Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 05.01.2011, RV/0149-F/08

Haftung eines Geschäftsführers einer GmbH für unrichtig (zu niedrig) berechnete Selbstbemessungsabgaben

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., I., D., vertreten durch Jenewein Waldner & Partner, Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH & Co KEG, 6020 Innsbruck, Franz Fischer Straße 7, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (in der Folge kurz: Bw.) war seit Geschäftsführer der Fa. "E.P. GmbH", über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Ik. vom das Konkursverfahren eröffnet und nach Verteilung des Massevermögens (Konkursquote 2,74%) am aufgehoben wurde.

In einem Vorhalt vom wurde der Bw. vom Finanzamt auf die beabsichtigte Geltendmachung der Vertreterhaftung für Abgabenschulden der Primärschuldnerin hingewiesen. Dem Bw. wurde im Wesentlichen mitgeteilt, bei der Primärschuldnerin aushaftende Abgabenbeträge im Ausmaß von insgesamt 1.262,94 € (Dienstgeberbeitrag 1998 in Höhe von 1.084,82 € und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag in Höhe von 178,12 €, jeweils nach erfolgten Abzug der Konkursquote) seien im Hinblick auf das abgeschlossene Konkursverfahren zweifelsfrei uneinbringlich. Da die genannten Selbstbemessungsabgaben während aufrechter Geschäftsführerfunktion des Bw. fällig geworden seien, wäre der Bw. für deren Entrichtung verantwortlich gewesen. Sollte die Primärschuldnerin zu den jeweiligen Fälligkeitstagen nicht über ausreichende Mittel zur gänzlichen Tilgung der betreffenden Abgaben verfügt haben, sei dieser Umstand durch Auflistung aller Gläubiger, deren Forderungen zeitgleich oder früher als die angeführten Abgaben fällig geworden seien, nachzuweisen. Den einzelnen Verbindlichkeiten seien sämtliche darauf geleisteten Zahlungen (Quoten) gegenüberzustellen und es seien alle verfügbaren liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzuführen. Im Falle der Nichterbringung dieser Nachweise sei von einer schuldhaften, für den Abgabenausfall kausalen Pflichtverletzung auszugehen, die die Abgabenbehörde im Rahmen des Ermessens berechtige, den Bw. zur Haftung für die uneinbringlichen Abgaben heranzuziehen. Sofern nachvollziehbar belegt werde, in welchem Ausmaß der Abgabengläubiger benachteiligt worden wäre, wäre eine Haftung lediglich im Ausmaß der Ungleichbehandlung auszusprechen.

Im Antwortschreiben wurde seitens der steuerlichen Vertretung des Bw. mitgeteilt, der Dienstgeberbeitrag 1998 in Höhe von 1.084,82 € sowie der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1998 in Höhe von 178,12 € seien erst anlässlich einer nach der am erfolgten Konkurseröffnung durchgeführten Lohnsteuerprüfung (Prüfungszeitraum - ) festgestellt worden und mit Datum dem FA-Konto angelastet worden. Gegenstand der erwähnten Beiträge seien die Geschäftsführerbezüge des Bw. gewesen, der zugleich 50%iger Gesellschafter der Primärschuldnerin gewesen sei, sowie die Bezüge des ehemaligen Gesellschaftergeschäftsführers R.R..

