Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 23.03.2009, RV/0462-W/09

Umfang und Intensität der amtswegigen Ermittlungspflicht sind nur unter Bedachtnahme auf korrespondierende Pflichten der Partei bestimmbar

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des B, in P, vertreten durch Kohlberger, SteuerberatungsgmbH & Co KG, 3390 Melk, Abt-Karl-Str. 33, gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs betreffend Einkommensteuer 2005 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Bw. ist Dienstnehmer bei der Firma C. Mit wurde die Arbeitnehmerveranlagung das Jahr 2005 betreffend auf elektronischem Wege eingereicht. Das Finanzamt erließ mit ein Ergänzungsersuchen bezüglich der Aufgliederung diverser beantragter Werbungskosten und Belege mit einer Fristsetzung bis . Mit erfolgte ein Erinnerungsschreiben unter Setzung einer Nachfrist bis zum . Mit wurde vom Bw. ein Ansuchen um Fristverlängerung für die Einreichung der Unterlagen bis zum gestellt. Mit erfolgte eine bescheidmäßige Gewährung einer Nachfrist bis zum . Da innerhalb der gewährten Nachfrist die abverlangten Unterlagen seitens des Bw. nicht vorgelegt werden konnten, wurden die begehrten Werbungskosten im Bescheid vom durch das Finanzamtes gesamt nicht berücksichtigt. Der Bw. erhob mit Berufung unter Einreichung diverser Belege und Aufstellungen. Mit erfolgte ein weiteres Ergänzungsersuchen des Finanzamtes bezüglich der erforderlichen Zuordnung der Werbungskosten zu den beruflichen Tätigkeiten des Bw. als G und Dienstnehmer bei der Firma C bzw. der Bekanntgabe der vom Arbeitgeber ausbezahlten Kostenersätze: "Das Finanzamt kann aufgrund der vorgelegten Unterlagen (Aufstellung und Belege) keine Zuordnung zu den Tätigkeiten (G, berufliche Tätigkeit) und zu den Arten der Werbungskosten treffen. Sie werden ersucht, je Tätigkeit eine Aufstellung der Werbungskostengruppen (Reisekosten, Arbeitsmittel, etc.) vorzulegen. Bei den Reisekosten (Flüge, Taxi, öffentliche Verkehrsmittel) werden Sie ersucht den Zweck jeder Reise (berufliche Veranlassung) bekannt zu geben. Die Belege sind den jeweiligen Reisen zuzuordnen. Bei Flugreisen bitte auch den Zahlungsnachweis beilegen. Weiters werden Sie ersucht, eine Bestätigung des Arbeitgebers Fa. C über Art und Höhe der für 2005 erhaltenen Spesen- und Reisekostenersätze vorzulegen bzw. inwieweit für 2005 noch Ersätze möglich wären." Das Ergänzungsersuchen vom ließ der Bw. unbeantwortet. Mit erfolgte eine dem Berufungsbegehren teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidung: "Da der Vorhalt vom nicht beantwortet wurde, wurden die Belege von amtswegen gewürdigt. Anerkannt wurden Werbungskosten, wenn grundsätzlich Belege vorgelegt wurden und diese eindeutig der beruflichen oder politischen Tätigkeit zugeordnet werden konnten.Laut telefonischer Auskunft der Firma C vom (siehe auch Bescheid 2004) wurden Flugkosten zur Gänze von der Firma bezahlt. Hinsichtlich der Bahnkosten wird vom Finanzamt die gleiche Vorgangsweise angenommen. Hotel- und Taxikosten wurden von der Firma nach Vorlage der Belege ersetzt. Laut weiterer Auskunft der Firma C vom wurden im Juli 2008 € 6.600,-- an Reisespesen aufgrund von Ersatzbelegen nachgezahlt. Aufgrund dieses Sachverhaltes konnten keine Reisespesen im Zusammenhang mit der Firma C anerkannt werden.Die Belege betreffend Bewirtungskosten haben keinen Vermerk, wer und in welchem Zusammenhang bewirtet wurde. Daher konnten diese Kosten nicht anerkannt werden; weiters kann ein Ersatz durch die Firma nicht ausgeschlossen werden. Im Jahre 2005 wurden 2 Laptops zu € 199,-- und € 883,-- angeschafft. Der Laptop um € 883,-- wurde unter Berücksichtigung von 40 % Privatanteil im Wege der AfA (Nutzungsdauer 3 Jahre) anerkannt (jährliche AfA € 176,60 für 2005 halbjahres-AfA, da Anschaffung im November). Der Drucker konnte nicht anerkannt werden, da die Rechnung auf die Firma A lautet. MP3-Player und als Geschenk bezeichnete Aufwendungen sind gemäß § 20 Einkommensteuergesetz nicht abzugsfähig.Für die politische Tätigkeit wurde das Pauschale in Höhe von € 438,-- berücksichtigt, da dieser Betrag höher ist als die nachgewiesenen Kosten."

