Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.03.2020, RV/7100362/2020

Begräbniskosten - Nachlassüberschuldung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache Bf., Anschrift, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise - im Umfang des Begehrens im Vorlageantrag - Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert, die Einkommensteuer 2014 wird mit -1.045,00 € (Gutschrift) festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Frau Bf. beantragte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2014 die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung für Begräbniskosten im Betrag von 7.098,00 €.

Mit Bescheid vom berücksichtigte die belangte Behörde (FA) die beantragten Begräbniskosten nicht und führte wörtlich aus:
Anerkannte Begräbniskosten:
Begräbnis Höchstbetrag € 5.000,--
+ Grabsteinkosten € 4.030,--
abzüglich Verlassenschaftsaktiva € 7.860,08
abzugsfähige Begräbniskosten € 1.169,92

Die weiters beantragten Nebenkosten (Massekosten, Strom, Notar, Wr. Wohnen, Wien Energie und Gerichtskosten) zählen nicht zu den Begräbniskosten und stellen somit keine abzugsfähigen Ausgaben dar. Wir haben die Kosten für das Begräbnis bzw. das Grab mit 5.000,00 Euro berücksichtigt.
Dieser Betrag ist ein Höchstbetrag, der auf Erfahrungswerten beruht. Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen haben wir nicht berücksichtigt.
Der Grund: Die Aufwendungen sind niedriger als der für Sie gültige Selbstbehalt in Höhe von 4.556,30.

Gegen diesen Bescheid wendete sich die Bf. mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde vom und führte unter Vorlage der Rekursentscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen (LG f. ZRS) GZ vom aus, dass das FA einerseits von unrichtigen Nachlassaktiva ausgegangen sei - die Verlassenschaftsaktiva hätten tatsächlich nur 5.824,82  € betragen - und überdies der vom FA angesetzte Höchstbetrag für Begräbniskosten von 5.000 € entsprechend der geltenden Rechtslage und der bislang ergangenen Judikatur rechtswidrig wäre.

Allein 8.350 € und 365 € hätten die Rechnungen der Stadt Wien/Bestattung betragen, darin enthalten ein Sarg mittlerer Preisklasse, Transport, Aufbahrung, Bestattungs- und Grabentgelt sowie Bearbeitungs- und Nutzungsentgelte. Weder Trauerkleidung noch Musik oder ein überdimensioniertes Totenmahl wären im beantragten Betrag enthalten.

Die Gesamtbegräbniskosten würden inklusive Grabstein 13.055,40 € betragen, abzüglich der Aktiva von 5.824,82 € und der zumutbaren Mehrbelastung laut Bescheid von 4.556,30 € ergebe sich eine anzuerkennende Mehrbelastung von 2.674,28 €.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom berücksichtigte das FA außergewöhnliche Belastungen vor Abzug des Selbstbehalts von 4.950,12 €, zog den Selbstbehalt von 4.556,30 € ab und setzte eine Abgabengutschrift von 170,00 € fest.
Begründend führte das FA aus, im Gerichtsbeschluss vom seien die Kosten für ein würdiges, ortsübliches Begräbnis mit 12.810,20 € festgesetzt worden. Die Aktiva seien auf 7.860,08 € zu korrigieren gewesen. Bei der Anerkennung als außergewöhnliche Belastung hätten etwaige Passiva außer Ansatz zu bleiben. Auch die zeitliche Verfügbarkeit der Aktivposten ist unmaßgeblich. Somit sei ein Betrag in Höhe von 4.950,12 € (12.810,20 abzüglich 7.860,08 ) als zwangsläufig erwachsen anzuerkennen.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag verwies die Bf. auf die oben zitierte Rekursentscheidung aufgrund welcher ihr für die bevorrechteten Bestattungskosten von 12.810,20 € aus dem überschuldeten Nachlass quotal 5.836,46 € zugesprochen worden seien. Der Ansatz der Gesamtaktiva der Verlassenschaft sei daher unzutreffend.

Unter Ansatz der vom LG f ZRS festgesetzten Begräbniskosten von 12.810,20 € nach Abzug der quotal zugewiesenen Aktiva von 5.836,46 € und der zumutbaren Mehrbelastung von 4.556,30 € ergebe sich daher eine anzuerkennende Mehrbelastung von 2.417,44 €.

Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass das LG für ZRS mit Beschluss (Rekursentscheidung vom , GZ GZ in der Verlassenschaft nach der Mutter der Bf die Aktiva mit € 7.860,08  und die Massekosten mit € 16.133,37 ermittelt hat. Der Nachlass reichte sohin nicht einmal zur Deckung der bevorrechteten Massekosten und wurden daher auch die Masseforderungen nur quotal befriedigt. Die Bf erhielt dabei zur Begleichung der mit 12.810,20 bestimmten Begräbniskosten  € 5.836,46, was einer Quote von  45,561% der berechtigten Masseforderung entspricht. Weitere Aktiven flossen der Bf. aus der Verlassenschaft nicht zu.