Der Lohnsteuerprüfer habe auf der Beilage zum Lohnsteuerprüfungsbericht vom vermerkt, dass die Geschäftsführerbezüge des Bw. nicht besteuert worden seien. Der Prüfer sei davon ausgegangen, dass für den Bw., der wie erwähnt, 50%iger Gesellschafter-Geschäftsführer gewesen sei, eine Beitragspflicht bestanden habe, was seinerzeit auf Grund der damaligen Rechtslage keinesfalls klar gewesen sei. Der Bw., der als freier Dienstnehmer für das Unternehmen tätig gewesen sei und sich vertreten habe lassen können, habe daher für die nachversteuerten Zeiträume davon ausgehen können, dass für ihn weder ein Dienstgeberbeitrag noch ein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten seien. Diese durchaus vertretbare Rechtsansicht des Bw. habe erst durch das Erkenntnis des , zu einer anderslautenden Beurteilung geführt, weshalb dem Bw. diesbezüglich kein Verschulden angelastet werden und er daher auch nicht zur Haftung herangezogen werden könne (siehe dazu Werner Sedlacek, Keine Dienstgeberbeitrags- und Kommunalsteuerpflicht bei "Weisungsbindung" in SWK 2005, 249ff). Nach Auffassung der steuerlichen Vertretung des Bw. sei daher die für das Jahr 1999 erfolgte Nachversteuerung rechtswidrig gewesen, da rückwirkend zum Nachteil des Unternehmers von einer vertretbaren Rechtsansicht abgegangen worden sei. Allerdings habe der Masseverwalter dagegen kein Rechtsmittel eingebracht. Da somit der Bw. bis zum Zeitpunkt der Lohnsteuerprüfung von keiner bestehenden Abgabenpflicht ausgehen konnte, hätten insofern bis zur Konkurseröffnung auch keine Verbindlichkeiten bestanden, weshalb sich die Frage nach vorhandenen Mitteln und der Gläubigergleichbehandlung nicht stelle.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Bw. für die im Vorhalt vom angeführten Abgaben in Höhe von insgesamt 1.262,94 € in Anspruch. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bw. sei als Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Hinblick auf die Bestimmung des § 80 Abs. 1 BAO verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass die Abgaben dieser Gesellschaft entrichtet würden. Bei der gegebenen Aktenlage müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Bw. diese gesetzliche Verpflichtung schuldhaft verletzt habe (s.a. ).

Die Abgabenschuld sei bei der Primärschuldnerin uneinbringlich. Auch sei der Bw. mit Schreiben vom , zugestellt am , seitens des Finanzamtes über die qualifizierte Mitwirkungspflicht im Abgabenverfahren aufgeklärt und zur Beibringung der erforderlichen Unterlagen aufgefordert worden. Im Antwortschreiben sei seitens der steuerlichen Vertretung des Bw. erklärt worden, die im Jahr 1999 erfolgte Nachversteuerung des Dienstgeberbeitrages 1998 sowie des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag 1998 sei rechtswidrig. Dazu sei festzustellen, dass - sofern dem Haftungsbescheid ausnahmslos Abgaben bzw. Nebengebühren zu Grunde lägen, die der Primärschuldnerin bescheidmäßig vorgeschrieben und dieser rechtswirksam zugestellt worden seien - die Behörde bei der Entscheidung über die Haftungsinanspruchnahme grundsätzlich an diese Entscheidung gebunden sei. Im Haftungsverfahren fände somit keine Auseinandersetzung mit dem Entstehen der Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin, für die der Bw. als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen worden sei, statt. Da gegenständlich somit die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme gegeben seien, läge diese im Ermessen der Abgabenbehörde. Verwiesen werde auf § 248 BAO, wonach der Haftungspflichtige unbeschadet einer Berufung gegen die Haftungsinanspruchnahme innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid (§ 224 Abs. 1 BAO) offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen könne.

