Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 16.12.2011, RV/0074-I/06

Vorsteuerabzug für Errichtungskosten eines gemischt genutzten Gebäudes

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Dr. Messing Wirtschaftstreuhand Steuerberatungsgesellschaft mbH, 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 5, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Umsatzsteuer 2003 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Hinsichtlich Bemessungsgrundlagen und der Höhe der Abgabe wird auf die Berufungsvorentscheidung verwiesen, die insoweit einen integrierenden Bestandteil dieser Entscheidung bildet.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber errichtete in den Jahren 2003 und 2004 ein Gebäude, das zu 19 % unternehmerischen Zwecken und zu 81 % privaten Wohnzwecken dient. Das Finanzamt erließ mit Ausfertigungsdatum u.a. einen Bescheid betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2003, in welchem die Bemessungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt wurden, weil der Abgabepflichtige die entsprechende Erklärung nicht eingereicht hat.

Gegen diesen Bescheid wurde seitens der steuerlichen Vertretung mit Schreiben vom Berufung erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass der Abgabepflichtige seine das Jahr 2003 betreffenden steuerrelevanten Unterlagen fristgerecht bei seinem früheren Steuerberater abgegeben habe, aus nicht nachvollziehbaren Gründen aber keine Bearbeitung erfolgt sei. In weiterer Folge sei der nunmehrige steuerliche Vertreter mit der Abschluss- und Steuererklärungserstellung betraut worden.

Da die Ergebnisse erst Mitte September vorliegen würden, wurde weiters ersucht, mit der Bearbeitung der Berufung bis zur Abgabe der Steuererklärungen zuzuwarten.

Am wurde in weiterer Folge u.a. die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2003 beim Finanzamt eingereicht und in einer Beilage zu dieser ausgeführt, dass der betrieblich genutzte Anteil an der Gesamtfläche des errichteten Gebäudes 19 % betrage und unter Anwendung der Rechtsprechung des EuGH (Rechtsache "Seeling") das gesamte Gebäude dem Unternehmensbereich gewidmet werde und daher die Vorsteuern für die gesamten Baukosten geltend gemacht würden.

Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung im Jahr 2005 (Bericht vom über das Ergebnis der Außenprüfung, ABNr 122066/05) wurde der angefochtene Bescheid betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2003 insoweit im Wege einer Berufungsvorentscheidung abgeändert, als ein Vorsteuerabzug nur im prozentuellen Ausmaß der unternehmerischen Nutzung des Gebäudes gewährt wurde und im übrigen die Besteuerungsgrundlagen laut Erklärung zugrunde gelegt wurden.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt und zwar auf erklärungsgemäße Veranlagung zur Umsatzsteuer.In der Begründung brachte der Berufungswerber mit Literatur untermauert und unter Berufung auf die 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie zusammengefasst vor, die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache "Seeling" wirke "erga omnes und ex tunc" und regte für den Fall, dass seitens des Unabhängigen Finanzsenates Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechtes bestehen sollten, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 234 EG-Vertrag an.

Über die Berufung wurde erwogen:

1) § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 lautete in der Stammfassung: "Lieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Anschaffung, Errichtung oder Erhaltung von Gebäuden gelten insoweit als für das Unternehmen ausgeführt, als die Entgelte hiefür nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind".

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 9/1998, wurde (mit Wirkung ab ) in § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 folgender Satz angefügt: "Der Unternehmer hat jedoch die Möglichkeit, den Teil der Lieferungen oder sonstigen Leistungen, der danach nicht für das Unternehmen ausgeführt gilt, dem Unternehmen zuzuordnen".

Nach § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 in der Fassung durch das Abgabenänderungsgesetz 1997 gilt die unechte Steuerbefreiung für die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken auch für den Eigenverbrauch. Nicht befreit ist die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke, ausgenommen der Eigenverbrauch (§ 6 Abs. 1 Z 16 erster Teilstrich leg.cit.). Die für steuerfreie Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 sonst mögliche Option in die Steuerpflicht ist für den Eigenverbrauch ausgeschlossen (§ 6 Abs. 2 UStG 1994 in der Fassung durch das AbgÄG 1997).

Durch das Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I Nr. 106/2000, wurde § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 mit Wirkung ab neu gefasst. Danach ergibt sich die (gänzliche) Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmen nun unmittelbar aus dem Gesetz. Dem Unternehmer steht es aber frei, Lieferungen, sonstige Leistungen und Einfuhren (nur) insoweit als für das Unternehmen ausgeführt zu behandeln, als sie unternehmerischen Zwecken dienen.

2) Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 gelten Lieferungen und sonstige Leistungen, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 EStG 1988 sind, als nicht für das Unternehmen ausgeführt. Diese Bestimmung ist seit Inkrafttreten des UStG 1994 unverändert geblieben. Dieselbe Regelung fand sich in § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1972.

Nach § 20 Abs. 1 EStG 1988 nicht abzugsfähig sind ua die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge (Z 1) sowie Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung (Z 2 lit. a).

