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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.04.2020, RV/7101552/2020

Abgabenbehördliche Akzeptanz von 80% der Telefonkosten eines Versicherungsangestellten mit Außendienst als Folge von nachgeholten Ermittlungen gemäß §115 Abs. 3 BAO betreffend den Umfang der beruflich veranlassten Telefonkosten zwecks Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gemäß Art. 7 B-VG in Verbindung mit §114 Abs. 1 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Aigner in der Beschwerdesache Bf., Akad.VKFM, Versicherungsangestellter bei der A-Versicherung, A-Stadt, vertreten durch A-GmbH, Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2017 zu Recht erkannt: 

 I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
     Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
     Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als
     Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen
     Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof
     nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Leiter des A-Teams bei der A-Versicherung, bekannt als ein Außendienstmitarbeiter mit telefonischen Festnetzanschluss und Mobiltelefon des Dienstgebers, und Besitzer eines auch beruflich genutzten Handtelefons.
Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2017, mit dem 20% von den Telefonkosten - 124,80 € -  als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 anerkannt worden sind.
Abweichend von der ursprünglichen Abgabenerklärung 2017, mit der nur 60% der Telefonrechnungen - 374,30 € - als Werbungskosten geltend gemacht worden waren, wurde mit einer berichtigten Jahreserklärung 2017, KZ 724, der Antrag auf Anerkennung von sonstigen Werbungskosten in Höhe von [97,12 € (Betriebsratsumlage) + 705,53 € (Telefonkosten)=] 802,65 € gestellt.
Mit der Beschwerde wurde die beantragte Anerkennung eines betrieblichen Anteils von 80% der vom Bf. in Höhe von 881,91 € bezahlten Telefonkosten als Werbungskosten damit begründet, dass der Bf. das Privattelefon zu 80% für betriebliche Zwecke verwende und es erwiesen sei, dass Versicherungsmakler hauptsächlich im Außendienst tätig und somit auch auswärts zu erreichen wären. Bedeute die Absicht, den Bf.-Kunden stets die bestmögliche Betreuung zu ermöglichen, auch, fast immer erreichbar zu sein, so müssten als Werbungskosten noch zusätzlich Telefonkosten in Höhe von 580,73 € anerkannt werden.
Mit der abweisenden Beschwerdevorentscheidung hielt die Amtsvertretung dem Bf. vor, dass die Anerkennung von 20% der Telefonkosten nicht der Lebenserfahrung entspreche. Zur telefonischen Erreichbarkeit entstehe kein Mehraufwand. Es handle sich um pauschale monatliche Kosten, sodass eine vermehrte (berufliche) Nutzung keinen Mehraufwand verursache.
Mit Mail vom wurde die Vorlage beim Verwaltungsgerichtshof gemäß § 264 Abs. 1 BAO beantragt.
Mit dem beim BFG am eingelangten Vorlagebericht gemäß § 243 BAO wurde die Beschwerde zur Entscheidung durch das BFG vorgelegt. 
Mit der im Vorlagebericht enthaltenen Stellungnahme zum Vorlageantrag teilte die Amtsvertretung dem BFG mit, eine Erhöhung des beruflich veranlassten Anteils durch das BFG zu akzeptieren, weil bei Unmöglichkeit einer genauen Abgrenzung gegenüber dem privaten Teil der Telefonkosten diese Abgrenzung im Schätzungsweg zu erfolgen hätte (vgl. ). Da der Bf. keine Aufstellung über die Anzahl der beruflich geführten Telefongespräche, deren Dauer, Zeit und die entsprechenden Gesprächspartner und daher auch keine Unterlagen zum Nachweis oder zur Glaubhaftmachung des beruflichen Nutzungsanteiles vorgelegt hätte, wäre der Anteil der beruflich veranlassten Telefonkosten im Schätzungswege zu ermitteln gewesen. Grundsätzlich gelte: Jeder Schätzung sei eine gewisse Ungenauigkeit immanent; wer zur Schätzung Anlass gebe und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirke, müsse die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (Ritz, § 184 Tz 3). Seitens des Finanzamts werde aber zugestanden: Die geschätzten Telefonkosten wären für einen im Außendienst tätigen Versicherungsmakler sehr niedrig angesetzt worden. Eine Erhöhung des beruflich veranlassten Anteils durch das BFG würde dementsprechend akzeptiert werden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Feststehender Sachverhalt:
Strittig ist die Höhe der im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung eines Angestellten in der Versicherungsbranche anerkannten Telefonkosten. Während mit der ursprünglichen Abgabenerklärung 60% der Telefonkosten - 374,30 €- als Werbungskosten geltend gemacht worden sind, sind mit dem angefochtenen Bescheid (nur) 20% der geltend gemachten Telefonkosten-124,80 €- als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 anerkannt worden.
Mit der Beschwerde samt der berichtigten Jahreserklärung 2017 des steuerlich vertretenen, hauptsächlich im Außendienst tätigen Versicherungsangestellten ist um Anerkennung von 80% der Telefonkosten von 881,91 €, also 705,53 € ersucht worden.
Mit dem Vorlagebericht hat das Finanzamt die sehr niedrige Ansetzung der geschätzten Telefonkosten für einen im Außendienst tätigen Versicherungsmakler bestätigt. 

