Schätzung der Kfz-Kosten bei einem Kolporteur gemäß §184 BAO unter Beachtung u.a. des § 114 Abs.1 BAO und § 115 Abs. 3 BAO!
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R. in der Beschwerdesache Bf., ***Wien, A-Straße 1, gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 des Finanzamts Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als
Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen
Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133
Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist von Beruf Kolporteur und Zeitungszusteller. Der derzeitige Buchhalter ist A..
Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2011, mit dem die gewerbebetrieblichen Einkünfte in Höhe von 19.448,02 € gemäß der Einkommensteuererklärung 2011 in jener Fassung, mit der das Finanzamt die Abgabenerklärung 2011 anhand der vom Bf. ausgefüllten Kennzahlen richtiggestellt hatte, festgesetzt wurden.
Dem Bescheid lagen Mitteilungen gemäß § 109a der Firmen A-GmbH [771,60 €], B-GmbH [2.396,88 €], C-GmbH [4.018,81 €], D-GmbH [3.025,92 €], E-GmbH [614,64 €] sowie ein Lohnzettel über lohnsteuerpflichtige Einkünfte bei der Fa. F. [7.801,60 €] für den Zeitraum 05-12/2011 zugrunde.
In Streit steht die Höhe des im Schätzungsverfahren gemäß § 184 BAO ermittelten Privatanteils an den gesamten Kfz-Kosten für das Jahr 2011.
Mit der als Berufung bezeichneten Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 wurde der Antrag auf Veranlagung der Einkommensteuer 2011 gemäß dem E1a Formular und damit die Anerkennung der gewerbebetrieblichen Einkünfte in Höhe von 583,51 € beantragt.
Mit dem erfolglosen abgabenbehördlichen Vorhalt vom wurde der Bf. u.a. ersucht, die Betriebsausgaben "Reise- und Fahrtspesen" (1.572,68 €)/"tatsächliche Kfz-Kosten" (1.372,20 €), und "Miet- und Pachtaufwand" (2.843,93 €) zu begründen und nachzuweisen. Die Reise- und Fahrtspesen bzw. tatsächliche Kfz-Kosten wären dadurch, dass sie sich großteils ausschließen würden, aufzuschlüsseln.
Mit der als Berufungsvorentscheidung bezeichneten Beschwerdevorentscheidung hielt die belangte Behörde dem Bf. vor, den Vorhalt vom nicht beantwortet zu haben, sodass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Bf. vorgebrachten Anliegen nicht erfolgen hatte können, und wies die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit dem Vorlageantrag gemäß § 276 BAO vom ersuchte der Bf. um nochmalige Zusendung des bislang nicht erhaltenen FA-Vorhalts vom und wiederholte den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und einen neuen Bescheid zu erlassen. Auf den abgabenbehördlichen Vorhalt vom folgte das an die Amtsvertretung adressierte Schreiben des Bf. vom mit den nachfolgend aus den Punkten 2 und 3 zitierten Angaben zu den in Rede stehenden Kfz-Kosten:
"Genaue Aufgliederung aller Aufwendungen:
1. ...
2. Aufschlüsselung der Reise und Fahrtspesen/KFZ Kosten:
Reise/Fahrtspesen: Diesel -Rechnungen in Kopien von 17/33,58 €
Geltend gemacht 1.572,68 € - Davon Kosten wegen Privatnutzung 160,90 €
(Kopie liegt bei) KFZ-Kosten 1372,20 €-Rechnungen in Kopie: 10 Seiten liegen
bei
3. Pacht/Miete aufwand: Es ist tatsächliche Leasing Kosten bzw. Raten
von 1.372,20 €.
Rechnungen sind in Kopien beiliegend (2x PORSCHE)
4. …"
Mit den Rechnungen wurde auch die nachfolgend abgelichtete Rechnung aus dem Jahr 2011 mit der Angabe des Kilometerstands zum Stichtag vorgelegt:
Mit abgabenbehördlichen Schreiben vom wurde dem Bf. vorgehalten, dass hinsichtlich der Aufwendungen für Diesel [1.733,58 €] Kosten wegen Privatnutzung in Höhe von 160,90 € ausgeschieden worden wären, was prozentuell einen Privatanteil von 10,23 % ergebe; der Privatanteil sei bei sämtlichen KFZ-Kosten auszuscheiden. Darüber hinaus erging das an den Bf. adressierte Ersuchen, u.a.
a) den Umfang der betrieblichen Nutzung nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen;
b) ein Fahrtenbuch über die betrieblich veranlassten Reisen vorzulegen bzw. die
betrieblichen Fahrten darzulegen;
c) bekanntzugeben, ob der Bf. neben dem KFZ mit dem Kennzeichen X-===== noch
ein weiteres KFZ besitze.
