Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSG vom 05.01.2012, FSRV/0020-G/11

Erbringung gemeinnütziger Leistungen an Stelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe als Wiederaufnahmegrund des Strafverfahrens?

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 1, in der Finanzstrafsache gegen A, vertreten durch PSW Steuerberatung & Wirtschaftsprüfung GmbH, Conrad-von-Hötzendorf-Straße 37a/II, 8010 Graz, über die Beschwerde des Bestraften vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , SN 001, über die Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 165 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird wie folgt abgeändert: Der Antrag vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 165 FinStrG wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit der vom Finanzamt Graz-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz erlassenen Strafverfügung vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 und nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 5.300,00 €, im Uneinbringlichkeitsfall vier Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

Die Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft.

In der Eingabe vom beantragte der Bf. durch seinen Vertreter die Wiederaufnahme des Verfahrens und begründete diesen Antrag wie folgt:

"In seinem Erkenntnis vom , 2010/16/0279, hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass in verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren die Möglichkeit besteht, an Stelle des Antritts einer Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Leistungen (§ 175 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 dritter Satz und 3a StVG) zu erbringen. Dass und in welchem Ausmaß die Erbringung gemeinnütziger Leistungen zulässig ist, ist in der Strafverfügung oder dem Straferkenntnis selbst festzuhalten.

Ob nun das angesprochene Erkenntnis des VwGH unter § 165 Abs. 1 lit. b (neu hervorgekommene Tatsachen) oder lit. c (geänderte Vorfragenbeurteilung) zu subsummieren ist, ist letzten Endes nicht von Belang.

Jedenfalls liegt eine hinreichende Begründung vor, den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu stellen. Die Behörde möge aussprechen, dass die Erbringung gemeinnütziger Leistungen an Stelle einer Ersatzfreiheitsstrafe zulässig ist, und das Ausmaß der Erbringung der gemeinnützigen Leistungen für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe bestimmen."

Mit dem Bescheid vom wies die Finanzstrafbehörde erster Instanz den Antrag als unbegründet ab. Die Aussage des Verwaltungsgerichtshofes über eine Rechtsfrage, die nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei, sei weder eine Tatsache noch ein Beweismittel im Sinne des Gesetzes (Seiler/Seiler, Finanzstrafgesetz, 2011, S. 747 f.).

Die Rechtsfrage, ob § 3a StVG auch im Finanzstrafverfahren anzuwenden sei, stelle keine Vorfrage für die Erlassung der Strafverfügung vom dar. In der Strafverfügung sei die Höhe der Strafe und der Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen, nicht aber die Art des Strafvollzuges (§ 138 Abs. 2 lit. c iVm § 144 FinStrG).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten vom , in der ausgeführt wird, selbst wenn die gegenständliche Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes weder eine neu hervorgekommene Tatsache noch eine Vorfragenbeurteilung darstelle, was ausdrücklich bestritten werde, wäre im Sinne des Analogieschlusses zu Gunsten des Bestraften darauf Bedacht zu nehmen, dass das Finanzstrafgesetz keine mit dem § 295a BAO idente Regelung vorsehe. Es liege eine planwidrige Lücke vor. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass auch im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren gemäß § 3a StVG an Stelle des Vollzugs von Ersatzfreiheitsstrafen gemeinnützige Leistungen erbracht werden könnten, was von der Finanzstrafbehörde bestritten worden sei. Warum diese Rechtsansicht keine Auswirkung auf eine offensichtlich unrichtige bzw. unvollständige Entscheidung haben solle, bleibe unverständlich.

Es werde beantragt, den bekämpften Bescheid aufzuheben, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewilligen und auszusprechen, dass an Stelle einer Ersatzfreiheitsstrafe auch die Erbringung gemeinnütziger Leistungen zulässig sei. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung werde beantragt.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 165 Abs. 1 FinStrG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis (Bescheid, Rechtsmittelentscheidung) abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens auf Antrag oder von Amts wegen zu verfügen, wenn ein ordentliches Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) die Entscheidung durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) die Entscheidung von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

d) der Abgabenbetrag, der der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages zugrunde gelegt wurde, nachträglich nach den Bestimmungen des Abgabenverfahrens geändert wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Spruch anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte.