Mit stellte der Bw. den Antrag auf Entscheidung der Berufung durch den Unabhängigen Finanzsenat. Mit erfolgt die Vorlage seitens des Finanzamtes, wobei als Streitpunkte genannt wird: "Berücksichtigung von Werbungskosten ohne Nachweis der konkreten beruflichen Veranlassung bzw. ohne Berücksichtigung von Kostenersätzen des Dienstgerbers." Der Antrag, die Berufung als unbegründet abzuweisen wird wie folgt begründet: "Der Verfahrensgrundsatz des § 115 Abs. 1 BAO schließt die Verpflichtung der Partei, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, nicht aus. Umfang und Intensität der amtswegigen Ermittlungspflicht sind sogar nur unter Bedachtnahme auf korrespondierende Pflichten der Partei bestimmbar. In dem Ausmaß, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hiezu nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt, tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen angenommene Maß hinaus zu prüfen, zurück ( samt Hinweis auf Stoll, BAO, Handbuch, Wien 1980, Seite 269 und die dort zahlreich zitierte Rechtsprechung)."

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 115. (1) lautet: Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. (2) Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. (3) Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen. (4) Solange die Abgabenbehörde nicht entschieden hat, hat sie auch die nach Ablauf einer Frist vorgebrachten Angaben über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen. Die amtswegige Ermittlungspflicht der Abgabenbehörde besteht innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes (). Die Abgabenbehörde trägt zwar die Feststellungslast für alle Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen Abgabenanspruch geltend machen zu können, doch befreit dies die Partei nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht (). Beide Pflichten bestehen grundsätzlich nebeneinander und schließen einander nicht aus. Die amtswegige Ermittlungspflicht besteht zwar auch dann, wenn die Partei ihre Verpflichtungen (Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht) verletzt (z. B. bei Nichtbeantwortung eines Vorhaltes, ), doch wird ihr Umfang durch solche Pflichtverletzungen beeinflusst (). In dem Ausmaß, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hiezu nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt, tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesene erkannte Maß hinaus zu prüfen, zurück (). Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts findet dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (). Demgegenüber bestehen die Grenzen der Mitwirkungspflicht der Partei in der Notwendigkeit (Erforderlichkeit), Verhältnismäßigkeit, Erfüllbarkeit und Zumutbarkeit der Mitwirkung. Die Rechtsprechung geht sowohl in den Fällen, in denen es um die Vollziehung anspruchsbegründender Tatbestände, wie auch in den Fällen von Sachverhalten, die tatbestendsmäßige Anspruchsminderungen (Begünstigungen, Befreiungen) zur Folge haben können davon aus, die Abgabenbehörden müssten in Verfolgung des sie verpflichtenden Amtswegigkeitsprinzips nur bis zur Grenze des Zumutbaren ihre Ermittlungen vornehmen, ohne dass ihnen durch diese Beschränkung von vornherein eine Verletzung der Verfahrensgrundsätze des § 115 Abs. 1 BAO zur Last fällt. Zusammenfassend wäre es jedenfalls verfehlt, von der Behörde oder von der Partei Unmögliches oder Unnötiges oder Unzulässiges zu verlangen. Betrachtet man nun zum einen die Verpflichtung der Abgabenbehörde zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes, sowie jene des Abgabepflichtigen zur Offenlegung aller tatsächlichen Gegebenheiten ergibt sich, dass dem Bw. mehrmals die Gelegenheit eingeräumt wurde, die von ihm als Werbungskosten begehrten Aufwendungen der Abgabenbehörde gegenüber nachzuweisen. Bereits mit wurde der Bw. ersucht, eine Aufgliederung der begehrten Werbungskosten und die entsprechenden Belege dem Finanzamt vorlegen zu wollen. Die Frist zur Einreichung der geforderten Unterlagen (nach Gewährung einer Nachfrist bis ) ließ der Bw. verstreichen. Erst im Zuge der Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes vom wurden diverse Belege, jedoch nicht in der vom Finanzamt abverlangten Art und Weise, übermittelt. Dies machte einen weiteren Ermittlungsschritt im Vorhalt des Finanzamtes vom erforderlich, in welchem der Bw. bezüglich der Zuordnung der Werbungskosten zu seinen beruflichen Tätigkeiten befragt wurde, ersucht wurde die berufliche Veranlassung der Reisen bekannt zu geben, bzw. eine Aufgliederung der von seinem Arbeitgeber geleisteten Reisekostenersätze vorzulegen. Der Bw. ließ es auch in diesem Falle einer Mitwirkung zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ermangeln. Der Vorhalt des Finanzamtes blieb unbeantwortet. In weiterer Folge wurden mit (mit ) telefonische Auskünfte beim Arbeitgeber des Bw. eingeholt, und die dabei erhaltenen Erkenntnisse (Reisekostenersätze in Höhe von € 6.600) dem nunmehr vor dem UFS bekämpften Bescheid vom zugrunde gelegt. Da die übermittelten Belege, die Bewirtungskosten betreffend, keinen Vermerk enthielten, wer und in welchem Zusammenhang die Bewirtung erfolgte, und auch seitens des Finanzamtes nicht festgestellt werden konnte, ob ein Ersatz der Kosten durch den Arbeitgeber erfolgte, gelangte das Finanzamt im Bescheid zur Überzeugung, dass der Nachweis diese Werbungskostengruppe betreffend nicht gegeben sei. Ebenso konnte eine Rechnung, einen Drucker betreffend, nicht anerkannt werden, da als Leistungsempfänger eine "Firma A" genannt war. Bezüglich der "W Kosten" wurden teilweise keine Belege übermittelt, bezüglich der "Swiss Business School" wurden keine Belege vorgelegt. Die als nachgewiesen zu beurteilenden Werbungskosten finden ihre Berücksichtigung in der teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung vom .