Rechtslage

Nach Artikel 7 Abs. 1 B-VG sind alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich. Nach § 114 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden dazu verpflichtet, a) darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgaben­vorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden, b) alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen.
Nach § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabe­pflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabe­pflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungs­pflicht der Abgabe­pflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.
Nach § 115 Abs. 3 BAO haben die Abgabenbehörden Angaben der Abgabe­pflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabe­pflichtigen zu prüfen und zu würdigen.
Nach Ritz, BAO, 6.Aufl. 2017, § 115 Rz, 22 – 23, ergibt sich bereits aus § 114 BAO und § 115 Abs. 1 BAO, dass die Abgabenbehörde keinesfalls nur Umstände, die zu einer höheren Abgabenbelastung führen, zu ermitteln und zu berücksichtigen hat. § 115 Abs. 3 BAO betont nochmals jede Absage an einseitig fiskalistische Vorgangsweisen. Auch wenn § 115 Abs. 3 BAO lediglich Angaben des Abgabe­pflichtigen und amtsbekannte Umstände erwähnt, gilt die Verpflichtung, die richtige (und nicht eine möglichst hohe) Abgabenbemessungsgrundlage zu ermitteln, ganz allgemein.

Werbungs­kosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Ausschließlich berufliche Verwendung des privaten Telefonanschlusses widerspricht der Lebenserfahrung, mangels anderer Anhaltspunkte ist das berufliche Ausmaß der beruflichen Gespräche zu schätzen (; ). 
Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2006/15/0125, ist einem Dienstnehmer der Beweis des beruflich veranlassten Anteiles an den Telefonkosten, etwa durch einen Einzelgesprächs­nachweis, regelmäßig nicht zumutbar, weshalb die Glaubhaftmachung genügt. Liegen keine Aufzeichnungen vor, hat eine Ermittlung des beruflichen Anteils im Schätzungsweg zu erfolgen.
Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgaben­erhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese gemäß § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum § 184 BAO ist die Schätzung dem Wesen nach ein Beweis­verfahren, bei dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise (indirekte Beweisführung) ermittelt wird (). 
Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen (vgl. z.B. ; bis 0122; ; ), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (z.B. ; ). 
Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent (; ; ; ; ; ). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (z.B. ; ; ; bis 0122).

Aus folgenden Gründen war der angefochtene Bescheid abzuändern:

Zum Berufsbild des Bf. ist aus dem AMS-Berufslexikon u.a. zu entnehmen, dass "Versicherungsangestellte in den verschiedenen Bereichen des Innen- und Außendienstes von Versicherungsgesellschaften mit dem Abschluss, der Überprüfung und der Erfüllung von Versicherungsverträgen sowie den damit zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben befasst sind.
Im Außendienst betreuen Versicherungsangestellte die Versicherungskunden und werben neue KundInnen an, wobei sie meist für eine bestimmte Versicherungsart (Lebensversicherung, Kraftfahrzeugversicherung usw.) zuständig sind. Sie berechnen für die KundInnen die Höhe der Prämien, die je nach Laufzeit und Versicherungssumme (z.B. monatlich) anfallen, und weisen auf steuerrechtliche Begünstigungen im Falle des Abschlusses bestimmter Versicherungen hin. Sie beraten ihre KundInnen bei Schadensfällen und informieren diese während der Versicherungszeit über Änderungen der Versicherungsbedingungen (z.B. bei Wertminderung eines Versicherungsobjektes). Für Berufe im Bereich des Versicherungswesens sind Kontaktfähigkeit, die Fähigkeit zu Kommunikation und Teamarbeit, Sprachfertigkeit ebenso erforderlich wie die Fähigkeit zu wirtschaftlich-ökonomischen und juridischem Denken. Genauigkeit, Durchsetzungsfähigkeit und Führungskompetenz sind insbesondere für kontrollierende und leitende berufliche Funktionen notwendig
."
Von den Anforderungsmerkmalen ist das Persönlichkeitsmerkmal "Kontaktfähigkeit" die Kompetenz, zu bekannten sowie auch unbekannten Personen Kontakt aufzunehmen, Beziehungen aufzubauen und diese aufrechtzuerhalten. „Kommunikation“ ist gemäß https:// wirtschaftslexikon.gabler. de/ definition/kommunikation-37167/version-260610 der Prozess der Übertragung von Nachrichten zwischen einem Sender und einem oder mehreren Empfängern. Kommunikationsmittel sind gemäß https:// wirtschaftslexikon. gabler.de/definition/ kommunikationsmittel-38244/version-261669 jene technischen Einrichtungen, die der Informationsübermittlung dienen (Telefon, Telefax u.a.). Die Informationsübermittlung ist https:// wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/ informationsuebermittlung -39056/ version-262474 zufolge die Phase des betrieblichen Informationsprozesses, in der eine räumliche Übertragung von Informationen zwischen dem Informationssender und Informationsempfänger erfolgt (Kommunikation).
Ein technisches Kommunikationsmittel bei einem Versicherungsangestellten ist z.B. die Sprachübertragung durch Telefone, zu denen z.B. Festnetztelefone, (Foto-)Mobiltelefone und Smartphones gehören [Auf die Nutzbarkeit von Skype für einen Abgabenpflichtigen unterwegs auf einem Tablet oder Android-Smartphone sowie am heimischen PC sei verwiesen].
Der Bf. ist Abteilungsleiter bei einer der größten Versicherungen Österreichs und zählt zu den führenden Außendienstmitarbeitern des Unternehmens, folglich dessen ein Telefon ein notwendiges Arbeitsmittel für den Bf. ist. Ist der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs () zufolge einem Dienstnehmer der Beweis des beruflich veranlassten Anteiles an den Telefon­kosten, etwa durch einen Einzelgesprächs­nachweis, regelmäßig nicht zumutbar, so genügt die Glaubhaftmachung.
Ein Sachverhalt ist glaubhaft gemacht, wenn die Umstände des Einzelfalles dafür sprechen, der vermutete Sachverhalt habe von allen anderen denkbaren Möglichkeiten die größte Wahrscheinlichkeit für sich (). Die Glaubhaftmachung setzt die schlüssige Behauptung der maßgeblichen Umstände durch den Abgabe­pflichtigen voraus (). Die Glaubhaftmachung hat den Nachweis der Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand (z.B. ; ) und unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (; ; ).
Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde stets unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es dabei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (z.B. ; ; ; ). 
Auch wenn in der Beschwerde der Bf. als von Beruf "Versicherungsmakler" bezeichnet wurde, war der Bf. der Aktenlage zufolge tatsächlich Versicherungsangestellter bei der A-Versicherung im Streitjahr und hatte dadurch, dass er nichtselbständig tätig gewesen war und mit einer Versicherungsgesellschaft zusammen gearbeitet hatte, berufliche Aktivitäten im Auftrag nur einer einzigen Versicherung entfaltet.
Die beruflichen Aufgaben bestanden aus der Anwerbung von Neukunden, Kundenberatung, Prämienberechnung und Erteilung von Hinweisen auf steuerrechtliche Begünstigungen. Die ausgefüllten Anträge waren an die Versicherung zu übermitteln.
