Bewertung eines landwirtschaftlich genutzten Grundstückes (Baulücke) als unbebautes Grundstück
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/0108-G/09-RS1 | wie RV/1740-W/05-RS1 Die Anwendung des § 52 Abs. 2 BewG setzt die landwirtschaftliche Nutzung des betreffenden Grundstückes voraus. Entscheidend ist nicht die Absicht des jeweiligen Eigentümers, von der Möglichkeit der Verwendung für Bauzwecke keinen Gebrauch zu machen und die Grundfläche weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen, sondern die zum Stichtag objektiv vorliegenden Verhältnisse. Die Widmung des Grundstückes nach dem Flächenwidmungsplan als Bauland, die örtliche Lage und Aufschließung sowie die Nachfrage nach Baugrundstücken in der Umgebung haben zur Folge, dass das Grundstück dem Grundvermögen zuzurechnen ist. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einheitswert des Grundbesitzes (unbebautes Grundstück) zum (Nachfeststellung § 22 Abs. 1 BewG) entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Für den Grundbesitz (unbebautes Grundstück) XYZ kam es mit Einheitswertbescheid zum zu einer Nachfeststellung gem. § 22 Abs. 1 BewG, da eine wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) gegründet worden war.
Gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben. Die Berufungswerberin (in der Folge: Bw.) ersuchte weiterhin um Bewertung des Grundbesitzes als landwirtschaftlich genutzte Fläche. Das Grundstück werde nach wie vor landwirtschaftlich genutzt (Kartoffelanbau, Gemüse) und sei ein Teil ihres landwirtschaftlichen Betriebes. Aufgrund einer Nutzungsvereinbarung bewirtschafte sie auch die im Eigentum ihrer Kinder stehende landwirtschaftlich bewertete Liegenschaft EZ XY u.a. (XX-YY ZZ/CCC-C-CCC/C) und sei sie in der bäuerlichen Unfallversicherung pflichtversichert.
Mit Berufungsvorentscheidung wurde die Berufung abgewiesen und begründend ausgeführt, dass die Parzellen im verbauten Gebiet lägen. Laut Flächenwidmungsplan handle es sich um reines Wohngebiet (WR 0,2 - 0,4) und stellten die Grundstücke eine Baulücke dar. Bei den beiden Grundstücken handle es sich zudem noch um Flächen mit einer Grundstücksgröße, die der eines Baugrundstückes entsprächen (mit 1164 m² und 873 m²). Der Berufung könne nicht stattgegeben werden, da der § 52 Abs. 2 BewG genau in solchen Fällen besage, dass auch landwirtschaftlich genutzte Grundstücke zum Grundvermögen gehörten, da sie aufgrund ihrer Verwertungsmöglichkeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen könnten.
Daraufhin wurde von den Miteigentümern die Vorlage der Berufung zur Entscheidung an die zweite Instanz beantragt. Das Finanzamt habe begründet, dass die betreffenden Flächen "aufgrund ihrer Verwertungsmöglichkeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen können". Nach dem Gesetzeswortlaut des § 52 Abs. 2 BewG sei jedoch Voraussetzung für die Zurechnung zum Grundvermögen, dass eine Grundstücksfläche in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken "dienen wird" (nicht etwa geeignet sein wird). Darin liege ein großer Unterschied. Die gegenständliche Fläche werde in absehbarer Zeit nicht anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen. Solange die Miteigentümer dazu in der Lage seien, werde die Fläche landwirtschaftlich genutzt werden. Was die Nachfolger betreffe, so bekunde der Sohn, H.F., die ernsthafte Absicht, diese Nutzung fortzusetzen. Anzumerken sei auch, dass diese Fläche in biologischer Weise bearbeitet werde und für den Gesamtbetrieb sehr wichtig sei. Obgleich sich die Fläche zwischen schon bebauten Grundstücken befinde und deshalb nach der Lage (theoretisch!) geeignet wäre, anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu dienen, werde dies tatsächlich nicht der Fall sein. Dass sich die Fläche laut Flächenwidmungsplan im reinen Wohngebiet befinde, sei der Bw. nicht bekannt bzw. erfolge gegen deren Willen. Es ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass das Grundstück weiterhin landwirtschaftlich genutzt werde. Von den angesprochenen Vorteilen einer günstigen Verwertung durch Verkauf werde noch Jahre hinaus nicht beabsichtigt, Gebrauch zu machen. Es werde daher ersucht, der Berufung Folge zu geben, und die Bewertung als landwirtschaftliches Vermögen zu belassen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der berufungsgegenständliche Sachverhalt stellt sich folgendermaßen dar: Herr und Frau F. waren Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes in Adresse1. Nach der Übergabe der Landwirtschaft an die beiden Kinder H. und B. F. wurde mit Stichtag die Landwirtschaft den Kindern zugerechnet. Die beiden berufungsgegenständlichen Grundstücke behielten die Eltern für sich zurück. Da diese beiden Grundstücke nun nicht mehr Teil der wirtschaftlichen Einheit "Landwirtschaft" waren, erfolgte eine neue Einheitsbewertung hinsichtlich dieser Grundstücke, weil diese eine (neue) wirtschaftliche Einheit (bzw. Untereinheit) bildeten. Im Zuge dieser Nachfeststellung des Einheitswertes wurde festgestellt und ergibt sich aus der Aktenlage, dass sich die beiden Grundstücke im verbauten Gebiet laut Flächenwidmungsplan 2002 der Landeshauptstadt Graz befinden und zwar im reinen Wohngebiet (mögliche Bebauungsdichte 0,2 - 0,4) mit Anbindung an eine Zufahrt und der Möglichkeit der Versorgung mit Wasser und Strom. Die Grundstücke weisen eine für Baugrundstücke geeignete Fläche von 1164 m² und 873 m² auf. In unmittelbarer Umgebung der Grundstücke befinden sich bereits zahlreiche Wohnhäuser und ist insbesondere beim Grundstück 174, das im Westen, Norden und Osten von bebauten Grundstücken begrenzt wird, vom Vorliegen einer Baulücke auszugehen.
