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Bei erheblich behinderten Vollwaisen (§ 8 Abs. 5 bis 7 FLAG 1967) erhöht sich dieser Betrag auf die Höhe des Richtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a, bb im Zusammenhang mit Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr. 189/1955. Bei der Ermittlung der Einkünfte bleiben nach lit.a leg.cit. die durch Gesetz als einkommensteuerfrei* erklärten Bezüge außer Betracht.

* Die Ausgleichszulage ist nach § 296 Abs.2 ASVG erstmalig auf Grund des Pensionsantrages festzustellen und es besteht für Bezieher einer Pension aus der Pensionsversicherung nach § 292 ASVG jedenfalls Anspruch auf diese Zulage als Ausgleich auf die "Mindestpensionshöhe", wenn die errechnete Pensionshöhe (zuzüglich allfälliger übriger Einkünfte) den maßgeblichen Richtsatz nach § 293 ASVG unterschreitet. Damit fällt die Ausgleichszulage nicht unter die in § 3. Abs. 3 lit.a EStG 1988 genannten Bezüge oder Beihilfen wegen Hilfsbedürftigkeit aus öffentlichen Mitteln, die von der Einkommensteuer befreit sind.

Der nach § 6 Abs. 3 FLAG 1967 idF BGBl. 201/1996 maßgebliche Grenzbetrag hinsichtlich des Einkommens ist (bei der in dieser Fassung erforderlichen monatlichen Betrachtungsweise) für die Jahre 1998 bis 2000 ident mit den für die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes als Orientierungshilfe herangezogenen Richtsätzen für die Gewährung der Ausgleichszulage nach § 293 Abs. 1 des ASVG. Dieser Richtsatz betrug für das Jahr 1998 ATS 7.992,- (€ 580,80), für das Jahr 1999 ATS 8.112 (€589,52), für das Jahr 2000 ATS 8.312 (€ 604,12). Diese monatlichen Einkommensgrenzen wurden, wie bereits aus der Aufstellung (Pkt.4.2.2) ersichtlich, im gegenständlichen Fall in den Jahren 1998, 1999 und 2000 überschritten.

In den ab dem Jahr 2001 jeweils geltenden Fassungen des § 6 Abs.3 FLAG 1967 besteht für ein Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 18. Lebensjahr vollendet hat und in dem sie ein zu versteuerndes Jahreseinkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) bezogen hat, das einen gewissen Betrag übersteigt, kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wobei § 10 Abs. 2 nicht anzuwenden ist: Das zu versteuernde Einkommen darf idF BGBl 142/2000 für das Jahr 2001 den Betrag von 120.000 ATS, bzw. idF BGBl 68/2001 ab dem Jahr 2002 den Betrag von 8725 € sowie idF BGBl 90/2007 ab dem den Betrag von 9.000 € nicht übersteigen.

Im vorliegenden Fall hat die Bw. auf Grund ihres Einkommens (s. Pkt.4.2.2.) ab dem Jahr 2005 die für das jeweilige Kalenderjahr maßgeblichen Jahreseinkommensgrenzen überschritten.

4.4. Zur erheblichen Behinderung bzw. zum Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr:

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind. Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß § 8 Abs. 5 FLAG, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 idF BGBl I 105/2002 ist die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Das vorgelegte ärztliche Zeugnis entspricht somit nicht dem erforderlichen Nachweis nach der durch BGBl I 105/2002 geänderten Rechtslage.

Die Abgabenbehörde erster Instanz geht laut Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass die Bw. grundsätzlich zum Kreis der "als voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig eingestuften Personen" gehörig ist, sieht jedoch bei einer als voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig eingestuften Person durch die die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe nicht mehr gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar ausgesprochen, eine mehrjährige berufliche Tätigkeit des Kindes widerlege die für den Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit.c FLAG (hier analog § 6 Abs. 2 lit. d) notwendige Annahme, das Kind sei infolge seiner Behinderung nicht in der Lage gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen; der Gerichtshof hat aber ebenso ausgesprochen, dass von einer beruflichen Tätigkeit nicht gesprochen werden könne, wenn der "beruflich Tätige" keine (Arbeits-)Leistungen erbringe, wenn also eine Person aus karitativen Überlegungen oder zu therapeutischen Zwecken ohne Erwartung ein Gegenleistung wie ein Dienstnehmer behandelt werde ().

Dem vorgelegten Tagsatzungsprotokoll vom ist zu entnehmen, dass die Bw. "an hochgradigem Schwachsinn als Folge einer Gehirnschädigung im frühen Kindesalter" leidet und auch aus dem Tagsatzungsprotokoll vom über die Notwendigkeit der vollen Entmündigung der Bw. geht eine seit dem Kindesalter bestehende geistige Zurückgebliebenheit der Bw. hervor. Da im vorliegenden Fall offensichtlich bereits während der Beschäftigung der Bw. (in einem Kinderheim einer Ordensgemeinschaft der Katholischen Kirche) das Vorliegen ihrer Behinderung bekannt war - die Bw. war über "Meldung des Dienstgebers" ab dem letzter Arbeitstag ununterbrochen einer Psychiatrischen Krankenanstalt untergebracht - ist im vorliegenden Fall mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Beschäftigung der Bw. zwischen ihrem 16. und dem 18. Lebensjahr vorwiegend aus karitativen bzw. "sozialversicherungstechnischen" Gründen erfolgte und nicht die erwartete Arbeitsleistung im Vordergrund stand. Aufgrund der Art des Leidens der Bw. (und dem zweifellos Eintritt der Behinderung in früher Kindheit) ist in freier Beweiswürdigung vom Eintritt einer dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr der Bw. auszugehen.

Die Beweisanträge (Vernehmung der Sachwalterin zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bzw. Beischaffung des Sachwalterschaftsaktes) sind damit gegenstandslos, da nach den vorstehenden Ausführungen nicht in Zweifel gezogen wird, dass die Erwerbsunfähigkeit der Bw. ohne Unterbrechung seit dem 19 Lebensjahr bestanden hat.

Ein für den Anspruch auf den Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 als Nachweis erforderliches ärztliches Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen wurde im Hinblick auf den fehlenden Unterhaltsanspruch bzw. auf die bestehenden Ausschließungsgründe nach § 6 Abs.2 lit.d FLAG 1967 nicht eingeholt.

5. Zusammenfassung

Die vorstehenden Ausführungen zusammenfassend ergibt sich, dass die Bw. (wenn auch nicht durch ein entsprechendes Gutachten des Bundessozialamtes bestätigt) wegen einer zweifellos vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, jedoch aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Mittel eine Unterhaltsverpflichtung der Eltern nicht bestanden hat bzw. besteht und somit § 6 Abs.5 FLAG 1967 nicht anwendbar ist.

Unabhängig davon wurden die Einkommensgrenzen nach § 6 Abs.2 lit.d FLAG 1967 in der jeweils geltenden Fassung in den Jahren 1998 bis 2000 sowie ab dem Jahr 2005 überschritten, wodurch für die genannten Zeiträume jedenfalls ein zusätzlicher Ausschließungsgrund vorliegt.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Unterhaltspflicht
eigenes Einkommen
Ausgleichszulage

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