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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.04.2020, RV/5100396/2016

Zufluss von Entgelten bei Istbesteuerung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin MMag.Dr. Ingrid Fehrer in der Beschwerdesache Bf. OG, inXYZ, vertreten durch G.P.S.-TREUHAND Wirtschaftstreuhand GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, Flößerstraße 12, 4600 Thalheim bei Wels, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Grieskirchen Wels vom , betreffend Umsatzsteuer 2014, zu Recht erkannt: 

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

  • Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

  • Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht sieht auf Basis der vorgelegten Aktenteile nachstehenden Sachverhalt als erwiesen an:

Zur beschwerdeführenden Gesellschaft

Unternehmensgegenstand der mit Gesellschaftsvertrag vom in der Rechtsform einer Offenen Gesellschaft (OG) errichteten Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) ist laut Firmenbuch das Immobilientreuhandgewerbe.

Unbeschränkt haftende Gesellschafter sind Vorname1 ZZ und Vorname2 ZZ, welche die Bf. jeweils selbständig vertreten.

Am stellten die Gesellschafter einen Antrag an das Firmenbuchgericht auf Löschung der Bf. im Firmenbuch. Die Gesellschaft selbst würde keine Vermögenswerte mehr besitzen. Als Verwahrer der Bücher und Papiere wurde Vorname1 ZZ bestimmt. Die Löschung im Firmenbuch erfolgte am .

Die Bf. ermittelte ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 17 UStG 1994 (Istbesteuerung).

Zur Firma MM M GmbH

Die Firma MM M GmbH (in der Folge kurz: MM) wurde im Dezember 2012 errichtet. Im beschwerdegegenständlichen Zeitraum waren die Bf. sowie deren Gesellschafter Vorname1 und Vorname2 ZZ zu gleichen Teilen (zu je einem Drittel) Gesellschafter der MM. Die Bf. hatte ihren Geschäftsanteil im September 2013 von BB erworben. Geschäftszweck der MM war laut Firmenbuch das Baugewerbe. Mit der im Jänner 2013 erfolgten Abberufung des BB als Geschäftsführer wurde Vorname2 ZZ alleine vertretungsbefugt.

Auf Grund der vorliegenden Beteiligungsverhältnisse waren die Gesellschafter Vorname1 ZZ und Vorname2 ZZ mittelbar jeweils zu 50%, somit also keiner mehrheitlich, an der MM beteiligt.

Mit Beschluss vom eröffnete das Landesgericht Wels über das Vermögen der MM das Konkursverfahren auf Grund gegebener Zahlungsunfähigkeit. Am erfolgte nach der Schlussverteilung die Aufhebung des Konkurses und am die Löschung des Unternehmens im Firmenbuch gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit.

Die im Firmenbuch hinterlegten Jahresabschlüsse (eingereicht am und ) weisen folgende Zahlen auf:

Während für das Jahr 2013 auf Grund einer positiven Fortbestehensprognose - trotz negativen Eigenkapitals - noch keine Überschuldung gemäß § 225 Abs 1 UGB festgestellt wurde, wurde diese im vom Insolvenzverwalter unterzeichneten Jahresabschluss 2014 offengelegt und die Eröffnung des Konkursverfahrens angemerkt.

Die Feststellung der belangten Behörde, dass im Zeitraum, in dem die Verbindlichkeiten gegenüber der Bf. entstanden sind, andere Lieferverbindlichkeiten regelmäßig beglichen worden wären (siehe Aktenvermerk Betriebsprüfung vom ), steht in Widerspruch mit den Wahrnehmungen des Insolvenzverwalters.