Rechtslage und Erwägungen

Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 2008/15/0009, wörtlich ausgeführt:
§ 34 EStG 1988 räumt dem unbeschränkt Steuerpflichtigen einen Rechtsanspruch auf Abzug außergewöhnlicher Belastungen bei der Ermittlung des Einkommens ein, wenn folgende im Gesetz aufgezählte Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:
1.
Die Aufwendungen müssen außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie müssen zwangsläufig sein (Abs. 3).
3. Sie müssen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 549 ABGB gehören die dem Gebrauche des Ortes, dem Stande und dem Vermögen des Verstorbenen angemessenen Begräbniskosten zu den auf der Erbschaft haftenden Lasten. Sie sind sohin vorrangig aus den Aktiva des Nachlasses zu tragen (vgl. hiezu Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB3, § 549 Rz 3).

Subsidiär haften die Unterhaltspflichtigen für die Begräbniskosten (vgl. Apathy, aaO, Rz 3). Ist also überhaupt kein Nachlass vorhanden oder reicht er nicht aus, um die angemessenen Begräbniskosten zu decken, dann haften die nach dem Gesetz zum Unterhalt des Verstorbenen verpflichteten Personen (vgl. Eccher in Schwimann, ABGB3, § 549 Rz 8; Welser in Rummel, ABGB I3, § 549 Rz 4; OGH EvBl 1966/90).

Diese Ausführungen treffen auch auf das gegenständliche Verfahren zu. An der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen fehlt es, wenn
a) die Begräbniskosten in den vorhandenen Nachlassaktiva Deckung finden,
b) die Übernahme der Begräbniskosten aus einer vertraglichen Verpflichtung (zB Übergabsvertrag) resultiert oder
c) ein mittelbarer zeitlicher Zusammenhang (höchstens sieben Jahre) zwischen Übertragung der Liegenschaft und der Übernahme der Begräbniskosten besteht.

Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung kann eine außergewöhnliche Belastung nur insoweit vorliegen, als der Belastete nicht zu ihrer Abdeckung Zuwendungen erhalten hat oder Ersatzansprüche geltend machen kann.

So sind die geltend gemachten Begräbniskosten und die Kosten für das Grabmal um den Wert der übernommenen Aktiva zu vermindern. Allerdings können diese Aktiva nur in jenem Umfang zur teilweisen Bestreitung der Begräbniskosten herangezogen werden, in dem sie der Bf tatsächlich zu Gute kamen.

Im gegenständlichen Falle wurden der Bf. vom Abhandlungsgericht mit Beschluss vom insgesamt  5.836,46 € von den vorhandenen Aktiva anteilig zur Bestreitung des mit 12.810,20 € bestimmten Begräbniskosten zugewiesen.

Nach der Judikatur des VwGH () ist eine Vorfrage ein vorweg zu klärendes Element des zur Entscheidung stehenden Rechtsfalles, das als Hauptfrage, somit durch einen Abspruch rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Natur, von einer anderen zuständigen Verwaltungsbehörde zu entscheiden wäre, aber nach § 116 Abs 1 BAO von der Abgabenbehörde nach eigener Anschauung beurteilt werden darf (, mwA). Liegt eine Vorfrage vor, über die von einer anderen zuständigen Verwaltungsbehörde noch nicht entschieden ist, so ist die Abgabenbehörde nach § 116 Abs 1 BAO berechtigt, diese Rechtsfrage nach eigener Anschauung zu beurteilen. Eine solche Beurteilung ist in die Begründung des Bescheides aufzunehmen. Zu einer Vorfragenbeurteilung ist die Abgabenbehörde berechtigt, jedoch nicht verpflichtet. Sie kann aber auch die Entscheidung der für die Rechtsfrage zuständigen anderen Verwaltungsbehörde abwarten ().

Eine Bindungswirkung iSd § 116 BAO kann jedoch nur der Spruch eines Bescheides/Urteils/Beschlusses entfalten. Sie - nämlich die Bindungswirkung - ist Ausdruck der Rechtskraft der Entscheidung und erstreckt sich nicht auch auf die Entscheidungsgründe eines Bescheides/Urteiles/Beschlusses (; , 98/15/0014, sowie Ritz, BAO, § 116 Tz. 5).

Unter einer Vorfrage ist eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden ist. Präjudiziell ist nur eine Entscheidung, die
1. eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung eine notwendige Grundlage bildet und
2. die diese in einer die Verwaltungsbehörde bindenden Weise regelt.

