Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 10.01.2011, RV/3812-W/08

Pflegeheimkosten als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der zwischenzeitig verstorbenen Bw., vertreten durch Dkfm. Karl Emil Ettrich, Steuerberater, 1050 Wien, Rechte Wienzeile 85/12 A, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, vertreten durch AR Karl Amring, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2006 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe sowie dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Zunächst wurden die das Veranlagungsjahr 2006 betreffenden Abgabenbemessungsgrundlagen der im Jänner 2009 verstorbenen Bw. wegen Nichtabgabe der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung im Schätzungsweg ermittelt und dem mit datierten Einkommensteuerbescheid zugrunde gelegt.

In weiterer Folge langte beim Finanzamt innerhalb offener Rechtsmittelfrist, sprich am die Abgabenerklärung ein, aus welcher die Verausgabung von Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung sowie zur Kirchensteuer hervorging.

in einem der Abgabenbehörde erster Instanz am übermittelten Ergänzungsschriftsatz führte der steuerliche Vertreter der Bw. aus, dass es verabsäumt worden sei, einen Betrag von 16.025,81 € als außergewöhnliche Belastungen geltend zu machen.

Nämlicher Betrag rekrutiere sich hauptsächlich aus einem - neben dem normalen Mietaufwand - anfallenden Pflegeaufwand im Pensionistenheim R-Straße (15.469,01 €), aus einem Tele- Notrufdienst (304,80 €), Apothekenausgaben in Höhe von 200 € sowie Kostenbeiträgen an die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter von 52 €.

Der Vollständigkeit halber verbleibt anzumerken, dass vorgenannter Betrag zur Gänze unter der Rubrik Krankheitskosten einer berichtigten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2006 zugrunde gelegt worden ist.

Am erließ das Finanzamt eine Berufungsvorentscheidung im Zuge derer die in der Erklärung vom 11 .Jänner 2008 verzeichneten Sonderausgaben zur Gänze Berücksichtigung fanden.

Am langte bei der Abgabenbehörde erster Instanz ein wörtlich als "Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 vom " titulierter Schriftsatz ein, wobei seitens des steuerlichen Vertreters der Bw. moniert wurde, dass die Veranlagung der Einkommensteuer 2006 lediglich auf der Abgabenerklärung vom basiert habe.

Demzufolge ergehe der Antrag auf Berücksichtigung der in der berichtigten Erklärung vom aus dem Titel der außergewöhnlichen Belastung verzeichneten Beträge.

Dem Schriftsatz wurden 6 Zahlscheine, betreffend den auf 15.469,01 € lautenden Pflegeaufwand sowie die übrig geltend gemachten Positionen beigelegt.

Der Vollständigkeit halber verbleibt anzumerken, dass auf den Zahlscheinen betreffend die Pflegeaufwendungen, der Sohn und nunmehrige Erbe der Bw., Herr Dipl. Ing. MN als Einzahler ausgewiesen ist.

Mit Vorhalt vom wurde die Bw. aufgefordert der Abgabenbehörde erster Instanz die Höhe der monatlichen Aufenthaltskosten im Pensionistenheim bekannt zu geben.

Im Antwortschreiben des Kuratoriums Wiener Pensionisten- Wohnhäuser, Haus R wurde bekannt gegeben, dass sich die Pensionskosten im Jahr 2006 auf den Betrag von 14.724 € belaufen hätten, wobei die Bw. keine Zuschüsse aus öffentlichen Mittel erhalten habe.

Mit Schriftsatz vom stellte das Finanzamt der Bw. ein "Anbot" auf Erlassung einer zweiten Berufungsvorentscheidung.

Hierbei vertrat die Abgabenbehörde erster Instanz die Ansicht, dass in Anbetracht des Umstandes, dass die Bw. im Zeitraum Juli bis Dezember 2006 Bundespflegegeld bezogen habe, die für nämlichen Zeitraum angefallenen Kosten für das Pensionistenheim von 7.362 € abzüglich einer Haushaltsersparnis von 941,76 € sowie des Pflegegeldes von 3.796,20 € eine Summe von 2.624,04 € als außergewöhnliche Belastung ohne Berücksichtigung des Selbstbehalts zum Tragen komme.

Darüber hinaus seien die Kosten für Medikamente in Höhe von 168,95 €, die Zahlungen an die BVA in Höhe von 52 € sowie die Aufwendungen für das Notruftelefon (für den Zeitraum Juli bis Dezember 2006) von 152,40 € zusätzlich als außergewöhnliche Belastungen in Ansatz zu bringen.

Summa summarum belaufe sich die zu berücksichtigenden außergewöhnlichen Belastungen somit auf den Betrag von 2.997,39 €.