Dieser stellte in seinem (dem Landesgericht vorgelegten) Bericht zur Berichtstagsatzung vom fest, dass sich das Unternehmen im Jahr 2013 zunächst positiv entwickelt hat. Der Vermögenverfall hat im Jänner 2014 auf Grund eines Zahlungsausfalles begonnen. Danach wurde nur mehr nach dem Loch-auf-Loch-zu Prinzip gewirtschaftet. Die Löhne der Arbeitnehmer wurden ab dem Frühjahr mit Verspätung von ein bis zwei Monaten bezahlt. Die Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse sowie die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse führten ab Februar bzw März 2014 monatlich Exekution gegen die MM. Der Rückstand bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse betrug am bereits rund 31.000 € und vergrößerte sich bis zur Konkurseröffnung kontinuierlich. Die Schuldnerin war ab nicht mehr in der Lage ihre fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Im Herbst 2014 wurden Rechnungen zweier großer von der MM durchgeführten Bauvorhaben nicht bezahlt. Ab Oktober 2014 konnten die Löhne der Arbeiter nicht mehr bezahlt werden. Bei der Eröffnung des Konkurses waren dreizehn Exekutionsverfahren anhängig.

Zur Leistungsbeziehung zwischen der MM und der beschwerdeführenden Gesellschaft

Im Zuge einer Umsatzsteuersonderprüfung stellte die belangte Behörde fest (Niederschrift vom ), dass die Bf. folgende Honorarnoten für allgemeine Bürotätigkeiten, Projektmanagement, etc. an die Firma MM gelegt hatte:

Die tatsächliche Leistungserbringung der Bf. an die MM steht nicht in Streit.

Die MM verbuchte diese Eingangsrechnungen auf ein der Bf. zuordenbares Verbindlichkeiten-Verrechnungskonto und machte die darin enthaltene Vorsteuer geltend. Eine Bezahlung dieser Rechnungen erfolgte nicht. Hinsichtlich deren Fälligkeit wurde ein Zahlungsziel innerhalb sieben Tage vermerkt. Die mit datierte Rechnung wurde daher erst im darauffolgenden Jahr fällig. Da die Bf. Istversteuerin war, wurden die Umsatzsteuerbeträge auch nicht abgeführt.

Der Bf. brachte vor (Beschwerde vom , Vorlageantrag vom ), dass der Gesellschafter Vorname1 ZZ die MM durch Gewährung von Darlehen finanziell unterstützt habe. Außerdem hätten die Gründungsgesellschafter zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit der MM vereinbart, dass Zahlungen auf von den Gesellschaftern an die MM allenfalls verrechneten Leistungen nicht erfolgen dürfen, solange nicht gewährleistet sei, dass die MM einen Gewinn erwirtschaftet bzw gesichert von einer Gewinnerzielung und ausreichender Liquidität ausgegangen werden könne. Weder aus dem vorliegenden Gesellschaftsvertrag noch aus den Gesellschafterbeschlüssen geht der Inhalt dieser Vereinbarung hervor, weshalb davon auszugehen ist, dass diese Absprachen mündlich erfolgt sind.

II. Streitpunkt

Mit dem angefochtenen Bescheid rechnete die belangte Behörde die der MM in Rechnung gestellten, aber noch nicht vereinnahmten Entgelte den Umsätzen der Bf. für das Jahr 2014 mit der Begründung hinzu, sie seien auf Grund ihrer beherrschenden Gesellschafterstellung bei der MM als zugeflossen anzusehen. Eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Leistungserbringung und der Fälligkeit der Forderungen nicht erkennbar gewesen.

III. Rechtliche Grundlagen

§ 17 UStG 1994 regelt die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Istbesteuerung).

Gemäß Absatz 6 dieser Bestimmung treten bei der Istbesteuerung an die Stelle der Entgelte für die ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen die vereinnahmten Entgelte.

Nach § 19 Abs 2 Z 1 lit b UStG 1994 entsteht die Steuerschuld in den Fällen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 17) mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (Istbesteuerung).