Der Versicherungsvertrag, bei welchem mit dem Wort "Versicherung" das Grundprinzip der kollektiven Risikoübernahme (Versicherungsprinzip oder Äquivalenzprinzip) zum Ausdruck kommt, setzte voraus, dass der Umfang der Schäden statistisch abschätzbar war und demnach mit versicherungsmathematischen Methoden der vom Versicherten benötigten Prämie bestimmbar war. Bevor ein Risiko richtig versichert werden konnte, musste es erkannt, bewertet und der Umgang mit dem Risiko festgelegt werden. Mit diesem Prozess, welcher als Vorstufe jedem Versicherungsabschluss vorausgehen sollte, befasste sich das Risikomanagement der A-Versicherung.  
Aufgrund der Tätigkeitsmerkmale des Bf. als Versicherungsvertreter - "Beratung über unterschiedlichste Versicherungsprodukte", "Betreuung von Privat- und Firmenkunden" -, den Aufgaben eines Versicherungsangestellten und der generellen, einfachen Definition von Risiko als Unsicherheit war die Angabe, wonach der Bf. im Außendienst tätig und mit Hilfe des Mobilfunkgeräts auch auswärts zu erreichen gewesen wäre, glaubhaft, weil alle Maßnahmen, die sich auf die Kommunikation mit Versicherungsnehmer beziehen, unter dem Begriff Kundenbetreuung zusammengefasst werden, womit die Kundenbetreuung eines der Instrumente des After-Sales-Managements  ist.
Das After-Sales-Management des Bf. war im Streitjahr darauf ausgerichtet, die Kunden nachträglich in ihrer Entscheidung zu bestätigen, sie zum Abschluss weiterer Versicherungsverträge anzuregen, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und die langfristige Kundenbindung zu sichern, womit die Kundenbetreuung nachhaltig zur Steigerung des Kundenwertes und der Profitabilität der A-Versicherung im Jahr 2017 beigetragen hatte.
Aufgrund der Dienstnehmereigenschaft des Bf. war das Vorbringen in der Beschwerde, hauptsächlich im Außendienst tätig gewesen zu sein, zwar nicht mit der Berufsbezeichnung "Versicherungsmakler", jedoch anhand des Zeitungsartikels vom 00.00.201X, demnach der Bf. als Lehrling seinen Ausbildner zu sämtlichen Kundenterminen begleitet hätte und sich nach nur wenigen Jahren unter die Erfolgsvertreter der A-Versicherung einreihe, zu begründen. 
Die berufliche Position eines Abteilungsvorsitzenden in einer der größten Versicherungen Österreichs war zweifellos Folge des Strebens des Bf., im Unternehmen noch aufzusteigen, und das Ergebnis der auf die Kundenbindung an den Bf. und damit an die A-Versicherung gerichtete Kundenpflege des Bf. im Streitjahr. Die Kundenpflege war notwendig, um auf solche Weise zu steuern, dass in den passenden Kundenzielgruppen [ebenso wie in der Personalabteilung der A-Versicherung] möglichst positiv über den Bf. als fachlich kompetente Persönlichkeit und die vom Bf. erbrachten Dienstleistungen gesprochen wurde, um Interesse und Aufmerksamkeit zu wecken, den Bekanntheitsgrad der vielfältigen Angebote der A-Versicherung, das Image der A-Versicherung und in der Folge auch die Verkaufszahlen von Polizzen zu steigern und damit den Kreis der vom Bf. betreuten Kunden zu erweitern.
Das Verhältnis zwischen Versicherten/Kunden und (erfolgreichen) Kundenbetreuern war vom Vertrauen des jeweiligen Kunden in dessen Betreuer und in der Regel von gegenseitiger Wertschätzung der Vertragspartner zueinander geprägt, weil die Zukunft und die Wirkung von Handlungen des Versicherten nicht sicher vorhersehbar waren, weshalb es Aufgabe des Versicherungsangestellten war, mit geeigneten Methoden Transparenz über die Risikosituation im Bereich des Kunden zu schaffen (Risikocontrolling). Angesichts der Veränderung der Risiken im Zeitverlauf war eine kontinuierliche Überwachung der wesentlichen Risiken im Risikomanagement erforderlich, um Transparenz über die Risikosituation jedes einzelnen der vom Bf. betreuten Kunden zu gewährleisten. In der Versicherungsbranche war und ist es daher üblich, dass die Kontaktadressen (z.B. Telefon, E-Mail-Adresse, etc.) zwischen dem Kundenbetreuer und den Kunden ausgetauscht werden, weil die für den Bf. beim Dienstgeber eingerichtete Fernsprecheinrichtung samt E-Mailadresse dazu dient, dass die Kunden eine telefonische Verbindung mit dem Kundenbetreuer aufnehmen und Hilfe im Falle z.B. eines Betriebsunfalls oder einer Brandstiftung anfordern können. Mit dem elektronischen Zugriff auf jene Daten in der Freizeit, die dem Bf. Kenntnis über den Eingang von Kundenmails an die Bf.-Adresse bei der A-Versicherung verschaffen, ist es dem Kundenbetreuer in zeitlicher Nähe zur Anfrage eines (Stamm-)Kunden mittels Einsatz des privaten Mobilfunkgeräts vor allem möglich, dem Kunden Unsicherheit zu nehmen. Die  Nutzung des privaten Mobiltelefons des Bf. im Kundenverkehr war somit für die Kundenbindung und damit für die Erhöhung oder Stärkung der Loyalität der Kunden gegenüber der A-Versicherung unerlässlich.  

