Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe eines Regelbesteuerungsantrages
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/0554-W/03-RS1 | Gemäß § 308 Abs. 3 BAO hat der Antragsteller gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung die versäumte Handlung (hier: Regelbesteuerungsantrag) nachzuholen. Der erst im Zuge des Vorlageantrages gestellte Regelbesteuerungsantrag ist somit verspätet. Indizien vermögen einen tatsächlich rechtzeitig eingebrachten Regelbesteuerungsantrag nicht zu ersetzen. |
RV/0554-W/03-RS2 | Eine psychisch-depressive Situation stellt bei einem steuerlich vertretenen Bw. kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 BAO dar. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Lenneis und die weiteren Mitglieder OR Mag. Helga Hochrieser, Manfred Obermüller und Dr. Kurt Denk im Beisein der Schriftführerin Ingrid Pavlik über die Berufung des HU, 1000, K.g., vertreten durch Werner Mixan, 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 7/2/7, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 6., 7. und 15. Bezirk vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) brachte durch seinen steuerlicher Vertreter am die Umsatz- und die Einkommensteuererklärung für 1996 samt Beilagen beim Finanzamt (FA) ein. Das FA richtete am einen Vorhalt an den Bw., welchem ein Antrag auf Regelbesteuerung beigelegt war. Da dieser Vorhalt unbeantwortet blieb, erließ das FA am den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1996 unter Anwendung des § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG (Kleinunternehmerregelung).
Für das Jahr 1997 wurden trotz Erinnerung die Erklärungen - wieder ohne Antrag auf Regelbesteuerung - erst nach erfolgter Schätzung durch das FA am vorgelegt. Der Erklärungseingang wurde vom FA als Berufung bewertet, welches daraufhin eine Berufungsvorentscheidung hinsichtlich Umsatzsteuer 1997 erließ.
Mit Schreiben vom brachte der steuerliche Vertreter des Bw. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein, welcher wie folgt begründet wurde:
"Mit Schreiben vom ersuchten Sie den Bw., innerhalb von 2 Wochen einen Antrag auf Regelbesteuerung abzugeben, da aus seiner eingereichten Umsatzsteuererklärung und der eingereichten Einnahmen-Ausgabenrechnung 1996 (zu Nettowerten) klar hervorging, daß er - wie bisher - im System der Umsatzsteuer bleiben wollte. Die gewollte Kontinuität hinsichtlich der Umsatzsteuer kann auch schon daraus abgeleitet werden, daß aus der eingereichten Umsatzsteuererklärung und der eingereichten Einnahmen- Ausgabenrechnung 1996 die Mitwirkung eines Wirtschaftstreuhänders ersichtlich ist. Die Gesamteinnahmen 1996 betrugen netto ATS 268.689,83 zuzüglich Umsatzsteuer ATS 53.737,97, somit insgesamt brutto ATS 322.436,79, was nach der damaligen Rechtslage ein Überschreiten der Kleinunternehmergrenze bedeutete, da diese noch als ein Bruttobetrag angesehen wurde.
Im Akt der R.B.G.- Revisions- und Betriebsberatungsgesellschaft mbH habe ich einen Vermerk auf den Unterlagen zur Vorbereitung der Steuererklärungen 1996 gefunden, daß überdies ein Regelbesteuerungsantrag gestellt wurde.
Zum Zeitpunkt des Fristablaufes aus Ihrem Schreiben w.o. befand sich der Bw. im Ausland, die Existenz des Schreibens vom trat vor 14 Tagen anläßlich einer Sichtung von ungeordneten Unterlagen durch mich in der Wohnung des Bw. erst durch Öffnung des Originalkuverts zutage.
Innerhalb offener Frist stelle ich daher namens und auftrags meines Mandanten den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308ff BAO hinsichtlich des Vorhaltes vom .