Mit dem an die belangte Behörde adressierten Schreiben des Bf. vom wurde die Neuveranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2011 beantragt. In der Beilage zu dem Schreiben wurde das - nachfolgend abgelichtete - Fahrtenbuch an das Finanzamt übermittelt:
Mit Schreiben der Amtsvertretung vom wurde der Bf. darüber in Kenntnis gesetzt, dass ein Fahrtenbuch fortlaufend und übersichtlich geführt zu sein und Datum, Kilometerstrecken, Ausgangs- und Zielpunkt sowie Zweck jeder einzelnen Fahrt zweifelsfrei und klar anzugeben habe, um aus ihm die erforderlichen Tatsachen der beruflichen Reisen einwandfrei feststellen zu können. Da die vorgelegte Aufstellung nicht die geforderten Voraussetzungen erfülle und der Anteil der betrieblichen Nutzung im Vergleich zur privaten Nutzung daraus nicht ableitbar sei, ergehe nochmals die Aufforderung, +) den Nachweis über das prozentuelle Ausmaß der betrieblichen im Vergleich zu den privaten Fahrten und den Umfang der privaten Fahrten zu erbringen; +) die Jahreskilometerleistung anzugeben; +) die Rechnung über die Kfz-Überprüfung gemäß § 57a KFG 1967 für das Jahr 2012 vorzulegen.
In Entsprechung des abgabenbehördlichen Ergänzungsersuchens vom gab der Bf. der belangten Behörde mit Schreiben vom u.a. hinsichtlich der Kilometerleistung für das Jahr 2011 bekannt, dass diese maximal ca. 20.000 km betrage, und legte dem Schreiben eine neue Einkommensteuererklärung 2011 [mit der Angabe von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.117,11 €], das Fahrtenbuch im Original sowie die Kopie der weiteren Begutachtungsplaketten gemäß § 57a KFG 1967 bei. Der nachfolgenden Ablichtung einer Seite aus dem Fahrtenbuch ist folgender Eintrag des Kilometerstands zum ersichtlich:
Mit der Vorlage des Gutachtens gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 vom wurde dem Finanzamt folgender Kilometerstand angezeigt:
Mit dem Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde zur Entscheidung durch das BFG vor und gab folgende Stellungnahme zum Vorlageantrag ab:
"Reisekosten sind steuerlich nur anzuerkennen, wenn ihre betriebliche Veranlassung eindeutig erwiesen oder zumindest glaubhaft gemacht wird. Der Nachweis von Fahrtkosten (Kilometergelder) hat grundsätzlich mit einem Fahrtenbuch zu erfolgen. Dieses ist fortlaufend und übersichtlich zu führen und hat die Angabe der zurückgelegten Wegstrecke (Angabe der Anfangs- und Endkilometerstände), das Datum, die Angabe des Fahrzeuges, den dienstlichen Zweck und die Abgrenzung zu privat gefahrenen Kilometern zu enthalten (vgl. ; Doralt/Kofler11, EStG, § 16 Tz 220, Stichwort: Fahrtkosten). Ferner ist ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vor allem auch zeitnah zu führen. Die dem Nachweis der Privatfahrten an der Gesamtleistung dienenden Aufzeichnungen müssen hinreichende Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Dazu gehört auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt wird.
Im vorliegenden Fall geht das Finanzamt davon aus, dass das Fahrtenbuch im Nachhinein im Zuge der Vorhaltsbeantwortung, und somit keinesfalls zeitnah erstellt wurde. Dies folgt daraus, dass das Fahrtenbuch nicht bereits im Zuge der Vorhaltsbeantwortung vom vorgelegt wurde. Zudem muss auch die materielle Richtigkeit angezweifelt werden. Im Fahrtenbuch wird der Kilometerstand per mit 193.751 km angeführt. Laut Pickerlbericht vom betrug der Kilometerstand zu diesem - späteren - Zeitpunkt jedoch nur 173.971 km. Auch die behauptete Gesamtkilometerleistung von maximal 20.000 km pro Jahr ist nicht glaubwürdig. Aus den Pickerlberichten vom und ergibt sich für diesen Zeitraum von 14,5 Monaten eine Gesamtkilometerleistung von 53.801 km. Die betriebliche Nutzung des KFZ ist somit nach Ansicht des Finanzamtes im Schätzungswege zu ermitteln:
Bei Umrechnung der Gesamtkilometerleistung von 53.801 km für 14,5 Monate ergibt dies eine Kilometerleistung von 44.520 km pro Jahr. Als betrieblich gefahrene Kilometer werden die laut Vorhaltsbeantwortung vom angeführten betrieblichen Kilometer von 6.029 herangezogen. Dies deckt sich auch damit, dass in der Vorhaltsbeantwortung vom die betrieblichen Fahrten mit ca. 6.000 km beziffert werden. Auch das am vorgelegte Fahrtenbuch ergibt 6.031 geschäftlich gefahrene Kilometer. Demnach ergibt sich eine Privatnutzung von 86 % und eine betriebliche Nutzung von 14 %. In der mit Vorhaltsbeantwortung vom vorgelegten Überschussrechnung sind Fahrt und Reisespesen von 8.524,76 € und Leasingraten von 2.843,93 €, somit gesamt KFZ-Kosten von 11.368,69 € angeführt. Diese sind nach Ansicht des Finanzamtes um den Privatanteil von 86 %, somit um € 9.777,07 zu kürzen. Der steuerliche Gewinn würde sich somit auf € 10.894,18 erhöhen."
