Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 10.02.2010, RV/0166-I/09

Familienheimfahrten bei einem ledigen Steuerpflichtigen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0166-I/09-RS1
Wird von einem ledigen Steuerpflichtigen nach Wohnsitznahme in der Nähe des Arbeitsortes ein neuer Wohnsitz am ursprünglichen Wohnort begründet, liegen die Voraussetzungen für eine Abzugsfähigkeit der Kosten einer doppelten Haushaltsführung nicht (mehr) vor.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Berufungswerbers, Wohnort, Straße, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes FA, vertreten durch Name, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2003 entschieden:

Der Berufung wird im Umfang der Berufungsvorentscheidung teilweise Folge gegeben, im Übrigen als unbegründet abgewiesen.

Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Einkommensteuer wird auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung vom verwiesen, welche insoweit einen Bestandteil dieses Bescheidspruches bilden.

Entscheidungsgründe

Am langte die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2003 elektronisch beim Finanzamt ein. Die Veranlagung wurde am darauf folgenden Tag erklärungsgemäß durchgeführt.

Innerhalb der gesetzlichen Frist erhob der Steuerpflichtige, wiederum auf elektronischem Wege, Berufung gegen diesen Bescheid. Er begehrte darin erstmalig die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales und von Kosten einer doppelten Haushaltsführung.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde den Berufungsbegehren insoweit entsprochen, als die Differenz zwischen dem bereits im Rahmen der Lohnverrechnung berücksichtigten und dem nach Erhebungen des Finanzamtes tatsächlich zustehenden Pendlerpauschalbetrag als Werbungskosten berücksichtigt wurde. Die Kosten einer doppelten Haushaltsführung wurden mit ausführlicher Begründung nicht als Werbungskosten abgezogen.

Daraufhin beantragte der Einschreiter die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Auf Grund der Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall von folgendem entscheidungswesentlichen und objektiv feststellbaren Sachverhalt auszugehen:

Der unverheiratete und auch nicht in einer Partnerschaft lebende Berufungswerber begann mit ein Dienstverhältnis in [Arbeitsort]. Dieses war vorerst bis befristet, wurde jedoch nach Ablauf dieser Frist in ein unbefristetes Dienstverhältnis umgewandelt.

Vor Aufnahme des in Rede stehenden Dienstverhältnisses lebte der Berufungswerber - wie sich aus dem vorgelegten Mietvertrag ergibt - als Hauptwohnsitz in einer Garconniere in [Wohnort1], [Straße1]. Die Abmeldung von diesem Wohnsitz erfolgte erst am 26. Feber 2003.

Mit Mietvertrag vom mietete der Berufungswerber eine Wohnung in [Wohnort2], [Straße2], welche in zumutbarer Entfernung zum Arbeitsort gelegen ist. Das Mietverhältnis begann laut Mietvertrag am . Eine Anmeldung an dieser Adresse erfolgte nach den Eintragungen im Zentralen Melderegister nicht. In der Zeit ab Beginn des Dienstverhältnisses in [Arbeitsort] bis zum Bezug dieser Wohnung lebte der Berufungswerber - wie er im Vorlageantrag ausführt - bei seiner Schwester in [Wohnort3].

Mit Mietvertrag vom wurde ein Zimmer in [Wohnort1], [Straße3], angemietet. Obwohl das Mietverhältnis am Tag der Unterzeichnung des Mietvertrages begonnen hat, erfolgte die Anmeldung (wiederum mit Hauptwohnsitz) an dieser Adresse erst am 26. Feber 2003 und somit am Tag der Abmeldung vom vorhergehenden [Wohnung] Wohnsitz. Sowohl in der Berufung als auch im Vorlageantrag bezeichnete der Berufungswerber dieses Zimmer als seinen "Hauptwohnsitz" im Zeitraum 1. Jänner bis . Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich auch, dass diese Wohnung bereits seit bewohnt wurde.

Das Dienstverhältnis in [Arbeitsort] wurde mit durch Arbeitnehmerkündigung beendet.

Strittig ist nunmehr, ob die dem Berufungswerber im Zusammenhang mit der Wohnung in [Wohnort2] im Jahr 2003 angefallenen Aufwendungen als Kosten einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig sind.

Nach § 16 Abs 1 EStG 1988 sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten. Demgegenüber normiert § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988, dass die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden dürfen.

Von einer doppelten Haushaltsführung wird dann auszugehen sein, wenn ein Steuerpflichtiger wegen der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit am Ort oder in der Nähe des Ortes dieser Tätigkeit einen Wohnsitz begründen muss, da ihm eine tägliche Rückkehr zum bisherigen (Familien)Wohnsitz aus Gründen der Entfernung nicht zumutbar ist. Alleine diese Tatsache reicht jedoch nicht aus, die in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten steuerlich berücksichtigen zu können. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, liegt der Grund, warum aus der Beibehaltung des (Familien)Wohnsitzes in unüblicher Entfernung vom Arbeitsort resultierende Aufwendungen (für den Wohnsitz am Arbeitsort) als Werbungskosten Berücksichtigung finden können darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen die Wohnsitzverlegung an den oder in die Nähe des Arbeitsortes nicht zugemutet werden kann (). Die Anerkennung von Werbungskosten kann jedenfalls ab dem Zeitpunkt nicht mehr erfolgen, zu dem eine Verlegung des (Familien)Wohnsitzes bereits erfolgt ist ().

