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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.03.2020, RV/5101493/2017

Pendlerpauschale: Maßgeblichkeit der überwiegenden tatsächlichen Arbeitszeiten im Kalenderjahr bei gleitender Arbeitszeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 zu Recht: 

  • Der angefochtene Bescheid wird in Übereinstimmung mit der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wie folgt abgeändert: Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2016 festgesetzt mit -893,00 Euro. Das Einkommen im Jahr 2016 beträgt 16.704,29 Euro.
     

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin machte im Rahmen ihrer Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2016 unter anderem ein großes Pendlerpauschale für eine einfache Fahrtstrecke von der Wohnung zur Arbeitsstätte von mehr als 60 km in Höhe von 3.672,00 Euro sowie den Pendlereuro in Höhe von 198,00 Euro steuerlich geltend.

Mit Ergänzungsersuchen vom forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin unter anderem zur Übermittlung eines Ausdrucks des Ergebnisses des Pendlerrechners auf. Dem im Zuge der Vorhaltsbeantwortung vom von der Beschwerdeführerin vorgelegten Ausdruck des Ergebnisses des Pendlerrechners für den abgefragten Tag Donnerstag, , zufolge sei die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf der überwiegenden Strecke nicht möglich oder nicht zumutbar. Dies unter Zugrundelegung eines Arbeitsbeginns um 07:15 Uhr und eines Arbeitsendes um 16:30 Uhr

Mit Ergänzungsersuchen vom bat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin um Übermittlung einer Bestätigung des Dienstgebers über die tatsächlichen Arbeitszeiten für das Jahr 2016 und um Bekanntgabe ob und unter welchen Rahmenbedingungen Gleitzeit in Anspruch genommen werden kann.

Mit am bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie bei Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel „mindestens 120 Minuten Wegstrecke“ habe und verwies auf beigelegte Ausdrucke der ÖBB Fahrplanauskunft. Zudem wies sie darauf hin, dass es „die Berechnungsmethode nach 60 Minuten plus 1 Minute je km gibt“ und verwies diesbezüglich auf einen beigelegten Ausdruck der auf der Homepage der Arbeiterkammer zum Pendlerpauschale abrufbaren Informationen. Darüber hinaus legte die Beschwerdeführerin Ausdrucke von Ergebnissen des Pendlerrechners bei, auf denen sie diesbezügliche Berechnungen handschriftlich anmerkte.

Betreffend ihre Arbeitszeiten legte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung der ***Arbeitgeberin*** vor, der zufolge die Antragstellerin mit einem Arbeitsausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigt sei und gleitende Arbeitszeit in Anspruch nehmen könne. Die Kernzeit ist dabei von Montag bis Donnerstag jeweils in der Zeit von 08:30 Uhr bis 12:00 Uhr sowie von 13:30 Uhr bis 15:00 Uhr und am Freitag von 08:30 Uhr bis 12:00 Uhr angesetzt. Die Rahmenzeit für Montag, Mittwoch und Donnerstag ist jeweils mit 07:00 bis 18:00 Uhr, für Dienstag mit 07:00 bis 19:00 Uhr und für Freitag mit 07:00 bis 16:00 Uhr festgelegt. Die Inanspruchnahme von Gleitzeit ist von Montag bis Freitag jeweils von 07:00 Uhr bis 08:30 Uhr, von Montag bis Donnerstag jeweils von 12:00 Uhr bis 13:30 Uhr und Freitag von 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr sowie Montag, Mittwoch und Donnerstag von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr und Dienstag von 15:00 Uhr bis 19:00 Uhr möglich. Im Falle einer ganztägigen Abwesenheit sind Montag bis Donnerstag jeweils 8,5 Stunden bzw am Freitag 6 Stunden zu buchen.

Eine Bestätigung des Dienstgebers betreffend die tatsächlichen Arbeitszeiten wurde trotz des diesbezüglichen Ersuchens der belangten Behörde nicht vorgelegt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2016 wurde lediglich ein kleines Pendlerpauschale für eine Wegstrecke von über 60 km in Höhe von € 2.016,00 sowie der Pendlereuro in Höhe von € 166,00 berücksichtigt. Dies mit der Begründung, dass gem § 1 Abs 4 Pendlerverordnung bei Bestehen der Möglichkeit, gleitende Arbeitszeit in Anspruch zu nehmen, für die Ermittlung der Entfernung ein Arbeitsbeginn oder Arbeitsende zu Grunde zu legen ist, der bzw das der Ankunfts- bzw Abfahrtszeit von Massenbeförderungsmitteln am besten entspricht.