Nach einer gewährten Fristverlängerung bis zum wurde fristgerecht am sowohl gegen den Haftungsbescheid vom als auch gegen den Abgabenbescheid vom Berufung eingebracht und die Aufhebung dieser Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt. In der Begründung wurde in Bezug auf den Haftungsbescheid sinngemäß bemängelt, dass das Ermessen weder begründet noch eine Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände erfolgt sei. Der angefochtene Bescheid sei daher mit einem Begründungsmangel behaftet, weshalb bei nicht vollinhaltlicher Stattgabe der Berufung eine entsprechende Ergänzung der Begründung beantragt werde. In diesem Zusammenhang sei überdies anzumerken, dass die finanzielle Lage des Bw. sehr angespannt sei, sodass eine Haftungsinanspruchnahme eine Unbilligkeit darstellen würde. Abgesehen davon sei bereits in der Stellungnahme vom dargelegt worden, dass der Bw. keine gesetzliche Verpflichtung verletzt habe und ihm nicht einmal Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Denn einer durch eine geänderte Verwaltungsübung bzw. Rechtssprechung nach Konkurseröffnung über das Vermögen der Primärschuldnerin erfolgten Vorschreibung von Dienstgeberbeiträgen sowie Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag wäre vom Bw. mangels Verbindlichkeit nicht nachzukommen gewesen. Aus den Akten sei ersichtlich, dass der Bw. seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Finanzbehörde immer erfüllt habe und zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am auf dem Abgabenkonto sogar ein Guthaben in Höhe von 185.090,00 S (13.451,01 €) bestanden habe, das zur Abdeckung der nunmehr eingeforderten Abgaben ausgereicht hätte. Abgesehen davon, hätte die Behörde die nach erfolgter Konkurseröffnung () am getätigte Rückzahlung von 195.090,00 S (14.177,74 €) zur Sicherstellung einbehalten können. Wenn die Behörde schon übersehen habe, die entsprechenden Beträge zu kompensieren, dann erscheine es mehr als merkwürdig, sich nunmehr das Geld vom unschuldigen Geschäftsführer holen zu wollen.

Die Berufung gegen den Abgabenbescheid vom wurde damit begründet, dass - wie bereits in der Stellungnahme vom unter Verweis auf einen Artikel in der SWK dargelegt worden sei - für die in den Jahren 1996 und den Folgejahren an als freie Dienstnehmer tätige Geschäftsführer ausbezahlten Geschäftsführerbezüge zum damaligen Zeitpunkt weder Dienstgeberbeiträge noch Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten gewesen seien. Daher seien auch im Rahmen der Lohnverrechnung keine diesbezüglichen Abgaben berechnet worden.

Würde jedoch - entgegen der dargelegten Rechtsmeinung - eine Pflicht zur Entrichtung von Dienstgeberbeiträgen bzw. Zuschlägen zu Dienstgeberbeiträgen bestanden haben, so sei zu beachten, dass diese Abgaben für die Jahre 1996 und 1997 dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin gar nicht angelastet worden seien. Denn vorgeschrieben worden sei ein als "Beiträge 1998" bezeichneter Gesamtbetrag, der die Nachzahlungen für die Jahre 1996 bis 1998 umfasst habe. Die Verbuchung sei erst nach Konkurseröffnung auf dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin in Form einer "Festsetzung Dienstgeberbeitrag 1998" in Höhe von 20.587,00 S (1.496,12 €) bzw. "Festsetzung Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1998" in Höhe von 2.451,00 S (178,12 €) erfolgt. Es sei aber unstrittig, dass der Dienstgeberbeitrag 1998 laut Abgabenprüfung lediglich 8.325,00 S (605,00 €) und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1998 nur 980,00 S (71,22 €) betragen würden. Wie der VwGH bereits entschieden habe, sei die zusammengesetzte Festsetzung eines Betrages für mehrere Jahre unzulässig, vielmehr müssten die einzelnen Jahre getrennt festgestellt werden. Somit sei für die Jahre 1996 und 1997 keine Festsetzung erfolgt und die Abgabenansprüche seien daher verjährt. Auch aus diesem Grund sei die Haftungsinanspruchnahme rechtswidrig. Die unter dem Titel "Haftung für Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1998" angeführten Beträge in Höhe von 1.084,82 € bzw. 178,12 € seien somit unrichtig, da die Behörde sich in diesem Zusammenhang auf die rechtswidrig und in falscher Höhe festgesetzten Abgaben 1998 beziehe.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung unter Zitierung der für die Rechtmäßigkeit einer Haftungsinanspruchnahme maßgeblichen Judikatur im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Der Bw. sei bereits in der Begründung des Haftungsbescheides darauf hingewiesen worden, dass im Haftungsverfahren eine Auseinandersetzung mit der Rechtmäßigkeit des Abgabenanspruches nicht stattfände. Über die gemeinsam mit der Berufung gegen den Haftungsbescheid eingebrachte Berufung gemäß § 248 BAO würde in einem gesonderten Verfahren entschieden.