In weiterer Folge ergingen das BFG-Schreiben (an den Bf.) vom und das diesbezügliche Schreiben des Bf. vom , mit dem das BFG ersucht wurde, das Anliegen des Bf. auf Grund der berichtigten Einkommensteuererklärung 2011 vom bei der Entscheidung vorzunehmen. Die komplett neue Erstellung der u.a. Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 samt Buchhaltung wurde mit der falschen Erfassung aller Angaben/Daten/Ziffern durch den alten Buchhalter begründet.
Über das BFG-Schreiben vom hinauf, mit dem dem Bf. die Möglichkeit zur Vorlage von weiteren Unterlagen als Beweismittel geboten wurde, wurden dem BFG mit dem Schreiben des Bf. vom nochmals die bereits am gesendeten Unterlagen vorgelegt.
Zu dem an die Amtsvertretung mit BFG-Schreiben vom übermittelten Schreiben des Bf. vom teilte die Amtsvertretung dem BFG mit Schreiben vom u.a. mit, dass der Bf. im Zuge des gesamten Beschwerdeverfahrens keine schlüssige Aufgliederung und Nachweisführung betreffend die geltend gemachten Ausgaben erbracht hätte.
Auch die erklärten Einnahmen würden in der zuletzt mittels Vorhaltsbeantwortung vom eingereichten Erklärung [Einnahmen gesamt in Höhe von 26.089,24 €] zu den bis dahin erklärten Einnahmen i.H.v. 22.352,04€ (laut Beilage zur Abgabenerklärung vom und Erklärungsabgabe im Zuge der Beschwerde vom ) differieren.
Aufgrund des Vorlageantrages vom wären drei weitere Vorhalte zur Klärung des Sachverhaltes erlassen worden. Im Zuge der letzten Vorhaltsbeantwortung vom sei eine neuerliche Einkommensteuererklärung eingereicht worden, die nach Ausführungen des Bf. aufgrund eines Buchhalterwechsels erstmalig ordnungsgemäß erstellt worden wäre.
Das Finanzamt habe somit die neu eingebrachte Einkommensteuererklärung vom als Grundlage für die weitere Beurteilung herangezogen.
Im Zuge der Vorhaltsbeantwortung vom wäre auch das Formular E1a eingebracht worden. Die in der KZ 9050 angeführten Einnahmen- Erträge, die in einer Mitteilung gemäß § 109a EStG erfasst sind)-würden den dem Finanzamt vorliegenden Mitteilungen gemäß § 109a EStG entsprechen.
Der Bf. beantrage die Heranziehung der berichtigten Erklärung vom als Entscheidungsgrundlage zwar auch im an das BFG adressierten Schreiben vom , jedoch wären die darin geltend gemachten Fahrtkosten von gesamt 11.368,69 € nach Ansicht des Finanzamtes um einen Privatanteil i.H.v. (86% der Kfz-Kosten=) 9.777,07 € zu kürzen (siehe abgabenbehördliche Stellungnahme zum Vorlageantrag), folglich dessen der Antrag laut Vorlagebericht bezüglich Kürzung der KFZ-Kosten um einen Privatanteil von 86 % aufrecht erhalten werde.
Abschließend wurde das BFG darauf, dass der am übermittelte Lohnzettel (lt. Anhang) bei der Entscheidung mitzuberücksichtigen wäre, aufmerksam gemacht.
Mit dem BFG-Schreiben vom wurde der Bf. unter Bezugnahme auf die Beilagen zum Schreiben - Schreiben der Amtsvertretung vom (Kopie), fünf Mitteilungen gemäß § 109 a EStG 1988, Lohnzetteldaten - um Abgabe einer Stellungnahme zum beigelegten Schreiben der Amtsvertretung bzw. um Offenlegung jener Bedenken, die gegen eine Veranlagung der Einkommensteuer für das Streitjahr gemäß dem beigelegten Schreiben der Amtsvertretung in Verbindung mit den fünf Mitteilungen gemäß § 109 a EStG 1988 und den Lohnzetteldaten sprechen könnten, ersucht.