Mit am bei der belangten Behörde über das FinanzOnline Portal eingelangtem Schreiben erhob die Beschwerdeführerin gegen den oa Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde und führte dazu begründend wie folgt aus: „Laut Begründung ist es möglich ein öffentliches Verkehrsmittel zu verwenden, aber die Dauer beträgt mehr als 120 Minuten, das entspricht der Unzumutbarkeit. Ich habe dazu bereits Ausdrucke beigelegt, welche nicht berücksichtigt wurden. Es müssen auch Wartezeiten berücksichtigt werden. Weiters gibt es auch die Berechnung mit 60 Minuten plus je 1 Minute pro km.

Darüber hinaus informierte die Beschwerdeführerin die belangte Behörde mit einem ebenfalls über FinanzOnline eingebrachten Anbringen (eingelangt am ) über eine Nachzahlung von Arbeitslosengeld durch das Arbeitsmarktservice für den Zeitraum vom bis .

Mit Beschwerdevorentscheidung vom berücksichtigte die belangte Behörde auf der Grundlage einer entsprechenden Meldung des AMS ein Arbeitslosengeld in Höhe von € 360,50 (anstelle wie bisher € 108,15). Betreffend Pendlerpauschale erfolgte keine Änderung. Dies mit folgender Begründung: „Für die Ermittlung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. zwischen Arbeitsstätte und Wohnung und für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder unzumutbar ist, ist für Verhältnisse innerhalb Österreichs der vom Bundesministerium für Finanzen im Internet zur Verfügung gestellte Pendlerrechner zu verwenden (§ 3 Pendlerverordnung). Bei flexiblen Arbeitszeitmodellen (zB Gleitzeit) bestehen keine Bedenken, der Abfrage einen repräsentativen Arbeitsbeginn bzw. ein repräsentatives Arbeitsende zu Grunde zu legen. Liegen Wohnort und Arbeitsstätte innerhalb eines Verkehrsverbundes, wird Unzumutbarkeit infolge langer Reisedauer im Allgemeinen nicht gegeben sein. Laut Auskunft ihres Dienstgebers beträgt der Gleitzeitrahmen für Montag, Mittwoch und Donnerstag von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Am Dienstag von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr und am Freitag von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr.
Laut Routenplaner „VonAnachB“ sind zB am Morgen folgende Verbindungen von ***Ort2*** nach ***Ort1*** möglich:
05:07 – 07:49 Uhr = 2h 42 min
05:37 – 07:27 Uhr = 1h 37 min
05:37 – 07:27 Uhr = 1h 50 min
05:37 – 08:19 Uhr = 2h 42 min
06:07 – 07:49 Uhr = 1h 42 min
06:19 – 08:13 Uhr = 1h 54 min
06:37 – 08:19 Uhr = 1h 42 min
Für die Heimfahrt stehen laut Routenplaner „VonAnachB“ am Nachmittag zB folgende Verbindungen von ***Ort1*** nach ***Ort2*** zur Verfügung:
15:04 – 16:51 Uhr = 1h 47 min
15:24 – 17:21 Uhr = 1h 57 min
15:47 – 17:37 Uhr = 1h 50 min
15:47 – 18:21 Uhr = 2h 34 min
16:02 – 17:51 Uhr = 1h 49 min
16:04 – 17:51 Uhr = 1h 47min
16:07 – 18:07 Uhr = 2h 00 min
16:47 – 18:37 Uhr = 1h 50 min
16:47 – 19:21 Uhr = 2h 34 min
17:17 – 19:07 Uhr = 1h 50 min
17:47 – 19:37 Uhr = 1h 50 min
17:47 – 20:21 Uhr = 2h 34 min
17:53 – 20:07 Uhr = 2h 14 min
18:04 – 20:07 Uhr = 2h 03 min
Laut den von Ihnen vorgelegten Ausdrucken aus dem Pendlerrechner
1) ............................... Arbeitsbeginn: 7:00 Uhr – Arbeitsende: 15:30 Uhr = zumutbar, daher kleines Pendlerpauschale über 60km
2) ............................... Arbeitsbeginn: 7:45 Uhr – Arbeitsende: 16:15 Uhr = zumutbar, daher kleines Pendlerpauschale über 60km
3) ............................... Arbeitsbeginn: 7:15 Uhr – Arbeitsende: 13:15 Uhr = unzumutbar, daher großes Pendlerpauschale über 60km
4) ............................... Arbeitsbeginn: 7:30 Uhr – Arbeitsende: 13:30 Uhr = zumutbar, daher kleines Pendlerpauschale über 60km
ist ersichtlich, dass an den überwiegenden Tagen im Lohnzahlungszeitraum die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels möglich und zumutbar ist, und daher nur das kleine Pendlerpauschale über 60km zusteht.
Unzumutbarkeit wegen langer Anfahrtszeit (§ 2 Abs. 1 Z 2 Pendlerverordnung): Übersteigt die Zeitdauer 60 Minuten, nicht aber 120 Minuten, ist auf die entfernungsabhängige Höchstdauer abzustellen. Diese beträgt 60 Minuten zuzüglich einer Minute pro Kilometer der Entfernung, jedoch maximal 120 Minuten. Laut Pendlerrechner beträgt die Entfernung Wohnung-Arbeitsstätte 83 Kilometer. 60 + 83 = 143
Das heißt, die entfernungsabhängige Höchstdauer in Ihrem Fall beträgt 120 Minuten (laut Pendlerverordnung). Diese Höchstdauer wird in den von Ihnen vorgelegten Ausdrucken aus dem Pendlerrechner unterschritten – außer am Freitag, was jedoch für die Beurteilung keine Relevanz hat, da dies im Lohnzahlungszeitraum nicht überwiegend der Fall ist.“