Lehre und Rechtsprechung führen dazu aus:

Solange für eine ausgeführte Leistung kein Entgelt vereinnahmt wurde, kann bei der Istbesteuerung auch keine Steuerschuld entstehen (). Damit ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen an die Vereinnahmung der Entgelte geknüpft. Der Zeitpunkt der Leistung oder der Zeitpunkt der Rechnungslegung sind dabei ohne Bedeutung. Umsatzsteuerlich ist maßgeblich, wann der Unternehmer die Verfügungsmacht über das Entgelt erlangt hat (Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar5, § 17 Tz. 27).

Der Begriff der Vereinnahmung ist im Umsatzsteuergesetz nicht definiert. Zu berücksichtigen ist, dass § 4 bei der Definition der Bemessungsgrundlage nicht auf die Situation des Unternehmers, sondern auf den Aufwand des Abnehmers abstellt. Aus § 19 folgt, dass der Unternehmer, der dem Ist-Prinzip unterliegt, diese Bemessungsgrundlage in dem Zeitpunkt zu versteuern hat, in dem ihm die Gegenleistung des Abnehmers zukommt (Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar5, § 17 Tz. 32).

Grundsätzlich entspricht die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten dem einkommensteuerlichen Prinzip der Besteuerung nach Maßgabe des Zuflusses. Judikatur und Lehre betreffend Zuflussprinzip sind daher auf die Umsatzsteuer übertragbar. Demnach liegt Vereinnahmung in dem Zeitpunkt vor, in dem der Unternehmer über den Wert der Gegenleistung rechtlich und wirtschaftlich verfügen kann. Ausreichend ist das Vorliegen der objektiven Umstände, subjektive Kenntnis von der Erlangung der Verfügungsmacht ist nicht erforderlich (Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar5, § 17 Tz. 33; Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON3.00 § 17).

Zur Einkommensteuer (§ 19 EStG 1988) wird in Rechtsprechung und Lehre ausgeführt, dass von einem steuerlich beachtlichen Zufluss nur dann gesprochen werden kann, wenn der Empfänger tatsächlich und rechtlich über die Einnahme verfügen kann. Dazu reicht eine Gutschrift auf einem Konto, über das der Steuerpflichtige verfügungsberechtigt ist (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 19 Tz 12). Eine Gutschrift in den Büchern des Schuldners bedeutet bei diesem immer dann ein Abfließen, wenn die Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung darstellt, sondern darüber hinaus zum Ausdruck kommt, dass der Betrag von nun an dem Berechtigten (und nicht mehr dem Verpflichteten) zur tatsächlichen Verfügung steht ().

Da sich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet, kann das Zufließen grundsätzlich nicht fingiert werden. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung hiervon allerdings bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft. Bei diesen wird angenommen, dass sie über eine von der Gesellschaft geschuldete Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen können und ihnen damit entsprechende Einnahmen zugeflossen sind. Gerechtfertigt wird dies damit, dass es der beherrschende Gesellschafter in der Hand habe, solche Beträge stehen oder sich auszahlen zu lassen (BFH , VI R 24/12).

Bei einem Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, die sein Schuldner ist, ist ein Zufluss daher grundsätzlich anzunehmen, sobald die Forderung fällig ist, vorausgesetzt, dass die Gesellschaft nicht zahlungsunfähig ist. Bei nicht wesentlich beteiligten Geschäftsführern bewirkt die bloße Aufwandsbuchung durch die GmbH noch keinen Zufluss (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 19 Tz 12; ; , 2010/15/0061). Diese Sicht gebietet der beherrschende Einfluss des Mehrheitsgesellschafters einer GmbH, weil die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer gegenüber weisungsbefugt ist. Andernfalls hätte es der Mehrheitsgesellschafter, der auch Gläubiger der Gesellschaft ist, in der Hand, den Gewinn der Gesellschaft zu kürzen, ohne die entsprechenden Beträge selbst versteuern zu müssen. Zu diesem Ergebnis führt auch die notwendige Gleichbehandlung mit Verhältnissen eines Steuerpflichtigen, dem ein für ihn fremder Gläubiger gegenübersteht. Einem solchen gegenüber wird der Abgabenpflichtige in der Regel auf der Einräumung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die ihm zustehenden Beträge bestehen (; , 93/14/0155).