Eine Vorfrage liegt also dann vor, wenn der relevante Tatbestand ein Element enthält, das für sich allein Gegenstand der bindenden Entscheidungen der anderen Behörde/des Gerichts ist (; Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Seite 116 f, und die dort angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Zur Problematik des § 116 BAO führt Ritz in der 5. Auflage des BAO-Kommentars, Tz 6 wörtlich aus: "Eine Ausnahme von dieser grundsätzlich gegebenen Bindungswirkung normiert § 116 Abs 2 für Entscheidungen der Gerichte über privatrechtliche Fragen dann, wenn das Gericht bei Ermittlung des Sachverhaltes nicht von Amts wegen vorzugehen hat. § 116 Abs 2 soll verhindern, dass Abgabenbehörden durch Gerichtsentscheidungen präjudiziert werden, die auf parteiendispositiver „formeller Wahrheit“ (Parteienmaxime) beruhen (Adamovich/ Funk, Verwaltungsrecht 3, 100).

Daher besteht keine Bindung der Abgabenbehörden an gerichtliche Entscheidungen im Zivilprozess. Die Bindung besteht hingegen an im Außerstreitverfahren getroffene Entscheidungen über privatrechtliche Fragen (zB über die Erbenqualität, ; , über die Bindung an die im Abhandlungsverfahren abgegebenen, vom Gericht angenommenen und den rechtskräftigen Einantwortungsurkunden zugrunde gelegten Erbserklärungen, jedoch keine Bindung an die im Inventar ausgewiesenen Werte des Reinnachlasses)."

Eine derartige Entscheidung eines Gerichtes im Außerstreitverfahren in welchem die Ermittlungsmaxime (=amtswegige Ermittlung) gilt liegt vor.

§ 154 des AußStrG lautet auszugsweise:
(1) Das Gericht hat die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft auf Antrag den Gläubigern zu überlassen, ........
(2) Das Vermögen ist zu verteilen:
1. zunächst in sinngemäßer Anwendung der §§ 46 und 47 IO;
2. sodann an den Sachwalter des Verstorbenen, soweit ihm für das letzte Jahr Beträge zuerkannt wurden;
3. schließlich an alle übrigen Gläubiger, jeweils im Verhältnis der Höhe ihrer unbestrittenen oder durch unbedenkliche Urkunden bescheinigten Forderungen.

Das Abhandlungsgericht entscheidet sohin nach §§ 154f AußStrG genau jene Frage, welche Forderungen der Verlassenschaftsgläubiger als vorrangig anzuerkennen sind und welche als nachrangige Forderungen bei der Verteilung berücksichtigt werden.

Nach dem Spruch des Beschlusses wurden der Bf zur Bezahlung der von ihr getragenen Begräbniskosten in der Gesamthöhe von 12.810,20 € ein Betrag von 5.836,46 (als vorrangig anerkannt) zugewiesen.

Strittige Bewertungsfragen hinsichtlich der in der Verlassenschaft enthaltenen Aktiva, die die Abgabenbehörde zum Ansatz anderer Werte berechtigt hätten, liegen nicht vor.

Die Bf hat, wie aus der Darstellung der Passiva im Beschluss des LG für ZRS ersichtlich ist, im Verlassenschaftsverfahren sämtliche Kosten des Begräbnisses und des Grabmals geltend gemacht, mit der genannten Rekursentscheidung wurde nicht nur über die anzuerkennende Höhe der Begräbniskosten entschieden sondern auch über den Umfang der zuzuweisenden Aktiva zumal diese nicht ausreichend waren um sämtliche bevorrechteten Masseforderungen zu befriedigen.

Die vom Gericht festgesetzten bzw. sodann zugewiesenen Beträge sind daher im Sinne des § 116 BAO der Berechnung des Ausmaßes der außergewönlichen Belastung als Anteil an den Aktiva zugrunde zu legen.

Die Abgabenbehörde ist nicht berechtigt, von diesem Beschluss des Gerichtes abzuweichen, da dieser Beschluss in einem Verfahren nach dem Außerstreitgesetz ergangen ist und genau über jenes Sachverhaltselement abspricht, das die Abgabenbehörde ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hat, nämlich die Höhe der aus dem Nachlass an zahlungsstatt zugewiesenen Aktiva.

Die als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Begräbniskosten - vor Abzug des Selbstbehaltes - betragen 6.973,74 €.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wie in der Begründung dargestellt gründet sich die gegenständliche Entscheidung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, 2008/15/0009, und die ausführlich zitierte Rechtsprechung zu § 116 BAO).

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at