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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 09.12.2020, RV/5200019/2016

Erstattung der Eingangsabgaben nach Art. 236 Abs. 1 ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG

Entscheidungstext

Im Namen der Republik

Das Bundesfinanzgericht hat durch, den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***V1***, ***V1-Adr*** und ***V2***., ***V2-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , ***7***, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erstattung der Eingangsabgaben und der Abgabenerhöhung gemäß Art. 236 Zollkodex (ZK), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

  • Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag auf Erstattung vom stattgegeben wird und die mit Bescheid vom , Zahl ***2***, vorgeschriebenen Abgaben in Höhe von


    gemäß § 236 Abs. 1 ZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG erstattet werden.

  • Der Antrag auf Kostenersatz wird zurückgewiesen.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Eingabe vom , ergänzt mit Formblatt Za 255 vom , beantragte die Beschwerdeführerin gemäß Art. 236 Abs. 1 ZK die Erstattung der mit Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , Zahl ***2***, nach Art. 203 Abs. 1 ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG mitgeteilten Eingangsabgaben einschließlich der Abgabenerhöhung, weil die in Rede stehenden Waren nicht der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien und der Festsetzungsbescheid deshalb rechtswidrig ergangen sei.

Mit Bescheid vom , Zahl ***3***, wies das Zollamt den Antrag ab. Das Zollamt habe nach eingehender Prüfung der Aktenlage festgestellt, dass die Zollschuld bereits durch die Verletzung der Verpflichtung zur Mitteilung des Eingangs der Waren durch eine Ankunftsanzeige gemäß Art. 204 Abs. 1 ZK entstanden sei. Die Begründung des Erstattungsantrages ginge daher ins Leere.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom Beschwerde. Begründend wurde vorgebracht, dass dem Abweisungsbescheid eine nachvollziehbare Begründung fehle, der Tatbestand des Art. 203 ZK nicht erfüllt sei und auch nach Art. 204 ZK keine Zollschuld entstanden sei, weil lediglich ein bloßer Arbeitsfehler vorliege und deshalb die Heilung nach Art. 859 ZK-DVO zum Tragen komme.

Das Zollamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl ***4***, als unbegründet ab. Es liege eine grobe Fahrlässigkeit vor, demzufolge die Anwendung des Art. 859 ZK-DVO ausgeschlossen sei.

Dagegen wurde mit Schriftsatz vom , ergänzt mit Schriftsatz vom , der Vorlageantrag eingebracht und die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat wurde mit Schriftsatz vom zurückgenommen. Die mündliche Verhandlung wurde am gemäß § 323c Abs. 4 Z 2 BAO im Rahmen einer Videokonferenz durchgeführt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin einer Bewilligung als zugelassener Empfänger gemäß § 406 Abs. 1 ZK-DVO.

Am , um ca. 22:00 Uhr, übernahm die Beschwerdeführerin die im externen Versandverfahren (T1), MRN ***5***, beförderten Waren. Die Gestellungsfrist lautete auf . Die Ankunftsanzeige wurde anstatt mit Nachricht TR 200 irrtümlich mit Nachricht EC 460 übermittelt. Die ausgegebene Fehlermeldung wurde übersehen. Die Waren wurden unter der Verwahrpost-Nr. ***8*** in das Verwahrlager übernommen und noch in der gleichen Nacht um ca. 01.00 Uhr unter MRN ***6*** neuerlich in das Versandverfahren übergeführt. Als Bestimmungsstelle wurde die Zollstelle Wien Flughafen Güterabfertigung bestimmt. Die Frist wurde mit festgelegt. Das Versandverfahren wurde innerhalb der Frist bei der Bestimmungsstelle beendet und die Waren mit dem Ziel Singapur wieder ausgeführt.

Mit Bescheid vom , Zahl ***2***, teilte das Zollamt der Beschwerdeführerin die buchmäßige Erfassung der Eingangsabgaben mit und setzte gleichzeitig eine Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG fest, weil die mit Versandschein (T1), MRN ***5*** beförderten Waren am der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien. Die Waren seien der Bestimmungsstelle entgegen der Bestimmungen des Art. 361 Abs. 1 ZK-DVO nicht gestellt worden, wodurch die bei Eröffnung des Versandverfahrens bei der Abgangsstelle konkret begonnenen Überwachungsmaßnahmen nicht mehr durchgeführt werden hätten können. In der Phase der vorübergehenden Verwahrung sei keine Ankunftsanzeige abgegeben worden. Die neuerliche Anmeldung zum Versandverfahren sei rechtlich ins Leere gegangen.

