Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 07.11.2012, RV/0698-L/11

Überwachungsverschulden bei der elektronischen Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen


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Miterledigte GZ:
RV/1055-L/11

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der X-GmbH als Rechtsnachfolgerin der X-KG, Adr.1, vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Linz vom und vom betreffend Säumniszuschläge entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

1) Am wurde von der X-KG, deren Vermögen mit Einbringungsvertrag vom gemäß § 142 UGB von der X-GmbH übernommen wurde, über FinanzOnline elektronisch die Buchung der an diesem Tag fälligen Lohnabgaben 02/2011 veranlasst. Diese Abgaben sollten mit der Gutschrift aus der Umsatzsteuervoranmeldung 01/2011 abgedeckt werden. Diese wurde jedoch erst nach Erinnerung durch das Finanzamt elektronisch am eingereicht (Überschuss in Höhe von 147.928,47 €) und am nächsten Tag () eine korrigierte Voranmeldung für diesen Zeitraum elektronisch übermittelt, in der ein Überschuss in Höhe von 148.961,47 € erklärt wurde. Diese Voranmeldung bzw. dieser Überschuss wurde am am Abgabenkonto gebucht.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt wegen nicht termingerechter Entrichtung der Lohnsteuer und des Dienstgeberbeitrages 02/2011 folgende Säumniszuschläge fest:


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Abgabe
Frist
Betrag in €
Säumniszuschlag
Lohnsteuer
02/2011
94.719,08
1.894,38
Dienstgeberbeitrag
02/2011
28.895,87
577,92

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben. Laut Postausgangsbuch wären am sowohl die UVA Jänner 2011 als auch die Lohnabgaben Februar 2011 ordnungsgemäß gemeldet worden. Die Lohnabgaben wären durch das Guthaben aus der UVA gedeckt gewesen, weshalb die Verrechnung eines Säumniszuschlages nicht gerechtfertigt sei.

Der Berufung war eine Anzeige des Postausgangsbuches aus FinanzOnline für den für die Benutzerin A mit folgendem Inhalt angeschlossen:


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Postausgänge
Zeitpunkt
Art
Betreff
OB/Name
Anmerkung
Online
Buchung von Selbstbemessungsabgaben
46 000/0000
Übermittlung
Umsatzsteuervoranmeldung
00 000/0000
UVA Jänner 2011.xml 2.5 KB

Das Finanzamt wies diese Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom ab. Zunächst wurde die Rechtslage einschließlich der Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO dargestellt und sodann die Abweisung wie folgt begründet: Werde dem Finanzamt eine Umsatzsteuervoranmeldung mittels FinanzOnline übermittelt, so werde diese Übertragung in einem so genannten Übertragungsprotokoll festgehalten. Diesem seien unter anderem der Teilnehmer, der Benutzer, der genaue Übertragungszeitpunkt sowie auch der Status für die "Übertragung innerhalb der Finanzverwaltung" zu entnehmen. Eine Erklärung, die über FinanzOnline übermittelt werden soll, könne durch bewusste Auswahl des entsprechenden Durchführungsbefehls entweder nur als Entwurf in der DataBox des Teilnehmers gespeichert, oder als Erklärung geprüft und eingebracht werden. In beiden Fällen erfolge eine entsprechende Rückmeldung. Stehe FinanzOnline aus technischen Gründen nicht zur Verfügung, könne weder ein Entwurf gespeichert noch eine Erklärung eingebracht werden und erhalte der Steuerpflichtige keine Rückmeldung. Ein automatisches Speichern auf Grund einer kurzfristigen Störung der Verbindung sei ausgeschlossen. Erst nach Erhalt der Rückmeldung, dass die entsprechende UVA vom Finanzamt auch übernommen worden sei, könne davon ausgegangen werden, dass die Erklärung tatsächlich auch beim Empfänger eingelangt ist. Möglich sei daher, eine Erklärung nur zu speichern, zuerst zu speichern und später weiter zu verarbeiten oder diese ohne vorhergehende Speicherung sofort beim Finanzamt einzubringen. Stehe FinanzOnline aus technischen Gründen nicht zur Verfügung, könne eine Steuererklärung weder gespeichert noch beim Finanzamt eingebracht werden. Nicht nur eine eingehende Überprüfung des Übertragungsprotokolls wäre geboten gewesen, sondern zusätzlich, sofern dieses dem Benutzer nicht ausreichend aussagekräftig erschienen wäre, eine ehest mögliche Rückversicherung über die ordnungsgemäße Übertragung. Dies hätte es dem betreffenden Benutzer ermöglicht, Fehler fristgerecht zu erkennen. Dadurch, dass der Fehler aber erst drei Wochen später aufgefallen wäre, sei erkennbar, dass die Übermittlung nicht ausreichend sorgfältig überprüft worden sei. Nicht erkennbar sei ferner, wodurch der Fehler tatsächlich verursacht worden sei und ob im Betrieb der Berufungswerberin überhaupt ein Kontrollsystem installiert bzw. wie dieses ausgestaltet gewesen sei. Es wäre aber an der Berufungswerberin gelegen gewesen, konkret darzutun, auf welche Art und Weise Vorkehrungen getroffen worden waren, um Fehler wie den berufungsgegenständlichen zu vermeiden. Es sei daher von einem über den minderen Grad des Versehens hinausgehenden, der Berufungswerberin zuzurechnenden Verschulden (im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO) auszugehen, welches der Aufhebung der Säumniszuschläge entgegenstünde.