In dem mit datierten Antwortschreiben gab der steuerliche Vertreter der Bw. bekannt, dass neben den durch Belege nachgewiesenen Aufenthaltskosten von 14.274 €, ein zusätzlicher via Vorlage von 5 Zahlscheinen ebenfalls belegter Pflegeaufwand von 14.121.,50 € angefallen sei.

Nach dem Dafürhalten des steuerlichen Vertreters seien, eingedenk des Umstandes, dass die Bw. ob ihres Lebensalters jedenfalls außer Stande gewesen sei einen eigenen Haushalt zu führen, vorstehende Beträge zuzüglich der bereits bekannt gegebenen Aufwendungen für Medikamente, Zahlungen an die BVA sowie Aufwendungen für das Notruftelefon für das gesamte Jahr 2006, abzüglich des ab Juli 2006 bezogenen Pflegegeldes als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt anzuerkennen.

Einer mit datierten Bestätigung des Kuratoriums Wiener Pensionisten - Wohnhäuser Haus R konnte entnommen werden, dass die Bw. im Jahr 2006 Kosten für das Appartement in Höhe von 14.724 € sowie solche für Betreuungs- und Hilfeleistungen von 1.367,22 € bezahlt habe.

Im Zuge ergänzender Ermittlungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde das Kuratorium Wiener- Pensionisten Wohnhäuser, Haus R nochmals ersucht bekannt zu geben, welche Kosten im Jahr 2006 für die Bw. generell angefallen seien, respektive aus welchem Einkommen (Einkommen der Bw., Einkommen des Sohnes Herrn Dipl. Ing. MN, Pflegegeld) diese tatsächlich getragen worden seien.

In dem, dem unabhängigen Finanzsenat per Mail, respektive dem steuerlichen Vertreter per Telefax übermittelten Antwortschreiben wurde ausgeführt, dass der Bw. im Jahr 2006 ein, aus zwei Pensionen resultierendes Monatseinkommen von 1.635,95 € zur Verfügung gestanden sei.

Die Pflegekosten seien vom Sohn der Bw., Herrn Dipl. Ing. MN zur Gänze übernommen worden.

Im Zeitraum Jänner bis Juni 2006 habe die Bw. kein Pflegegeld bezogen bzw. sei einem Antrag, nach Bestreitung des Rechtsweges dahingehend entsprochen worden, dass der Bw. rückwirkend mit Juli 2006 Pflegegeld der Stufe 4 (632,70 €) zuerkannt worden sei.

Die im Bestätigungsschreiben für das Finanzamt verzeichneten Kosten von 14,274 € (Kosten für das Appartement) sowie von 1.367,22 € (Pflegeleistungen) seien zur Gänze aus dem Einkommen der Bw. bestritten worden.

Demgegenüber seien für die Bw. monatliche Pflegeleistungen von über 1.000 € angefallen, wobei der Sohn der Bw. - bis zu einer im Jänner 2007 mit dem Kuratorium getroffenen Vereinbarung auf monatliche Zuzahlung von monatlich 400 € - zur Gänze für die offenen Forderungen aufgekommen sei.

Die Verpflichtungsleistungen des Herrn Dipl. Ing. MN für das Jahr 2006 hätten zusätzlich einer erst im Jahr 2007 erfolgten Nachzahlung auf den Betrag von 14.976,65 € gelautet, wobei tatsächliche Zuzahlungen im Jahr 2006 in der Höhe von 12.620,81 € geleistet worden seien.

Einer exemplarischen tabellarischen Aufstellung der Pflegeleistungen für den Zeitraum Jänner bis Mai 2006 ist zu entnehmen, dass Aufwendungen in der Bandbreite von 1.1173,60 € bis 1.555,95 angefallen seien, wobei aus dem Einkommen der Bw. stammende Beitragsleistungen von monatlich 105,54 € erfolgt seien.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt

Nach dem Verwaltungsgeschehen steht unstrittig fest, dass der im gesamten Streitzeitraum in einem Pensionistenheim wohnhaften und keinen eigenen Haushalt innehabende Bw. ab dem Pflegegeld der Stufe 4 zuerkannt worden ist, respektive im Lohnzettel nämlichen Jahres ein Geldbezug von 3.796,20 € verzeichnet ist.

Des weiteren steht außer Streit, dass laut der Bestätigung vom und den Ausführungen im Antwortschreiben des Pensionistenheims die Kosten für das Appartement von 14.274 € bzw. die Aufwendungen für Betreuungs- und Hilfsleistungen von 1.376,22 € aus dem Einkommen der Bw. bestritten worden sind, während für die im Rechtsmittel geltend gemachten Kosten des zusätzlichen Pflegeaufwands in der vom Pensionistenheim bestätigten Höhe von 12.620,81 € der Sohn und nunmehrige Erbe der Bw. Herr Dipl. Ing. MN "aufgekommen" ist.

2. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 müssen außergewöhnliche Belastungen folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Nach § 34 Abs. 2 leg. cit. ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Die Bestimmung des § 34 Abs. 3 EStG 1988 normiert, dass die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächst, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 34 Abs. 6 Teilstrich 5 leg. cit. können Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

3. Rechtliche Würdigung

3.1. Steuerliche Behandlung der Kosten für das Appartement von 14.274 € sowie der aus dem Einkommen der Bw. getragenen Kosten für Pflegeleistungen von 1.367,22 €

Ausgehend von dem unter Punkt 1 festgestellten Sachverhalt ergibt sich unter Berücksichtigung obzitierter Rechtsgrundlagen für obige Aufwendungen nachstehende, rechtliche Beurteilung:

Die Kosten der Unterbringung in einem Altersheim sind keine außergewöhnlichen Belastungen, wenn die Unterbringung lediglich aus Altersgründen erfolgt.

Außergewöhnliche Belastungen können aber gegeben sein, wenn Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit Aufwendungen verursachen ().

Ist aus einem dieser Gründe die Unterbringung in einem Alters- oder Pflegeheim geboten, so sind auch die Kosten der Unterbringung absetzbar.

Nach der Verwaltungspraxis kann von einer besonderen Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit bei einem Aufenthalt in einem Altersheim kann bei Anspruch auf das Pflegegeld ab der Pflegestufe 1 ausgegangen werden.

Trägt die untergebrachte Person die Kosten, ist eine Haushaltsersparnis für ersparte Verpflegungskosten (in Höhe von 8/10 des Wertes der vollen freien Station gemäß der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl. II. Nr. 416/2001 von 156,96 Euro) anzusetzen.

Die Aufwendungen sind jedenfalls weiters um öffentliche Zuschüsse zu kürzen, soweit diese die mit der Pflege- und Hilfsbedürftigkeit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen abdecken (, betr. Hilflosenzuschuss; , betr. Blindenzulage).

In Anbetracht obiger Ausführungen und der Tatsache, dass bei der Bw. nach Aktenlage amtliche Feststellungen in Richtung des Vorliegens eines wie auch immer gearteten Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit unterbleiben ist, respektive die Durchführung einer derartigen Maßnahme auch nicht ins Treffen geführt worden ist, gelangt der unabhängige Finanzsenat zur Überzeugung, dass in der vom Finanzamt ins "Auge gefassten" Anerkennung der Kosten für das Appartement als außergewöhnliche Belastung ab dem Zeitpunkt des Bezuges von Pflegegeld unter Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis sowie der Pflegegeldleistungen laut Lohnzettel keine Rechtswidrigkeit zu erblicken ist.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen, wonach die Bw. schon ob ihres Alters außer Stande gewesen sei einen eigenen Haushalt zu führen, per se den Nachweis, wonach die Unterbringung im Pensionistenheim vor dem Zeitpunkt auf Grund besonderer Pflegebedürftigkeit geboten gewesen ist, nicht zu ersetzen vermag.

Angesichts der Bestätigung vom sind darüber hinaus die aus dem Einkommen der Bw. bestrittenen Kosten für Pflege- und Hilfsleistungen von 1.367,22 € ab dem Juli 2006, so hin im Ausmaß von 683,61 € als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anzuerkennen.

3.2. Aufwendungen für Medikamente, Notruftelefon sowie Beiträge an die BVA

In diesem Punkt ist unter Hinweis der unter Punkt 3.1. dargestellten rechtlichen Erwägungen nämliche Aufwendungen im Ausmaß des Vorhalts vom , auf dessen Inhalt zum Zweck der Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, zum Ansatz zu bringen.

3.3. Beurteilung der durch den Sohn der Bw. getragenen Pflegeaufwendungen in Höhe von 12.620,81 €

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 34 EStG 1988 setzt eine "Belastung" grundsätzlich Geldausgaben des Steuerpflichtigen voraus, die aus dessen laufendenEinkommen abgedeckt werden müssen (; v. , 87/13/0046; v. , 98/13/0083).

In Ansehung vorstehender Ausführungen ist nach dem Dafürhalten der Abgabenbehörde zweiter Instanz die Anerkennung der durch den Sohn der Bw. getragenen Pflegeaufwendungen als außergewöhnlichen Belastung bei der Einkommensermittlung der verstorbenen Bw. schon begrifflich ausgeschlossen.

Ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die geleisteten Beträge beim Sohn der Bw. als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind, ist demgegenüber nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

4. Ermittlung der außergewöhnlichen Belastung laut BE


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Außergewöhnliche Belastungen bisher laut Vorhalt vom
2.997,39
Zusätzliche, aus dem Einkommen der Bw. getragene Aufwendungen für Pflege- und Hilfsleistungen
683,61
3.681

Es war daher wie im Spruch zu befinden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at