Berufungsentscheidung - Zoll (Referent), UFSZ3K vom 12.01.2011, ZRV/0012-Z3K/09

Unzulässiger Binnenverkehr


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Miterledigte GZ:
ZRV/0015-Z3K/09

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/16/0043 eingebracht. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, soweit der Bescheid die Abgabenerhöhung betrifft; im Übrigen Behandlung der Beschwerde mit Beschluss v. abgelehnt. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zl. RV/4200113/2014 erledigt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze
Stammrechtssätze
ZRV/0012-Z3K/09-RS1
Ein Binnenverkehr im Sinne des Art 555 Abs 1 Buchstabe c) ZK-DVO liegt vor, wenn Personen im Zollgebiet der Gemeinschaft einsteigen, um in diesem Gebiet wieder auszusteigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Entschluss, Personen im Zollgebiet der Gemeinschaft einsteigen zu lassen, vor oder zu Beginn der Reise oder erst im Verlauf der Reise gefasst worden ist, oder ob dies im Beförderungsvertrag vorgesehen war.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde der Beschwerdeführerin., Adresse, vertreten durch Dr. Thomas Obholzer, Rechtsanwalt, 6060 Hall, Dr. Otto Stolzstraße 15, vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Klagenfurt Villach vom , Zahl aa, betreffend Eingangsabgaben im Beisein der Schriftführerin Claudia Schmölzer nach der am in 8018 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Zollamtes Klagenfurt Villach vom , Zahl: bb, wurden der Beschwerdeführerin (Bf.) gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a) und Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex, ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) Abgaben in der Höhe von € 116.424,20 [Zoll (A00): € 47.520; Einfuhrumsatzsteuer (B00): € 68.904,20) festgesetzt und buchmäßig erfasst. Als Folge der Nacherhebung erfolgte die Vorschreibung der Abgabenerhöhung in der Höhe von € 1.975,33. In der Begründung wurde ausgeführt, der in Kroatien zum Verkehr zugelassene Reisebus mit dem amtlichen Kennzeichen cc sei im Linienverkehr auf der Strecke zwischen Zagreb und Göteborg eingesetzt gewesen. Im Zuge einer in Deutschland durchgeführten Kontrolle sei festgestellt worden, dass am zwei Personen (Frau AA und Frau BB) in Österreich (Feistritz) zugestiegen seien, obwohl laut Konzessionsurkunde der Republik Österreich das österreichische Staatsgebiet ausschließlich transitiert hätte werden dürfen.

Die belangte Behörde führte weiter aus, bei der Einbringung des gewerblich verwendeten Beförderungsmittels sei für Rechnung des Dienstgebers des Fahrzeuglenkers die Zollanmeldung durch andere Form der Willensäußerung abgegeben worden. Der Bf. seien daher die Verpflichtungen aus dem Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung oblegen. Aufgrund der nationalen beförderungsrechtlichen Bestimmungen hätten in Österreich keine Personen ein- oder aussteigen dürfen. Durch die Aufnahme der zwei Passagiere in Österreich sei eine sich aus dem Verfahren der vorübergehenden Verwendung in Verbindung mit den beförderungsrechtlichen Vorschriften ergebende Verpflichtung nicht eingehalten worden.

Der Zollwert sei - unter Zugrundelegung einer durch die deutschen Zollbehörden veranlassten Fahrzeugbewertung - gemäß Art. 31 ZK in Verbindung mit § 184 BAO ermittelt worden. Die Abgabenerhöhung sei unabhängig davon vorzuschreiben, ob der Partei ein Verschulden an der Nacherhebung treffe. Entscheidend sei allein, ob es infolge der verspäteten Vorschreibung zu einem Zinsverlust für die Zollbehörde gekommen ist. Für den Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der Zollschuldentstehung am und dem der buchmäßigen Erfassung der Zollschuld am sei daher eine Abgabenerhöhung vorzuschreiben gewesen.