Damit verbindet sich die Wiederaufnahme der Verfahren 1996 und 1997 zur Umsatz- und Einkommensteuer, mit der Bitte, diese auf Grund einer persönlichen Vorsprache abzuwickeln, da ich z.B. nicht über die erlassenen Steuerbescheide verfüge und daher über die Berücksichtigung z.B. des Unterhaltsabsetzbetrages nicht informiert bin.
Wie auch die Aktenlage zeigt, schränkten sich die geschäftlichen Möglichkeiten für den Bw. seit 1996 zunehmend ein, was nicht nur in eine psychisch-depressive persönliche Situation mündete, sondern auch einen nicht unbeträchtlichen Schuldenstand zur Folge hatte. Anläßlich der Prüfung über die Inanspruchnahe der Möglichkeiten eines Privatkonkurses stieß ich auch auf den derzeitigen Schuldenstand am Finanzamtskonto. Dieser besteht aus nicht anerkannten Vorsteuern
1996 in der Höhe von ATS 20.510,07
1997 in der Höhe von ATS 23.205,--
ATS 43.715,07
Reduktion der ESt 1996 ATS 9.516,-- Etc."
Vom FA wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung mit Bescheid vom abgewiesen. Die Begründung lautete: "Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur dann zu bewilligen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis die Einhaltung einer Frist unmöglich war und es sich um einen minderen Grad des Verschuldens handelt. Unter dem Begriff des minderen Grades des Versehens ist leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, es darf also nicht auffallend sorglos gehandelt werden. Für 1996 wurde der Vorhalt vom nicht beantwortet und gegen die Bescheide wurde auch kein Rechtsmittel eingebracht. 1997 wurden trotz Erinnerung die Erklärungen - wieder ohne Antrag auf Regelbesteuerung - erst nach erfolgter Schätzung vorgelegt. Wenn die für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wird, kann nicht mehr von leichter Fahrlässigkeit geprochen werden."
Gegen diesen Bescheid legte der steuerliche Vertreter des Bw. Berufung ein, welche er wie folgt begründete:
"Das Hineingeraten in eine psychisch-depressive Situation kann sehr wohl als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis angesehen werden. Für diesen Zustand können auch eine Reihe von Zeugen nominiert werden. Daß er aus dieser Situation noch nicht wirklich herausgekommen ist, kann auch durch eine gemeinsame persönliche Vorsprache amtsbekannt gemacht werden. Was ansonsten möglicherweise als auffallend sorglos zu bezeichnen ist, wird im Lichte der Erkenntnis dieser Umstände dolusfrei, sodaß auch leichte Fahrlässigkeit nicht gegeben ist. Im Sinne des Rechtgrundsatzes Rechtsrichtigkeit hat Vorrang vor Rechtsbeständigkeit liegen daher bereits Gründe für amtswegige Wiederaufnahmen der beantragten Jahre vor, um die Wiedersprüche der Aktenlage zu bereinigen. Wir verweisen auf die beiligende Fotokopie des Lohnsteuerprotokolles 1997, welches nach Ansicht der FLD auch für Veranlagungen von Einkünften aus selbständiger Arbeit gilt". Der Berufung beigelegt war eine Kopie des Lohnsteuerprotokolls 1997 (29. LSt-E) betreffend § 303 Abs.4 BAO im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des Verfahrens bei vergessenen Frei- bzw. Steuerabsetzbeträgen.
Diese Berufung wurde vom FA mittels Berufungsvorentscheidung mit folgender Begründung abgewiesen: "Gemäß § 308 (3) BAO hat der Antragsteller gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung die versäumte Handlung nachzuholen. Dies ist bis dato nicht geschehen, da ein Regelbesteuerungsantrag bis heute nicht beim Finanzamt eingereicht wurde. Die Behauptung, in den Unterlagen des vorigen Parteienvertreters hätten sich Unterlagen befunden, dass für das Jahr 1996 ein Regelbesteuerungsantrag gestellt worden wäre, scheint eine Schutzbehauptung zu sein, da in diesem Fall doch anzunehmen ist - dem Berufungswerber ist ja spätestens aus dem Vorhalt bekannt, dass im Akt des Finanzamtes kein Regelbesteuerungsantrag aufliegt - dass die Unterlagen, die die Existenz eines rechtzeitig gestellten Regelbesteuerungsantrages beweisen, spätestens mit dem Wiedereinsetzungsantrag übermittelt worden wären."