Mit dem darauffolgenden Schreiben vom verwies der steuerlich vertretene Bf. auf die nach Buchhalterwechsel eingereichten berichtigten Steuererklärungen 2011, die Bekanntgabe aller drei Mitteilungen § 109a EStG 1988 zur Veranlagung, die beigelegte Kopie der Überschussrechnung und jener weiteren als unselbstständiger ausgeübten Erwerbstätigkeiten. Da der alte Buchhalter anstatt der tatsächlichem Betriebsausgaben Km-Gelder geltend gemacht hätte, obwohl der Bf. sogar mit dem mehrspurigen Kraftfahrzeug KT Kennzeichen Pol Kennz. X-===== (Siehe Anlagenverzeichnis) Aufträge ausgeführt hätte, werde um Berücksichtigung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 in der Letztfassung gebeten.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Feststehender Sachverhalt:
Seitens des Bf. ist dem Finanzamt ein Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2011 in Höhe von (zunächst 583,51 € und zuletzt) 1.117,11 € angezeigt worden. Hinsichtlich der Kfz-Kosten hat die Amtsvertretung nach Prüfung der Belege einen Aufteilungsschlüssel zwischen dem privaten und betrieblichen Kostenanteil (14%:86%) im Schätzungsverfahren gemäß § 184 BAO ermittelt, demgemäß 86% der gesamten Kfz.-Kosten-9.777,07 €- dem Gewinn für das Jahr 2011 hinzuzurechnen sind. Die Summe der letztgenannten Beträge ergibt vor Abzug des Gewinnfreibetrags gemäß § 10 EStG 1988 einen Zwischenbetrag i.H.v. 10.894,18 €, der einem Monatseinkommen von rund 905,00 € entspricht. Darüber hinaus hat der Bf. lohnsteuersteuerpflichtige Einkünfte bei der Fa. F. (Lohnzettel Kz 245: 7.801,60 €) im Zeitraum 05-12/2011 bezogen, womit als erwiesen anzunehmen ist, dass der Bf. über ein höheres Einkommen als das Mindesteinkommen gemäß § 293 ASVG (Richtsatz: 793,40 €) im Jahr 2011 verfügt hat.
Rechtslage
Betriebsausgaben sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 die durch den Betrieb veranlassten Aufwendungen oder Ausgaben. Aufwendungen müssen nachgewiesen, oder wenn dies nicht möglich erscheint, zumindest glaubhaft gemacht werden (), sonst kann ihnen die Abgabenbehörde die Anerkennung als Betriebsausgabe versagen ( 953/57; 137/58; ), oder sie kann, wenn sie die Betriebsausgaben dem Grund nach für erwiesen erachtet, ihre Höhe schätzen (§ 184 BAO). Eine Schätzung kommt zum Beispiel bei den betrieblichen Kfz-Kosten in Betracht, wenn der Steuerpflichtige hierüber keine Aufzeichnungen geführt hat.
Aus folgenden Gründen war der angefochtene Bescheid abzuändern:
Wenn Kfz-Kosten als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 geltend gemacht werden, ist es die Pflicht des Abgabepflichtigen, rechtzeitig für Beweise Vorsorge zu treffen, um den abgabenrechtlichen Charakter dieser Kosten als Betriebsausgaben nachweisen zu können. Als Beweismittel in einem Abgabenverfahren kommt gemäß § 166 BAO alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.
Das Fahrtenbuch, welches in der Regel in Papierform oder elektronischer Form als Nachweis von Fahrtkosten geführt wird, ist eine schriftliche Dokumentation darüber, welche Strecken mit einem bestimmten Fahrzeug zurückgelegt worden sind und welche Anlässe die jeweiligen Fahrten gehabt haben. Im Fahrtenbuch werden stets der Abfahrtsort, das Datum, der Name des Fahrers, der Kilometerstand=Tachostand zu Beginn und zum Ende der Fahrt (Angabe der Anfangs- und Endkilometerstände) und der Zweck bzw. Grund der Fahrt eingetragen. Da das Buch zu Kontrollzwecken vom z.B. Finanzamt zur Einsichtnahme angefordert wird, hat der Abgabepflichtige darauf zu achten, dass das Fahrtenbuch fortlaufend, sorgfältig und übersichtlich geführt wird. Darüber hinaus sollte das Fahrtenbuch änderungssicher geführt werden, damit Manipulationen ausgeschlossen werden können. Werden Fahrtenbuchdaten geändert, sollte diese Änderung stets übersichtlich und nachvollziehbar im Fahrtenbuch erklärt werden. Die zeitnahe Führung eines Fahrtenbuches, um als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch anerkannt werden zu können, ist notwendig, weil die dem Nachweis der Privatfahrten an der Gesamtleistung dienenden Aufzeichnungen hinreichende Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit bieten müssen und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar zu sein haben.