Im Fall von Geschäftsführerbezügen hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt (, 2012/15/0143), dass das Vorliegen eines beherrschenden Einflusses des Gesellschafter-Geschäftsführers auf die Gesellschaft über die Gesellschafterversammlung und damit ein besonderes Naheverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner entscheidend für die Annahme eines Zuflusses von Gesellschafter-Geschäftsführerbezügen bereits mit deren Fälligkeit ist. Aus welchen Umständen sich ein solcher beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft ergibt, ist dagegen nicht wesentlich. Die vom Verwaltungsgerichtshof angestellten Überlegungen zum Mehrheitsgesellschafter sind daher auch auf andere Konstellationen beherrschenden Einflusses übertragbar. Vor diesem Hintergrund ist der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits von der Einbeziehung mittelbarer Beteiligungen zur Beurteilung eines beherrschenden Einflusses und damit einer tatsächlichen Verfügungsmacht eines Gesellschafters und Gläubigers ausgegangen. Ob ein zuflussbegründender beherrschender Einfluss eines Gesellschafters und Gläubigers auf seine Gesellschaft vorliegt, ist letztlich eine Tatfrage, die in freier Beweiswürdigung festzustellen ist.

Zahlungsunfähigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn der Schuldner objektiv generell mangels bereiter Mittel nicht nur vorübergehend außerstande ist, fällige Geldschulden regelmäßig zu erfüllen. Sie ist gegeben, wenn der Schuldner mangels flüssiger Mittel dauernd unfähig ist, binnen angemessener Frist alle seine fälligen Schulden zur Gänze oder zumindest im Wesentlichen zu begleichen. Zahlungsunfähigkeit setzt ein dauerndes Nichtzahlenkönnen voraus, während eine bloße Zahlungsstockung im Allgemeinen dann anzunehmen ist, wenn lediglich vorübergehend und kurzzeitig ein Mangel an Zahlungsmittel besteht, der durch alsbaldige Mittelbeschaffung (wie etwa durch kurzfristig mögliche Verwertung vorhandener Aktiva oder Aufnahme eines Überbrückungskredites) wieder behebbar ist (, 95/14/0014; , 89/13/0252). Für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit ist auch von Bedeutung, ob der Kapitalgesellschaft, sollte sie im gegebenen Zeitpunkt nicht über genügend bare Mittel verfügen oder nicht in der Lage sein, sich durch Vermögensumschichtungen Barmittel zu verschaffen, die Kreditwürdigkeit zur Aufnahme von Fremdmitteln zukommt (; , 2007/14/0002; , 95/14/0014; , 95/13/0246).

IV. Erwägungen

Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen, stellt sich zunächst die Frage, ob unternehmensrechtlich und tatsächlich eine Einflussnahme auf Grund der Beteiligungsverhältnisse vorgelegen ist. In einem weiteren Schritt ist festzustellen, ob eine Zahlungsunfähigkeit der MM gegeben war.

Zur Frage der Einflussnahme der Bf. auf die Geschäftsgebarung der MM

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist unternehmensrechtlich eine rechtsfähige Personengesellschaft mit zwei unbeschränkt haftenden Gesellschaftern, die die Bf. jeweils einzeln vertreten. Sie ist eine Offene Gesellschaft (OG) und als solche Inhaberin des Gesellschaftsvermögens, somit also auch der Forderungen gegenüber der MM. Als solche wird sie grundsätzlich ein wirtschaftliches Interesse daran gehabt haben, die Forderungen (die Entgelte) zum Fälligkeitszeitpunkt zu realisieren.