Daraus ergibt sich, dass die Rechtsprechung die Abzugsfähigkeit von Kosten der doppelten Haushaltsführung nur dann und so lange bejaht, als die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes unzumutbar ist, wobei die Prüfung bezogen auf das jeweilige Veranlagungsjahr zu erfolgen hat (). Fest steht damit aber, dass die in Rede stehenden Kosten dann nicht abzugsfähig sind, wenn keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, die eine Verlegung des (Familien)Wohnsitzes unzumutbar erscheinen lassen, was in aller Regel nach einer bestimmten Zeitspanne der Fall ist () oder dann, wenn eine entsprechende Wohnsitzverlegung tatsächlich bereits erfolgt ist.

Welche Gründe für das Vorliegen einer Unzumutbarkeit der Aufgabe des ursprünglichen (Familien)Wohnsitzes sprechen, hat der Abgabepflichtige darzutun und ist es nicht Aufgabe der Abgabenbehörde, auch noch nach allenfalls bestehenden anderen möglichen Gründen für eine Unzumutbarkeit zu suchen ().

Der Berufungswerber führt im Vorlageantrag aus, dass bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit eigenem Hausstand für eine gewisse "Übergangszeit" Aufwendungen für Wohnung (am Arbeitsort) und Heimfahrten Berücksichtigung zu finden hätten und vermeint damit wohl, dass es für einen bestimmten Zeitraum lediglich auf die Innehabung zweier Wohnungen ankommt und weitere Sachverhaltselemente für die steuerliche Würdigung keine Rolle spielen. Diese Aussage in ihrer verallgemeinernden und unkonkreten, die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes nur verkürzt wiedergebenden Form trifft nicht zu. Vielmehr hat die Abgabenbehörde zu prüfen, ob und wann gegebenenfalls eine Wohnsitzverlegung stattgefunden hat bzw für welchen Zeitraum und aus welchen Gründen die Verlegung des ursprünglichen (Familien)Wohnsitzes unzumutbar ist. So kann in einem Fall überhaupt keine "Übergangszeit" vorliegen, weil ein Steuerpflichtiger gleichzeitig mit der Verlegung seines Arbeitsortes auch eine Verlegung des (Familien)Wohnsitzes vornimmt, oder nur eine sehr kurze "Übergangszeit" vorliegen, weil die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung eben nur für eine kurze Zeitspanne gegeben ist. Andererseits kann die Prüfung der Argumente des Steuerpflichtigen ergeben, dass die "Übergangszeit" auch (wesentlich) länger als den in der Verwaltungspraxis vorherrschenden Sechs-Monats-Zeitraum andauert.

Gegenständlich ist nach den eigenen Ausführungen des Berufungswerbers davon auszugehen, dass dieser ab Mitte des Jahres 2002 einem vorerst auf drei Monate befristeten, dann jedoch unbefristeten Dienstverhältnis nachgegangen ist. Obwohl ursprünglich eine Beschäftigung in Innsbruck in Aussicht stand, wurde letztlich [Arbeitsort] als Arbeitsort festgelegt.

Wie der Berufungswerber weiters ausführt, "sollte sich jedoch nach einiger Zeit herauskristallisieren", dass er sich wieder eine Arbeitsstelle in [Wohnort1] oder Umgebung suchen würde, da weder der Verdienst noch das Arbeitsklima seinen Vorstellungen entsprochen hätten. Wann im Berufungswerber konkret der Wunsch nach einem (neuerlichen) Arbeitsplatzwechsel entstanden ist, führt dieser nicht aus, ist aber auch nicht weiter entscheidend.

