Gleichheitswidrige Benachteiligung des Pflichtteilsberechtigten.
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/16/0158 eingebracht. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom . VfGH-Beschwerde zur Zl. B 520/09 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/16/0263 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der FZ, Adr, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt, 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom betreffend Erbschaftssteuer nach der am in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, im Beisein der Schriftführerin Marija Schistek durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Nach dem am verstorbenen JZ hat seine Witwe aufgrund des Testamentes vom die bedingte Erbantrittserklärung abgegeben. Mit den fünf pflichtteilsberechtigten Kindern hat sie am ein Pflichtteilsübereinkommen dahingehend geschlossen, dass jedes Kind je einen Geldbetrag von 240.000,00 € erhält, welcher Betrag bis spätestens auszubezahlen ist. Sollte die in den Nachlass gehörige Liegenschaft XY von der Erbin schon vor dem verkauft werden, so sind die Pflichtteilsforderungen aus dem Verkaufserlös schon mit Fälligkeit des Kaufpreises unverzüglich zur Zahlung fällig.
Das Finanzamt hat hiefür der Tochter FZ, nunmehrige Berufungswerberin, =Bw, mit Bescheid vom , ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen in Höhe von 233.305,00 €, die Erbschaftssteuer mit 20.997,45 € vorgeschrieben.
Aufgrund eines Antrages der Bw hat das Finanzamt diesen Bescheid am ergänzend wie folgt begründet: Bemessungsgrundlage für die Erbschaftssteuer sei der vereinbarte Pflichtteil gewesen, wovon ein überschießender Steuervorteil in Höhe von 4.494,43 € abgezogen wurde. Die Steuerschuld entstehe mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung, in dem der Pflichtteilsberechtigte nach außen hin zu erkennen gibt, er wolle seinen Pflichtteilsanspruch wahren. Der Umstand, dass bloß die Auszahlung der Pflichtteilsforderung hinausgeschoben ist, sei für den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ohne Bedeutung. Im Pflichtteilsübereinkommen vom habe die Pflichtteilsberechtigte die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches erkennbar gemacht, womit die Steuerschuld entstanden sei.
In der Folge hat die Bw gegen den Erbschaftssteuerbescheid rechtzeitig Berufung erhoben, wobei gegen die Bemessungsgrundlage und Berechnung der Erbschaftssteuer nach Einsicht in den Verlassenschaftsakt kein Einwand erhoben wurde. Im Übrigen gesteht die Bw zu, dass sich der Bescheid des Finanzamtes auf dem Boden der geltenden Rechtslage und bisherigen Judikatur des VwGH bewegt. Allerdings werden Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 12 Abs. 1 Zif. 1 lit. b ErbStG geltend gemacht, weil die Regelung den Gleichheitsgrundsatz verletze, indem Pflichtteilsberechtigte dadurch benachteiligt würden, dass die Steuerschuld schon vor der tatsächlichen Vermögensvermehrung eintrete. Besonders eklatant falle dies gegenüber einem unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter einer Befristung bedachten Erben (§ 12 Abs. 1 Zif. 1 lit. a ErbStG) auf. Während der Gesetzgeber in den anderen Fällen des § 12 auf den Zufluss und den tatsächlichen Eintritt der Vermögensvermehrung abstelle, müsse der Pflichtteilsberechtigte bereits Erbschaftssteuer abführen, bevor er selbst noch etwas von seinem Pflichtteilsanspruch in tatsächlicher Hinsicht habe. Außerdem habe der VfGH die Erbschaftssteuer wegen Diskriminierung der Noterben bereits aufgehoben, sodass auch ein verfassungswidriger gesetzgeberischer Exzess gegeben sei. Der Unabhängige Finanzsenat habe daher beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren zu beantragen. Überdies verweist die Bw auf das Leistungsfähigkeitsprinzip im Steuerrecht und nicht zuletzt auf das Rechtsstaatlichkeitsprinzip, weil die Regelung über die Anlassfallwirkung im B-VG willkürlich Parteien von der nachprüfenden Kontrolle des VfGH ausschließe. Die Bw stellt einen Antrag auf mündliche Verhandlung und einen Antrag gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG, weil die Nutzung des Pflichtteilsanspruches nicht dem Noterben selbst zustehe.
