Wiedereinsetzung
Rechtssätze
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RV/0622-L/06-RS1 | Bringt ein Abgabepflichtiger gegen einen Bescheid kein Rechtsmittel ein bzw. setzt er seinen Rechtsvertreter nach dem Ende der Rechtsmittelfrist vom Ergehen eines Bescheides in Kenntnis, so bildet die Kenntnisnahme durch den Rechtsvertreter im allgemeinen keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Am brachte der Vertreter des Berufungswerbers beim Finanzamt nachstehende Eingabe ein: Betrifft: Steuernummer 000/0000, Grunderwerbsteuerbescheid vom betreffend Übergabsvertrag vom , abgeschlossen zwischen RL, Adr. Xxx als Übergeber und Bw., wohnhaft ebendort, als Übernehmer; Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
"Ich habe am den zwischen Herrn RL als Übergeber und Herrn Bw. als Übernehmer einen Übergabsvertrag errichtet. Dieser Übergabsvertrag wurde dem Finanzamt mit Abgabenerklärung vom zur Gebührenbemessung angezeigt. Zu diesem Vorgang wurde vom Finanzamt die Unbedenklichkeitsbescheinigung am ausgestellt und zu meinen Handen übersandt. Anlässlich des Erhaltes dieser Unbedenklichkeitsbescheinigung vom musste ich feststellen, dass durch ein Versehen der mit der Erstellung der Abgabenerklärung betrauten Angestellten meiner Kanzlei der Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung wegen der Bestimmungen des Neugründungsförderungsgesetzes nicht gestellt wurde. Die sonst überaus verlässliche Angestellte hat die von der Bezirksbauernkammer K ausgestellte Erklärung der Betriebsübertragung übersehen und trotz des von mir erteilten Auftrages diese Befreiung in Anspruch zu nehmen, den entsprechenden Antrag nicht gestellt. Hierzu weise ich darauf hin, dass der Akt "L" durch verschiedene früher von mir beurkundete Rechtsgeschäfte einen entsprechenden Umfang aufweist und offenbar der Befreiungsantrag in einen Unterakt verreiht war. Ich beantrage daher, diesem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben und ergreife gleichzeitig die Berufung gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom , Steuernummer 000/0000 in der Weise, dass durch den Übernehmer, Herrn Bw., unter Zugrundelegung der Erklärung der Betriebsübertragung (sinngemäß) die Begünstigung des NeuFöG angewendet werden. Das Original der Erklärung über die Betriebsübertragung ist der Eingabe angeschlossen. Die Frist im Sinne des § 308 Abs. 3 BAO ist gewahrt, weil erst nach Vorliegen der Unbedenklichkeitsbescheinigung vom erkannt wurde, dass die Geltendmachung des Befreiungstatbestandes nicht erfolgt ist."
Das Finanzamt wies mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung mit folgender Begründung ab: Gerade bei rechtskundigen Parteien sei ein strenger Maßstab in Bezug auf die erforderliche Sorgfalt anzulegen. Die dem Vertrag beigelegte Abgabenerklärung sei mit dem Stempel und der Paraphe des rechtskundigen Vertreters versehen, enthalte jedoch keinen Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung. Es hätte bei sorgfältiger Kontrolle auffallen müssen, dass die Steuerbefreiung nicht beantragt und das notwendige Formular nicht vorgelegt wurde.
Im Antrag gemäß § 276 BAO wird ergänzt: Folge man der Bescheidbegründung, hätte dies zur Folge, dass jede Fristversäumnis im Verkehr mit Behörden einen Wiedereinsetzungsantrag nicht rechtfertigen würde. Die Sorgfaltspflicht könne sich nicht ausschließlich auf jeden einzelnen Fall beziehen, sondern es sei auch darauf abzustellen, ob die Verletzung der Sorgfaltspflicht ein einmaliges Ereignis darstelle oder häufiger vorkomme. Eine Häufung von derartigen Versehen sei nicht gegeben.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses eingebracht werden (Abs. 3 des § 308).
Maßgeblich ist, dass ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis den Einschreiter an der Wahrnehmung der Frist gehindert hat und den Einschreiter kein grobes Verschulden vorwerfbar ist. Ein minderer Grad des Versehens ist leichter Fahrlässigkeit iSd. § 1332 ABGB gleichzusetzen. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Ein Wiedereinsetzungswerber handelt nämlich auffällig sorglos, wenn er die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 308 Tz. 15). Dass aber der Berufungswerber nach seinen persönlichen Verhältnissen ausnahmsweise zu einer solchen Sorgfalt nicht befähigt gewesen wäre bzw. ihm eine solche Sorgfalt nicht zugemutet hätten werden können, ist nicht behauptet worden. Hat er doch selbst durch die Einholung des Vordruckes NeuFö 3 bei der zuständigen Bezirksbauernkammer Kirchdorf durch die erfolgte Beratung von der Begünstigung nach dem NeuFöG Kenntnis gehabt (welche im Bescheid nicht gewährt wurde) und nach Ergehen des Bescheides nicht entsprechend reagiert, entweder durch Einbringen eines Rechtsmittels oder durch entsprechende Erkundigungen beim Schriftenverfasser als rechtskundige Person. Die verspätete Kenntnisnahme durch den Rechtsvertreter (durch Übersendung der Unbedenklichkeitsbescheinigung an diesen) ist keine taugliche Grundlage für die Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages in Verbindung mit einer Berufung. Ein Wiedereinsetzungsantrag ist im Allgemeinen nicht geeignet, eine versäumte Rechtsmittelfrist, auf welche in einem Abgabenbescheid hingewiesen ist, nachzuholen.
Unstrittig und mit dem Antrags- bzw. Berufungsvorbringen in Einklang stehend ist, dass der Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung bzw. Begünstigung nach dem NeuFöG (Vorlage des amtlichen Vordruckes) nicht mit der Vorlage der Grunderwerbsteuererklärung und Vertragsanzeige erfolgt ist und dieses "Versehen" anlässlich der Übermittlung der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung an den Schriftenverfasser (= Vertreter des Berufungswerbers) aufgedeckt wurde. Der Bescheid über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist mit datiert, gilt als mit dem als an den Berufungswerber zugestellt (ein Zustellungshindernis ist nicht aktenkundig und wird auch nicht behauptet). Ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid wurde nicht eingebracht; die festgesetzte Abgabe wurde auch fristgerecht entrichtet, weshalb es auch zur Zustellung der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 160 BAO) kam. Weder im Wiedereinsetzungsantrag noch in der Berufung wurden Gründe vorgebracht, die der Einbringung eines Rechtsmittels gegen die Abgabenfestsetzung entgegenstanden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass ein Vertrauen auf die tatsächliche und rechtliche Richtigkeit eines Bescheides kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellt. Auch ein Rechtsirrtum ist nicht als ein derartiges Ereignis zu werten, das eine Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte. Dem Antrag wurde daher zu Recht keine Folge gegeben.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Wiedereinsetzung |
Zitiert/besprochen in |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at