Unbestreitbar ist nämlich, dass der Berufungswerber seinen Wohnsitz in [Wohnort1] , welchen er im Zeitpunkt der Aufnahme des Dienstverhältnisses in [Arbeitsort] angemietet hatte, tatsächlich aufgegeben hat und mehr als drei Monate nach dem Bezug der Wohnung in [Wohnort2], zu einem Zeitpunkt, zu welchem sein Dienstverhältnis in [Arbeitsort] bereits unbefristet war, eine neue Wohnung (laut Mietvertrag "Zimmer") in [Wohnort1] anmietete. Wäre es nunmehr allenfalls denkbar, dass die vorübergehende Beibehaltung der ursprünglichen Wohnung in [Wohnort1] zu abzugsfähigen Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung berechtigen würde (etwa wegen der Einhaltung von Kündigungsfristen, Dauer der Wohnungssuche, für die Zeit des nur befristeten Arbeitsvertrages und Ähnlichem), kann im Umstand, dass nach Aufgabe der ursprünglichen Wohnung trotz Bestehen eines adäquaten Wohnsitzes in der Nähe des Beschäftigungsortes wiederum ein Wohnsitz in [Wohnort1] begründet wurde, kein Grund für eine Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung gesehen werden. Die Ausführungen des Berufungswerbers, dass er "bereits nach einiger Zeit" beabsichtigte, wiederum eine Arbeitsstelle in [Wohnort1] zu suchen, bieten jedenfalls keine Basis dafür, dass die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes unzumutbar gewesen wäre. Wie der Verwaltungsgerichtshof in sachverhaltsmäßig vergleichbaren Fällen in ständiger Rechtsprechung ausführt (vgl. die Erkenntnisse , und ), wäre eine Wohnsitzverlegung nur dann unzumutbar, wenn der Steuerpflichtige jederzeit konkret und ernsthaft mit der Abberufung und Versetzung an einen anderen Arbeitsort rechnen müsste oder er einer nur vorübergehenden, im Zusammenhang mit einem Berufsabschluss stehenden Tätigkeit nachgegangen wäre. Derartige Fälle liegen gegenständlich nicht vor und reichen - so der Gerichtshof weiter - die abstrakte Möglichkeit, vom derzeitigen Arbeitsort abberufen zu werden ebenso wie der bloße Wunsch oder das Bestreben nach einem Arbeitsplatz im Nahbereich des Wohnortes nicht aus, die Begründung für die Beibehaltung des Wohnsitzes an einem anderen Ort darzustellen. Im vorliegenden Fall bestand, wovon mangels entsprechender Argumentation des Berufungswerbers auszugehen ist, für diesen in keiner Weise Anlass, annehmen zu müssen, dass der Arbeitgeber den unbefristeten Dienstvertrag konkret und zeitnahe beenden würde. Dieser Schluss wird letztlich auch dadurch bestärkt, dass das Dienstverhältnis tatsächlich durch Arbeitnehmer kündigung endete. Der rein arbeitnehmerseitig gehegte Wunsch nach einem Arbeitsplatzwechsel kann, wie gegenständlich, umso weniger als Begründung ausreichen, wenn die ursprüngliche Wohnung am ursprünglichen Wohnort tatsächlich aufgegeben wurde und dort wiederum eine andere Wohnung neu angemietet wird. Dies insbesondere dann, wenn zum Zeitpunkt der Anmietung keinerlei konkreter Anhaltspunkt für eine zeitnahe Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit dort ersichtlich ist.

Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall auch offensichtlich, dass der Berufungswerber seinen Wohnsitz mit Anmietung der Wohnung in [Wohnort2] tatsächlich dorthin verlegt hat.

In zahlreichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird im Zusammenhang mit der steuerlichen Beurteilung auf die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes Bezug genommen. Familienwohnsitz ist jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl ). Liegt - wie im gegenständlichen Fall - überhaupt kein Familienwohnsitz im oben angeführten Sinn vor, kann die Prüfung wo sich in einem bestimmten Zeitraum der "Hauptwohnsitz" befindet, wohl nur auf andere Kriterien Bezug genommen werden.

Die in der Nähe des Tätigkeitsortes auf die Dauer von drei Jahren angemietete Garconniere hat dem Berufungswerber eine komfortablere Wohnsituation geboten als die ursprünglich bewohnte und die später neu angemietete Räumlichkeit in [Wohnort1] und damit seinen Wohnbedürfnissen - wie er selbst ausführt - durchaus entsprochen. Bei dieser Sachlage ist, wie sich dies auch aus dem Erkenntnis des , ergibt, die Annahme der Verlegung des Wohnsitzes durchaus zulässig (). Zudem bewohnte der Berufungswerber die weitaus überwiegende Zeit die in Rede stehende Wohnung, ging in deren Nähe seiner Berufstätigkeit nach und sind nach seinen Ausführungen auch keine Anhaltspunkte für beachtenswerte gesellschaftliche Beziehungen zum ursprünglichen Wohnort erkennbar. Auch nach der hilfsweise heranzuziehenden Rechtsprechung zum Meldegesetz ist der nach tatsächlichen Anknüpfungspunkten zu ermittelnde Mittelpunkt der Lebensbeziehungen einer Person (vgl. , , und ) entscheidend. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom ausgeführt hat, ist ferner die Meldung nach dem Meldegesetz in der Frage des Hauptwohnsitzes nicht von entscheidender Bedeutung (vgl. auch , mwN). Jedenfalls kann die Annahme, eine Person habe in einem bestimmten Ort ihren Hauptwohnsitz, weder auf den Umstand der Meldung in diesem Ort als Hauptwohnsitz allein gegründet noch durch den Hinweis auf die Meldung in einem anderen Ort allein widerlegt werden.

Im Falle eines alleinstehenden Steuerpflichtigen ist zudem von einer entsprechenden Flexibilität in der Wohnsitznahme auszugehen, welche - sofern keine dagegensprechenden Gründe im Sinne der Rechtsprechung vorliegen - auch kurzfristige Wohnsitzverlegungen zumutbar machen.

Auf Grund dieser Überlegungen ist der auch vom Finanzamt vertretenen Auffassung hinsichtlich der Wohnsitzverlegung durchaus beizupflichten.

Hinsichtlich des Pendlerpauschales wird auf die Ausführungen des Finanzamtes in der Berufungsentscheidung verwiesen.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Innsbruck, am

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