Aufgrund der Aktenlage war die ordnungsgemäße Führung eines Fahrtenbuches durch den Bf., das dem Finanzamt für Beweiszwecke auf der Stelle vorgelegt werden hätte können, zu verneinen, weil die Amtsvertretung den Bf. mit Schreiben vom und um Aufschlüsselung der Reise- und Fahrtspesen bzw. tatsachlichen Kfz-Kosten ersucht hatte, woraufhin dem Finanzamt (erst) mit Schreiben des Bf. vom (immerhin) die folgenden (aus der Ablichtung ersichtlichen) Daten zu den Gesamt-Kfz-Kosten samt Hinweis auf Rechnungen, aber nicht auf ein Fahrtenbuch offen gelegt worden waren:
Mit dem Schreiben des Bf. vom wurde ein Blatt mit den handschriftlichen Aufzeichnungen unter dem Titel "Fahrtenbuch" an das Finanzamt übermittelt. Wie aus der nachfolgenden Ablichtung ersichtlich, ist die Übersicht für die Monate 01-04/2011 wie folgt strukturiert:
Im Gegensatz zum zuvor abgelichteten Fahrtenbuch ist das der belangte Behörde mit dem Schreiben vom vorgelegte Fahrtenbuch wie folgt aufgebaut:
Wie der unmittelbar vorangegangenen Ablichtung ersichtlich, war das Fahrtenbuch, das der Bf. am persönlich in der Einlaufstelle des Finanzamts überreicht hatte, eine Übersicht mit diversen Spalten und Zeilen, wobei die Eintragungen in einer Zeile inhaltlich zusammenhängende Daten zu einer Fahrt waren. Die Spalten im Fahrtenbuch wurden eingerichtet, um Fahrtdaten aufgegliedert nach z.B. Datum; Fahrzeit von bis; Zweck der Fahrt; Besuchte Personen, Firmen, Behörden; Kilometerstand Fahrtbeginn; Gefahrene km (Wohnung Arbeit; privat; geschäftlich); Kilometerstand Fahrtende; etc. zu erfassen. Bei Annahme eines ordnungsgemäß im abgabenrechtlichen Sinn geführten Fahrtenbuches wäre somit die Veranlassung einer Fahrt mit Hilfe des Eintrags des Fahrtdatums in der Zelle der Spalte "Datum" der für diese Fahrt bestimmten Zeile in Verbindung mit den übrigen (in der entsprechenden Spalte eingetragenen) Daten in dieser Zeile nachweisbar.
Bei Vergleich der Datenstruktur der beiden als Fahrtenbuch bezeichneten Beweismittel war jedoch festzustellen, dass die Daten in dem mit Schreiben des Bf. vom an die belangte Behörde übermittelten "Fahrten Buch" durch die datenmäßige Erfassung der Gesamtzahl der betrieblich gefahrenen Kilometer jeweils für ein Monat bedingt kumulierte Monatsdaten waren, womit eine nachträgliche Erstellung des Fahrtenbuchs für Beweiszwecke notwendig war. Ist bei einem Fahrtenbuch stets dessen Beweisfunktion zu bedenken, so waren es die Reihenfolge der Vorlage der Fahrtenbücher an die belangte Behörde und der späte Zeitpunkt der Vorlage des Fahrtenbuchs für das Jahr 2011 - -, die die Annahme einer nachträglichen Erstellung des Fahrtenbuches für Beweiszwecke glaubhaft gemacht hatten.
Bezüglich des Verhaltens des Bf. in abgabenrechtlichen Angelegenheiten war aufgrund der Aktenlage festzustellen, dass der Abgabepflichtige sich seiner abgabenrechtlichen Verpflichtungen als Unternehmer stets bewusst gewesen war, folglich dessen er nachweislich einen Buchhalter mit der pagatorischen Buchhaltung (Geschäftsbuchhaltung) einschließlich der Erstellung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG und der Erbringung sämtlicher Beratungsleistungen in Zusammenhang mit diesen Aufgaben beauftragt hatte. Die für die Erlassung der Abgabenbescheide wesentlichen Daten wurden dem Finanzamt mit den für die elektronische Verarbeitung dieser Daten vorgesehenen Steuerformularen angezeigt.
Wenn nach Angaben des Bf. unter Mitwirkung des aktuellen Buchhalters A. die Abgabenerklärung 2011 samt Buchhaltung im Jahr 2014 komplett neu zu erstellen gewesen war, weil der alte Buchhalter [nicht einige, sondern] ALLE Angaben/ Daten/Ziffern falsch erfasst hatte, und die neue Einnahmen -Ausgaben-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG aufgrund der dem Buchhalter zur Verfügung gestellten Unterlagen sowie den vom Bf. an den Buchhalter erteilten (vollständigen und richtigen) Auskünften zustande gekommen war, war als erwiesen anzunehmen, dass die Buchhaltung des Unternehmens für das Jahr 2011 nicht transparent geführt worden war und die Aufzeichnung der Geschäftsvorgänge im Gewerbebetrieb für das Jahr 2011 nicht den abgabenrechtlichen Vorschriften entsprochen hatte.
Steuerformulare dienen generell dazu, Abgabenpflichtige dadurch, dass diese die Einnahmen und Ausgaben aufgegliedert unter Kennzahlen in den Formularen einzutragen haben, davor zu warnen, vorschnell eine Einkommensteuererklärung abzugeben, da die Rechtsfolgen bei unvollständigen und unrichtigen Angaben gegenüber der Abgabenbehörde schwerwiegend sein können. Wurde die ursprüngliche Abgabenerklärung für das Jahr 2011 [mit der Angabe eines Gewinns von 583,51 €] in einer Form erstellt, die nachweislich die Berichtigung dieses Steuerformulars vor der Erlassung des Jahresabgabenbescheides notwendig gemacht hatte, so war es die Form, anhand dieser das Versäumnis des Erstellers der Einkommensteuererklärung 2011 in der Erstfassung, sich rechtzeitig das zur formgerechten Erstellung der Abgabenerklärung für das Jahr 2011 erforderliche Wissen und Können verschafft zu haben, zu erkennen war.