Auf Grund der Gesamthandschaft wird die OG durch ihre Gesellschafter konstituiert und ist geprägt vom Prinzip der Selbstorganschaft und der damit einhergehenden persönlichen Einbindung der Gesellschafter in die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft (Karollus/Huemer/Harrer, Casebook Handels- und Gsellschaftsrecht4, 157). Trotz ihrer Rechtsfähigkeit war die beschwerdeführende Gesellschaft somit ausschließlich durch ihre Gesellschafter Vorname1 ZZ und Vorname2 ZZ handlungsfähig. Sie waren alleinige Entscheidungsträger der Bf.

Die Bf. war zu einem Drittel an der MM beteiligt. Auf Grund der Beteiligungsverhältnisse bei der Bf. (Vorname1 und Vorname2 ZZ als unbeschränkt haftende Gesellschafter) und der MM (Vorname1 ZZ, Vorname2 ZZ und Bf. je zu einem Drittel) ergibt sich eine mittelbare Beteiligung des Vorname1 ZZ und des Vorname2 ZZ von jeweils 50%. Folglich war kein Gesellschafter mehrheitlich und damit auch nicht beherrschend an der MM beteiligt.

Der Geschäftsführer einer GmbH obliegt die gesamte operative Geschäftsführung, unterliegt jedoch den Weisungen der Gesellschafter. Die Generalversammlung hat jederzeit die Möglichkeit, eine Entscheidung an sich zu ziehen und dem Geschäftsführer ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben.

Die Generalversammlung der MM wurde ausschließlich durch die Personen Vorname1 und Vorname2 ZZ getragen. Laut Gesellschaftsvertrag vom waren alle Beschlüsse, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nicht ein höheres Beschlusserfordernis vorsehen (was im konkreten Fall nicht gegeben war), mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen. Eine Beschlussfassung bei der Generalversammlung und eine Weisung an den Geschäftsführer der MM, Vorname2 ZZ, die Auszahlungen an die Bf. frei zu geben oder diese zu verzögern, wären also nur dann zustande gekommen, wenn beide Gesellschafter zugestimmt hätten.

Da allerdings beide Personen auch Gesellschafter des leistenden Unternehmens waren, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung, die Zahlungen aufzuschieben, einstimmig gefallen ist. Dafür sprechen auch die Aussagen in der Beschwerde bzw im Vorlageantrag, wonach die Gesellschafter der MM (und damit auch die Gesellschafter der Bf.) übereinkamen, dass Zahlungen auf von der Bf. an die MM verrechneten Leistungen erst geleistet werden dürfen, wenn das Unternehmen Gewinne schreiben und ausreichende Liquidität haben würde. Vorname2 als mit dem zweifelsfrei vorliegenden Naheverhältnis lässt sich diese Vorgangsweise nicht erklären. Immerhin war mit dieser Entscheidung auch die wirtschaftliche Existenz der Bf. verbunden.

Wie bereits unter Punkt III dargelegt, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass es nicht wesentlich sei, aus welchen Umständen sich ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft ergibt und daher die von ihm angestellten Überlegungen zum Mehrheitsgesellschafter auch auf andere Konstellationen beherrschenden Einflusses übertragbar wären. In diese Richtung deutet auch die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtshofes vom , VI R 24/12, wonach auch ein Gesellschafter, der nicht mehr als 50% der Gesellschaftsanteile hält, einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt werden kann, wenn er mit anderen gleichgerichtete materielle d.h. finanzielle Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirkt, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen.

Unter diesem Gesichtspunkt kann daher im Beschwerdefall davon ausgegangen werden, dass die Zahlungen auf Grund des besonderen Naheverhältnisses zwischen Gläubiger und Schuldner nicht geleistet wurden, obwohl es rechtlich möglich gewesen wäre.