Daraufhin brachte der steuerliche Vertreter des Bw. einen Vorlageantrag ein, welcher wie folgt begründet wurde:
"Der Ordnung halber und für den Fall, dass der seinerzeitige Antrag auf Regelbesteuerung nicht auffindbar ist, stelle ich diesen hiemit für das Jahr 1996 namens des Bw:
Ich verzichte ab dem Kalenderjahr 1996 auf die Steuerbefreiung gem. § 6 (1) 27 UStG 1994 und werde meine Umsätze nach den allgemeinen Bestimmung des UStG 1994 versteuern.
Die urgierte "Nachholung der versäumten Handlung" sollte aus dem Betreff des Schreibens vom ersichtlich sein, abgesehen davon, dass ja auch davon ausgegangen wurde, dass tatsächlich ein Antrag auf Regelbesteuerung seinerzeit vom Bw. gestellt wurde. Auch aus der Ausfertigung der USt-Erklärung 1996 war die Annahme des Bestehens eines Regelbesteuerungsantrages als Indiz ableitbar, da ja ansonst die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung durch die R.B.G. nicht in der Nettoform durchgeführt worden wäre. Ich übermittle Ihnen die Kopie des Besprechungsblattes zur Verfassung der Est-Erklärung 1996, der damalige Sachbearbeiter ist für eine Bezeugung der seinerzeitigen Vorgangsweise und Annahme des Vorliegens eines Regelbesteuerungsantrages verfügbar. Im Übrigen sollten die bereits dargelegten psychischen Gründe hinsichtlich der Nichtbeantwortung des seinerzeitigen Vorhaltes - abgesehen von der seinerzeitigen Rechtsunsicherheit in der Grenze des Überschreitens der Kleinunternehmergrenze - vom Finanzamt fair als Unvermögen über die Klarheit des Erkennens von Konsequenzen akzeptiert werden. Die Nichtbeeinspruchung der Steuerbescheide ist hiefür ebenfalls ein gewichtiges Indiz. Ich bin zu einer persönlichen Vorsprache mit Vorlage des Steueraktes gerne bereit, um die Angelegenheit im Sinne des Grundsatzes Rechtsrichtigkeit vor Rechtsbeständigkeit einvernehmlich abzuwickeln." Eine Kopie des Besprechungsblattes (wie im Vorlageantrag erwähnt) ist nicht aktenkundig.
In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend durch den Steuerberater folgendes ausgeführt:
"Wir haben zur Vorsicht sowohl die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt als auch die Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen angeregt.
Die Situation war die, dass mein Mandant zum Zeitpunkt der Zustellung der Umsatzsteuerbescheide 1997 in einer psychisch sehr schwierigen Situation war, die bereits in der Berufung bzw. im Vorlageantrag ausführlich dargelegt wurde.
Ich bitte daher den Senat zu akzeptieren, dass in einer solchen psychischen Ausnahmesituation ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 BAO vorliegt und grobes Verschulden jedenfalls nicht angenommen werden kann.
Meinem Mandanten droht überdies derzeit ein Privatkonkurs.
Überdies ist schon daraus erkennbar, dass ein Regelbesteuerungsantrag gestellt wurde, dass einerseits in der Steuererklärung 1997 angeführt wurde, dass Regelbesteuerung 1995 beantragt wurde, und andererseits daraus, dass die Verrechnung netto und nicht brutto durchgeführt wurde".
Dazu entgegnete die Vertreterin des Finanzamtes: "Ich halte fest, dass in den Vorjahren keineswegs immer Umsatzsteuerpflicht gegeben war; ab der Anhebung der Grenze für Kleinunternehmer auf S 300.000,-- wurden folgende Umsätze erzielt:
1994: S 58.333,33; es wurde ausdrücklich von der Regelbesteuerung Gebrauch gemacht.