Das Finanzamt hat die Berufung am dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Zur mündlichen Berufungsverhandlung am sind die beteiligten Parteien trotz ausgewiesener Ladung nicht erschienen und wurde die Verhandlung daher gemäß § 284 Abs. 4 BAO in Abwesenheit sowohl der Bw als auch der Amtspartei durchgeführt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Zunächst zählt der UFS nicht zu den gemäß Art 140 B-VG antragsberechtigten Gerichten bzw. Behörden.
Gemäß § 1 Abs. 1 Zif. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 (ErbStG) unterliegt der Steuer nach diesem Bundesgesetz der Erwerb von Todes wegen. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 2 Abs. 1 Zif. 1 ErbStG der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches.
Die Steuerschuld entsteht gemäß § 12 Abs. 1 Zif. 1 lit. b ErbStG für den Erwerb eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung. Der Abschluss eines Pflichtteilsübereinkommens ist jedenfalls als Geltendmachung des Anspruches anzusehen und wurde somit im gegenständlichen Fall der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Zif. 1 ErbStG spätestens am verwirklicht. Der Umstand, dass bloß die Auszahlung der Pflichtteilsforderung hinausgeschoben ist, ist für den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ohne Bedeutung.
Trifft der Pflichtteilsberechtigte mit dem Erben betreffend die Abgeltung des Pflichtteilsanspruches eine Zahlungsvereinbarung, so wird dadurch der ursprüngliche Inhalt des Schuldverhältnisses nicht berührt. Nach dem Entstehen des Steueranspruches getroffene Erfüllungsabreden vermögen den einmal entstandenen Steueranspruch nicht aufzuheben oder zu modifizieren ().
Die Bw hat weder dem Grunde noch der Höhe nach substanzielle Einwendungen gegen den erlassenen Erbschaftssteuerbescheid vom vorgebracht, vielmehr hat sie ausdrücklich gegen Bemessungsgrundlage und Berechnung der Erbschaftssteuer nach Einsicht in den Verlassenschaftsakt keinen Einwand erhoben sondern zugestanden, dass sich der Bescheid des Finanzamtes auf dem Boden der geltenden Rechtslage und bisherigen Judikatur des VwGH bewegt. Auch kann die entscheidende Behörde aufgrund des Akteninhaltes keine Rechtswidrigkeit erkennen.
Soweit die Bw verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 12 Abs. 1 Zif. 1 lit. b ErbStG hegt, ist bereits allgemein bekannt geworden, dass der VfGH mit Erkenntnis vom die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Zif. 1 ErbStG und somit den Grundtatbestand für Erwerbe von Todes wegen, also "die Erbschaftssteuer", als verfassungswidrig aufgehoben hat.
Der VfGH hat allerdings in seinem Erkenntnis über die Aufhebung der Erbschaftssteuer entsprechend der Bestimmung des Art. 140 Abs. 5 B-VG für das Inkrafttreten seiner Aufhebung des § 1 Abs. 1 Zif. 1 ErbStG eine Frist bis gesetzt hat.
Dies bedeutet gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG, dass sämtliche Bestimmungen des ErbStG (insbesondere auch die Regelung über die Entstehung der Steuerpflicht) auf alle bis zum Ablauf des verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden sind.
Da aber die Abgabenbehörden und somit auch der Unabhängige Finanzsenat an die Gesetze gebunden sind und diese - solange sie in Kraft sind - anzuwenden haben, war das bis zum in Geltung befindliche ErbStG vom Finanzamt zu Recht auch auf den gegenständlichen Rechtsvorgang anzuwenden.