Der Verfahrensgrundsatz des § 115 Abs. 1 BAO schließt die Verpflichtung der Partei, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, nicht aus. Umfang und Intensität der amtswegigen Ermittlungspflicht sind sogar nur unter Bedachtnahme auf korrespondierende Pflichten der Partei bestimmbar. In dem Ausmaß, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hiezu nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt, tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen angenommene Maß hinaus zu prüfen, zurück ( samt Hinweis auf Stoll, BAO, Handbuch, Wien 1980, Seite 269 und die dort zahlreich zitierte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt alle erforderlichen Schritte gesetzt in Form von Vorhalten und telephonischen Erhebungen beim Arbeitgeber, jene als Werbungskosten zu qualifizierenden Positionen ausfindig zu machen. In dem von ihm erkennbaren Ausmaß wurden diese im Bescheid vom als solche berücksichtigt. Weitere Erhebungsschritte erscheinen angesichts der Tatsache, dass der Bw. offenbar die nur ihm zugängigen Informationen nicht preisgeben möchte, entbehrlich. Auch ist davon auszugehen, dass grundsätzlich Informationen, welche eine gewisse Detailkenntnis verlangen, über Sachverhalte, die das Jahr 2005 betreffen, im Jahre 2009 besser beigeschafft werden können, als es dies dem Bw. zu den bereits vom Finanzamt abgeforderten Terminen im Jahre 2008 möglich gewesen wäre. Das Finanzamt hat demgegenüber, unter Zuhilfenahme der Kenntnisse der Veranlagungen der Vorjahre (Bezahlung der Flugkosten im Jahre 2004 durch den Arbeitgeber), die Höhe der Werbungskosten in dem, von seinem Standpunkt aus als mit dem höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit zu qualifizierenden Ausmaß bestimmt. Keine Gewährung als Werbungskosten, wenn diesbezüglich nach mehrmaliger Aufforderung keine Belege vorgelegt werden konnten (z. B. Wahlkampfkosten) bzw. wenn der auf dem übermittelten Beleg ausgewiesenen Leistungsempfänger nicht der Bw. war (z. B. Drucker), oder aus der Rechung eindeutig ersichtlich war, dass es sich bei diesen Ausgaben um welche der typischerweise der Lebensführung des Bw. zuzurechnende gehandelt hat (z. B. Geschenk Barby Sticker). Damit hat es sich der von ihr zugängigen Wahrheit wo weit wie möglich angenähert. Darüber hinaus bedürfte es der Mitwirkung des Bw., weitere Einsichten in dessen Geschäftsgebahrung (Aufteilung der Werbungskosten zwischen den Tätigkeiten) zu gewähren. Diese blieben der Behörde jedoch verwehrt. In dem Ausmaß, in dem der Bw. jedoch seine Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet seiner Verpflichtung hiezu, trotz mehrmaliger Aufforderung nicht bereit war, bzw. eine solche unterlassen hat, tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen angenommene Maß hinaus zu prüfen, zurück. Nun hat die steuerliche Vertretung des Bw. ihren Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom mit dem Hinweis versehen, dass "weitere schriftliche Ausführungen und Unterlagen folgen" werden. Diesem Ansinnen ist der Bw. jedoch in weiterer Folge nicht näher getreten. Diesbezüglich wurde von der Abgabenbehörde zweiter Instanz ein ausreichender Zeitraum ( bis ) zugewartet, ob der Bw. die gewünschten, und nach zwei erfolglosen Vorhalteverfahren nicht übermittelten Unterlagen, noch nachreichen möchte. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Werbungskosten
Mitwirkungspflicht
Ermittlungspflicht

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