Richtig sei, dass zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung ein Guthaben auf dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin bestanden habe, welches am zurückgezahlt worden sei. Der entsprechende Antrag sei bei der Abgabenbehörde am eingelangt. Die Festsetzung der haftungsgegenständlichen Abgaben sei nach Abschluss der aus Anlass der Konkurseröffnung durchgeführten abgabenrechtlichen Prüfung am erfolgt. Der Antrag auf Rückzahlung sei ein Anbringen im Sinne des § 85 BAO, über welches die Abgabenbehörde ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden habe. Zum Zeitpunkt der Rückzahlung habe die Abgabenbehörde von den haftungsgegenständlichen Abgaben keine Kenntnis gehabt, weshalb keine Veranlassung bestanden habe, den Rückzahlungsantrag nicht zu erledigen.

Hinsichtlich der behaupteten mangelnden schuldhaften Pflichtverletzung habe der Bw. keinerlei Nachweise vorgelegt. Nach ständiger Rechtsprechung habe jedoch der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen wäre, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen würde (Ritz, BAO³, § 9 Tz 22). Bei einer solchen Pflichtverletzung verdränge der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, allfällige Einzelinteressen. Persönliche Verhältnisse, wie die vom Bw. eingewandte angespannte finanzielle Situation seien im Rahmen der Ermessensübung bei Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ().

Zu dem Berufungsvorbringen der Unzulässigkeit der zusammengefassten Festsetzung von Abgaben für mehrere Jahre bzw. der Unrichtigkeit der im Haftungsbescheid unter den Titeln "Dienstgeberbeitrag 1998" und "Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1998" angeführten Beträge werde darauf hingewiesen, dass gemäß § 201 BAO in der für 1999 geltenden Fassung die Festsetzung mehrerer Abgaben innerhalb derselben Abgabenart in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen konnte und zwar ohne Einschränkung auf ein Kalenderjahr, wie dies in der geltenden Fassung dieses Paragraphen vorgesehen sei. Bei sinngemäßer Anwendung gemäß § 202 BAO bedeute dies, dass die Zusammenfassung mehrerer Abgaben derselben Abgabenart auch in einem Haftungsbescheid - wie dem Haftungs- und Zahlungsbescheid, mit welchem der Dienstgeberbeitrag 1998 sowie der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 1998 festgesetzt worden seien - zulässig gewesen sei. Die im Haftungsbescheid gemäß § 9 BAO angeführten Beträge seien somit korrekt.

Innerhalb offener Frist wurde ein Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz sowie auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gestellt. Seitens der steuerlichen Vertretung des Bw. wurde unter Bezugnahme auf das Vorbringen im Berufungsschriftsatz nochmals dargetan, dass den Bw. hinsichtlich der Nachbelastung der Lohnabgaben für die Gesellschafter-Geschäftsführer kein Verschulden treffe, da der Bw. sich bezüglich der abgabenrechtlichen Behandlung der in den Jahren 1996 bis 1998 zugeflossenen Geschäftsführerbezüge auf die Richtigkeit der Rechtsauskunft seines Steuerberaters verlassen habe (Ritz, BAO³, § 9 Tz 19). Des weiteren sei die bereits im Berufungsschriftsatz urgierte Begründung für die Ermessensentscheidung auch aus der vorliegenden Berufungsvorentscheidung nicht zu entnehmen. Der bloße Hinweis, die angespannte finanzielle Situation sei nicht zu berücksichtigen, könne nicht als ausreichend angesehen werden.