Die Abgabe einer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 beim Finanzamt mit der Angabe eines gewerbebetrieblichen Gewinns in Höhe von 583,51 € in Verbindung mit der Bestimmung des § 293 ASVG in der für das Streitjahr geltenden Fassung, demnach das Mindesteinkommen für das Jahr 2011 (Richtsatz) 793,40 € betragen hatte, machte zumindest die Angabe, wonach die Einkommensteuererklärung 2011 Folge des Verhaltens des alten Buchhalters gewesen wäre, der anscheinend die Buchhaltung nicht in Ordnung gemacht und falsche Daten dem Finanzamt bekanntgegeben hätte, glaubhaft.
Die Sachverhaltselemente "Komplette Neuerstellung der Abgabenerklärung 2011", "Komplette Neuerstellung der Buchhaltung", "die Erklärung des Bf.: "Falsche Erfassung ALLER Angaben/Daten/Ziffern"", "die Einbringung der Einkommensteuererklärung 2011 in der Erstfassung, die vom für den Bf. zuständigen Finanzamt anhand der Kennzahlen zu berichtigen war", "die Reihenfolge der Einbringung der Fahrtenbücher", "die kumulierten Daten im ersten der beiden für Beweiszwecke vorgelegten Fahrtenbücher" und "der späte Zeitpunkt des als Beweismittel im Jahr 2014 vorgelegten zweiten Fahrtenbuches für das Jahr 2011" ergaben ein Gesamtbild, aufgrund dessen von den beiden Möglichkeiten jene Sachverhaltsvariante, derzufolge der Bf. das Fahrtenbuch nachträglich erstellt hätte, als erwiesen anzunehmen war, weil diese die Gewissheit für sich gehabt hatte und die andere Variante, derzufolge der Bf. im Jahr 2011 tatsächlich ein den abgabenrechtlichen Anforderungen in formeller Hinsicht entsprechendes Fahrtenbuch geführt hätte, obwohl die Abgabenerklärung 2011 samt Buchhaltung wegen falscher Erfassung ALLER Angaben/Daten/Ziffern komplett neu zu erstellen war, ausgeschlossen hatte. Damit war das Vorliegen eines in formeller Hinsicht richtigen Fahrtenbuchs zu verneinen.
Auch die materielle Richtigkeit war dem Fahrtenbuch abzusprechen, weil der vom Bf. im Fahrtenbuch eingetragene Kilometerstand per - 193.751 km - beträchtlich höher als der durch die Rechnung für den Bericht über die Begutachtungsplakette gemäß § 57a KFG 1967 vom belegte Kilometerstand zu Beginn des zweiten Quartals des Jahres 2011 - nur 173.971 km - gewesen war. Die Angabe des Bf., wonach die Gesamtkilometerleistung für das Jahr 2011 maximal 20.000 km betragen hätte, widersprach dem Gesamtkilometerbetrag in Höhe von 53.801 km für 14,5 Monate, welcher sich als Differenzbetrag jener Kilometerstände, die den von der Amtsvertretung als Pickerlberichten bezeichneten Berichten gemäß § 57a KFG 1967 vom und zu entnehmen waren, ergeben hatte.
Der besseren Verständlichkeit halber werden mit der nachfolgenden Übersicht die in Rede stehenden Kfz-Daten betreffend Kilometerstand, Gesamtkilometerleistung und der betrieblichen Kilometer jeweils für das Jahr 2011 dargestellt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kilometerstand | Gesamtkilometerleistung | |
Fahrtenbuch per | 193.751 km | |
Bericht über die Begutachtung gem. § 57a KFG 1967 vom | 173.971 km | |
Bericht über die Begutachtung gem. § 57a KFG 1967 vom | 227.772 km | |
Kilometerstand abzüglich | ||
Kilometerstand | 53.801 km für 14,5 Monate | |
umgerechnet auf das Jahr 2011 | 44.520 km | |
Angaben des Bf. | maximal 20.000 km |
Aus der nachfolgenden Tabelle sind die vom Bf. erklärten Kilometerangaben betreffend betrieblich gefahrene Kilometer mit Quellenangabe zu entnehmen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Vorhaltsbeantwortung vom | 6.029 km |
Vorhaltsbeantwortung vom | ca. 6.000 km |
Fahrtenbuch vom | 6.031 km |
Die Unstimmigkeit, die bei einer Gesamtbetrachtung der Sachverhaltselemente in den beiden letzten Tabellen festzustellen war, legte die Mangelhaftigkeit des Fahrtenbuches (auch) in materieller Hinsicht offen, womit die abgabenbehördliche Verpflichtung, den Anteil der Privatfahrten und der betrieblichen Fahrten und somit den Privatanteil an den gesamten Kfz-Kosten im Zuge eines Schätzungsverfahrens gemäß § 184 Abs. 1 BAO zu ermitteln, als erwiesen anzunehmen war.