Eine Ausnahme stellen nur Anlassfälle im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG dar:
Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seiner aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.
Als Anlassfall gelten aber nur jene Fälle, die entweder tatsächlich Anlass für die Einleitung des Normprüfungsverfahrens gewesen sind, oder die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung oder bei Beginn der nicht öffentlichen Beratung des VfGH beim Gerichtshof anhängig gewesen sind. Der gegenständliche Berufungsfall erfüllt keine der beiden Voraussetzungen.
Soweit die Bw vermeint, § 12 Abs. 1 Zif. 1 lit. b ErbStG benachteilige gleichheitswidrig den Pflichtteilsberechtigten, weil für ihn, im Gegensatz zu den übrigen Tatbeständen des § 12 ErbStG die Steuerschuld schon vor der tatsächlichen Vermögensvermehrung entstehe, ist ihr entgegenzuhalten:
Im Erbschaftssteuerrecht gilt die Grundregel, wonach die Steuerschuld mit dem Tod des Erblassers entsteht. Der erbrechtliche Anspruch alleine genügt jedoch nicht, weil im Sinne des Bereicherungsprinzips auch ein Erwerb folgen muss. Sowohl dem Erben als auch dem Pflichtteilsberechtigten steht mit dem Tod des Erblassers bloß ein Anwartschaftsrecht zu. Um sodann den Erwerb erbschaftssteuerrechtlich zu vollziehen und die Steuerpflicht auszulösen, hat eine Erbantrittserklärung einerseits oder die Geltendmachung des Pflichtteils andererseits zu folgen. Auf einen "Zufluss" wird nicht abgestellt.
Ab diesem Zeitpunkt hat der Pflichtteilsberechtigte ein Forderungsrecht (auf einen verhältnismäßigen Teil des Nachlasswertes) erworben. Dieses Forderungsrecht ist ein selbständig zu bewertendes Wirtschaftsgut. Mit dem frei verfügbaren Recht auf Leistung hat der Begünstigte aber bereits einen Vermögensgegenstand in Händen, welcher etwa abtretbar, vererblich, belastbar ist. Es ist unwesentlich, wann die Forderung tatsächlich erfüllt wird.
Desgleichen erwirbt der Erbe für den steuerlichen Bereich die Erbschaft bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Erbantrittserklärung, obwohl er zB das Eigentum am Nachlassvermögen erst mit der gerichtlichen Einantwortung erwirbt.
Allerdings soll im Erbschaftssteuerrecht immer nur eine tatsächliche Bereicherung der Besteuerung unterworfen werden, nicht schon die Aussicht auf eine in Zukunft möglicherweise eintretende Bereicherung.
Deshalb wird die Grundregel, wonach die Steuerschuld mit dem Tod des Erblassers entsteht (und nicht etwa mit dem tatsächlichen Erwerb einzelner Nachlassgegenstände), durch die Bestimmungen des § 12 lit. a bis h durchbrochen. Es handelt sich bei diesen Ausnahmefällen um Erwerbsvorgänge, bei denen infolge eines der im Gesetz aufgezählten Ereignisse eine Bereicherung noch nicht eingetreten ist oder noch nicht mit voller Sicherheit feststeht.
Dem widerspricht auch nicht der von der Bw besonders hervorgehobene Fall des § 12 Abs. 1 Zif. 1 lit. a ErbStG (Erwerb unter aufschiebender Bedingung oder Befristung), weil er darauf abstellt, dass der Rechtserwerb ansich an die Bedingung geknüpft war.
Nicht zuletzt bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Steuerschuld des Pflichtteilsberechtigten zu einem anderen Zeitpunkt entsteht als jene des Erben ().
Der Gleichheitssatz verlangt auch keine allgemeine Gleichbehandlung von Pflichtteilsberechtigten und Erben ().
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | Art. 140 Abs. 7 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 12 Abs. 1 Z 1 lit. b ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 |
Schlagworte | Steuerschuld Vermögensvermehrung |
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