3) Gemäß Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche Bemessungsgrundlage (6. MwSt-RL) legt der Rat auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraumes von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist ... (Unterabsatz 1). Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind (Unterabsatz 2).

4) In dem vom Berufungswerber zitierten Urteil vom , Rs. C-269/00, Seeling, hat der EuGH seine Rechtsprechung (Urteile vom , Rs. C-97/90, Lennartz, vom , Rs. C 291/92, Armbrecht, ua.) bestätigt, wonach ein Steuerpflichtiger die Wahl habe, ob der privat genutzte Teil eines Gegenstandes für die Anwendung der 6. MwSt-RL zu seinem Unternehmen gehören solle oder nicht. Entscheide sich der Steuerpflichtige dafür, gemischt genutzte Investitionsgüter insgesamt seinem Unternehmen zuzuordnen, so sei die beim Erwerb dieser Gegenstände geschuldete Vorsteuer grundsätzlich vollständig und sofort abziehbar.

Weiters hat der EuGH im Urteil Seeling ausgesprochen, dass die private Nutzung von Wohnraum in einem Gebäude, das der Steuerpflichtige insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet hat, nicht unter die Steuerbefreiung gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe b der 6. MwSt-RL (betreffend die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken) fällt. Das durch das Abgabenänderungsgesetz 1997 geschaffene Normengefüge, wonach der Steuerpflichtige ein gemischt genutztes Gebäude zwar zur Gänze dem Unternehmen zuordnen konnte, die (unechte) Steuerbefreiung der Verwendung von Gebäudeteilen für private Wohnzwecke aber zum Verlust des Vorsteuerabzuges führte, hat sich daher als richtlinienwidrig erwiesen. Nach dem , Sandra Puffer, ist die durch das Abgabenänderungsgesetz 1997 getroffene (nationale) Regelung nicht durch Art. 17 Abs. 6 der 6. MwSt-RL gedeckt (vgl. Rn 82 ff dieses Urteils, zur dritten Vorlagefrage des VwGH).

5) Im Vorlagebeschluss vom , 2006/15/0056, hatte der VwGH als vierte und letzte Frage formuliert: "Kann es die auf die Stand-still-Klausel des Art. 17 Abs. 6 der 6. RL gestützte Wirkung eines Vorsteuerausschlusses (hier § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994) beeinträchtigen, wenn der Gesetzgeber von zwei einander überlappenden Vorsteuerausschlüssen des nationalen Rechts (hier: § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 und § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994) einen ändert und im Ergebnis deshalb aufgibt, weil er sich in einem Rechtsirrtum befunden hat"?

6) Im Urteil vom , C-460/07, "Puffer" hat der EuGH das nationale Gericht (den VwGH) dazu angehalten, zu prüfen, ob sich die Änderung von § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 durch das AbgÄG 1997 auch auf die Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie bzw. auf § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 auswirkt und ob diese nationalen Bestimmungen in einer Wechselbeziehung stehen oder autonom sind (Rz 95). Ist § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 eine autonom anwendbare Bestimmung, findet die Ausnahme in Art. 17 Abs. 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie auf diese Bestimmung Anwendung (Rz 96).

Mit Erkenntnis vom , 2009/15/0100, (zur Rs. "Puffer") hat der VwGH nunmehr ausgesprochen, dass

- § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 unabhängig von § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 anwendbar ist und

- dass sich in dem Fall, dass ein Teil des Gebäudes als private Wohnung des Unternehmers Verwendung findet, der anteilige Vorsteuerausschluss aus § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 ergibt.

Damit hat der VwGH die Tragweite des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 und dessen Verhältnis zur Z 1 leg.cit. festgelegt. Aus diesem Erkenntnis ergibt sich unmissverständlich, dass bei gemischt genutzten Gebäuden für den privaten Anteil kein Vorsteuerabzug zusteht (siehe dazu insbesondere Sarnthein, ÖStZ 2009/695; RdW 2009/467; Beiser SWK Heft 20/21 2009, S 627; Prodinger SWK 20/21/2009, S 631; stellvertretend für viele Entscheidungen: -F/05; -I/05; -I/04). Der VwGH hat diese Rechtsansicht mit Erkenntnis vom , 2009/15/0104, bestätigt, sodass inzwischen von einer gefestigten Rechtsprechung auszugehen ist.

7) Somit sind auch im Berufungsfall die auf die privat genutzten Gebäudeteile entfallenden Vorsteuern - das Aufteilungsverhältnis ist unbestritten - gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 iVm § 20 Abs1 Z1 u. 2 EStG 1988 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

8) Zur Anregung eines Vorabentscheidungsverfahrens wird angemerkt:

Im Hinblick auf das oben angeführte und das Erkenntnis des bestehen seitens des Unabhängigen Finanzsenates keine Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechtes. Die im Berufungsfall anzuwendende Rechtslage ist geklärt. Es besteht daher kein Anlass für ein (neuerliches) Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 234 EG.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
gemischt genutztes Gebäude
Vorsteuerabzug
Seeling
Puffer
Verweise



Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at