Die entsprechenden Bestimmungen des Bewertungsgesetzes (BewG 1955) lauten: § 2 Abs. 1: Jede wirtschaftliche Einheit ist für sich zu bewerten. ....§ 2 Abs. 2: Mehrere Wirtschaftsgüter kommen als wirtschaftliche Einheit nur insoweit in Betracht, als sie demselben Eigentümer gehören.§ 22 Abs. 1: Für wirtschaftliche Einheiten (Untereinheiten), für die ein Einheitswert festzustellen ist, wird der Einheitswert nachträglich festgestellt (Nachfeststellung), wenn nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt die wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) neu gegründet wird.§ 22 Abs. 2: Der Nachfeststellung werden die Verhältnisse zugrundegelegt, die auf den Beginn des Kalenderjahres ermittelt worden sind, das dem maßgebenden Ereignis folgt (Nachfeststellungszeitpunkt).
§ 51 Abs. 1: Zum Grundvermögen gehört der Grund und Boden einschließlich der Bestandteile (insbesondere Gebäude) und des Zubehörs. § 52 Abs. 1: Zum Grundvermögen gehört nicht Grundbesitz, der zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört.§ 52 Abs. 2: Land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen sind dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden, z.B. wenn sie hienach als Bauland, Industrieland oder als Land für Verkehrszwecke anzusehen sind.
§ 193 Abs. 1 BAO (Bundesabgabenordnung) lautet: Wenn die Voraussetzungen für eine Wert-, Art- oder Zurechnungsfortschreibung nach bewertungsrechtlichen Vorschriften vorliegen, so ist in den Fällen einer beantragten Fortschreibung auf den sich aus der Anwendung des Abs. 2 ergebenden Zeitpunkt, in den Fällen einer amtswegigen Fortschreibung auf den 1. Jänner des Jahres, an dem die Voraussetzungen für eine Fortschreibung erstmals vorliegen, ein Fortschreibungsbescheid zu erlassen. Dadurch tritt der dem Fortschreibungsbescheid zu Grunde liegende Bescheid über den Einheitswert einer wirtschaftlichen Einheit (Untereinheit) mit Wirkung ab dem Fortschreibungszeitpunkt insoweit außer Kraft, als der Fortschreibungsbescheid von dem zu Grunde liegenden Bescheid in seiner zuletzt maßgeblichen Fassung abweicht.§ 193 Abs. 2 BAO: Ein Fortschreibungsbescheid wird auf Antrag, erforderlichenfalls auch von Amts wegen erlassen. Der Antrag kann nur bis zum Ablauf eines Kalenderjahres, auf dessen Beginn die neue Feststellung beantragt wird, oder bis zum Ablauf eines Monates, seitdem der bisherige Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist, gestellt werden.
Zur Auslegung des § 52 Abs. 2 BewG sind die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) heranzuziehen. Dieser hat die Vorschrift in ständiger Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Grundstück dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen oder dem Grundvermögen zuzurechnen ist, in erster Linie auf die objektiven Merkmale anzukommen hat, denen gegenüber subjektive, nur in der Person des jeweiligen Grundstückseigentümers gelegene Momente zurückzutreten haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich, wie im Streitfall um eine Baulücke in sonst schon besiedelten Wohngebieten bzw. Ortsgebieten handelt (vgl. Erkenntnisse des ; , 84/15/0010; , 81/17/0040; , 91/15/0089 uvam). So hat der VwGH zuletzt in seinem Erkenntnis vom , 2003/15/0124 ausgeführt: "Die Widmung eines Grundstückes als Bauland rechtfertigt für sich allein noch nicht, ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück ohne weiteres dem Grundvermögen zuzurechnen. Ist jedoch auf Grund hinzutretender objektiver Umstände - insbesondere betreffend die örtliche Lage und Aufschließung des Grundstückes, die bauliche Entwicklung in der Umgebung sowie die zum Bewertungsstichtag gegebene und für die Zukunft zu erwartende Marktlage - aus dem Gesamtbild der Verhältnisse anzunehmen, dass das landwirtschaftlich genutzte Grundstück in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen wird, so rechtfertigt dies, ohne dass es dabei auf die Absicht des Grundeigentümers ankommt, die Zuordnung des Grundstückes zum Grundvermögen. Ein aus objektiven Umständen sich ergebender Wahrscheinlichkeitsschluss für eine Verbauung in absehbarer Zeit ist insbesondere bei einer Flächenwidmung als Bauland, bei einer Aufschließung durch Strom, Wasser und Kanal führende öffentliche Straßen und auf Grund der baulichen Entwicklung angrenzender Grundstück gerechtfertigt. Stellen die zu bewertenden Grundstücke Baulücken in einem sonst besiedelten Gebiet dar, so handelt es sich überhaupt um den typischen Anwendungsfall des § 52 Abs. 2 BewG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2000/14/0189, mwN)."