Dagegen richtete sich die Berufung vom . Die Bf., vertreten durch Dr. Thomas Obholzer, Rechtsanwalt, brachte vor, es sei richtig, dass in Österreich zwei Personen zugestiegen sind. Das Zusteigen sei jedoch ohne Wissen, gegen den Willen und ohne jeglichen Auftrag der verantwortlichen Geschäftsleitung der Bf. erfolgt. Mangels Kenntnis habe die Geschäftsleitung das Zusteigen auch nicht verhindern können. Aus Sicht der Bf. stelle der Vorgang höhere Gewalt dar. Die beiden streitgegenständlichen Passagiere hätten ordnungsgemäß die Reise ausgehend von Ljubljana in Slowenien gebucht und bezahlt. Für die Bf. sei daher nicht absehbar gewesen, dass eine Verletzung irgend welcher Bestimmungen theoretisch eintreten könnte. Die beiden Personen hätten den Bus in Ljubljana offenbar versäumt. Sie bzw. deren Tante hätte(n) sich daraufhin entschlossen, dem Bus nachzufahren. Diesen hätten sie zirka 20 Kilometer nach Passieren der österreichischen Grenze eingeholt und auf abenteuerliche Weise zum Anhalten gezwungen. Die Tante habe den Busfahrer offenkundig dazu bewegt, die beiden Passagiere aus rein humanitären Gründen aufzunehmen. An eine Verletzung von zollrechtlichen Vorschriften habe er nicht gedacht. In diesem Zusammenhang werde festgehalten, dass "es sich hierbei um eine weisungswidrige, wenngleich aus den Umständen heraus menschlich verständliche Entscheidung des Busfahrers " gehandelt habe. Die Bf. habe eine solche Aktion weder gestattet noch nachträglich genehmigt oder dazu aufgefordert. Die Busfahrer seien hingegen angehalten, sämtliche Rechtsvorschriften zu beachten und keine Passagiere während der Fahrt aufzunehmen. Als Beweis dafür werde auf einen Akt des Hauptzollamtes München und den darin wiedergegebenen Zeugenaussagen verwiesen.

Den einschlägigen Bestimmungen zufolge sei nicht auf das Ein- oder Aussteigen, sondern auf die Beförderung abzustellen. Für die Beurteilung der Beförderung sei nicht der nach außen hin scheinbare Handlungsakt, sondern der von den Parteien tatsächlich und rechtlich gewollte Beförderungsakt von Bedeutung. Die in Österreich zugestiegenen Passagiere hätten eine Reise von Ljubljana bis nach Schweden gebucht und eine solche bezahlt. Das Zusteigen der beiden Passagiere in Österreich stelle somit keine Unterbrechung bzw. keinen Verstoß gegen die Transitbestimmungen dar, zumindest keinen seitens der Bf. Rechtlich liege eine Beförderung "im Transitweg kommend von außerhalb des Zollgebietes in Österreich und endend außerhalb des Zollgebietes in Österreich " vor. Die Nachbeförderung der beiden Passagiere aufgrund eines von der Bf. nicht beeinflussbaren Missgeschicks stelle zivilrechtlich allenfalls eine Art Geschäftsführung ohne Auftrag dar. Aufgrund der Buchung habe die Beförderung rein rechtlich bereits in Ljubljana begonnen. Die Passagiere seien von Ljubljana nach Schweden befördert worden, sodass bei korrekter und vor allem lebensnaher Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen die gegenständliche Bescheidfassung nicht berechtigt sei. Es handle sich um eine Verkettung unglücklicher Umstände, die Bf. habe das Versäumen des Busses nicht beeinflussen können. Es könne der Bf. und deren Geschäftsleitung nicht zugemutet werden, die Busfahrer ununterbrochen zu überwachen und in jedem Sekundenbruchteil dafür Sorge zu tragen, dass der Busfahrer keine rechtswidrigen Handlungen begeht. Ein Fehlverhalten des Busfahrers könne der Bf. daher nicht angerechnet werden. Der gegenständliche Bescheid sei für die Bf. absolut existenzvernichtend. Von einem Zusteigen im Sinne des Gesetzes könne nur dann gesprochen werden, wenn es sich um einen planmäßigen, von der Bf. herbeigeführten oder gewollten Umstand handle. Abschließend stellte die Bf. den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben oder dahingehend abzuändern, dass der Bf. keine Zahlung vorgeschrieben werde, in eventu die Zahlungsvorschreibung drastisch reduziert werde.