Mit der nachfolgenden Übersicht werden die Telefonkosten des Bf. für das Jahr 2017 aufgegliedert dargestellt:

Mangels Vorlage von Telefonkostenaufzeichnungen des Bf. war der berufliche Anteil im Schätzungsverfahren gemäß § 184 BAO zu ermitteln. Dabei war die Abgabenbehörde gemäß § 115 Abs. 1 und 3 BAO dazu verpflichtet, nicht nur den abgabepflichtigen Fall zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich waren, sondern hatte auch die Bf.-Angaben und amtsbekannte Umstände zugunsten des Bf. zu prüfen und zu würdigen. Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes fand gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. , 94/15/0181; ) allerdings dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur der Bf. Angaben zum Sachverhalt machen konnte.

Von den mehreren Kostenvarianten war die Variante "80% der Telefonkosten (705,53 €)" aufgrund der Aktenlage, insbesondere des Zeitungsartikels vom 00.00.201X und der Daten auf der Website des Bf. bei der A-Versicherung, als erwiesen anzunehmen, weil diese gegenüber den anderen Varianten  - Bf.-Erstvariante [60% der Kosten (374,30€), FA-Variante (20% der Kosten (124,80 €)] - eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich gehabt hatte und die beiden anderen Möglichkeiten mit Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen hatte.
Da von Seiten der Amtsvertretung zugestanden wurde, dass das Finanzamt die geschätzten Telefonkosten für einen im Außendienst tätigen Versicherungsmakler sehr niedrig angesetzt hatte, und daher eine Erhöhung des beruflich veranlassten Anteils durch das BFG dementsprechend akzeptiert werden würde, bestanden seitens des BFG keine Bedenken, dem Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung der Angaben des Bf. gemäß § 115 Abs. 1 und 3 BAO mit dem Ziel, die richtige (und nicht eine möglichst hohe) Abgabenbemessungsgrundlage zu ermitteln, zu folgen, womit ein beruflicher Anteil von 80% der Telefonkosten beim Bf. als den Lebenserfahrungen entsprechend anzuerkennen war. Die Telefonkosten waren sohin in Höhe von nunmehr 705,53 € als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 abzugsfähig. 

Mit der nachfolgenden Übersicht wird die Berechnung der Gesamteinkünfte für das Jahr 2017 dargestellt:


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Gesamtbetrag der Einkünfte alt:
27.870,54 €
+ Telefonkosten laut Bescheid
+ 124,80 €
Zwischensumme
27.995,34 €
- Telefonkosten laut Erkenntnis
- 705,53 €
Gesamtbetrag der Einkünfte NEU:
27.289,81 €

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. 

Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzungen im Beschwerdefall nicht vorliegen, weil lediglich ein der freien Beweiswürdigung unterliegender Sachverhalt zu beurteilen war, war auszusprechen, dass die Revision unzulässig ist.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde -  mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020). 

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Schätzung
Telefonkosten
Versicherungsangestellter
After Sales Management
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101552.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at