Zur Frage der finanziellen Lage der MM

Fraglich ist weiters, ob eine Leistung des Entgelts tatsächlich möglich gewesen wäre. Die tatsächliche Verfügungsmacht der Bf. über die fällig gewordenen Beträge ist nämlich nur dann nicht anzunehmen, wenn die MM zahlungsunfähig gewesen ist ().

Die gegenständlichen Rechnungen der Bf. wurden am , , sowie am gelegt. Die Honorarnoten weisen den Fälligkeitsvermerk „Zahlungsbedingungen: 7 Tage netto“ auf und waren somit mit Ausnahme der letzten Rechnung im beschwerdegegenständlichen Jahr fällig geworden.

Dem Einwand der belangten Behörde, eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Leistungserbringung und der Fälligkeit der Forderungen nicht erkennbar gewesen, ist der Bericht des Masseverwalters vom entgegen zu halten, worin die zweifelsfrei bestehenden massiven Zahlungsschwierigkeiten der MM und deren Ursachen beschrieben werden.

Demnach hatte der Vermögenverfall bereits im Jänner 2014 auf Grund eines Zahlungsausfalles begonnen. Danach wurde nur mehr nach dem Loch-auf-Loch-zu Prinzip gewirtschaftet. Die Löhne der Arbeitnehmer wurden ab dem Frühjahr 2014 mit Verspätung von ein bis zwei Monaten bezahlt. Die Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse sowie die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse führten seit Februar bzw März 2014 monatlich Exekution gegen die MM. Der Rückstand bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse betrug am bereits rund 31.000 € und vergrößerte sich bis zur Konkurseröffnung kontinuierlich. Die Schuldnerin war ab nicht mehr in der Lage ihre fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Im Herbst 2014 wurden Rechnungen zweier großer von der MM durchgeführten Bauvorhaben nicht bezahlt. Ab Oktober 2014 konnten die Löhne der Arbeiter nicht mehr bezahlt werden. Bei der Eröffnung des Konkurses waren dreizehn Exekutionsverfahren anhängig.

Dass die MM unter diesen Umständen nicht mehr kreditwürdig war und eine weitere Fremdfinanzierung scheiterte, liegt auf der Hand. So wird im Vorlageantrag vom glaubhaft dargelegt, dass eine Aufstockung der Fremdfinanzierung nicht möglich gewesen und von der Hausbank bereits im Jahr 2013 abgelehnt worden war. In Anbetracht der Bilanzzahlen (siehe Pkt. I) erscheint die Haltung der Bank durchaus verständlich. Im beschwerdegegenständlichen Jahr erhöhte sich das negative Eigenkapital von rund 45.000 € auf rund 819.000 € und der Bilanzverlust von rund 80.900 € auf rund 775.000 €. Dabei beliefen sich die Verbindlichkeit auf fast eine Million Euro. Dem standen lediglich Aktiva (Anlage- und Umlaufvermögen) in Höhe von rund 172.000 € gegenüber.

Diese Zahlen sowie die Analyse des Masseverwalters zeigen somit klar und deutlich, dass die faktische Unmöglichkeit Zahlungen zu leisten bereits vor der formellen Insolvenz eingetreten ist. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass teilweise Verbindlichkeiten beglichen wurden. So normiert § 66 Abs 3 Insolvenzordnung (IO), dass der Umstand, dass der Schuldner Forderungen einzelner Gläubiger ganz oder teilweise befriedigt hat oder noch befriedigen kann, für sich allein nicht die Annahme begründet, dass er zahlungsfähig ist.

Dem Beschwerdebegehren war somit Folge zu geben und die Besteuerungsgrundlage wie folgt zu ändern:

Insgesamt war spruchgemäß zu entscheiden.

V. Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis weicht hinsichtlich der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit der MM und des Nichtzufließens der Entgelte an die Bf. nicht von der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes ab, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde -  mit zu laufen (§ 6 Abs 2 iVm § 1 Abs 1 Art 16 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I Nr 16/2020).

Linz, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100396.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at