Beweiswürdigung

Der relevante Sachverhalt ergibt sich unbestritten aus den vorgelegten Verwaltungsakten.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß Art. 203 der hier noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. Nr. L 302 vom , (Zollkodex -ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.

Gemäß Art. 236 Abs. 1 ZK werden Einfuhrabgaben u.a. insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nichtgesetzlich geschuldet war.

Gemäß § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, und gemäß § 26 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1994 (UStG 1994) gelten von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß.

Sobald Nichtgemeinschaftswaren, die in einem Versandverfahren befördert worden sind, am Bestimmungsort im Zollgebiet der Gemeinschaft nach Maßgabe der Vorschriften für das betreffende Versandverfahren gestellt worden sind, finden gemäß Art. 55 ZK die Art. 42 bis 53 leg.cit. Anwendung.

Die gestellten Nichtgemeinschaftswaren müssen gemäß Art. 48 ZK eine der für Nichtgemeinschaftswaren zulässigen zollrechtlichen Bestimmungen erhalten.

Die Überführung in ein Zollverfahren ist gemäß Art. 4 Nr. 15 Buchst. a) ZK ein der zollrechtlichen Bestimmungen einer Ware.

Gemäß Art 50 ZK haben die gestellten Waren bis zum Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung die Rechtstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung.

Gemäß Art. 406 Abs. 2 der im Beschwerdefall ebenfalls noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 253 vom , (Zollkodex-Durchführungsverordnung -ZK-DVO) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 414/2009 der Kommission vom , ABl L 125 vom , gilt das Versandverfahren als beendet, sobald die Waren zusammen mit dem Versandbegleitdokument, das die Sendung begleitet hat, dem zugelassenen Empfänger innerhalb der vorgeschriebenen Frist unverändert in seinem Betrieb oder an dem in der Bewilligung näher bestimmten Ort übergeben und die zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen beachtet worden sind.

Für die in Rede stehenden Waren war mit ihrer Übernahme durch die Beschwerdeführerin als zugelassene Empfängerin das Versandverfahren beendet (Art. 406 Abs. 2 ZK-DVO). Die Waren befanden sich in vorübergehender Verwahrung (Art. 55 iVm Art. 50 ZK) und unterlagen gemäß Art. 37 ZK auch noch weiterhin der zollamtlichen Überwachung. In diesem Stadium traf die Beschwerdeführerin die Pflicht nach Art. 408 Abs. 1 Buchst. a) ZK-DVO die Bestimmungszollstelle unverzüglich mit der Ankunftsanzeige über das Eintreffen der Waren zu unterrichten. Ein ausdrücklich festgelegte Frist ist hierfür nicht normiert.

Die Überlassung der Waren zum Versandverfahren für die Beförderung der Waren zum Flughafen Wien (MRN ***6***) ist im Beschwerdefall unmittelbar nach einer dem Eintreffen der Ware am zugelassenen Warenort folgenden erfolglosen Versuch (irrtümliche Verwendung einer falschen elektronischen Vorlage) einer Ankunftsanzeige bestehenden Bearbeitung des Versandscheines erfolgt. Die Überführung in das neuerliche Versandverfahren erfolgte bevor dem Zollamt die Möglichkeit genommen worden wäre, die zollamtliche Überwachung auszuüben (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall).

Im Übrigen hat das Zollamt die Entstehung der Einfuhrzollschuld mit angenommen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das neuerliche Versandverfahren bei der Bestimmungsstelle beendet.

Im Beschwerdefall sind deshalb keine Eingangsabgaben entstanden. Die mit Bescheid vom , Zahl ***2***, vorgeschriebenen Eingangsabgaben einschließlich der Abgabenerhöhung waren nicht gesetzlich geschuldet und deshalb gemäß Art. 236 Abs. 1 ZK zu erstatten.

Zur der im Erstattungsverfahren getroffenen Feststellung, dass die Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 ZK entstanden sei, ist anzumerken, dass in dem vom Verwaltungsgerichtshof am , Zl. 2011/16/0191, entschiedenen Fall angemerkt wurde, dass die Freigabe und damit die Überlassung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr - die Waren wurden in diesem Fall unmittelbar nach dem Eintreffen zur Überführung in den freien Verkehr angemeldet - eine Zollschuldentstehung nach Art. 201 ZK bewirkt habe. Art. 204 ZK wurde bei der gegebenen Sachlage offensichtlich nicht in Betracht gezogen.

Zu Spruchpunkt II.

Ein Kostenersatz ist im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht gesetzlich nicht vorgesehen.

Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Es war auch sonst keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die (ordentliche Revision) war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 203 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 236 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 406 Abs. 2 ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1
§ 2 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5200019.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
ZAAAC-91233