Im Vorlageantrag vom führte die Berufungswerberin lediglich aus, ihr Ansuchen um Erlass des Säumniszuschlages sei mit der Begründung abgewiesen worden, dass eine Überprüfung des Übertragungsprotokolls geboten gewesen wäre. Die Einreichung der UVA sei zwar "pünktlich erfolgt", aber beim Übertragungsprotokoll sei die Finanzamtsnummer "nicht übermittelt" worden. Bedingt durch Softwareumstellung (SAP) und Personalwechsel sei die Berufungswerberin unter enormem Zeitdruck gestanden. Da dieser Fehler in einer absoluten Ausnahmesituation entstanden sei, werde erneut um Erlass des Säumniszuschlages ersucht.

2) Am wurde von der Berufungswerberin über FinanzOnline elektronisch die Buchung der am fälligen Lohnabgaben 05/2011 veranlasst. Diese Abgaben sollten mit der Gutschrift aus der Umsatzsteuervoranmeldung 04/2011 abgedeckt werden. Diese wurde jedoch erst nach Erinnerung durch das Finanzamt elektronisch am eingereicht (Überschuss in Höhe von 258.666,57 €) und am am Abgabenkonto gebucht.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt wegen nicht termingerechter Entrichtung der Lohnabgaben 05/2001 folgende Säumniszuschläge fest:


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Abgabe
Frist
Betrag in €
Säumniszuschlag
Lohnsteuer
05/2011
110.221,76
2.204,44
Dienstgeberbeitrag (DB)
05/2011
35.424,40
708,49
Zuschlag zum DB
05/2011
2.833,94
56,68

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben. Laut Postausgangsbuch wären am sowohl die UVA April 2011 als auch die Lohnabgaben Mai 2011 ordnungsgemäß gemeldet worden. Die Lohnabgaben wären durch das Guthaben aus der UVA gedeckt gewesen, weshalb die Belastung mit einem Säumniszuschlag nicht nachvollziehbar sei. Um Rückbuchung desselben werde ersucht.

Der Berufung war eine Anzeige des Postausgangsbuches aus dem FinanzOnline für den für den Benutzer B mit folgendem Inhalt angeschlossen:


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Postausgänge
Zeitpunkt
Art
Betreff
OB/Name
Anmerkung
Online
Rückzahlung
46 000/0000
Online
Buchung von Selbstbemessungsabgaben für 04/2011
46 000/0000
Übermittlung
Umsatzsteuervoranmeldung
46 000/0000
UVA April 2011.xml 2.5 KB

Über die Berufungen wurde erwogen:

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (§ 217 Abs. 2 BAO).

Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt (§ 217 Abs. 7 BAO).

Der Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO kann auch in einer Berufung gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden () und ist diesfalls in der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen (; Ritz, BAO³, § 217 Tz 65 mwN). Gleiches gilt für einen erst im Vorlageantrag gestellten Antrag (). Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschrittes. Ist aus dem Vorbringen des Berufungswerbers zu erschließen, dass ihn seiner Ansicht nach aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen an der Säumnis kein (grobes) Verschulden treffe, ist in der Berufungsentscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO zu prüfen (z.B. mwN).

Im Rahmen des § 217 Abs. 7 BAO ist das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (Ritz, BAO³, § 217 Tz 45). Hingegen ist (grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei oder ihres Vertreters nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls (ebenso wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), ob der Partei selbst bzw. ihrem Vertreter grobes Verschulden anzulasten ist (Ritz, BAO³, § 217 Tz 46). In Betracht kommen dabei auch hier (wie bei § 308 BAO) nicht nur grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden, sondern auch grobe Mängel in der Organisation des Vertreters (vgl. Ritz, BAO³, § 308 Tz 17).

Zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten einer Gesellschaft sind deren organschaftliche (gesetzliche) Vertreter berufen. Bedienen sich diese dabei Mitarbeiter der Gesellschaft, ist durch entsprechende Kontrollen sicherzustellen, dass Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind. Wird weder im Allgemeinen noch im Besonderen ein (wirksames) Kontrollsystem vorgesehen, welches im Falle des Versagens des Mitarbeiters eine Fristversäumung auszuschließen geeignet ist, liegt eine Verletzung der Aufsichtspflicht vor. Ist somit das Kontrollsystem unzureichend oder wurde das Bestehen einer solchen Aufsichtspflicht überhaupt nicht erkannt, kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden (vgl. zu § 308 BAO etwa Stoll, BAO, 2986 und die dort zitierte Rechtsprechung; ). Die termingerechte Abgabenentrichtung gehört keineswegs zu den einfachen Arbeitsverrichtungen wie etwa die Aufgabe von Postsendungen, auf deren auftragsgemäße Erfüllung durch Angestellte die Partei in der Regel ohne weitergehende Kontrollmaßnahmen vertrauen darf. Für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Zahlungsfristen gelten vielmehr jene Sorgfaltsanforderungen, die nach der Judikatur für fristgebundene Anbringen generell maßgebend sind (). Gleiches gilt für die termingerechte Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen.