Mit dem elektronisch eingebrachten Schreiben vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zurückgezogen.

Über die Berufung wurde erwogen:

In Streit steht die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO.

§ 9 Abs. 1 BAO legt fest, dass die in den §§ 80 ff. leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit haften, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80 Abs. 1 BAO bestimmt unter anderem, dass die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen haben, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und befugt sind, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Im Berufungsfall ist die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen bei der Primärschuldnerin unbestritten, zumal mit Beschluss des Landesgerichtes Ik. vom das Konkursverfahren nach Verteilung des Massevermögens (Konkursquote 2,74%) aufgehoben wurde. Der Bw. bestreitet auch nicht, dass er seit bis zur Konkurseröffnung selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Primärschuldnerin und in diesem Zeitraum für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten allein verantwortlich war. Einwendungen wurden jedoch gegen das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bw. sowie gegen das ausgeübte Ermessen erhoben. Zudem erachtet der Bw. die Bescheide, mit denen die in Haftung gezogenen Abgaben festgesetzt wurden, deshalb als unwirksam, weil die Festsetzung in einem Bescheid für mehrere Jahre zusammengefasst erfolgte.

Der Bw. hat das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung mit der Begründung in Abrede gestellt, er habe sich bezüglich der abgabenrechtlichen Behandlung der in den Jahren 1996 bis 1998 zugeflossenen Geschäftsführerbezüge auf die Richtigkeit der Rechtsauskunft seines Steuerberaters verlassen. Dieser sei zum Zeitpunkt der Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Lohnabgaben () der vertretbaren Rechtsansicht gewesen, dass für einen 50%igen Gesellschafter-Geschäftsführer, der als freier Dienstnehmer für die Gesellschaft tätig sei und sich somit vertreten lassen könne, kein Dienstgeberbeitrag bzw. kein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten sei. Bis zum Zeitpunkt der die Zeiträume bis umfassenden Lohnsteuerprüfung, die erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin stattgefunden habe, habe der Bw. daher von keiner bestehenden Abgabenpflicht ausgehen können.

Dem Bw. ist zuzustimmen, dass das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht die Annahme eines Verschuldens ausschließen kann (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³, § 9 E 103b; ; ). Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob das Vorbringen des Bw. - zum Zeitpunkt der Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Lohnabgaben hätten auf Grund gesellschaftsrechtlicher Beziehung weisungsungebundene Gesellschafter-Geschäftsführer bei Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses laut Judikatur des VwGH keinen Dienstgeberbeitrag zu entrichten gehabt - als zutreffend zu erachten ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen. Abs. 2 leg. cit. in der für die relevanten Jahre (1996 bis 1999) anzuwendenden Fassung des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818/1993, bestimmt, dass Dienstnehmer unter anderem an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen iSd § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 sind.

Die Bestimmung des § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988, auf welche in § 41 Abs. 2 FLAG verwiesen wird, hat folgenden Wortlaut: Unter Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit fallen die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mehr als 25% beträgt. Die Beteiligung durch Vermittlung eines Treuhänders oder einer Gesellschaft steht einer unmittelbaren Beteiligung gleich. Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit sind auch die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die für eine ehemalige Tätigkeit einer Person gewährt werden, die in einem Zeitraum von zehn Jahren vor Beendigung ihrer Tätigkeit durch mehr als die Hälfte des Zeitraumes ihrer Tätigkeit wesentlich beteiligt war. Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit sind weiters Zuwendungen von Privatstiftungen im Sinne des § 4 Abs. 11, soweit sie als Bezüge und Vorteile aus einer bestehenden oder früheren Beschäftigung (Tätigkeit) anzusehen sind.