Am brachte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag über FinanzOnline ein. Darin gab sie an, täglich von Montag bis Freitag um 04.51 Uhr bis 07:00 Uhr bzw 07:15 Uhr nach ***Ort1*** zu fahren. Zurück nach ***Ort2*** fahre sie von Montag bis Donnerstag um 15:40 Uhr bis 17:35 Uhr bzw 18:05 Uhr bzw am Freitag um 13:40 Uhr bzw 16:05 Uhr. Ein Dienstantritt nach 07:50 Uhr sei ihr aufgrund ihrer Tätigkeit (Vertretung in der Hauptkasse) nicht möglich. Aufgrund von Verspätungen der ÖBB komme es bei mehr als 50% der Fahrten zu einer längeren Reisedauer als 120 Minuten.

Am erfolgte durch die belangte Behörde die Vorlage der gegenständlichen Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die ***Arbeitgeberin*** ersucht, die Arbeitszeitaufzeichnungen der Beschwerdeführerin für das Kalenderjahr 2016 vorzulegen. Die daraufhin von der ***Arbeitgeberin*** übermittelten Arbeitszeitaufzeichnungen wurden den Parteien des Beschwerdeverfahrens mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom zur Kenntnis gebracht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführerin war im Streitjahr 2016 ab dem 11.1. nichtselbständig tätig. Ihre Arbeitsstätte lag an der Adresse ***Ort1***. Ihren Wohnsitz hatte die Beschwerdeführerin an der Adresse ***Ort2***.

Die Beschwerdeführerin war im Streitzeitraum (ab dem 11.1.) mit einem Arbeitsausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigt und konnte dabei gleitende Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Die tatsächlichen Zeiten des Arbeitsbeginns und Arbeitsendes im Streitzeitraum stellen sich wie folgt dar:

Die Beschwerdeführerin legte ihrem Arbeitgeber betreffend den Streitzeitraum kein Berechnungsformular L34 EDV („Erklärung/Nachweis zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales und des Pendlereuro ab “) vor, weshalb vom Arbeitgeber bei der laufenden Lohnverrechnung kein Pendlerpauschale und kein Pendlereuro berücksichtigt wurden.

Für den Zeitraum bis bezog die Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld im Gesamtbetrag von 360,50 Euro. Dem Bescheid der belangten Behörde vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 war nur ein Betrag von 108,15 Euro zugrunde gelegt worden.

