Die Geltendmachung der Haftung gemäß § 9 BAO setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers voraus.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Rechtsanwalt, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 8., 16. und 17. Bezirk vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Beschluss des Landesgerichtes Xvom wurde über das Vermögen der I-GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Am wurde der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben. Seit vertritt Herr A. (Bw.) die Gesellschaft als Liquidator. Davor war er im Zeitraum bis zur Konkurseröffnung zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der GmbH bestellt.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes B. vom wurde über das Vermögen des Bw. das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet (Eigenverwaltung des Schuldners),das nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens am aufgehoben wurde.
Mit Bescheid vom wurde der Bw. als ehemaliger Geschäftsführer der GmbH für deren Abgabenschulden in Höhe von € 281.025,78, bestehend aus der Körperschaftsteuer 1999 und 2000 in Höhe von € 220.243,74 und € 8.738,91 sowie Aussetzungszinsen 2009 in Höhe von € 52.043,13, gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung herangezogen.
In der dagegen form- und fristgerecht eingebrachten Berufung führte der steuerliche Vertreter des Bw. aus, dass dieser Geschäftsführer und Mehrheitseigentümer der GmbH gewesen sei. Mit Beschluss des Landesgerichtes X sei am der Konkurs über das Unternehmen eröffnet worden.
Auch über das Vermögen des Bw. sei mit Beschluss des Landesgerichtes X das Konkursverfahren eröffnet worden. Dieser Konkurs sei mit Beschluss vom mangels Kostendeckung gemäß § 216 KO aufgehoben worden.
In weiterer Folge sei über das Vermögen des Bw. mit Beschluss des Bezirksgerichtes B. vom ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet worden.
Die von der Behörde nunmehr geltend gemachte Abgabenschuld in Höhe von € 281.025,78 sei im Schuldenregulierungsverfahren des Bw. nicht als Forderung angemeldet worden. Dies obwohl der Bw. in seinem Schuldenregulierungsverfahren eine Gläubigerliste vorgelegt habe, in der auch das Finanzamt mit einer Forderung in Höhe von € 228.982,65 aufgenommen worden sei.
Es sei daher im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 74 Abs. 2 Z. 5 und 75 Abs. 1 Z 1 IO davon auszugehen, dass die Behörde vom Schuldenregulierungsverfahren jedenfalls Kenntnis erlangt habe, es jedoch unterlassen habe, ihre Forderungen anzumelden.
Nicht angemeldete Forderungen im Abschöpfungsverfahren seien nach § 207 Abs. 1 IO aber nur ausnahmsweise bei der Verteilung zu berücksichtigen und zwar dann, wenn die Forderung feststehe und dies dem Treuhänder durch den Gläubiger angezeigt worden sei. Dies sei einerseits bei einem rechtskräftigen gerichtlichen Urteil und andererseits auch bei einem Anerkenntnis des Schuldners oder einem Vergleich anzunehmen.
Ohne weiters könne daher zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass die gegenüber dem Bw. geltend gemachte Abgabenschuld im Sinne des § 207 Abs. 1 IO "feststehe". In der Bescheidbegründung würden lediglich gesetzliche Bestimmungen angeführt und es sei aus der Begründung überhaupt nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Bw. eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO zu verantworten habe. Diesbezüglich fehle jegliche Sachverhaltsermittlung seitens der Behörde.
In der Begründung eines Bescheides seien die Ergebnisse dieses Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Es könne aber nicht genügen, dass die Behörde in der Bescheidbegründung nur die gesetzlichen Grundlagen anführe.
Die nicht angemeldete Forderung der Behörde könne bei der Verteilung im Abschöpfungsverfahren des Bw. daher keine Berücksichtigung finden.
Sollte sich jedoch herausstellen, dass die nicht angemeldete Forderung der Behörde feststehe und daher im Abschöpfungsverfahren zu berücksichtigen sei, könne eine Befriedigung derselben ohnehin nur im Rahmen der Verteilung der Abschöpfungsmasse erfolgen.
Das Finanzamt legte die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vor, und führte im Vorlagebericht aus, dass die Anmeldung der Abgabenforderung im Konkurs des Bw. erfolgt und am vom Bezirksgericht B. übernommen worden sei. Weiters habe sich der KSV 1870 mit Schreiben vom auf die Forderungsanmeldung vom bezogen, das am beantwortet worden sei.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Im gegenständlichen Fall wurde der am über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnete Konkurs mit Beschluss vom mangels Kostendeckung aufgehoben.
Zwar vertritt der Bw. die Gesellschaft seit als Liquidator, jedoch kann im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Konkursaufhebung mangels Kostendeckung auf die Uneinbringlichkeit im Sinne das § 9 BAO geschlossen werden (z.B. ).
Gemäß Firmenbuchauszug war der Bw. im Zeitraum bis zur Konkurseröffnung () Geschäftsführer der GmbH und vertritt diese seit als Liquidator.
Der haftungsgegenständlichen Körperschaftsteuern 1999 und 2000 liegen die Bescheide vom zu Grunde. Die aus diesen Bescheiden resultierenden Nachforderungen in Höhe von € 220.243,74 und € 8.738,91 (dies entspricht den Haftungsbeträgen) wurden am gemäß § 212a BAO von der Einhebung ausgesetzt.
Am verfügte das Finanzamt den Ablauf der Aussetzung der Einhebung und setzte gleichzeitig Aussetzungszinsen in Höhe von € 52.043,13 fest, für die der Bw. ebenfalls zur Haftung herangezogen wurde.
Der Bw. war im Zeitpunkt der Festsetzung der Körperschaftsteuern nicht Geschäftsführer der GmbH. Während der Zeit seiner Vertretungsbefugnis war der Bw. zu deren Abfuhr nicht verpflichtet, da diese gemäß § 212a BAO von der Einhebung ausgesetzt waren. Die Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung erfolgte während des Konkursverfahrens, ebenso wie die Festsetzung der haftungsgegenständlichen Aussetzungszinsen.
Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Bw. als Geschäftsführer in Bezug auf die Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten kann daher nicht vorliegen.
Zwar fungiert der Bw. seit als Liquidator und könnte somit zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden, da die Pflicht zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet, allerdings ist im Hinblick auf die am erfolgte Konkursaufhebung mangels Kostendeckung von der Uneinbringlichkeit und somit von der völligen Mittellosigkeit der GmbH auszugehen, weshalb auch aus diesem Grunde keine schuldhafte Pflichtverletzung des Bw. erkannt werden kann.
Es war daher der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 216 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 207 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at