In seinem Erkenntnis vom , 2003/13/0018 (verstärkter Senat) hat der VwGH zum Ausdruck gebracht, dass der Tatbestand des § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 dann erfüllt und damit die Pflicht zur Entrichtung eines Dienstgeberbeitrages zu bejahen ist, wenn ein auf Grund seiner gesellschaftsrechtlichen Beziehung weisungsungebundener Gesellschafter-Geschäftsführer klar erkennbar in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft eingebunden ist. Von Letzterem ist bei jeder auf Dauer angelegten kontinuierlichen Tätigkeit entweder in der Geschäftsführung oder im operativen Bereich der Gesellschaft auszugehen.

Der VwGH hat allerdings bereits in seinen früheren Judikaten (z.B. , ; , ; ) aufgezeigt, dass verschiedene Merkmale eines Dienstverhältnisses, die im Zusammenhang mit einer weisungsgebundenen Tätigkeit Indizien für ein Dienstverhältnis wären, im Falle der - auf die gesellschaftsrechtliche Beziehung zurückzuführenden - Weisungsungebundenheit ihre Unterscheidungskraft verlieren und daher für die Lösung der Frage, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die sonstigen Merkmale eines Dienstverhältnisses im Vordergrund stehen, nicht brauchbar sind. Zu den Merkmalen, die in diesem Sinn vor dem Hintergrund der Weisungsungebundenheit ihre Indizwirkung verlieren, gehören nach der obig zitierten Rechtsprechung unter anderem die Folgenden: Unterworfensein unter betriebliche Ordnungsvorschriften über Arbeitszeit, Arbeitsort und "Arbeitsverhalten", Befugnis, sich in der Tätigkeit durch wen auch immer vertreten zu lassen, Unterliegen einer betrieblichen Kontrolle und Disziplinierung, Anspruch auf Mindestentlohnung nach dem Kollektivvertrag, Ansprüche auf Sonderzahlungen und auf Abfertigung, Anspruch auf Urlaub, Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf Arbeitslosenversicherung, auf Vorrechte im Konkurs des Arbeitgebers und auf Insolvenz-Ausfallgeld, Schutz nach dem Arbeitsverfassungsrecht sowie Begünstigung nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz. Unmaßgeblich sei zudem auch die zivilrechtliche Gestaltung der Leistungsbeziehung zwischen dem wesentlich Beteiligten und der Gesellschaft. Zusammenfassend stellte somit nach der Rechtsprechung des VwGH vor dem Erkenntnis vom , 2003/13/0018, das in § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 normierte Vorliegen der sonstigen Merkmale eines Dienstverhältnisses abgesehen vom hinzuzudenkenden Merkmal der Weisungsgebundenheit vor allem auf folgende Kriterien ab: die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Kapitalgesellschaft, das Fehlen des Unternehmerwagnisses und die laufende (wenn auch nicht notwendig monatliche) Entlohnung.

Seitens des Bw. wurde zudem zur Untermauerung seines Standpunktes - zum Zeitpunkt der Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Lohnabgaben hätten auf Grund gesellschaftsrechtlicher Beziehung weisungsungebundene Gesellschafter-Geschäftsführer bei Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses keinen Dienstgeberbeitrag zu entrichten gehabt - auf einen Aufsatz von Sedlacek (Werner Sedlacek, Keine Dienstgeberbeitrags- und Kommunalsteuerpflicht bei "Weisungsbindung" in SWK 2005, 249ff) verwiesen. Gegenstand des zitierten Aufsatzes war die steuerliche Zuordnung der Einkünfte wesentlich beteiligter Geschäftsführer, wenn aufgrund der Beteiligung (höher als 25%, jedoch niedriger als 50%, keine Sperrminorität) Weisungsbindung besteht, nicht jedoch nach den im Anstellungsvertrag getroffenen Vereinbarungen und den diesen Vereinbarungen entsprechenden tatsächlichen Verhältnissen (freier Dienstvertrag). Bei Vorliegen eines solchen Sachverhaltes kommt nach Rechtsauffassung von Sedlacek § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 nicht zur Anwendung, sondern es ist auf die übliche Abgrenzung zwischen Dienstverhältnis gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 und freiem Dienstverhältnis abzustellen. Zu berücksichtigen ist laut Sedlacek aber auch bei dieser Fallkonstellation, dass auf Grund der Organstellung Merkmalen wie z.B. freie Einteilung der Arbeitszeit sowie ein Vertretungsrecht keine Indizienwirkung für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses zukommt.