Rechtslage zur Schätzung
Nach § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Bei der Schätzung sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist gemäß § 184 Abs. 2 BAO insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs 1) wesentlich sind.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 184 BAO ist die Schätzung dem Wesen nach ein Beweisverfahren, bei dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise (indirekte Beweisführung) ermittelt wird ().
Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen (vgl. z.B. ; bis 0122; ; ), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (z.B. ; ).
Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent (; ; ; ; ; ). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (z.B. ; ; ; bis 0122).
Die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen (; ; ; ; ; vgl. , Schätzung als ultima ratio), nicht aber bloße „Schwierigkeiten“ sachlicher oder rechtlicher Natur. Deren Überwindung mag Mühe kosten, die aber aufzuwenden ist (z.B. ).
Bei der Erhebung der Abgaben haben die Abgabenbehörden gemäß § 114 Abs. 1 BAO
darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden,
darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden,
alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen.
§ 114 BAO ist zum Teil eine einfachgesetzliche Wiederholung verfassungsrechtlicher Grundsätze, nämlich des Gleichheitsgrundsatzes [Artikel 2 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (Art. 2 StGG) Art. 7. Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (Art. 7 Abs. 1 B-VG) und des Legalitätsgrundsatzes (Art. 18 Abs. 1 B-VG, vgl auch § 5 Finanzverfassungsgesetz (§ 5 F-VG 1948)]. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erfordert, Fehler bei der Steuerbemessung mit allen vom Gesetz vorgesehenen Mitteln zu vermeiden oder zu beseitigen ().
Gemäß § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.
Gemäß § 115 Abs. 2 BAO ist den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
Gemäß § 115 Abs. 3 BAO haben die Abgabenbehörden Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum § 115 Abs. 1 BAO besteht die amtswegige Ermittlungspflicht der Abgabenbehörden innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes (; ; ). Die Abgabenbehörde trägt zwar die Feststellungslast für alle Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen Abgabenanspruch geltend machen zu können, doch befreit dies die Partei nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht (z.B. ; ; ).
Beide Pflichten bestehen grundsätzlich nebeneinander und schließen einander nicht aus. Die amtswegige Ermittlungspflicht besteht zwar auch dann, wenn die Partei ihre Verpflichtungen (Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht) verletzt (vgl. z.B. bei Nichtbeantwortung eines Vorhaltes, ), doch wird ihr Umfang durch solche Pflichtverletzungen beeinflusst (vgl. ; ). In dem Ausmaß, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hierzu nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt, tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen erkannte Maß hinaus zu prüfen, zurück (z.B. ; ; ).
Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes findet dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (, 94/15/0181; ).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besteht die Mitwirkungspflicht der Partei im Schätzungsverfahren (; ). Das Parteiengehör ist bei der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zu wahren (; ; ; ). Der Partei sind daher vor Bescheiderlassung die Ausgangspunkte, Überlegungen, Schlussfolgerungen, die angewandte Schätzungsmethode und das Schätzungsergebnis zur Kenntnis zu bringen. Es liegt danach an der Partei, begründete Überlegungen vorzubringen ().
Die Behörde hat auf alle substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen einzugehen und sich damit auseinanderzusetzen, auch wenn die Richtigkeit der Behauptungen erst durch weitere Erhebungen geklärt werden muss (z.B. ; ; ; ; ).
Auch wenn die Partei die sie treffende (erhöhte) Mitwirkungspflicht verletzt, hat die Behörde den maßgebenden Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 167 Abs. 2 BAO) festzustellen (vgl. ).
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (z.B. ; ; ; ).
Aus folgenden Gründen war das Schätzungsergebnis der belangten Behörde zu bestätigen:
Seitens des Bundesfinanzgerichts war das Schätzungsergebnis der Amtsvertretung für das Jahr 2011 zu bestätigen, weil der Bf. im Streitjahr beruflich in der Branche Kolporteur und Zeitungszusteller tätig gewesen war und somit einen Hilfs- bzw. Anlernberuf ausgeübt hatte. Die Arbeitsbedingungen in dieser Branche waren und sind oft schwierig, da unter hohem Zeitdruck gearbeitet wurde und wird und die Bezahlung häufig gering war und ist, folglich dessen die Abgabenerklärungen 2011 vom Bf. auf der Grundlage von Buchhaltern erstellten Einnahmen -Ausgaben-Rechnungen gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 zu verfassen gewesen waren. Wurden Kfz-Kosten als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 für das Jahr 2011 geltend gemacht, so war es der Bf., der die betriebliche Veranlassung nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen hatte, zumal nur er Angaben zum Betriebszweck der als Betriebsausgaben im Sinn des § 4 Abs. 4 EStG 1988 geltend gemachten Kfz-Kosten für das Jahr 2011 machen konnte.