2. Beweiswürdigung

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 idF BGBl I 2015/118 lautet auszugsweise:

6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.

c) Beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale:
Bei mindestens 20 km bis 40 km      696 Euro jährlich,
bei mehr als 40 km bis 60 km           1 356 Euro jährlich,
bei mehr als 60 km              2 016 Euro jährlich.
d) Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:
Bei mindestens 2 km bis 20 km         372 Euro jährlich,
bei mehr als 20 km bis 40 km           1 476 Euro jährlich,
bei mehr als 40 km bis 60 km           2 568 Euro jährlich,
bei mehr als 60 km              3 672 Euro jährlich.
e) Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. c oder d ist, dass der Arbeitnehmer an mindestens elf Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall gilt Folgendes:
– Fährt der Arbeitnehmer an mindestens acht Tagen, aber an nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.
–Fährt der Arbeitnehmer an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.
Einem Steuerpflichtigen steht im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zu.

h) Das Pendlerpauschale ist auch für Feiertage sowie für Lohnzahlungszeiträume zu berücksichtigen, in denen sich der Arbeitnehmer im Krankenstand oder Urlaub befindet.

j) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, Kriterien zur Festlegung der Entfernung und der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenverkehrsmittels mit Verordnung festzulegen.

Gemäß § 3 Abs 1 der Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über die Kriterien zur Ermittlung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros, zur Einrichtung eines Pendlerrechners und zum Vorliegen eines Familienwohnsitzes (Pendlerverordnung), BGBl II 2013/276 idF BGBl II 2014/154, ist für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder unzumutbar ist, für Verhältnisse innerhalb Österreichs der vom Bundesministerium für Finanzen im Internet zur Verfügung gestellte Pendlerrechner zu verwenden. Liegen sowohl Wohnung als auch Arbeitsstätte im Inland, ist demnach das Ergebnis des Pendlerrechners grundsätzlich verpflichtend heranzuziehen (vgl Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel [Hrsg], Die Einkommensteuer [EStG 1988] – Kommentar [58. Lfg 2015] § 16 Abs 1 Z 6 EStG Rz 51).

Bei flexiblen Arbeitszeitmodellen (beispielsweise gleitender Arbeitszeit) ist der Ermittlung der Entfernung (zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ) gem § 1 Abs 4 Pendlerverordnung ein Arbeitsbeginn und ein Arbeitsende zu Grunde zu legen, das den überwiegenden tatsächlichen Arbeitszeiten im Kalenderjahr entspricht (Anm: Diese Regelung wurde eingeführt durch BGBl II 154/2014; nach der Stammfassung der Pendlerverordnung waren noch jene Arbeitszeiten maßgeblich, die den Abfahrtszeiten der zur Verfügung stehenden Massenbeförderungsmittel am besten entsprechen). Diese Arbeitszeiten sind gemäß § 2 Abs 1 Pendlerverordnung auch für die Beurteilung der Zumutbarkeit bzw Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels maßgeblich und demgemäß auch bei Verwendung des vom Bundesministerium für Finanzen im Internet zur Verfügung gestellten Pendlerrechners zugrunde zu legen (vgl ; ).

Den vom Bundesfinanzgericht getroffenen Feststellungen zufolge (siehe Punkt 2.) begann die Beschwerdeführerin ihre Arbeit im Streitjahr mehrheitlich zwischen 6:49 Uhr und 6:58 Uhr. Das Arbeitsende fiel im Vergleich mit den anderen Endigungszeiten überwiegend auf eine Uhrzeit zwischen 15:39 Uhr und 15:47 Uhr.

Ein Berechnungsformular L34 EDV („Erklärung/Nachweis zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales und des Pendlereuro ab “), dem die oa Arbeitszeiten zugrunde liegen, wurde weder von der Beschwerdeführerin noch von der belangten Behörde vorgelegt. Das Bundesfinanzgericht führte aus diesem Grund im Zuge seiner Entscheidungsfindung eine Berechnung mit dem vom Bundesministerium für Finanzen im Internet zur Verfügung gestellten Pendlerrechner durch. Dabei wurden für den abgefragten Tag (Donnerstag, ) gemäß § 1 Abs 4 iVm § 2 Abs 1 Pendlerverordnung für die oa überwiegenden tatsächlichen Arbeitszeiten der Beschwerdeführerin im Kalenderjahr 2016 repräsentative Werte (Arbeitsbeginn um 6:54 Uhr; Arbeitsende um 15:41 Uhr) zugrunde gelegt. Das auf diese Weise vom Bundesfinanzgericht erstellte Berechnungsformular L34 EDV (vgl Beilage 2), das einen integrierenden Bestandteil dieses Erkenntnisses bildet, dokumentiert die Zumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels für Fahrten zwischen Wohnung (***Ort2***) und Arbeitsstätte (***Ort1***).