Anders als die von Sedlacek einer rechtlichen Beurteilung unterzogene Personengruppe war der Bw. schon auf Grund seiner 50%igen Beteiligung weisungsfrei, weshalb sich aus dem obig zitierten Aufsatz für die Rechtsmeinung des Bw., er habe auf Grund einer vertretbaren Rechtsmeinung gehandelt, nichts gewinnen lässt. Auch die obig wiedergegebene Judikatur des VwGH vor dessen Erkenntnis vom , 2003/13/0018, eignet sich nicht zur Untermauerung des Standpunktes des Bw..

Der Bw. hat sich allerdings nicht nur auf eine vertretbare Rechtsmeinung berufen, sondern auch darauf, dass er sich hinsichtlich der abgabenrechtlichen Behandlung der in den Jahren 1996 bis 1998 zugeflossenen Geschäftsführerbezüge auf die Richtigkeit der Rechtsauskunft seines Steuerberaters verlassen hat.

Nach herrschender Rechtsprechung entbindet die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter nach § 80 BAO den Vertreter nicht von seinen Pflichten. Sie kann ihn allerdings entschuldigen, wenn er im Haftungsverfahren Sachverhalte vorträgt, aus denen sich ableiten lässt, dass der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die vermeintliche Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren hat lassen, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters nach § 80 Abs. 1 BAO vorgelegen wären (; ; ).

Der Unabhängige Finanzsenat erachtet das Vorbringen des Bw., er habe auf die Rechtsauskunft seines Steuerberaters vertraut, aus folgenden Gründen für glaubhaft: Zum einen wurde dieser potentielle Exkulpierungsgrund im Vorlageantrag erstattet, den die steuerliche Vertretung des Bw., die laut Abgabeninformationssystem auch die Primärschuldnerin vertreten hat, selbst verfasst hat. Zudem hat die steuerlichen Vertretung, wie obig aufgezeigt wurde, in sämtlichen von ihr verfassten Schriftsätzen die aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates nicht zutreffende Rechtsmeinung vertreten, zum Zeitpunkt der Fälligkeit der in Haftung gezogenen Selbstbemessungsabgaben sei nach Verwaltungsübung und Rechtssprechung für einen zu 50% beteiligten, als freier Dienstnehmer für die Gesellschaft tätigen Gesellschafter-Geschäftsführer kein Dienstgeberbeitrag bzw. kein Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten gewesen. Aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates kann dem Bw. daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er die Rechtsmeinung der steuerlichen Vertretung der Primärschuldnerin nicht in Zweifel gezogen hat.

Wie obig aufgezeigt wurde, ist die Lohnsteuerprüfung, in deren Rahmen die Unrichtigkeit der Berechnung der Dienstgeberbeiträge und der Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 1996 bis 1998 festgestellt wurde und die in der Folge zu Nachforderungen geführt hat, erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt war dem Bw. die Verfügung über das Vermögen der Primärschuldnerin bereits entzogen, sodass ihm kein Verschulden an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben anzulasten ist. Da somit nicht sämtliche tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme erfüllt sind, erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Einwendungen.

Gesamthaft war der Berufung daher Folge zu geben und der Haftungsbescheid aufzuheben.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 41 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 41 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 22 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
Verletzung von abgaberechtlichen Pflichten
Verschulden
Betrauung eines Steuerberaters
vertretbare Rechtsansicht
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at