Seitens des BFG bestand kein Grund für Zweifel am abgabenbehördlichen Ergebnis des im Zuge eines Schätzungsverfahrens gemäß § 184 Abs. 1 BAO ermittelten betrieblichen Anteils an den Kfz-Kosten, weil das von der Amtsvertretung bei der Schätzung verfolgte Ziel, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen und damit diejenigen Besteuerungsgrundlagen, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben, zu ermitteln, anhand der Aktenlage festzustellen war.
Die Kilometerstandsdaten in den Berichten zu den Begutachtungsplaketten gemäß § 57a KFG 1967 vom und legten eine Gesamtkilometerleistung von 53.801 km für 14,5 Monate offen, womit - umgerechnet auf 12 Monate - von einer Kilometerleistung von 44.520 km für das Jahr 2011 auszugehen war.
Die der Vorhaltsbeantwortung vom entnehmbare Zahl der betrieblichen Kilometer - 6.029 km - wurde durch die diesbezüglichen Angaben in dem Schreiben vom -betriebliche Fahrten: ca. 6.000 km- und dem am vorgelegten Fahrtenbuch -geschäftlich gefahrene Kilometer: 6.031 km- bestätigt.
Mit den unstrittigen Kilometerangaben über die betrieblich gefahrenen Kilometer und dem Kilometerstand für das gesamte Jahr 2011 war es der belangten Behörde somit möglich, das Verhältnis des Privatanteils an der Gesamtkilometerleistung rechnerisch zu ermitteln.
Der Privatanteil an den Gesamtkilometerleistung in Höhe von 86% heißt, dass 14% der Gesamtkilometer auf betrieblich gefahrene Kilometer im Jahr 2011 entfallen sind. Da der Bf. mit der der Vorhaltsbeantwortung vom beigelegten Überschussrechnung die Anerkennung von Fahrt- und Reisespesen von 8.524,76 € und Leasingraten von 2.843,93 €, somit KFZ-Kosten in Höhe von insgesamt 11.368,69 € als gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 abzugsfähige Betriebsausgaben geltend gemacht hatte, war der Privatanteil von den zwischen den Verfahrensparteien unstrittigen Kfz-Kosten -(86% v.11.368,69€=) 9.777,07€- dem vom Bf. zuletzt in Höhe von 1.117,11€ erklärten Gewinn hinzuzurechnen und die Summe in Höhe von nur mehr (1.117,11€+9.777,07€ =) 10.894,18 € als Gewinn für das Jahr 2011 festzustellen.
Der Gewinn aus Gewerbebetrieb von 10.894,18 € entspricht umgerechnet einem Gewinn von rund 907,00 € für ein Monat. Da § 293 Abs. 1 a) bb) ASVG idF BGBl. II Nr.403/2010 zufolge das monatliche Mindesteinkommen eines Pensionisten (=Richtsatz für einen Pensionsberechtigten aus eigener Pensionsversicherung) im Jahr 2011 793,40 € betragen hatte, lag das von der Amtsvertretung geschätzte Monatseinkommen -907,00 €- um rund 113,00 € über dem monatlichen Mindesteinkommen im Jahr 2011. In Hinblick darauf, dass der Bf. einen Beruf mit geringer Bezahlung im Jahr 2011 ausgeübt hatte, erwies sich der Betrag von 907,00 € bei Vergleich mit Beziehern von einer Mindestpension als schlüssig.
Wie aus dem angefochtenen Bescheid ersichtlich, kann bei der Gewinnermittlung eines Betriebes ein Gewinnfreibetrag gemäß § 10 EStG 1988 gewinnmindernd berücksichtigt werden. Da weder ein Gewinnfreibetrag in einer bestimmten Hohe beantragt, noch auf die Geltendmachung verzichtet wurde, wurde bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ein Gewinnfreibetrag (Grundfreibetrag gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 EStG 1988) i.H.v. 1.416,24 € als Abzugsposition berücksichtigt.
Mit der nachfolgenden Übersicht wird die Berechnung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2011 dargestellt:
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Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut Bescheid | 19.448,02 € |
Gewinn aus Gewerbebetrieb laut Erklärung Neu | 1.117,11 € |
Hinzurechnung Kfz-Kosten laut Stellungnahme im Vorlagebericht | 9.777,07 € |
Gewinn laut Gewerbebetrieb neu | 10.894,18 € |
Gewinnfreibetrag gemäß § 10 EStG 1988 | - 1.416,24 € |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb Neu | 9.477,94 € |
Berechnung des Einkommens für das Jahr 2011 neu:
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Einkünfte laut Gewerbebetrieb | 9.477,94 € |
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit | 7.801,60 € |
Einkommen Neu | 17.279,54 € |
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit dem gegenständlichem Erkenntnis wurde über Feststellungen auf der Sachverhaltsebene und somit nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden, weshalb eine Revision unzulässig ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 115 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 166 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 114 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 293 Abs. 1 lit. a ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955 |
Schlagworte | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103032.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at