Unter Berücksichtigung dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung konnte der Berufung kein Erfolg beschieden sein: Es kommt demnach nicht auf die subjektive Absicht eines Grundeigentümers an, ein Grundstück auch in Zukunft landwirtschaftlich nutzen zu wollen bzw. auf die derzeitige landwirtschaftliche Nutzung wie im berufungsgegenständlichen Fall. Die Anwendung des § 52 Abs. 2 BewG hat zur tatbestandsmäßigen Voraussetzung, dass zum Bewertungsstichtag tatsächlich eine land- (und forst-) wirtschaftliche Nutzung vorliegt. Andernfalls hätte eine Zurechnung zum Grundvermögen bereits nach der Bestimmung des § 30 Abs. 1 BewG (landwirtschaftliches Vermögen) zu erfolgen (). Dass die Bw. das Grundstück für den Gemüseanbau verwendet bzw. auch in Zukunft bebauen will, und die Landwirtschaft der Kinder weiter bewirtschaftet, ist demnach für die Bewertung nicht ausschlaggebend. Es ist nicht entscheidend, wie der Eigentümer das Grundstück nutzt, sondern wie er es nutzen könnte. Durch die Bewertung soll nämlich die potentielle wirtschaftliche Kraft des Eigentümers erfasst werden, und eine Werterhöhung nicht deshalb außer Betracht bleiben, weil keine Absicht besteht, diese auszunutzen (vgl. ; , 1844/76 u.a.). Diese Auffassung entspricht dem allgemeinen Grundsatz des steuerlichen Bewertungsrechts, objektiv den potentiellen Wert einer Liegenschaft zu erfassen. Es ist eine Tatsache, dass die Eigentümer der berufungsgegenständlichen Liegenschaften diese ihrem Wert entsprechend, z.B. durch Verkauf, nutzen könnten.
Nach der Rechtsprechung des VwGH (, 85/15/0348 mwN) legt die Bestimmung des § 52 Abs. 2 BewG den Abgabenbehörden die Verpflichtung auf, eine Tendenz ("in absehbarer Zeit") und eine Annahme ("wenn anzunehmen ist") zu erforschen. Hierbei ist nicht die Absicht des jeweiligen Eigentümers, von der Möglichkeit der Verwendung für Bauzwecke KEINEN Gebrauch zu machen und die Grundflächen weiter landwirtschaftlich zu nutzen, entscheidend; maßgebend sind vielmehr die zum Stichtag objektiv vorliegenden sonstigen Verhältnisse, insbesondere daher die gegebene und in Zukunft zu erwartende Marktlage.
Folgende objektive Umstände sprechen dafür, dass die Grundflächen in absehbarer Zeit anderen als landwirtschaftlichen Zwecken dienen werden:
● die Grundstücke liegen laut Flächenwidmungsplan 2002 im reinen Wohngebiet; ● es besteht eine Zufahrt und die Möglichkeit des Anschlusses an das öffentliche Versorgungsnetz (Wasser, Strom); ● in unmittelbarer Umgebung liegen bebaute Grundstücke, es handelt sich um rundum verbautes (Stadt)Gebiet; ● die Größen entsprechen üblichen Bauplatzgrößen ● die wirtschaftliche Einheit bildet eine Baulücke in einem sonst besiedelten Gebiet ● der Bedarf nach Baugrundstücken kann auch aus der baulichen Entwicklung in dem die Grundfläche umfassenden Ortsgebiet geschlossen werden (ein großes Autowerk mit vielen Mitarbeitern liegt in der Nähe; es handelt sich um Siedlungsgebiet).
Aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage und ständigen Rechtsprechung war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 193 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 22 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 51 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 52 Abs. 2 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 |
Schlagworte | Bewertung Grundstücksbewertung Baulücke Nachfeststellung landwirtschaftliche Nutzung Bauland |
Verweise | VwGH, 2003/15/0124 VwGH, 2000/14/0189 VwGH, 85/15/0348 VwGH, 91/15/0089 VwGH, 84/15/0010 VwGH, 81/17/0040 VwGH, 1844/76 VwGH, 1577/70 UFS, RV/0499-K/02 UFS, RV/1740-W/05 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at