Gemäß § 165 Abs. 4 FinStrG ist der Antrag auf Wiederaufnahme innerhalb von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Finanzstrafbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren die Entscheidung in erster Instanz erlassen hat.

Ein Anbringen, mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 165 FinStrG beantragt wird, hat nicht nur die konkreten Umstände darzulegen, die als Behauptung eines bestimmten Wiederaufnahmegrundes erkennbar sind, sondern auch bereits im Antrag datumsmäßig oder durch sonstige exakte Angaben darzulegen, wann bzw. zu welchem Zeitpunkt von dem Vorhandensein des geltend gemachten Wiederaufnahmegrundes erstmals Kenntnis erlangt wurde.

Die Finanzstrafbehörde soll nach § 165 Abs. 4 FinStrG schon bei der Einbringung des Wiederaufnahmeantrages in die Lage versetzt werden, die Frage der Wahrung der gesetzlichen, nicht verlängerbaren Frist beurteilen zu können.

Das Fehlen derartiger Angaben über den genauen Zeitpunkt der Rechtzeitigkeit der Antragstellung stellt kein bloßes, mit einem Mängelbehebungsverfahren sanierbares Formgebrechen dar, weshalb der Antrag jedenfalls zurückzuweisen ist (vgl. zB. - SWK 1991 R 89, bzw. ).

Weder im Antrag vom noch in der Beschwerde vom werden entsprechende Angaben darüber gemacht, wann der Bf. von dem behaupteten Wiederaufnahmegrund (VwGH-Erkenntnis vom , 2010/16/0279) Kenntnis erlangt hat. Der Wiederaufnahmeantrag ist daher mangels Beurteilungsmöglichkeit seiner Rechtzeitigkeit ohne weiteres Eingehen auf den geltend gemachten Wiederaufnahmegrund zurückzuweisen.

Eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel liegt dann vor, wenn diese Tatsache oder dieses Beweismittel im Verfahren bereits existent, der Partei jedoch (bis zum Abschluss desselben) unbekannt geblieben ist. Tatsachen oder Beweismittel hingegen, die erst nach rechtskräftiger Beendigung des Finanzstrafverfahrens entstehen, können von vornherein nicht zu einer Wiederaufnahme führen (vgl. - ÖStZB 1998, 714, bzw. ).

Das vom Bf. als Wiederaufnahmegrund herangezogene, am ergangene VwGH-Erkenntnis ist daher von vornherein zur Wiederaufnahme des mit Strafverfügung vom abgeschlossenen und nach der Aktenlage am in Rechtskraft erwachsenen Finanzstrafverfahrens ungeeignet.

Da somit im Antrag auch kein Wiederaufnahmegrund vorgebracht wurde, bei dessen Kenntnis allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Verfahrensergebnis voraussichtlich eine im Spruch anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte werden können und die für einen Wiederaufnahmeantrag geforderten gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, war der Antrag auch aus diesem Grund zurückzuweisen.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, sofern das Rechtsmittel nicht gemäß § 156 zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung der Rechtsmittelentscheidung ihre Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde erster Instanz zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder das Rechtsmittel als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides war im Rahmen des § 161 Abs. 1 FinStrG insofern abzuändern, als der Antrag zurückzuweisen war.

Zur beantragten Abhaltung einer mündlichen Verhandlung ist auszuführen:

Gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG ist über eine Berufung nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden

a) im Verfahren vor dem Berufungssenat,

b) in sonstigen Berufungsverfahren, wenn dies der Berufungswerber in der Berufung beantragt hat oder wenn es die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz für erforderlich hält,

c) im Verfahren gegen Jugendliche.

Gemäß § 160 Abs. 2 FinStrG ist über Beschwerden ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Demnach besteht nur bei Berufungen, nicht aber bei Beschwerden das Recht auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung. Über Beschwerden gegen einen Bescheid, mit dem ein Wiederaufnahmsantrag abgewiesen wird, ist daher monokratisch ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Informativ wird mitgeteilt, dass die ebenfalls in der Eingabe vom gegen die Abweisung des Antrages auf Aufschub des Strafvollzuges eingebrachte Beschwerde nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Graz, am

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