Wie bereits oben ausgeführt wurde, ist das Ergebnis des Pendlerrechners grundsätzlich verpflichtend heranzuziehen. Gem § 3 Abs 5 Pendlerverordnung ist das Ergebnis des Pendlerrechners (nur dann) nicht heranzuziehen, wenn nachgewiesen wird, dass
1. bei der Berechnung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw der Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Wohnung oder
2. bei der Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels unzumutbar ist, unrichtige Verhältnisse berücksichtigt werden.

Der Nachweis, dass unrichtige Verhältnisse berücksichtigt wurden, kann vom Steuerpflichtigen nur im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erbracht werden. Ein derartiger Nachweis kann dem Grunde nach zB erbracht werden, wenn der Pendlerrechner eine Route über eine nicht öffentliche Privatstraße ermittelt hat (vgl Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel [Hrsg], Die Einkommensteuer [EStG 1988] – Kommentar [58. Lfg 2015] § 16 Abs 1 Z 6 EStG Rz 51). Jene Verhältnisse, die dem Pendlerrechner aufgrund einer abstrakten Betrachtung des Individualverkehrs hinterlegt sind und auf einer typisierenden Betrachtung beruhen (zB Durchschnittsgeschwindigkeiten, Außerachtlassen von Staus), können jedoch nicht berichtigt werden (vgl Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel [Hrsg], Die Einkommensteuer [EStG 1988] – Kommentar [58. Lfg 2015] § 16 Abs 1 Z 6 EStG Rz 51).

Die Beweislast dafür, dass dem Ergebnis des Pendlerrechners im Beschwerdefall unrichtige Verhältnisse zugrunde liegen, trägt der/die Steuerpflichtige. Im beschwerdegegenständlichen Fall bringt die Beschwerdeführerin vor, dass die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aufgrund von Verspätungen der ÖBB überwiegend mehr als 120 Minuten in Anspruch nehmen würden. Das Vorliegen unrichtiger Verhältnisse kann jedoch alleine aufgrund dieses Vorbringens, ohne dass in diesem Zusammenhang substantiierte Beweisanträge gestellt wurden, nicht als erwiesen angenommen werden.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass bei der Ermittlung der Wegzeit eine optimale Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel (Park & Ride) zu unterstellen ist (§ 2 Abs 2 Z 2 Pendlerverordnung ). Dies gilt auch dann, wenn die betroffene Arbeitnehmerin oder der betroffene Arbeitnehmer über kein eigenes Auto verfügt, weil es nicht auf die tatsächlich genutzte Wegstrecke ankommt, sondern auf eine idealtypische Betrachtung abzustellen ist (vgl ). Dem diesem Erkenntnis als Beilage angeschlossenen Ergebnis des Pendlerrechners (vgl Beilage 1) zufolge würde die Wegzeit bei einer Kombination Öffentlicher Verkehrsmittel mit Individualverkehr (Park & Ride) bei der Hinfahrt 100 Minuten und bei der Rückfahrt 95 Minuten betragen. Beliefe sich die unter ausschließlicher Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel anfallende Wegzeit tatsächlich auf mehr als 120 Minuten, wäre nach der Maßgabe des § 2 Abs 2 Z 3 Pendlerverordnung auf die vorgenannten Wegzeiten, die sich bei einer Kombination Öffentlicher Verkehrsmittel mit Individualverkehr (Park & Ride) ergeben, abzustellen.

Das diesem Erkenntnis beiliegende Ergebnis des Pendlerrechners (Beilage 2) ist vor diesem Hintergrund verpflichtend heranzuziehen.

Betreffend die Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin bezogenen Nachzahlung von Arbeitslosengeld durch das Arbeitsmarktservice für den Zeitraum vom bis wird auf die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom verwiesen.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

4. Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor, wenn die vom erkennenden Verwaltungsgericht anzuwendenden Normen klar und eindeutig sind (vgl mwN). Es ist daher gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Abs. 4 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013
§ 2 Abs. 1 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013
§ 3 Abs. 5 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101493.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at