1995: keine Umsätze
1996: Nettoumsätze S 268.689,83, wodurch die Grenze nur durch Einbeziehung der Umsatzsteuer überschritten wäre, allerdings die Toleranzregelung von 15 % zur Anwendung kommt. In der Steuererklärung wurde die Rubrik Regelbesteuerung "beantragt" oder "nicht beantragt" nicht ausgefüllt.
1997: Umsätze S 78.952,--, laut Steuererklärung Regelbesteuerung beantragt 1995.
Ich verweise auf den großen Zeitabstand zwischen Bescheiderlassung und Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages; der Umsatzsteuerbescheid 1996 wurde bereits am erlassen, der Umsatzsteuerbescheid 1997 am ; der Wiedereinsetzungsantrag wurde erst am eingebracht."
Über die Berufung wurde erwogen:
Im Berufungsfall ist strittig, ob die von der Abgabenbehörde erster Instanz mit Bescheid vom vorgenommene Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO hinsichtlich der versäumten Frist zur Einbringung einer Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 zu Recht erfolgte oder nicht.
1. Steuerbefreiung für Kleinunternehmer:
Nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 sind die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze im Veranlagungszeitraum 22.000 € (300.000 S) nicht übersteigen. Für diese Unternehmer gilt eine unechte Steuerbefreiung: die eigenen Umsätze sind steuerfrei, ein Vorsteuerabzug steht jedoch nicht zu. Maßgebend sind die (steuerbaren) Umsätze aus Leistungen und Eigenverbrauch. Die einmalige Überschreitung der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15 % innerhalb von 5 Kalenderjahren wird toleriert.
Für die Ermittlung der Umsatzgrenze sind die gesamten vereinbarten oder vereinnahmten Beträge ohne Umsatzsteuer maßgebend. Die Freigrenze von € 22.000,-- (S 300.000,--) ist danach als Nettogrenze zu interpretieren (, ÖStZB 1999, 222).
Bei dieser Sicht führt die Inanspruchnahme der Toleranzgrenze von 15 % dazu, daß ein Bruttobetrag von bis zu S 414.000,-- steuerfrei bleibt (S 300.000,--- zuzüglich 15 % = S 345.000,-- zuzüglich 20 % = S 414.000,--; vgl. Ruppe, UStG 1994, Kommentar, § 6, Tz. 460).
Gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 kann der Unternehmer, dessen Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 27 befreit sind, bis zur Rechtskraft des Bescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, dass er auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 verzichtet ( = sogen. Regelbesteuerungsantrag).
Im vorliegenden Fall wurde der Umsatzsteuerbescheid für 1996 vom (zugestellt am ) nach dem ungenützten Verstreichen der einmonatigen Berufungsfrist im März 1998 formell rechtskräftig. Der Umsatzsteuerbescheid (Berufungsvorentscheidung) für 1997 vom wurde im März 2000 rechtskräftig. Aufgrund der Aktenlage steht fest, daß weder der Bw. noch dessen steuerliche Vertretung bis zur Rechtskraft der Umsatzsteuerbescheide für 1996 und 1997 gegenüber dem Finanzamt eine (schriftliche) Verzichtserklärung auf die Kleinunternehmerregelung abgegeben haben.
Die Ausführungen des steuerlichen Vertreters im Vorlageantrag, wonach davon ausgegangen worden sei, dass tatsächlich ein Antrag auf Regelbesteuerung seinerzeit vom Bw. gestellt wurde, beziehen sich offensichtlich auf eine Vermutung des Steuerberaters, nicht jedoch auf eine gegenüber dem Finanzamt tatsächlich abgegebene Verzichtserklärung.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Gemäß § 308 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110 BAO) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ergeignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte.
Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah.
Krankheiten kommen nur dann als Wiedereinsetzungsgründe in Betracht, wenn sie zur Dispositionsunfähigkeit führen und so plötzlich und schwer auftreten, dass der Erkrankte nicht mehr in der Lage ist, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen, wie zB bei Gehirnschlag (vgl. Ritz, § 308, Tz. 11). Eine die Dispositionsfähigkeit nicht ausschließende Krankheit stellt demnach keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.