Zur Übermittlung von Umsatzsteuervoranmeldungen bietet FinanzOnline zwei Möglichkeiten: entweder werden die Erklärungsdaten im Dialogverfahren erfasst und - nach einer allfälligen Zwischenspeicherung - online gesendet, oder es erfolgt eine sogenannte Produktionsübermittlung, bei der die auf einem Datenträger gespeicherten Datenpakete durch Eingabe des Dateinamens und Betätigung der Schaltfläche "Datei senden" an die Finanzverwaltung übermittelt werden.

Wie den vorgelegten Auszügen aus dem Postausgangsbuch zu entnehmen ist, war als Übertragungsart für die Umsatzsteuervoranmeldungen 1/2011 und 4/2011 "Übermittlung" (Produktionsübermittlung) gewählt worden. Bei einer solchen Produktionsübermittlung wird bei erfolgreicher Übermittlung der Daten für am Vormittag übermittelte Datenpakete am gleichen Tag (Nachmittag) ein Übermittlungsprotokoll in DataBox zugestellt, für am Nachmittag übermittelte Datenpakete erfolgt die Zustellung des Übermittlungsprotokolls am nächsten Tag (Vormittag). Das elektronische Postausgangsbuch gibt ebenso wie ein Postausgangsbuch in Papierform nur Auskunft über die Versendung eines Poststückes (hier: einer Datei bzw. eines Datenpaketes), hat jedoch keinerlei Aussagekraft zur Frage, ob das Poststück beim Empfänger angekommen ist. Darüber gibt nur das Übermittlungsprotokoll in der DataBox Auskunft.

Zutreffend wies daher das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung darauf hin, dass eine eingehende Überprüfung des Übertragungsprotokolls geboten gewesen wäre. Im Vorlageantrag wurde aber weder dargelegt, dass die Übertragungsprotokolle betreffend die Voranmeldungen durch die Mitarbeiter der Berufungswerberin selbst näher überprüft worden wären, noch wurde behauptet, dass hinsichtlich der Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. der Überprüfung der Übertragungsprotokolle überhaupt ein wirksames Kontrollsystem installiert gewesen wäre, welches einen fehlerhaften Übermittlungsversuch durch einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin - rechtzeitig - aufzeigen würde. Ein solches Vorbringen wäre nicht zuletzt im Hinblick auf die eingehenden Ausführungen des Finanzamtes zum Erfordernis eines wirksamen Kontrollsystems geboten gewesen (vgl. zum Vorhaltscharakter einer Berufungsvorentscheidung z.B. mit Hinweis auf ).

Im Ergebnis muss daher davon ausgegangen werden, dass weder von den Mitarbeitern selbst die in die DataBox übermittelten Übertragungsprotokolle ausreichend geprüft wurden, noch in diesem Zusammenhang ein effektives Kontrollsystem bestand; das Bestehen einer solchen Aufsichtspflicht wurde somit überhaupt nicht erkannt bzw. wahrgenommen, weshalb hier nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden.

Daran ändert auch der Einwand der Berufungswerberin im Vorlageantrag, dass sie bedingt durch Softwareumstellung und Personalwechsel unter enormen Zeitdruck in einer absoluten Ausnahmesituation gewesen sei, nichts. Der Unabhängige Finanzsenat hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass es bei EDV-Umstellungen entsprechender Kontrollmechanismen bzw. eines erhöhtes Maßes an Sorgfalt bei der Überwachung von Terminen (insbesondere auch der Fälligkeitstermine von Abgabenschuldigkeiten) bedarf, die die verspätete Entrichtung von Zahlungen verhindern können (z.B. ). Auch auf Arbeitsüberlastung allein kann ein Antrag nach § 217 Abs. 7 BAO nicht mit Erfolg gestützt werden (-K/08). Gleiches gilt für Arbeitsüberlastung infolge eines Personalwechsels, weil es zu den unabdingbaren Anforderungen an eine ordnungsgemäße Büroorganisation gehört, dass Abgabenzahlungstermine auch dann eingehalten werden, wenn das Ausscheiden eines oder mehrerer Dienstnehmer aus dem Unternehmen eine Nachbesetzung der betreffenden Dienstposten erforderlich macht (-I/06).

Die Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO normiert einen Begünstigungstatbestand, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen von der Anlastung eines Säumniszuschlages ganz oder teilweise Abstand zu nehmen ist, wenn ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Ein derartiges Verfahren, das auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichtet ist, wird vom Antragsprinzip beherrscht. Dies bedeutet, dass der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt. Dieser hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (z.B. ; ; ; ; vgl. auch und zu § 212 BAO). Im gegenständlichen Fall brachte die Berufungswerberin jedoch keine überzeugenden Gründe vor, welche das Vorliegen der Voraussetzungen des § 217 Abs. 7 BAO belegen und damit eine Aufhebung der Säumniszuschläge rechtfertigen würden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at