Mit der Berufungsvorentscheidung vom , Zahl: aa, wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, Inhaber des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung sei das Beförderungsunternehmen; dieses verwende das Beförderungsmittel und bediene sich des Fahrers zum Lenken. Die Zollanmeldung durch andere Form der Willensäußerung werde für Rechnung des Dienstgebers des Fahrzeuglenkers abgegeben. Der Bf. als Verfahrensinhaberin seien die Verpflichtungen aus der vorübergehenden Verwendung oblegen. Das Zusteigen von Passagieren in Österreich, um in Schweden wieder auszusteigen, entspreche der Definition des Binnenverkehrs im Sinne der einschlägigen Vorschriften; demnach sei das tatsächliche Einsteigen in das Beförderungsmittel ausschlaggebend und nicht ein laut Beförderungsvertrag vorgesehenes Einsteigen.

Die gewerbliche Verwendung eines außerhalb des Zollgebietes der Gemeinschaft zugelassenen Beförderungsmittels im Binnenverkehr sei nur zulässig, sofern die im Bereich des Verkehrs geltenden Vorschriften es vorsehen. Der innerstaatliche und grenzüberschreitende Kraftlinienverkehr bedürfe einer Konzession. Im gegenständlichen Fall habe die Konzessionsurkunde die Auflage enthalten, das österreichische Staatsgebiet ausschließlich zu transitieren. Die Aufnahme der beiden Passagiere auf österreichischem Staatsgebiet sei daher verkehrsrechtlich nicht gedeckt gewesen. Mangels der beförderungsrechtlichen Voraussetzungen sei eine sich aus dem Verfahren der vorübergehenden Verwendung ergebende Verpflichtung verletzt worden. Die Bf. habe als Inhaberin des Zollverfahrens die sich ergebenden Verpflichtungen einzuhalten gehabt, die Pflichtverletzung sei daher ihr zuzurechnen, auch wenn die Verletzung durch ihren Arbeitnehmer erfolgt sein sollte. Aufgrund der Aktenlage sei davon auszugehen, dass die Aufnahme der beiden Passagiere in Österreich zumindest mit Wissen und Zustimmung der Bf. erfolgt sei. Bei der Zollschuldentstehung gemäß Art. 204 ZK genüge die objektive Erfüllung des Tatbestandes, auf ein Verschulden des Pflichteninhabers komme es nicht an.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom . Die Bf., vertreten durch Dr. Thomas Obholzer, Rechtsanwalt, bringt - zusätzlich zu den Ausführungen in der Berufungsschrift - vor, der Halt in Österreich und das Zusteigen von Personen in irgendeiner Weise sei nicht abgesprochen oder durch die Bf. gewollt oder erwünscht gewesen. Der erzwungene Halt des Busses und der Zustieg der zwei Personen sei ohne Wissen der Geschäftsleitung erfolgt. Dies gehe unstrittig aus der Reisebuchung hervor. Das Versäumen des Busses in Ljubljana, das Nachfahren und das Anhalten des Busses auf der Autobahn stelle einen sehr ungewöhnlichen, außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegenden Vorgang dar. Es könne von der Geschäftsleitung nicht verlangt werden, derartige Vorgänge vorherzusehen bzw. bereits in Voraussicht Gegenmaßnahmen zu treffen. Die spektakuläre Anhaltung sei von mehreren Passagieren bestätigt worden. Inwiefern die beiden in Österreich zugestiegenen Passagiere oder deren Tante die Anhaltung geplant haben, könne nicht gesagt werden. Mit der Bf. war weder die Anhaltung noch das Zusteigen in Österreich vereinbart.

Die beiden Passagiere seien von der Bf. betreffend ihre Erstaussagen nicht beeinflusst worden. Es könne nicht automatisch davon ausgegangen werden, die zweite Aussage entspreche der Wahrheit. Zwecks Abklärung des tatsächlichen Vorgangs im Zusammenhang mit der Anhaltung des Busses und mit dem Zusteigen beantragt die Bf. die Einvernahme der beiden Passagiere als Zeugen.