Regelmäßig werden plötzliche Erkrankungen, die die Partei an der Wahrung einer Frist hinderten, eine Widereinsetzung zur Folge haben, so auch etwa Unfälle und unvorhergesehen auftretende Störungen infolge krankhafter Veränderung der Geistestätigkeit. Doch kann eine solche Verhinderung (vor allem Erkrankung) stets nur dann ein tauglichen Wiedereinsetzungsgrund abgeben, wenn sie zu einem Zustand der Dispositionsunfähigkeit geführt hat und so plötzlich und so schwer aufgetreten ist, daß der Erkrankte nicht mehr imstande war, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen selbst zu treffen beziehungsweise treffen zu lassen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, § 308, S. 2984 und die dort zitierte Judikatur).
Es ist erforderlich, dass sich bereits aus dem Wiedereinsetzungsantrag die Wiedereinsetzungsgründe ergeben (zum Beispiel ). Die Partei hat im Antrag auf Wiedereinsetzung glaubhaft zu machen, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis unverschuldet verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 308 Abs. 1, erste Satz, zweiter Halbsatz). Dies ist jedoch im gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag nicht geschehen. Der lediglich allgemein gehaltene Hinweis, dass sich die geschäftlichen Möglichkeiten des Bw. seit 1996 zunehmend einschränkten, was u.a. in eine psychisch-depressive persönliche Situation mündete, kann nicht als die Darlegung bzw. Glaubhaftmachung eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses interpretiert werden.
Überdies hatte der steuerliche vertretene Bw. die Möglichkeit, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen durch seinen steuerlichen Vertreter treffen zu lassen, falls er selbst nicht imstande gewesen sein sollte, diese selbst zu treffen. Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, welches die fristgerechte Einbringung des Regelbesteuerungsantrages durch den steuerlichen Vertreter unmöglich gemacht hätte bzw. dass die Dispositionsfähigkeit des steuerlichen Vertreters nicht gegeben gewesen wäre, wurde nicht einmal vorgebracht und ist nicht erkennbar.
Unstrittig ist, dass die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie die Erklärungen für das Jahr 1996 vom steuerlichen Vertreter des Bw. erstellt wurden. Ein Regelbesteuerungsantrag wurde jedoch durch diesen erst im Zuge des Vorlageantrages im Jahr 2003, also weder innerhalb der versäumten Fristen (Rechtskraft der Umsatzsteuerbescheide 1996 und 1997) noch gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag gesellt.
Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht läßt. An rechtskundige Parteienvertreter ist hiebei ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Das Verschulden des Vetreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (z.B. ; , 97/15/0125; vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 308 Tz. 15 und Tz. 17)
Für 1996 wurde der Vorhalt vom nicht beantwortet und gegen die Bescheide wurde auch kein Rechtsmittel eingebracht. 1997 wurden trotz Erinnerung die Erklärungen - wieder ohne Antrag auf Regelbesteuerung - erst nach erfolgter Schätzung vorgelegt. Diese Umstände wurden vom Finanzamt in der Bescheidbegründung dargelegt und daraus der Schluss gezogen, dass wenn die für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen werde, könne nicht mehr von leichter Fahrlässigkeit geprochen werden. Dagegen wurde in der Berufung eingewendet, dass das Hineingeraten in eine psychisch-depressive Situation als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis angesehen werden könne und was ansonsten möglicherweise als auffallend sorglos zu bezeichnen sei, werde im Lichte der Erkenntnis dieser Umstände dolusfrei, sodass auch leichte Fahrlässigkeit nicht gegeben sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass einerseits selbst bei Vorliegen einer psychisch-depressiven Situation beim Bw. diese nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis angesehen werden kann und andererseits der Bw. steuerlich vertreten war und somit - da das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten ist - die Verantwortung für die Einhaltung der Fristen im Bereich des Vertreters lag.