Im gegenständlichen Fall liege kein unzulässiger Binnenverkehr vor. Es sei ein Transport in Form eines Transits kommend aus dem Ausland vereinbart worden. Das stehe aufgrund der Buchungsbestätigung fest. Maßgeblich sei nicht das Ein- oder Aussteigen, sondern die hinter diesem Einsteigen stehende zivilrechtliche Vereinbarung. Auf das Einsteigen sei nicht abzustellen, denn dann käme es im Falle einer Panne eines Reisebusses zu einer ähnlichen Haftungsfolge wie im gegenständlichen Fall. Das sei nicht akzeptabel. Anknüpfungspunkt sei vielmehr der Beförderungsvertrag. Aufgrund des Beförderungsvertrages sei eine Beförderung vom Ausland ins Ausland in Form eines korrekten Transits zustande gekommen. Pläne der Passagiere, gegen diesen Vertrag zu verstoßen, seien rechtlich als Mentalreservation zu beurteilen und nicht geeignet, das grundsätzliche Rechtsgeschäft abzuändern oder umzuinterpretieren.

Abschließend beantragt die Bf., der Beschwerde Folge zu geben und die zugrunde liegenden angefochtenen Bescheide aufzuheben, in eventu kassatorisch zu entscheiden und die Berufungsvorentscheidung aufzuheben. Weiters wird die Vornahme einer vollständigen Beweisaufnahme beantragt und - neben der Einvernahme der beiden Passagiere als Zeugen - die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Frau AA und Frau BB gaben als Zeugen vernommen übereinstimmend an, sie seien in Feistritz an der Drau zugestiegen. Herr CC, Handlungsbevollmächtigter der Bf., gab (zusammenfassend) an, ursprünglich sei vorgesehen gewesen, dass die vorstehend genannten Personen in Ljubljana zusteigen. Er habe keine Kenntnis darüber, warum der Bus in Österreich angehalten worden sei.

In der am abgehaltenen Berufungsverhandlung wurde vom Vertreter der Bf. ergänzend ausgeführt, ein Zusteigen in Österreich sei nicht geplant gewesen. In einem solchen Fall wäre ein Zustiegsort vereinbart worden und der Bus hätte nicht auf der Autobahn angehalten werden müssen. Entscheidend sei der zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Parteiwille und somit der zustande gekommene Beförderungsvertrag. Dieser könne nicht einseitig vom Buslenker abgeändert werden. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei nicht auf das faktische Einsteigen, sondern auf den Beförderungsvertrag abzustellen. Ansonsten komme es im Falle einer Panne zur Erfüllung des Tatbestandes.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Aufgrund des Verwaltungsverfahrens und der darin durchgeführten Ermittlungen steht unbestritten folgender Sachverhalt fest:

Die Bf. ist Fahrzeughalterin des in Kroatien zum Verkehr zugelassenen Reisebusses mit dem amtlichen Kennzeichen cc. Dieser Bus war im Linienverkehr zwischen Zagreb und Göteborg eingesetzt. Für die beiden Passagiere, AA und BB, wurde am eine Reise von Ljubljana nach Göteborg gebucht. In der diesbezüglichen Buchungsbestätigung ist der als Reisetag ausgewiesen. Die beiden Passagiere sind am nicht in Ljubljana sondern in Feistritz (Österreich) in den Bus eingestiegen.

Gemäß Art. 137 können im Verfahren der vorübergehenden Verwendung Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, ohne dass sie, abgesehen von der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs, Veränderungen erfahren hätten, unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben, und ohne dass sie handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden. Bei der vorübergehenden Verwendung handelt es sich um ein Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung [Art. 84 Abs. 1 Buchstabe b) ZK]. Gemäß Art. 85 ZK in Verbindung mit Art. 496 ff der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK-DVO) bedarf es für das genannte Zollverfahren einer Bewilligung durch die Zollbehörden, wobei dieser grundsätzlich ein schriftlicher Antrag des Beteiligten voranzugehen hat. Abweichend davon kann der Bewilligungsantrag mittels jeder anderen, nach Art. 232 Abs. 1 ZK-DVO zur Überführung in die vorübergehende Verwendung als Zollanmeldung geltenden Willensäußerung gestellt werden (Art. 497 Abs. 3 ZK-DVO).

Gemäß Art. 558 Abs. 1 ZK-DVO wird die vorübergehende Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben für im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr und in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel bewilligt, die


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person amtlich zugelassen sind; in Ermangelung einer amtlichen Zulassung gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn die betreffenden Fahrzeuge einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person gehören;
b)
unbeschadet der Art. 559, 560 und 561 von einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person verwendet werden; und
c)
bei gewerblicher Verwendung und mit Ausnahme von Schienenbeförderungsmitteln nur für Beförderungen verwendet werden, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnen oder enden; sie können jedoch im Binnenverkehr eingesetzt werden, sofern die im Bereich des Verkehrs geltenden Vorschriften, insbesondere diejenigen betreffend die Voraussetzung für den Marktzugang und die Durchführung von Beförderungen, es vorsehen.

Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b) ZK-DVO bestimmt, dass Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung für die in Art. 556 bis 561 genannten Beförderungsmittel durch eine Willensäußerung im Sinne des Art. 233 ZK-DVO nach Maßgabe des Art. 579 ZK-DVO abgegeben werden können, sofern sie nicht schriftlich oder mündlich angemeldet werden. Gemäß Art. 233 Abs. 1 Buchstabe a) zweiter Anstrich ZK-DVO kann die als Zollanmeldung geltende Willensäußerung durch Passieren einer Zollstelle ohne getrennte Kontrollausgänge, ohne spontan eine Zollanmeldung abzugeben, abgegeben werden.

Gemäß Art. 138 ZK wird die Bewilligung des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung auf Antrag der Person erteilt, welche die Waren verwendet oder verwenden lässt. Inhaber des Zollverfahrens ist die Person, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird, oder die Person, der die Rechte und Pflichten der vorgenannten Person im Zusammenhang mit einem Zollverfahren übertragen worden sind (Art 4 Nummer 21 ZK).

Im gegenständlichen Fall wurde durch das schlichte Passieren der Zollstelle an der kroatisch/slowenischen Grenze mit dem Reisebus für diesen eine Zollanmeldung zur vorübergehenden Verwendung, einschließlich des Antrags auf Bewilligung der vorübergehenden Verwendung abgegeben. Durch das Passieren der Zollstelle galt der Reisebus gemäß Art. 234 ZK-DVO als gestellt, die Zollanmeldung als angenommen und als überlassen. Durch die Annahme der Zollanmeldung wurde gemäß Art. 505 Buchstabe b) ZK-DVO die Bewilligung für das Verfahren der vorübergehenden Verwendung erteilt.

Die Bf. hat sich zum Lenken des Busses eines Fahrers bedient. Die bei der Überführung in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung abgegebene konkludente Zollanmeldung hat dieser nach Art. 5 Abs. 2 ZK entweder in direkter oder indirekter Vertretung für die Bf. abgegeben. Bei der Eröffnung von Zollverfahren wirkt das Handeln des direkten und indirekten Vertreters für und gegen den Vertretenen. Sowohl der direkt als auch der indirekt Vertretene wird Verfahrensinhaber und somit Träger der Rechte und Pflichten aus dem Verfahren. Die Bf., die sich zum Lenken des Busses eines Fahrers bediente, war Inhaberin des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung; ebenfalls wurde ihr gemäß Art. 138 ZK die diesbezügliche Bewilligung erteilt.

Gemäß Art. 558 Abs. 1 Buchstabe c) ZK-DVO besteht für gewerblich verwendete Beförderungsmittel ein so genanntes Kabotageverbot. In Abweichung davon dürfen Beförderungsmittel im Binnenverkehr eingesetzt werden, wenn es die geltenden Verkehrsvorschriften vorsehen. Binnenverkehr ist die Beförderung von Personen oder Waren, die im Zollgebiet der Gemeinschaft einsteigen oder geladen werden, um in diesem Gebiet wieder auszusteigen oder ausgeladen zu werden (Art. 555 Abs. 1 Buchstabe c] ZK-DVO). Ein Binnenverkehr liegt nach dieser Bestimmung vor, wenn mit der Beförderung von Personen oder Waren im Zollgebiet der Gemeinschaft begonnen wird. Ein Aussteigen von Personen oder ein Abladen von Waren nach dem Binnentransport ist also zur Tatbestandserfüllung nicht erforderlich (Henke in Witte, Zollkodex5 Art. 141 Rz. 13).

Gemäß § 1 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz - KflG) bedarf der innerstaatliche und grenzüberschreitende Kraftfahrlinienverkehr einer Konzession, der grenzüberschreitende Kraftfahrlinienverkehr, dessen Endhaltestellen auf dem Staatsgebiet von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz liegen, bedarf einer dieser gleichzuhaltenden Genehmigung. Mit Konzessionsurkunde vom , Zahl: BMVIT-841.586/0003-II/ST7/2007, wurde gemäß § 19 Abs. 2 KflG bescheinigt, dass die Bf. die Konzession zum Betrieb der österreichischen Teilstrecke slowenisch/österreichische Staatsgrenze bis zur österreichisch/deutschen Staatsgrenze der internationalen Kraftfahrlinie Zagreb - Göteborg besitzt. Für die Ausübung dieser Konzession bestand jedoch die Auflage, dass das österreichische Staatsgebiet ausschließlich transitiert werden durfte. Ein in Österreich beginnender (oder endender) Binnenverkehr war somit nach den für den Verkehr geltenden Vorschriften nicht zulässig. Der von der Republik Slowenien ausgestellten Konzession zufolge bestand die Möglichkeit des Zusteigens in Ljubljana. Ein Binnenverkehr war daher nur zwischen Slowenien und Schweden gestattet.

Im gegenständlichen Fall steht unbestritten fest, dass die beiden Passagiere (AA und BB) in Österreich zugestiegen sind. Entgegen der Ansicht der Bf. kommt es für die Beantwortung der Frage, ob ein nach Art. 558 Abs. 1 Buchstabe c) ZK-DVO unzulässiger Binnenverkehr vorliegt, nicht auf den ursprünglichen Beförderungsvertrag oder die ursprüngliche Willensrichtung des Beförderers an (Henke in Witte, Zollkodex5 Art. 141 Rz. 13). Nach Art. 555 Abs. 1 Buchstabe c) ZK-DVO gilt als Binnenverkehr die Beförderung von Personen, die im Zollgebiet der Gemeinschaft einsteigen, um in diesem Gebiet wieder auszusteigen. Das bedeutet nicht, dass das Einsteigen von Personen im Zollgebiet der Gemeinschaft nur deshalb nicht den Tatbestand des Art. 555 Abs. 1 Buchstabe c) ZK-DVO erfüllt, weil es nach der zivilrechtlichen Vereinbarung ursprünglich nicht beabsichtigt war. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften war entscheidend, ob die zu befördernden Personen gemeinsam mit dem Fahrzeug die Grenze überschritten haben ().

Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob der Entschluss, die beiden Passagiere in Österreich zusteigen zu lassen, vor oder zu Beginn der Reise oder erst im Verlauf der Reise gefasst worden ist (vgl. BFH , VII R 60/03) oder ob dies im Beförderungsvertrag vorgesehen war. Durch das Zusteigen der beiden Passagiere in Österreich, um in Göteborg und somit im Zollgebiet der Gemeinschaft wieder auszusteigen, lag ein unzulässiger Binnenverkehr im Sinne der einschlägigen Vorschriften vor. Für die Beurteilung dieser Frage war nicht entscheidend, warum die beiden Passagiere in Österreich und nicht in Ljubljana zugestiegen sind. Ebenso wenig von Bedeutung war die Frage, ob es nachträglich zu einer Änderung der zivilrechtlichen Vereinbarung gekommen ist oder ob das Zusteigen der Passagiere gegen den Willen, ohne Wissen oder ohne Auftrag der Bf. erfolgt ist.

Betreffend das Vorbringen der Bf., es sei auf den Beförderungsvertrag abzustellen, weil ansonsten im Fall einer Panne durch das Aus- oder Einsteigen der Passagiere der Tatbestand der Binnenbeförderung erfüllt sei, ist festzuhalten, dass im verfahrensgegenständlichen Fall die Beförderung der beiden Passagiere in Österreich begonnen hat. Dies ist nicht vergleichbar mit einem Fall, in dem Passagiere, deren Beförderung außerhalb Österreichs begonnen hat, während einer Panne den Reisebus vorübergehend verlassen.

Ergänzend ist festzuhalten, dass nicht nur das Gebiet der Republik Österreich, sondern auch das Gebiet der Republik Slowenien und das des Königreichs Schweden zum Zollgebiet der Gemeinschaft gehören (Art. 3 Abs. 1 ZK). Das Gebiet der Republik Österreich stellt kein eigenes Zollgebiet dar.

Gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a) ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn in anderen als den in Art. 203 ZK genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehenden Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden sind, ergeben. Infolge der Nichterfüllung der Pflichten, die sich für das Beförderungsmittel aus dessen vorübergehenden Verwendung nach Art. 558 ZK-DVO ergeben haben, entstand durch das Zusteigen der beiden Passagiere in Österreich am die Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a) ZK (). Gemäß § 2 Abs. 1 ZollR-DG gelten die Zollschuldentstehungstatbestände auch für die Einfuhrumsatzsteuer.

Die Pflichtverletzung hat sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Verfahrens der vorübergehenden Verwendung auch wirklich ausgewirkt. Eine Heilung gemäß Art. 859 Nummer 4 ZK-DVO scheitert daran, dass die Zollbehörden auch bei entsprechendem Antrag aufgrund der vorliegenden Konzessionsurkunde einen Binnenverkehr, bei dem in Österreich eingestiegen wird, nicht bewilligen hätten können (vgl. BFH , VII R 60/03).

Gemäß Art. 204 Abs. 3 ZK ist Zollschuldner die Person, welche die Pflichten zu erfüllen hat, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehenden Verwendung oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben, oder welche die Voraussetzungen für die Überführung der Ware in dieses Zollverfahren zu erfüllen hat. Die Bf. als Inhaberin des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung und somit als Trägerin der Rechte und Pflichten aus dem gegenständlichen Zollverfahren ist somit Zollschuldner. Auf ein schuldhaftes Verhalten kommt es dabei nicht an. Auch ein etwaiges eigenmächtiges Handeln des Busfahrers ändert nichts an der Zollschuldnereigenschaft der Bf. (Henke in Witte, Zollkodex5 Art. 141 Rz. 13). Der Busfahrer war nicht Inhaber des Zollverfahrens.

Gemäß Art. 215 Abs. 1 ZK entsteht die Zollschuld an dem Ort, an dem der Tatbestand, der die Zollschuld entstehen lässt, eingetreten ist. Der Zollschuldentstehungstatbestand des Art. 204 ZK wird bereits dann durch unzulässige Kabotage verwirklicht, wenn mit der Beförderung der Passagiere begonnen wird. Ein Aussteigen der in Österreich zugestiegenen Passagiere ist für die Tatbestandserfüllung daher nicht erforderlich. Durch das Zusteigen der beiden Passagiere in einem Mitgliedstaat (Österreich), dessen Gebiet gemäß der Konzessionsurkunde ausschließlich transitiert werden durfte und somit keine Bewilligung für das Zusteigen von Passagieren vorlag, wurde der Tatbestand erfüllt und ist die Zollschuld am Ort des Zusteigens (Feistritz an der Drau) entstanden. Gemäß Art. 215 Abs. 3 ZK sind die Zollbehörden des Mitgliedstaats für die Erhebung der Einfuhrabgaben zuständig, indem die Zollschuld entstanden ist.

Da für die Entstehung der Zollschuld das Zusteigen der Passagiere maßgebend war, bedurfte es keiner weiteren Erwägungen, warum die beiden Passagiere in Österreich zugestiegen sind, ob dies in Absprache, mit Wissen oder Willen der Bf. erfolgte oder ob bzw. wie der Bus in Österreich angehalten worden ist. Mangels Erheblichkeit war daher gemäß § 183 Abs. 3 BAO von der Aufnahme der diesbezüglich beantragten Beweise abzusehen.

Es besteht kein Rechtsanspruch darauf, dass Einvernahmen von Zeugen oder Auskunftspersonen in Anwesenheit der Bf. und somit in der mündlichen Verhandlung stattfinden müssen. Es besteht auch keine Verpflichtung vor der Verhandlung vorgenommene Einvernahmen zu wiederholen (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 285 Rz 21).

Gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG ist, wenn eine Zollschuld nach Art. 204 ZK entsteht, eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung an Säumniszinsen angefallen wäre. Für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld am und der buchmäßigen Erfassung der Zollschuld am war daher eine Abgabenerhöhung vorzuschreiben.

Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 137 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 555 Abs. 1 Buchstabe c ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1
Art. 558 Abs. 1 ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1
Schlagworte
gewerbliche Personenbeförderung
Kabotage
Binnenverkehr
vorübergehende Verwendung
Verweise
BFH , VII R 60/03
Zitiert/besprochen in
UFS Newsletter 2011/01

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at