Auch das Vorbringen im Vorlageantrag, wonach aus der Ausfertigung der USt-Erklärung 1996 die Annahme des Bestehens eines Regelbesteuerungsantrages als Indiz ableitbar gewesen sei, da ja ansonsten die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung durch die steuerliche Vertretung nicht in der Nettoform durchgeführt worden wäre, vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen, da derartige Indizien nicht die fristgerechte Abgabe eines Regelbesteuerungsantrages ersetzen können.
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde; teilweise ergänzt der Verwaltungsgerichtshof durch "im Wiedereineinsetzungsantrag abgesteckt", teilweise stellt er auf die Wiedereinsetzungsfrist ab. Eine Auswechslung des Wiedereinsetzungsgrundes im Berufungsverfahren ist daher unzulässig (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 308, Tz. 20 und die dort zitierte VwGH-Judikatur).
Ausgehend von der o.a. herrschenden Rechtsausfassung ist der Unabhängige Finanzsenat zur Ansicht gelangt, dass im vorliegenden Fall aus den oben dargestellten Gründen weder die Glaubhaftmachung des behaupteten tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes im Wiedereinsetzungsantrag gelungen ist noch bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht wurden (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 308 Tz. 19).
Doch selbst wenn entgegen den obigen Ausführungen von einem Wiedereinsetzungsgrund auszugehen wäre, wäre dem Wiedereinsetzungsantrag kein Erfolg beschieden, da gemäß § 308 Abs. 3 BAO der Antragsteller gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung die versäumte Handlung nachzuholen hat und dies nicht rechtzeitig erfolgt ist.
Für den Fall, dass bereits 1996 ein Regelbesteuerungsantrag gestellt worden wäre, hätte gegen die Umsatzsteuerbescheide 1996 und 1997 berufen werden müssen. Auch diesfalls hätte die versäumte Handlung - nämlich die Berufung - zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt werden müssen.
Die im Vorlageantrag angeführten Argumente, wonach die urgierte "Nachholung der versäumten Handlung" aus dem Betreff des Schreibens vom ersichtlich sein sollte und die Vermutung des steuerlichen Vertreters, dass tatsächlich ein Antrag auf Regelbesteuerung seinerzeit vom Bw. gestellt worden sei sowie die bereits erwähnten Indizien (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung bzw. keine Einbringung einer Berufung), vermögen sämtlich einen (tatsächlich gestellten) Regelbesteuerungsantrag nicht zu ersetzen.
Der Unabhängige Finanzsenat kann hinsichtlich in der Begründung des Finanzamtes, dass die Behauptung, in den Unterlagen des vorigen Parteienvertreters hätten sich Unterlagen befunden, welchen auf einen für das Jahr 1996 ein Regelbesteuerungsantrag hinweisen, eine Schutzbehauptung zu sein scheine, da in diesem Fall doch anzunehmen wäre - dem Berufungswerber sei ja spätestens aus dem Vorhalt bekannt gewesen, dass im Akt des Finanzamtes kein Regelbesteuerungsantrag aufliege - dass die Unterlagen, die die Existenz eines rechtzeitig gestellten Regelbesteuerungsantrages beweisen, spätestens mit demWiedereinsetzungsantrag übermittelt worden wären, keine Unschlüssigkeit erkennen. Daran kann auch der im Vorlageantrag vorgebrachte Hinweis auf eine Kopie des Besprechungsblattes zur Verfassung der Est-Erklärung 1996 sowie auf die Verfügbarkeit des damalige Sachbearbeiters für eine Bezeugung der seinerzeitigen Vorgangsweise und Annahme des Vorliegens eines Regelbesteuerungsantrages nichts zu ändern, da alle diese Indizien nicht einen tatsächlich rechtzeitig eingebrachten Regelbesteuerungsantrag ersetzen vermögen.
Die Berufung gegen den Bescheid betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO war daher als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte | Wiedereinsetzung Kleinunternehmerregelung |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at